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Der Deutsche Bundestag besteht grundsätzlich aus 598 Abgeordneten. 299 dieser Abgeordneten werden mit der Erststimme direkt in den 299 Wahlkreisen gewählt. Die weiteren Abgeordneten ziehen über die Landeslisten der Parteien ein.
Die Gesamtzahl der Sitze einer Partei in Wahlkreisen oder über Liste gewählt entspricht ihrem Anteil an den bundesweit abgegebenen Zweitstimmen. An der Verteilung der Sitze nehmen jedoch nur Parteien teil, die bundesweit mindestens 5 Prozent der Zweitstimmen oder mindestens drei Direktmandate in Wahlkreisen gewonnen haben.
Häufig sitzen nach einer Wahl aber mehr als 598 Abgeordnete im Bundestag. Denn bei bestimmten Verteilungen von Erst- und Zweitstimmen können sogenannte Überhangmandate und in der Folge auch Ausgleichsmandate entstehen.
Nach der Wahl 2017 etwa kamen so 709 statt 598 Abgeordnete in den Bundestag.
Die Verteilung der Sitze auf Bundesländer und Parteien nach Wählerstimmen erfolgt in mehreren mathematischen Verteilungsschritten: Zuerst werden die 598 Mandate gemäß Einwohnerzahl auf die einzelnen Bundesländer verteilt.
Diese Sitzkontingente pro Land werden dann in den einzelnen Bundesländern auf die Parteien, die überhaupt an der Verteilung der Sitze teilnehmen dürfen, auf der Grundlage der dort gewonnenen Zweitstimmen verteilt.
Ein Beispiel: In einem Bundesland gibt es ein Sitzkontingent von 20 Sitzen. Die A-Partei hat dort anteilig so viele Zweitstimmen bekommen, dass sich für sie im ersten Schritt ein rechnerischer Anspruch von sechs Sitzen ergibt. Weiterhin haben zwei Kandidaten der A-Partei in diesem Land in ihren Wahlkreisen jeweils die meisten Erststimmen bekommen. Das heißt, sie haben für ihre Partei zwei Direktmandate gewonnen.
Das Wahlgesetz sieht vor, dass jeder erfolgreiche Direktkandidat garantiert einen Sitz bekommt.
Nach der aktuellen Wahlreform, die zum Ziel hat, die Abgeordnetenzahl zu verringern, ergibt sich aus dieser Konstellation für die A-Partei in diesem Bundesland folgende Konsequenz: Aus dem rechnerischen Anspruch von sechs Sitzen im ersten Schritt, sowie zwei gewonnenen Wahlkreisen ergibt sich ein Mindestanspruch der A-Partei in diesem Bundesland von vier Sitzen, nämlich der Mitte zwischen zwei und sechs. Dazu später mehr.
Die A-Partei wird also mit mindestens vier Abgeordneten, zwei davon direkt gewählt in Wahlkreisen, im Bundestag vertreten sein. Es können aber auch mehr sein. Das hängt von den weiteren Verteilungsschritten und den anderen Parteien ab.
Ein weiteres Beispiel: Auch in einem anderen Bundesland hat die A-Partei anteilig so viele Zweitstimmen bekommen, dass sie dort ebenfalls einen rechnerischen Anspruch von sechs Sitzen hat. Aber die A-Partei hat in diesem Bundesland neun Wahlkreise direkt gewonnen. Der Mindestanspruch der A-Partei in diesem Bundesland liegt also bei neun Sitzen. Denn gewonnene Direktmandate sind garantiert. Und damit sind in diesem Bundesland drei Überhangmandate entstanden.
Auf diese Weise werden in allen 16 Bundesländern für alle Parteien, die an der Verteilung der Sitze teilnehmen, Mindestsitzzahlen berechnet. Diese Sitzzahlen sind den Parteien in den Ländern garantiert. Dies gilt auch für die Länder, in denen Parteien zu viele Mandate bekommen haben, weil sie Überhangmandate erzielt haben. Das bedeutet mehr Sitze für die Parteien.
Aber diese Überhangmandate verletzen eine Grundannahme des Wahlsystems. Das Kräfteverhältnis der Parteien im Bundestag muss grundsätzlich dem Verhältnis der abgegebenen Zweitstimmen entsprechen. Das Wahlsystem zur Wahl 2021 behandelt diese Überhangmandate wie folgt: Erstens durch Verschiebungen der Kräfteverhältnisse innerhalb einer Partei, aber zwischen Bundesländern.
Am Beispiel der A-Partei: Im ersten Bundesland liegt die Mindestanzahl nur bei vier Sitzen, obwohl ihr auf Basis des Zweitstimmen Ergebnisses rechnerisch sechs Sitze zustehen würden, während die A-Partei im zweiten Bundesland drei Überhangmandate erzielt hat.
In solchen Situationen kommt es zu einer internen Verrechnung. Im konkreten Beispiel könnten zwei der drei Überhangmandate durch eine interne Umverteilung zwischen Bundesländern kompensiert werden.
Der nächste Ansatzpunkt der aktuellen Wahlreform betrifft die Ausgleichsmandate: Auch nach der internen Verrechnung kann es sein, dass nicht kompensierte Überhangmandate bei einer Partei übrigbleiben. Dies verletzt aber das Grundprinzip, dass das Kräfteverhältnis der Parteien im Bundestag dem Verhältnis der bundesweit abgegebenen Zweitstimmen entsprechen muss.
Um das Kräfteverhältnis wiederherzustellen, wird der Bundestag solange vergrößert, bis das bundesweite Kräfteverhältnis der Sitze grundsätzlich dem Verhältnis der bundesweiten Zweitstimmen zwischen den Parteien entspricht.
Auch hier mit einer kleinen Ausnahme: An dieser Stelle hat der Gesetzgeber im neuen Wahlrecht 2021 eine zweite Änderung eingeführt. Die Zahl der Sitze im Bundestag wird jetzt nur noch solange weiter erhöht, bis maximal drei Überhangmandate unausgeglichen bleiben.
Dies führt am Ende zu einer reduzierten Zahl von Ausgleichsmandaten.
Hätten die beiden Neuerungen zur Wahl 2021 schon 2017 gegolten, hätte der 19. Bundestag statt 709 Abgeordnete 686, also 23 Abgeordnete weniger. Zur Bundestagswahl 2025 sollen die 299 Wahlkreise auf 280 verringert werden, so soll zusätzlich die Zahl der Überhang- und damit auch der Ausgleichsmandate weiter reduziert werden.
Außerdem soll eine Reformkommission bis Juni 2023 eine Überprüfung des Wahlrechts vornehmen.
Mehr Informationen
Konzeption und Umsetzung: Astrid Reinberger
Design: Melih Bilgil, Animation: Dina Saleem
Sprecher: Melanie Pukaß
Gutachter: Prof. Dr. Thorsten Faas, Simon Richter
Redaktion: Stefan Lampe Übersetzung in Deutscher Gebärdensprache: Gebärdenwerk GmbH, Hamburg
Produktion: 08.2021
Spieldauer: 7 Min.
hrsg. von: Bundeszentrale für politische Bildung
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Dieser Text und Medieninhalt sind unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht.
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