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Über die geistige Welt des Ostjudentums Yiddisch | APuZ 39/1960 | bpb.de

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APuZ 39/1960 Jüdisches Dasein -Bedrängnis und Behauptung Über die geistige Welt des Ostjudentums Yiddisch

Über die geistige Welt des Ostjudentums Yiddisch

JOSEF WULF

Yiddisch ist weder die erste Fremdsprache, welche die Juden erlernten, noch die erste Umgangssprache, die sie sich zu eigen machten, eine völkische Literatur in ihr schufen oder ihr Volkstum darin ausdrückten. Nur bis zum 6. Jahrhundert vor Christus war nämlich Hebräisch Umgangssprache, während es danach ausschließlich der Religion oder Gelehrten Vorbehalten blieb. Zur Zeit des zweiten Tempels sprachen die Juden aramäisch im täglichen Leben, später noch eine Vielzahl anderer Sprachen. Hebräisch galt nach dem Sturz des zweiten Tempels als „Heilige Sprache“. Die in Palästina Zurückbleibenden lernten griechisch, die Juden im Nahen Osten oder Nordafrika wählten arabisch, jene in Spanien — Sephardim genannt — formten ihr Ladino und die nach Mitteleuropa einwandernden Juden — die Aschkenasim — sprachen eben yiddisch. Sie hielten an " dieser Sprache fest, als sie nach Osteuropa verschlagen wurden, und so ist es seit dem Mittelalter, seit etwa tausend Jahren geblieben. Im Laufe der Jahrhunderte hat es immer wieder Strömungen gegen diese Sprache gegeben. Auch der Zionismus lehnte sie beispielsweise ab, weil er ja das Volk zu seinem Ursprung zurückführen wollte und deshalb schon keine Sprache der Diaspora anerkannte. Alle Hebraisten in Osteuropa bekämpften daher die yiddische Umgangssprache des Volkes.

Bis 1939 hatten derartige Diskussionen wohl noch einen gewissen Sinn, denn damals sprachen elf der sechzehn Millionen Juden yiddisch. Meistens war ihnen das Hebräische überhaupt nur insoweit geläufig, als es die Gebete anlangte. Seiner wirklich mächtig sind lediglich die Gelehrten und die sehr Gebildeten gewesen. Alle anderen kannten kaum Bruchstücke der Bibelsprache. Man möchte fast sagen, das Leben der Juden — besonders in Osteuropa — ließ sich in den biblischen Tag und die Nacht im Exil teilen, das Gestern im Land der Väter und das Heute inmitten fremder Völker, die fast zweitausendjährige Diaspora. Unter dieser Voraussetzung ist die Geschichte des jüdischen Exils zu verstehen, allein so zu begreifen, weshalb die „Heilige Sprache" stets erhalten blieb, wenn sie sich auch im Laufe der Jahrhunderte ein wenig veränderte.

Im allgemeinen darf man sagen, Yiddisch ist von Anfang an ein Idiom des heimischen Herdes, des Unterrichts im „Cheder" (Volksschule) oder in der „Yeschiwa“ (Mittelschule) und eben der zwanglosen Plauderei gewesen, während Hebräisch den formvollendeten Briefen hochgebildeter Männer oder rabbinischen Schriften vorbehalten war.

Heute allerdings scheint das alles ein wenig überholt, weil Millionen der yiddisch-sprechenden Welt im letzten Krieg ausgerottet wurden und die hebräische Sprache inzwischen wieder lebendig, nämlich Mundart eines Volkes und Staates geworden ist.

Yiddisch soll sich im 10. Jahrhundert im Rheingebiet entwickelt haben, weil dort die Juden zuerst das damalige Deutsch annahmen. Selbstverständlich formten sie den rheinischen Dialekt im Laufe der Zeit auf eigene Art um, schrieben ihn mit hebräischen Buchstaben, änderten Grammatik und Satzlehre, verschoben die Betonung oder gaben den Worten gar eine völlig andere Bedeutung. Aus dem mittelalterlichen Deutsch wurde so halt Yiddisch. Als Sprache der Väter, der Heiligen Schrift, der Heimat und im Schatz frommer Erinnerungen bestand aber das Hebräische fort.

In Osteuropa nahm das Yiddische zu seinen Hebraismen und Aramäismen selbstverständlich auch noch Slawismen auf und entfernte sich so immer mehr vom Deutschen. Gleichzeitig aber wuchs die Sprache nun auch aus sich selbst heraus weiter. Sie entwickelte ihren ganz eigenen Charakter, (die für sie typische Betonung) und wurde so gewissermaßen allmählich jüdischer.

Das erste Schrifttum in yiddischer Sprache ist, ganz wie im Mittelalter in anderen Sprachen ebenfalls, frommer Natur und wohl eigentlich mehr Übersetzung hebräischer Schriften. Oder es sind Erzählungen von der Flucht in fremde Länder und Erdteile, vom Leid und dem Leben im Exil, Schilderungen der christlichen Kulturen der Gastvölker. Manchmal handelt es sich auch um alte Volkssagen. Die ersten überlieferten yiddischen Schriften sind jedenfalls hauptsächlich Legenden und Sagen.

Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert entstanden dann yiddische Gesänge, die stark von den Heldenliedern der Umwelt beeinflußt worden sind. Yiddisch nahmen jedoch auch diese Gesänge selbstverständlich eigenen Charakter und jüdische Mentalität an.

Yiddische Lyrik jener Tage ist an sich kaum überliefert, und wenn, so befaßt sie sich meistens mit religiösen Dingen oder der Bürde des Exils. Ihre Erhaltung ist vornehmlich den jüdischen Frauen zu danken, denn sie waren es, die überhaupt damit begannen, yiddische Schriften — gleich welcher Art — zusammenzutragen und aufzubewahren. Natürlich hatten nur die Wohlhabenden dazu Zeit.

Das erste yiddische Werk von einigem literarischen Wert ist das Samuelbuch. Der leider unbekannte Verfasser muß es im 15. Jahrhundert geschrieben haben, doch wurde es erst fast hundert Jahre später entdeckt. Es handelt sich um ein gutes episches Gedicht, das König David als mittelalterlichen Herrscher und Ritter jüdischen Heldentums besingt, ihn jedoch als „Herzog David" bezeichnet. Sogar Erotik ist bereits in dies Epos hineingewebt.

Obwohl damals in Polen kaum 150 000 Juden lebten, gab es im 16. Jahrhundert in Krakau schon eine jüdische Druckerei, aber verschiedene jüdische Historiker stehen auf dem Standpunkt, lange bevor die Kunst des Druckens überhaupt erfunden wurde, habe es bereits eine handschriftliche Yiddisch-Literatur gegeben. Das „Bovobuch" von Eliahu Bachur — in der nichtjüdischen Welt ist er als Elia Levita bekannt geworden — kam ebenfalls im 16. Jahrhundert heraus. Dieser Eliahu Bachur darf sozusagen als Renaissance-barde der Yiddisch-Literatur betrachtet werden. Er schrieb Verse, wie sie damals in Italien Mode waren, denn dort verbrachte er fast sein ganzes Leben, obwohl er eigentlich aus Deutschland stammte und 1469 in einem Dörfchen bei Regensburg geboren ist. Er starb 1549 in Venedig. Aber nicht nur diese Verse sind ihm zu danken! Bachur vor allem war es nämlich, der den großen Humanisten seiner Zeit die hebräische Sprache erschloß, indem er Lexica und Grammatiken zusammenstellte. Da Eliahu Bachur lange Zeit im Palast des berühmten Humanisten und späteren Kardinals Egidio von Viterbo lebte, lehrte er auch diesen hebräisch. Dem „Bovobuch" ist zu entnehmen, wie stark die yiddischen Verse und überhaupt Schriften des Mittelalters vom Hildebrandlied und der Dietrich von Bern Sage beeinflußt worden sind.

Eigentlich entstanden jedoch die ersten yiddischen Bücher für die Frauen, damit auch sie die biblischen Geschichten lesen konnten, denn der hebräischen Sprache waren ja — wie gesagt — lediglich die Gelehrten und allenfalls sehr gebildete Männer wirklich mächtig.

Anfangs des 17. Jahrhunderts kamen so zunächst die „Tsenna Urenna“ — biblische Geschichten — heraus. Es handelt sich da um Prosa und auch Verse mit einigen Erläuterungen. Der Verfasser nannte sich „Jakob, der Sohn von Icchak Ashkenazi", geboren im polnischen Städtchen Janowa und gestorben in Prag. Welchen Erfolg gerade dieses Werk „Tsenna Urenna" hatte, wird vielleicht aus der Tatsache ersichtlich, daß seit der ersten Auflage 1616 in Lublin bis heute 126 weitere Auflagen erschienen sind, und zwar in Polen, Rußland, Deutschland und Böhmen gedruckt.

Fast zur gleichen Zeit erschienen eine Sammlung „Techinot" — Gebete — für die Frauen, denn, wie der unlängst in New York verstorbene Historiker der Yiddisch-Literatur Niger meint, waren eben die hebräischen Gebete für die Frauen „zu kalt, streng und abstrakt“. Erst die „Techinot" in yiddisch brachten auch den Frauen die Gebete nahe, machten sie ihnen „vertraut und intim-gemütlich".

Im 17. und 18. Jahrhundert gab es dann schon viele yiddische Bücher, doch genügt fast keins von ihnen heute noch literarischen Ansprüchen. Bis auf eine Ausnahme allerdings: Die Erinnerungen der Glückei von Hameln! Das ist eine hervorragende Schilderung jüdischen Familienlebens jener Zeit. Glückei von Hameln wurde 1640 in Hamburg geboren und begann ihr Werk erst nach dem frühen Tode ihres ersten Mannes 1690. Sie wollte, wie sie sagte, „ihre Seele ein wenig beruhigen, wenn die melancholischen Gedanken kamen". Sie starb 1724.

Im eigentlichen Sinne des Wortes gibt es eine Yiddisch-Literatur wohl erst seit 150 Jahren. Sie entstand, als der Kampf um die Emanzipation begann.

Vornehmlich sind es in ihr wieder vier Hauptströmungen, welche sich deutlich abzeichnen: Die „Haskala" oder Aufklärung, der Chassidismus oder religiöse Wiederauferstehungsbewegung, der Zionismus und der Sozialismus.

Ostjudentum entwickelte eigene Kultur

Bevor auf diese Literatur näher eingegangen wird, sollte vielleicht etwas über das Ostjudentum gesagt werden, in dem ja diese Strömungen und diese Literatur entstanden, denn ausschließlich im Ostjudentum entwickelte sich überhaupt die Yiddischkultur. Sie ist ihre alleinige Domäne. Man darf behaupten, daß sie in Rußland und Polen, in Galizien und Rumänien seit gut hundert Jahren existiert, ohne daß die übrige Welt davon auch nur etwas ahnte. -Als Volk durften die Juden im Osten ja nicht in Erscheinung treten, andererseits den Gastvölkern aber auch nicht richtig angehören. So war es nur natürlich, daß ein Band gleicher Sprache,'gleichen Lebensstils und gleicher Atmosphäre sie alle um so fester zusammenhielt. Der markanteste Zug der Yiddisch-Literatur dürfte darin zu erblicken sein, daß alles Sinnen und Trachten stets auf die andere, die bessere Welt gerichtet ist. „Gan-Eden — das Paradies — war ja die große Sehnsucht des gesamten Volkes. Manche Frauen verrichteten freudig lange Zeit schwerste Arbeit, nur um „später" einmal zu Füßen ihres gelehrten Mannes sitzen zu können. Ebenso suchten sich viele reiche Leute einen ganz armen Schwiegersohn, wenn er nur ein gewandter Talmudist war, zu dessen „Füßen die Tochter später sitzen“ würde.

Der Sabbath gilt den Juden Osteuropas als kleiner Vorgeschmack jener besseren, ersehnten Welt. Der Sabbath soll ihn beseligen und „weihen, , nachdem die ganze Woche der Plage mit irdischen Dingen gehörte. Sechs Tage der Woche zahlt der Jude im Exil auf allen fünf Kontinenten seiner Umwelt den Tribut, um sich am siebenten, dem „Ruhetag des Ewigen", nur mit überirdischen Dingen beschäftigen zu dürfen. Ohne seinen Sabbath wäre ihm die jahrhundertelange Diaspora, stets von Haß umgeben und von Pogromen bedroht, sein ganzes Schicksal und Märtyrertum, wohl unerträglich gewesen.

Die kleine yiddischsprechende Welt im Osten Europas ist dem Westen meistens nicht nur unbekannt, sondern wahrscheinlich größtenteils auch unverständlich geblieben. Der aufgeklärte Westeuropäer muß schon viel guten Willen und noch mehr Phantasie mitbringen, um sie überhaupt zu begreifen und gar noch gern zu haben. In der Yiddisch-Welt bezieht sich alles auf Gott, religiöse Tradition und Ritus. Manchmal ist das nicht einmal trocken. Gott bedeutet dem Ostjudentum ja nicht nur Name und Sehnsucht, sondern allgegenwärtige, recht lebendige Kraft im Alltag. Der klassisch-rabbinische Gott war allgegenwärtig, allwissend, allgut, ewig und gerecht. Für den Ostjuden kam jedoch noch hinzu, daß ihm Gott auch noch vertraut und sozusagen heimisch war. Kein Jude im Osten Europas stellt sich Gott in ferner Pracht erhaben vor, und deshalb sind vielleicht viele seiner Synagogen auf Erden keineswegs pompöse Bauwerke. Oft machen sie sogar einen recht schäbigen Eindruck, diese bescheidenen Holzbaracken.

In der Yiddisch-Welt fühlt man sich seinem Gott stets nahe; man wendet sich in allen Lebenslagen ganz selbstverständlich an ihn. Schon vor langer Zeit sprach der Ostjude etwa so zu seinem Gott wie Guarescchis Don Camillo und rechtete auch ganz ungeniert mit ihm. Ein yiddisches Sprichwort besagt, die Menschen würden Gott die Fensterscheiben einwerfen, falls er auf Erden leben sollte.

Die ganze Yiddisch-Literatur befaßt sich mit dem Inbegriff allen jüdischen Lebens im Osten, dem kleinen Städtchen, das fast ausschließlich jüdische Einwohner hatte. Das Städtl eben, über das Marc Chagal sagte: „Die Erde, welche die Wurzeln meiner Kunst genährt hat, war Witebsk. Ob nun Witebsk oder, wie bei Scholem Alechem, Poltawa und Kiew, es ist die gleiche Erde, auf der sich das Ostjudentum in seinen Kaftan wie in eine Ritterrüstung panzerte, eine ganz eigenartige Geisteswelt schuf, sie wahrte und überlieferte. Wenn man die soziale Struktur des jüdischen Lebens im Osten kennt, ist das sehr begreiflich.

Es versteht sich, daß es auch in einem kleinen Städtchen mancherlei Zwistigkeiten gab, aber gegen die Außenwelt — vor allem bei der ständigen Pogromgefahr — hielt es unerschütterlich zusammen.

Die dauernde Unsicherheit weckte zudem in den Juden Osteuropas das unbestimmte Gefühl, von der Geschichte vergessen worden und von der westlichen Welt, von der sie ja gewissermaßen abgeschnitten waren, auch längst abgeschrieben zu sein. Vielleicht lebten sie deshalb so zeitlos in mythischer Vergangenheit und hofften nur unerschütterlich auf die Zukunft, in der ein Messias die Welt ja erlösen würde. Jeder neue Tag brachte die Erlösung ein wenig näher, und so hofften sie nur umso sehnsüchtiger, je härtere Schicksalsschläge sie trafen. Manchmal war es ein rechter Platzregen, der da auf sie herniederprasselte! In der Yiddisch-Literatur stellt den Helden meistens ein Armer dar. „Ich war mit Gottes Hilfe ein armer Mann!" erklärt Scholem Alechems Tewje, der Milchmann. Und das ist bezeichnend.

Die Weltabgeschiedenheit, das ganz in sich und ins ostjüdische Städtl Versponnene, kommen in der Yiddisch-Literatur ebenso immer Wieder zum Vorschein wie die bedauerliche Überzeugung, daß die fetten Fleischtöpfe dieser Welt eben nicht für die Einwohner des Städtchens bestimmt sind. In jedem solchen Flecken ließe sich auch Scholem Alechems zweite Hauptgestalt, Menachem Mendel, aufspüren, denn wer handelte dort nicht mit Luft, tauschte nicht null gegen nichts, um von der Provision zu leben? Das spöttische Achselzucken über die prekäre Lage wird deshalb auch gewissermaßen zum Nationalsymbol der Yiddisch-Welt im Osten.

Vom Chassidismus positiv beeinflußt

Neben anderen religiösen Strömungen und den sozialen Verhältnissen beeinflußte nichts die Yiddisch-Literatur so stark wie der Chassidismus. Er bereicherte die religiösen Gefühle der jüdischen Massen, machte das Leben farbenfreudiger und war deshalb schon weit mehr als nur eine Religionsbewegung oder religiöse Strömung. Überhaupt lagen im Chassidismus Elemente, die dem Ostjuden ins Blut gingen, nichts unbedingt Neues, sondern längst Vertrautes wie Kontemplation und Demut, Sehnsucht nach Gott oder Entsagung und Exaltation. Chassidismus war schon eher ein neuer Lebensstil, eine beglückende Lebensauffassung. Es ist eine sehr volkstümliche, mystisch-religiöse Lehre der Gottesannäherung, des sich ganz in Gott Versenkens. Martin Buber hat den Chassidismus in einmaliger Weise auch dem deutschen Leser zugänglich gemacht und man versteht, daß Gott für den chassidischen Menschen der Inbegriff aller Welten war. Der Chassidismus hob den Gläubigen über sich selbst empor und führte im Leben des Ostjuden so gewissermaßen eine soziale Revolution durch. Früher galt nämlich nur das Wort des Gelehrten, während sich auf einmal auch schon das geistige Wollen und der Dienst an Gott als fruchtbar auswirkten. Der chassidische Rabbi Pinchas aus Koritz lehrte, Gebet und Gott seien eins.

Selbst die yiddische Sprache gewann durch den Chassidismus. Sie wurde edler und auf ein höheres Niveau gehoben. Chassidische Rabbis — die Zadiks — sprachen ausschließlich yiddisch, manche sogar beim Gebet, weil es ja die Sprache des Volkes war. „Gott braucht Herz,“ heißt es in der jüdischen Mystik. Und das Herz spricht nun einmal stets in seiner Muttersprache.

Rabbi Nachman von Bratzlaw, den Martin Buber ebenfalls meisterhaft ins Deutsche übertrug, war der große Mittler zwischen Chassidismus und yiddischer Sprache. Viele Historiker stehen überhaupt auf dem Standpunkt, zwei Elemente vor allem hätten bei der Entwicklung der yiddischen Sprache eine ausschlaggebende Rolle gespielt: die jüdische Frau und der Chassidismus, jene Bewegung eben, die wohl das bedeutendste Wiederaufleben religiöser Begeisterung der Neuzeit überhaupt gewesen sein dürfte.

Sie entstand hauptsächlich in der Ukraine und Polen. Ihr Mittelpunkt war stets der Zadik — der Weise —, welcher seinen Anhängern näher zu Gott verhalf und sie lehrte, was sie zu tun hatten. Da nun der Chassidismus gerade in einer Zeit entstand da Osteuropas Juden nach geistiger Nahrung hungerten, breitete er sich mit Windeseile aus und brachte bald die Hälfte der armen jüdischen Massen hinter sich. Lehrte er doch — so jedenfalls definierte es der führende Historiker des europäischen Judentums, Simon Dubnow — „nicht auf die äußere, sondern auf die innere Erleuchtung komme es an; darauf, daß an Stelle der ritualistischen Religion die ekstatische trete, an Stelle des Nationalismus messianistischer Prägung der religiöse Individualismus.“

Nur bei den litauischen Juden, die in ihrem Rationalismus härter und orthodoxer waren, setzte sich der Chassidismus nicht durch. Sie bekämpften ihn vielmehr erbittert. Der Philosoph Salomo Maimon sagte über seine litauischen Landsleute, daß nur das Studium des Talmuds, auf das ihr Hauptaugenmerk gerichtet sei, für sie zähle.

Die moderne Yiddisch-Literatur entstand im Grunde genommen sogar vielleicht gerade aus der Verbindung der zwar anti-chassidischen, aber tief rabbinischen Tradition des litauischen Judentums einerseits und der chassidischen Ursehnsucht der polnischen und ukrainischen Juden an-dererseits. Aus dieser Atmosphäre erwuchsen jedenfalls die ersten Yiddisch-Schriftsteller, aus ihr nährten sich ihre Nachfolger.

Grundpfeiler der Yiddisch-Literatur sind die drei Klassiker: Mendele Mocher Sfarim, Scholem Alechem und Itzhak Leib Peretz. Jedenfalls, was die Prosa anlangt, denn die Lyrik kam erst sehr viel später. Mendele Mocher Sfarim bedeutet: Mendele, der Buchhändler. Er wurde 1836 geboren und starb 1917. Seine meistens kurzen Erzählungen befassen sich mit dem geistigen Leben der Juden und zeigen starken Einfluß der Emanzipation. Er wollte die breiten Massen aus ihrer Lethargie aufrütteln. Derartige Versuche sind in der jüdischen Geschichte schon oft unternommen worden, weil die Jahrhunderte ja immer wieder neue Isolierung für das jüdische Volk brachten. Dieser erste Klassiker selbst hielt sich teils für den frommen Juden der Synagoge, teils aber für den Skeptiker der Aufklärung. In typisch jüdischem bitteren Scherz meinte er, nur Gott allein könne die Juden im Himmel auch so hassen, wie sie auf Erden schon gehaßt würden.

Seltsamerweise ist Peretz, der sich mit dem Chassidismus beschäftigte, den breiten Massen nie so vertraut geworden wie Mendele Mocher Sfarim, der aus dem Yiddischen erst ein literarisches Instrument schmiedete und zeigte, wie Hebraismen im Yiddischen ausgeglichen werden können. Vom Nichtjuden wird gerade Mendele Mocher Sfarim jedoch kaum verstanden, weil bei ihm selbst die Natur ein jüdisches Aussehen annimmt. Da werden Wälder zu Synagogen und Bäume schwanken wie betende Männer hin und her. Sowohl bei ihm als später auch bei Scholem Alechem geht der Horizont selten über die Grenzen jüdischen Lebens hinaus. Der lockend-bedrohlichen Außenwelt wird wohl einmal Erwähnung getan, doch selten zeigt man sie dann auch wirklich. Jedenfalls hat niemand wieder wie Mendele Mocher Sfarim den Juden in seinem Heim, der Gemeinde oder auch Synagoge so lebensecht dargestellt.

Scholem Alechem, der 1859 geboren und 1916 gestorben ist, hegte keine didaktischen Absichten, vermittelt jedoch, wie selten ein Schriftsteller, Einblick in eine fremde Kultur. Nur wenigen Autoren mag es beschieden sein, ihre Leser so zu fesseln wie Scholem Alechem seine Juden. Er gehörte ihnen allein und alle liebten und lieben ihn. Er ist der zweite der Klassiker und vor allem der Dichter des jüdischen Humanismus. Er zeigt, wie sich der Jude im Osten über den Pomp dieser Welt hinwegsetzt, aber er wirkt auch als Beschützer und Verteidiger jüdischen Lebensstils, der engen Yiddisch-Welt, des leidenschaftlichen Bedürfnisses der Juden nach Würde. Das ganze Volk erkannte Scholem Alechem als Richter an. Er durfte jeden verspotten, ihn lächerlich machen, seine Eitelkeiten zeigen oder auf die Tragödie, das jämmerliche. Dilemma des jüdischen Städtchens hindeuten. Niemand nahm ihm übel, wenn er auf die Ironie hinwies, daß sie trotz allem, das auserwählte Volk zu sein behaupteten. Meisterhaft schilderte dieser Humorist den typisch jüdischen Gefühlsablauf, wenn es um eine seiner Hauptgestalten, Tewje, den Milchmann, geht. Eigentlich handelt es sich um eine Anzahl von Monologen des Milchmanns, die — ob nun freudig oder kummervoll — verraten, daß Tewje aus einer langen Reihe von Märtyrern und Schriftgelehrten hervorgegangen sein muß, mag auch dieser letzte Sproß am alten Stamm keineswegs gelehrt oder auch nur im landläufigen Sinne gebildet sein. Seine Herkunft offenbart sich dem Leser vielmehr nur im aristokratisch-ruhigen Hinnehmen des Geschehens, in seiner gesamten Lebenshaltung. Bezeichnete man ihn als Intellektuellen, würde Tewje gewiß lachen, denn er kann ja weder den Talmud interpretieren, noch würde er wagen, die Mystik der Kabbala zu erläutern. Tewje kennt ganz einfach seine Bibel fast auswendig und weiß vielleicht etwas in den Kommentaren Bescheid. Auf seine Art meditiert der Milchmann über die Welt, das Leben im allgemeinen und sein eigenes im besonderen oder über das Leiden auf Erden und seine persönlichen Kümmernisse. Allerdings würde es ihm nie einfallen, jemandem die Schuld an seinem Elend zu geben oder andere dafür strafen zu wollen. Er ist sehr für Gerechtigkeit, will aber auch seinen Anteil davon haben. Über alles spricht Tewje mit Gott. Muß er entdecken, daß Gott offenbar weder die Welt noch die Verhältnisse eines Milchmannes ändern will, so versucht er, Gott wenigstens davon zu überzeugen, auf jeden Fall sei es an ihm, Abhilfe zu schaffen. Tewje schimpft nicht, wird nie grob, aber er spürt deutlich, etwas in dieser Welt und seinem eigenen Dasein ist nicht so, wie es sein sollte. Da er selbst das nicht in Ordnung bringen kann, will er Gott dazu überreden, denn dieser erschuf schließlich die Welt. Scholem Alechems Tewje ist die vollkommenste Personifizierung dessen, was ein chassidischer Rabbi meinte, als er sagte: „Es gibt auf dieser Welt nur ein wirklich Ganzes — und das ist ein gebrochenes Herz!“

Trotz seiner Primitivität stellt Tewje den Inbegriff der Humanität dar und versucht, trotz bitterster Armut niemals die Hoffnung zu verlieren.

Scholem Alechems zweite Hauptfigur ist Menachem Mendel, der „Luftmensch" und ewige Geschäftemacher. Ein Schlemihl, der nie gewinnt, sondern stets verliert. Er repräsentiert das utopische Prinzip des jüdischen Lebens, auch den Dämon unserer Zeit, der von der Gier nach Reichtum getrieben wird. Menachem Mendel ist ein Phantast, der dauernd Pläne schmiedet, jeden nur denkbaren Beruf ausübt, aber in allem eine Niete ist. Er hat an sich zu viel Energie und Unternehmungsgeist, kann sich jedoch weder innerlich noch äußerlich vom „Städtl" freimachen und scheitert daher zwangsläufig bei jedem Anlauf. Er gehört zu den Typen, die Marc Chagal gern malt. Sie schreiten nicht über die Erde, sie schweben, denn ihre Füße berühren den Erdboden gar nicht. Sie geistern über die Dächer und wandeln irgendwo, irgendwie zwischen den Schornsteinen herum.

Menachem Mendel personifiziert bei Scholem Alechem eine bestimmte, rein jüdische Wurzellosigkeit. Er lebt in einer selbstgeschaffenen Traumwelt und entwickelt eine ruhelose, aber recht optimistische Betriebsamkeit, nimmt sich selbst ungeheuer wichtig und überschätzt sich maßlos.

In Scholem Alechem paaren sich viel Humor, beflügelte Phantasie und schon etwas Surrealismus.

Peretz — 1851 geboren und 1915 gestorben — dürfte der programmatischste des klassischen Trios, der Ideologe des Yiddischismus sein. Er lebte in Warschau, dem Zentrum des jüdischen Kulturlebens. Gewannen die beiden anderen die Liebe der breiten Masse, so ist Peretz der Heros der Intellektuellen. Er balanciert ständig zwischen Tradition und Moderne hin und her. Sein Nationalismus ist nicht mehr religiös, wohl eher ein Kulturnationalismus, denn Peretz wollte die Juden im Osten zu liberalem Humanismus und modernen Europäern des 19. Jahrhunderts erziehen. Aber dazu gab es für sie damals in Osteuropa noch gar keine Möglichkeit.

Unter anderen Umständen hätte Peretz vielleicht für das polnische Judentum die Bedeutung erlangen können wie Moses Mendelssohn für die deutschen Juden, aber sowohl er selbst als auch seine Leser waren viel zu tief in den alten Überlieferungen einer tausendjährigen jüdischen Kultur verwurzelt, um sich so schnell daraus zu lösen. Man entfernt sich nicht gern und so leicht vom eigenen Ursprung.

Peretz war sich seiner großen Verantwortung jedoch voll bewußt, wenn er den Lesern Probleme hinwarf und sie aufrüttelte. Zuerst schaute er selbst in die Welt hinaus. Seine ersten realistischen Werke zeugen davon, daß er mit dem Stil der beiden anderen Klassiker gebrochen hatte. Er schrieb genau so nervös und in plastischer Eile wie viele moderne Autoren, auch wenn er häufig alte Sagen oder anderes Erbe der Väter überarbeitete, wie man es in seinen „Chassidischen Erzählungen“ und auch in den „Volkstümlichen Geschichten“ erkennt. Die beiden anderen des Trios blieben dem Rhythmus des verschlafenen Städtchens treu, Peretz nicht. Er repräsentiert schon die junge jüdische Moderne. Ihm sind die jüdischen Massen und die jüdische Gemeinde nur noch Hintergrund. Im Vordergrund dagegen steht bei ihm schon das Individuum.

Später machte er sich daran, auch Sagen und Legenden in ein neues Gewand zu kleiden. Das wirkt einfach, ist aber Produkt seines literarisch überspitzten Intellekts. Am Schluß der Geschichte zeigt sich stets, daß der aufgeklärte Erzähler halt doch anderer Ansicht ist. Dabei hätte sich auch Peretz gern dem Quell chassidischer Freuden hingegeben, konnte es jedoch nicht, weil er einfach nicht daran glaubte. Er ist der letzte große Yiddisch-Schriftsteller, der in Vergangenheit und Gegenwart, in Tradition und Neuzeit, Sage und moderner Literatur gleicherweise daheim war.

Verschmelzung sozialistischer Ideale mit Messiashoffnung

Nach den drei Klassikern folgt auch in der Yiddisch-Literatur fast jeder Stil, jede Richtung des Westens. Aus der yiddischen Prosa und Lyrik der letzten siebzig Jahre wird das klar ersichtlich, denn die dem Klassikertrio folgende Generation zeichnete sich durch Energie, Produktivität und leidenschaftlichen Kampf gegen die eigenen Überlieferungen aus, an denen sie aber dennoch weiter mit kindlicher Liebe hing. Manche der folgenden Schriftsteller hat Peretz selbst noch ermutigt, und sie sahen in ihm ihren Meister, bevor sie sich aus seiner Vormundschaft lösten und eigene Wege suchten. Jedenfalls wurden sie richtungweisend für eine ganze Generation.

Da waren David Pinski, Schalom Asch, Isaac Meier Weißenberg, Zalman Schneour und viele, viele andere. Abraham Reisen machte die liebenswürdig-ironische Erzählung, zu seinem Gebiet. T

Eines Tages befaßten sich die in yiddisch Schreibenden dann auch . nicht mehr ausschließlich mit ihrer kleinen, engen Welt im Osten Europas, sondern griffen europäische oder Weltprobleme auf. Um die Jahrhundertwende erschienen zwei Erzählungen mit gleichem Titel: „Das Stettl“. Schalom Asch schildert noch das romantische Idyll; Weißenberg spricht bereits von Arbeitermassen, Sozialkampf und Streik.

Einige Jahre später schrieb der von Stalin liquidierte David Bergeisen dann über den Verfall jener Welt, die für Jahrhunderte — wenn auch ständig von Pogromen bedroht — im Dornröschenschlaf gelegen hatte.

Im allgemeinen waren die Yiddisch-Schreiber vom jüdischen Sozialismus höchst beeindruckt, weil er ihnen eine schnelle Lösung versprach. In Anbetracht der Vergangenheit stellten sich die einstigen Yeschiwaschüler nämlich vor, die sozialistischen Ideale seien eng mit der Messiashoffnung auf Erlösung zu verschmelzen. Sie sahen das Städtchen und die ganze ostjüdische Gemeinschaft durch die Brille moderner Gesellschaftsanalyse.

Andere wieder verknüpften ihre sozialistischen Träume bald mit der neu aufflammenden und wieder zum Leben erwachsenden nationalen Souveränität in Palästina. Die meisten Schriftsteller hatte es nach Warschau gezogen und dort kamen dann ihre yiddischen Erzählungen oder auch Gedichte heraus, die so ganz anders als alles vorher wirkten.

Nach dem ersten Weltkrieg und dem Tode der drei Klassiker kam es zu einem Umschwung in der yiddischen Literatur. Das Zarenreich zerfiel und die yiddisch Schreibenden wurden in drei Zweige aufgespalten: Polen, Rußland und Amerika.

Die in Rußland Lebenden waren fortan von der Außenwelt hermetisch abgeriegelt, während Polen und Amerika ständig die Verbindung aufrecht erhielten. Bis zur Nazi-Invasion blieb aber Polen das yiddische Kulturzentrum. Dort gab es viele Theater — in Wilna sogar eine Oper —, Schulen und Verlagsanstalten, in denen nur yiddisch gespielt, gesungen, gelehrt und gedruckt wurde. Unzählige Tageszeitungen, Wochen-und Monatszeitschriften kamen in yiddischer Sprache heraus und fanden reißend Absatz bei einem höchst interessierten Publikum.

Yiddisches Schaffen erstreckte sich auf fast alle Gebiete, sei es nun Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst.

Der erste echte yiddische Roman erschien übrigens zwischen den beiden Weltkriegen in Amerika. Es ist „Die Brüder Aschkenasi“ von Israel Joshua Singer. Bald darauf veröffentlichte auch Schalom Asch seine drei Bände „Petersburg“, „Warschau“ und „Moskau", eine Trilogie, welche er „Drei Städte“ überschrieb.

Spätere Yiddisch-Schriftsteller versuchten ebenfalls den geschichtlichen Ablauf und die Enge des jüdischen Lebens im Osten während vieler Jahrhunderte zu schildern, und zwar meistens von Amerika aus. Zu ihnen gehört vor allem Joseph Opatoshu, aber noch viele andere.

In Polen selbst hingegen lief die Yiddisch-Literatur weiter im alten Gleis, und das sogar mehr als im völlig von der westlichen Welt abgeriegelten Sowjetrußland. Trotz Nachkriegsstimmung, Pessimismus und moderner Technik wurde sie in Polen von den Klassikern immer noch stärker beeinflußt als von jeder modernen Literatur Europas. So blieb denn das jüdische Städtchen Hauptthema, wenn es auch unter den Einflüssen der neuen Zeit erzitterte.

Solange es überhaupt noch ein Ostjudentum gab, blieb zwischen den beiden Weltkriegen Polen das Symbol der Heimat, yiddischer Sprache und Kultur

Vernichtung der Yiddisch-Kultur durch Hitler und Stalin

Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde es dann offenbar, daß Hitler nicht nur Millionen von Juden ausgerottet, sondern auch ihre ganz einzigartige Kultur, ihren sonst nirgends in der Welt vorhandenen Lebensstil zerstört hatte. Historisch gesehen, ist es vielleicht eine geradezu ergreifende Feststellung, die der im Vernichtungslager Majdanek umgekommene Geschichtswissenschaftler Dr. Isaac Schipper machte, daß nämlich die Ostjuden die Yiddisch-Literatur lediglich entwickelten und kultivierten, die eigentlichen Begründer dieser Literatur jedoch deutsche Juden waren und daß die Literatur nicht in der Heimat des Ost-judentums, sondern ausgerechnet auf deutschem Boden entstand.

Nachdem Hitler das Seine während des zweiten Weltkrieges getan hatte, ergriff dann auch Stalin 1948 drastische Maßnahmen gegen die Yiddisch-Literatur. Er ließ ihre Repräsentanten in der Sowjetunion, die dem Massenmorden Hitlers entgangen waren, einfach umbringen. Sämtliche yiddischen Verlagsanstalten, Zeitungen, Schulen und Theater jedoch verbot er kurzerhand. Trotz solchen — bis heute übrigens andauernden — Terrors zeigt die letzte sowjetrussische Statistik 1959 immer noch eine halbe Million Juden, die Yiddisch als ihre Muttersprache angeben.

Einige Yiddisch-Schriftsteller, die dem Kesseltreiben in Europa entkamen, leben heute in Israel oder Amerika. Das internationale yiddische Kulturzentrum befindet sich nun in New York. Die Schrecken der jüngsten Vergangenheit sind von den yiddischen Literaten selbstverständlich bei weitem noch nicht ganz überwunden. Deshalb ist es nur zu begreiflich, wenn sie bisher nicht so recht zu Atem kamen und sich haupt-sächlich mit dem tragischen Geschehen der letzten zwanzig Jahre be-schäftigten. Vielleicht suchen sie so Erleichterung in leidvoller Verstrickung, schmerzlichem Erinnern und endgültige Loslösung von der nun einmal für immer dahingeschwundenen Vergangenheit. Oft flüchten sie sich allerdings auch schon wieder in die Romantik jener weltabgeschiedenen, versunkenen Epoche jüdischen Lebens der verlorenen osteuropäischen Heimat. Andere greifen mutig nach der harten Realität des das Land der Väter wieder aufbauenden, es neu errichtenden jungen Staates Israel.

Spärliche Überreste des einst so reichen yiddischen Kulturgutes befinden sich in New York, London, Tel Aviv, Buenos Aires oder Paris, wo auch heute noch Bücher, Zeitungen und Zeitschriften in yiddischer Sprache erscheinen. Laut Statistik des Congreß for Jewish Culture in New York kommen dort, wo Juden leben, auf allen fünf Kontinenten im Jahr 1960 insgesamt 161 Wochen-und Monatszeitschriften in yiddischer Sprache heraus. In Europa, den Vereinigten Staaten und Südamerika gibt es zusammen zwölf Tageszeitungen in yiddisch und im Verlauf der letzten fünf Jahre sind 900 yiddische Bücher veröffentlicht worden.

Politik und Zeitgeschichte

AUS DEM INHALT DERNACHSTEN BEILAGEN;

Ludwig Dehio: „Preußisch-Deutsche Geschichte 1640— 1945” Philipp Fabry: „Die deutsch-russischen Beziehungen 1939— 1941"

Hermann Glaser: „Die Propagandamaschinerie" des NS-Staates"

Klaus Hornung: „Die Etappen der politischen Pädagogik von Bismarck bis heute” W. Jaide: „Die Einstellung heutiger Jugendlicher zur Politik"

Walter Kolarz: „Das Judentum in der Sowjetunion"

Ernst Maste: „Hugo Preuß"

Gangolf Pflüger: „Grundzüge der wirtschafts-und sozialpolitischen Entwicklung in der UdSSR seit Stalins Tod"

Karl C. Thalheim: „Die Wachstumsproblematik der Sowjetwirtschaft"

Stephan G. Thomas: „Totalitäre Machtstruktur und sowjetische Außenpolitik"

Walter Wehe: „Die wirtschaftspolitische Entwicklung Europas seit dem Marshallplan"

Fussnoten

Weitere Inhalte