Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Der sowjetische Staat und die Kirche Die Lage der Russisch-Orthodoxen Kirche seit dem Ende der fünfziger Jahre | APuZ 7/1969 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 7/1969 Die sowjetische Gesellschaft -ideologische Grundlagen und reale Struktur Der sowjetische Staat und die Kirche Die Lage der Russisch-Orthodoxen Kirche seit dem Ende der fünfziger Jahre Schüler und Studenten in der Sowjetunion

Der sowjetische Staat und die Kirche Die Lage der Russisch-Orthodoxen Kirche seit dem Ende der fünfziger Jahre

Gerhard Slmon

I. Die Voraussetzungen

INHALT I. Voraussetzungen II. Die Politik der Repressalien 1959— 1964 III. Die Lockerungen des administrativen Druckes nach dem Sturz Chruschtschows

Die politische Situation der russisch-orthodoxen Kirche und aller anderen Glaubensgemeinschaften in der Sowjetunion wird von zwei Prinzipien bestimmt, die — konsequent angewendet — einander ausschließen. Auf der einen Seite garantiert die sowjetische Verfassung vom 5. Dezember 1936 in Artikel 124 „die Freiheit der Ausübung religiöser Kulte" andererseits hat die kommunistische Partei weder vor noch nach 1917 irgendeinen Zweifel daran gelassen, daß sie den „kämpferischen Atheismus" als integralen Bestandteil ihrer Ideologie betrachtet und entschlossen ist, „die Religion keine Dezember 1936 in Artikel 124 „die Freiheit der Ausübung religiöser Kulte" 1), andererseits hat die kommunistische Partei weder vor noch nach 1917 irgendeinen Zweifel daran gelassen, daß sie den „kämpferischen Atheismus" als integralen Bestandteil ihrer Ideologie betrachtet und entschlossen ist, „die Religion keineswegs als Privatsache" anzusehen 2). Sie benutzt deshalb „die Mittel der ideologischen Einwirkung, um die Menschen im Geiste der wissenschaftlich-materialistischen Weltanschauung zu erziehen und religiöse Vorurteile zu überwinden"... 3). Es ist also das Ziel der KPdSU und damit auch des sowjetischen Staates, dessen „leitenden Kern" 4) sie ja bildet, die religiösen Glaubensgemeinschaften allmählich zu liquidieren. Dieses Ziel ist grundsätzlich nicht mit der Glaubens-und Religionsfreiheit zu vereinbaren, die von der Verfassung ja nicht etwa als zeitlich begrenzte Grundrechte für eine Übergangsperiode bezeichnet werden. Die Verfassung garantiert also etwas, das zu überwinden ein wichtiges innenpolitisches Ziel des Staates ist.

Dessenungeachtet bedeuten die einander widersprechenden Grundsätze von Glaubensfreiheit und Pflicht des Staates zur atheistischen Erziehung und schließlichen Überwindung aller Religionen eine jener Zweigleisigkeiten, mit denen sich ausgezeichnet leben läßt und die eine flexible, pragmatisch orientierte Politik erlauben.

So hat die Sowjetmacht von Anfang an das Recht auf freie Religionsausübung sehr eng ausgelegt. Das grundlegende Dekret des Rates der Volkskommissare „über die Trennung der Kirche vom Staat und der Schule von der Kirche" vom 23. Januar/5. Februar 1918 bestimmt u. a., daß ebenso wie an öffentlichen auch an privaten Lehranstalten „der Unterricht in religiösen Glaubenslehren nicht zugelassen" wird. „Keine kirchlichen und religiösen Gesellschaf-ten haben das Recht, Eigentum zu besitzen. Sie haben nicht die Rechte einer juristischen Person" 5). An eine Chancengleichheit im Sinne eines Pluralismus zwischen atheistischem Marxismus und religiös besimmter Weltanschauung haben die Sieger von 1917 also nicht gedacht, auch wenn in den Verfassungen der RSFSR vom 10. Juli 1918 und 11. Mai 1925 „die Freiheit der religiösen und antireligiösen Propaganda" garantiert wurde (Art. 13 von 1918; Art. 4 von 1925) Gerade die ersten Jahre nach der Revolution waren von einem harten Kirchenkampf bestimmt, der die russisch-orthodoxe Kirche besonders schwer traf, weil sie als Verbündete der ehemals herrschenden Klassen galt, mit deren Vernichtung die Sowjetmacht glaubte, auch die sozialökonomische Basis der orthodoxen Kirche endgültig zerstören zu können. Diese Annahme erwies sich jedoch als falsch, denn die orthodoxe Kirche war zwar durch die revolutionären Vergeltungsschläge der Sowjetmacht erheblich geschwächt worden, ihre Existenz stand aber auch nach der Entmachtung der „alten Ausbeuterklassen" für absehbare Zukunft nicht in Frage.

Dies führte im Zusammenhang mit der Verschärfung des gesamten innenpolitischen Klimas und der Etablierung des Stalinismus am Ende der zwanziger Jahre zu einer neuen Einschränkung dessen, was die Sowjetmacht unter Religionsfreiheit verstand. Die gesetzliche Handhabe der stalinistischen Kirchenverfolgung, die dann bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges zu einer fast vollständigen Zerschlagung der institutionalisierten Kirche geführt hat, bildete das Gesetz der RSFSR vom 8. April 1929 Es verbot den Religionsgemeinschaften jede Art von gesellschaftlicher, karitativer und katechetischer Tätigkeit. Es war ihnen untersagt, „besondere Kinder-, Jugend-, Frauen-, Gebets-und andere Versammlungen zu organisieren, ebenso auch allgemeine biblische, literarische, handarbeitliche, gemeinsame Arbeit, dem religiösen Unterricht dienende oder ähnliche Versammlungen . . . und ebenso Ausflüge und Kinderspielplätze einzurichten, Bibliotheken und Lesehallen zu eröffnen, Sanatorien oder ärztliche Hilfe zu organisieren" (Art. 17 c). Den Kirchen war es nicht gestattet, „ihren Mitgliedern materielle Hilfe zu leisten" (Art. 17 b). Dieser Verbotskatalog bringt sehr deutlich einen seit 1917 immer wiederkehrenden Grundsatz der sowjetischen Religionspolitik zum Ausdruck, nämlich das gesamte Leben aller Glaubensgemeinschaften weitgehend auf die gottesdienstlichen Veranstaltungen im engsten Sinne zu beschränken und damit den Einfluß der Kirchen auf die Gesellschaft möglichst stark zu begrenzen. Man darf sagen, daß die sowjetische Innenpolitik dies Ziel im großen und ganzen erreicht hat, denn die Kirchen in der Sowjetunion sind heute, trotz vieler Millionen aktiver Anhänger, eine gesellschaftliche Randerscheinung und können nicht aus eigener Initiative auf die Entscheidung kultureller, sozialer oder gar allgemeinpolitischer Fragen Einfluß nehmen. Dieser Beschränkung auf den sehr eng begrenzten innerkirchlichen Raum verdanken sie wahrscheinlich überhaupt ihre zwar ungern geduldete, jedoch legale Existenz im atheistischen Staat.

Aber das Gesetz von 1929 setzte der Tätigkeit der Religionsgemeinschaften nicht nur enge Grenzen, sondern gab zugleich den staatlichen Behörden umfassende Kontroll-und Eingriffs-rechte. Jede Gemeinde, ihre Selbstverwaltungsorgane und Geistlichen mußten beim zuständigen Exekutivkomitee der Sowjets (ispolkom) registriert werden (Art. 4—8); die registrierende Behörde konnte aus dem von der Gemeinde gewählten Verwaltungsorgan (Kirchenrat) einzelne Mitglieder ausschließen (Artikel 14). Gemeindeversammlungen außerhalb des Gottesdienstes, Prozessionen und religiöse Veranstaltungen unter freiem Himmel waren in jedem Einzelfall genehmigungspflichtig, ebenso Kongresse und Beratungen religiöser Gesellschaften auf lokaler oder überregionaler Ebene (Art. 12, 59, 20). Den Gebietsexekutivkomitees und ihren Entsprechungen außerhalb der Gebiete gab das Gesetz weitgehende Vollmachten zur Liquidierung von Kirchen, die verfügt werden konnte, wenn „dieses Gebäude für staatliche oder öffentliche Zwecke benötigt wird" (Art. 36). Neben diesen Einzelbestimmungen, die jederzeit die Kontrolle oder Aufhebung von Kirchengemeinden ermöglichten und von denen hier nur die wichtigsten genannt wurden, erhielten die staatlichen Behörden in sehr allgemein gehaltener Formulierung die „Aufsicht über die Tätigkeit religiöser Vereinigungen sowie über den Zustand der ihnen aufgrund eines Vertrages zur Nutzung übergebenen Gebäude und Kultgegenstände" (Artikel 64).

Infolge dieses Gesetzes wurde Art. 4 der Verfassung der RSFSR von 1925 geändert und die Freiheit der religiösen Propaganda aufgehoben; jede Art von innerer Mission war der Kirche damit untersagt. Die Verfassung sprach jetzt nur noch von der „Freiheit der religiösen Bekenntnisse und der antireligiösen Propaganda" diese Formulierung ging dann in leicht abgewandelter Form in die Stalinsche Verfassung von 1936 ein. Die extensive Anwendung der Religionsgesetze, eine massive atheistische Propaganda und der Stalinsche Terror der dreißiger Jahre führten am Vorabend des Zweiten Weltkrieges zur vollständigen Vernichtung einer ganzen Reihe von Kirchen, darunter der Baptisten, der Evangeliumschristen und der evangelisch-lutherischen Kirche. Auch die russisch-orthodoxe Kirche schien 1939 als Institution vor ihrer Auflösung zu stehen. In der ganzen Sowjetunion gab es nur noch wenige hundert Geistliche und geöffnete Kirchen, nur noch sieben Bischöfe waren im Amt, und alle Eparchialverwaltun-gen außer denen in Moskau und Leningrad hatten ihre Tätigkeit einstellen müssen

Diese scheinbaren Erfolge „bei der Befreiung der arbeitenden Massen von religiösen Vorurteilen" hinderten aber Stalin nicht, mit Beginn des Krieges eine vollständige Kehrtwendung in der Taktik gegenüber den Religionsgemeinschaften und insbesondere der orthodoxen Kirche zu machen. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges und unmittelbar danach konnte die russisch-orthodoxe Kirche, geduldet und zum Teil ausdrücklich in Schutz genommen vom Stalinschen Sowjetpatriotismus, eine neue kirchliche Administration aufbauen, die das Fortbestehen der institutionalisierten Kirche bis heute gesichert hat. Die russische Kirche verdankt diese Wendung der Stalinschen Taktik ihrer uneingeschränkten politischen Loyalität gegenüber dem Sowjetregime seit 1923 und besonders seit 1927 ebenso wie ihrem aufopferungsvollen und selbstlosen Patriotismus während des Krieges. Will man Stalins so überraschend veränderte Haltung gegenüber der orthodoxen Kirche verstehen, so muß aber auch daran erinnert werden, daß ihr bei der Integration der 1939 neu gewonnenen westlichen Teile der Ukraine und Weißrußlands eine nicht unwesentliche Rolle zufiel, die von der sowjetischen Politik erkannt und ausgenutzt wurde. Hinzu kam Stalins Grundsatz, während des Krieges alle Kräfte zur Verteidigung des Landes zu mobilisieren und innere Auseinandersetzungen in vielen Fällen zurückzustellen. Außerdem mußte die Lockerung des terroristischen Drucks gegenüber der Kirche einen günstigen außenpolitischen Effekt haben; und schließlich konnten die Sowjetideologen — unter Hintansetzung des Parteiprogramms — sich ja diesmal auf die in der Verfassung garantierte „Freiheit der Ausübung religiöser Kulte" berufen, als die antikirchliche Propaganda seit 1941 fast vollständig eingestellt wurde.

Stalin war aus allen diesen Gründen bereit, den rückhaltlosen Einsatz der russisch-orthodoxen Kirche bei der propagandistischen und psychologischen Kriegführung anzuerkennen. Er empfing am 4. September 1943 die drei ersten Hierarchen im Kreml, und vier Tage später konnte Metropolit Sergij Stragorodskij, seit beinahe zwei Jahrzehnten Verweser des Patriarchenstuhles, von einer eilig zusammengerufenen Bischofsversammlung (Sobor) zum Patriarchen gewählt werden Im Oktober des gleichen Jahres wurde ein „Rat für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche beim Rat der Volkskommissare der UdSSR" ins Leben gerufen, der mit seinen Unterorganen bis auf Gebietsebene die Vermittlung zwischen staatlichen und kirchlichen Stellen übernahm und einerseits die kirchliche Aktivität überwachen, andererseits aber der orthodoxen Kirche den Wiederaufbau ihrer Verwaltung in bestimmten Grenzen ermöglichen sollte. Der Staat räumte mit der Schaffung dieser Behörde der russisch-orthodoxen Kirche eine ausgesprochene Vorzugstellung ein, die auch erhalten blieb, als im Sommer 1944 ein entsprechender „Rat" für alle übrigen Glaubensbekenntnisse gemeinsam eingerichtet wurde

Als der neu gewählte Patriarch Sergij wenige Monate nach seiner Inthronisation im Mai 1944 starb, konnte die russisch-orthodoxe Kirche mit aktiver Unterstützung der sowjetischen Behörden vom 31. Januar bis 2. Februar 1945 ein Landeskonzil in Moskau abhalten, auf dem diesmal auch Vertreter der Pfarrgeistlichkeit und der Laien sowie als Gäste u. a. die Patriarchen von Alexandrien und Antiochien zugegen waren. Das Konzil wählte einmütig den ihm vorgeschlagenen Metropoliten Alek-sij Simanskij von Leningrad zum neuen Patriarchen, der noch heute dieses Amt ausübt und jetzt im 91. Lebensjahre steht. Das Konzil bestätigte außerdem ohne Debatte ein vorher in Absprache mit dem Rat für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche ausgearbeitetes „Statut über die Verwaltung der russisch-orthodoxen Kirche", das zum erstenmal seit der Revolution die kirchliche Verwaltung mit ihren Organen und deren Kompetenzen in kirchenrechtlich gültiger Form fixierte Der sowjetische Staat tolerierte damit eine kirchliche Organisation, die er zwar jederzeit kontrollieren konnte, die aber doch, um funktionsfähig zu sein, für sich Selbstverwaltungskompetenzen in Anspruch nahm, die über die Be-

stimmungen des sowjetischen Rechts hinausgingen. Die orthodoxe Kirche legte in ihrem Statut etwa das nach kanonischem Recht selbstverständliche hieratische Weisungs-und Ernennungsrecht, die Pflicht zur Einhaltung kirchlicher Disziplin und die Zahlung von Abgaben der Gemeinden zugunsten der Kirchenleitung und gesamtkirchlicher Belange fest (Art. 24, 30, 36, 41); alle diese Bestimmungen sind nur schwer mit dem im Dekret von 1918 festgelegten Verbot von „Zwangsmaßnahmen" (Art. 11) zu vereinbaren

Darüber hinaus verbesserte eine Verordnung der Sowjetregierung vom 22. August 1945 entscheidend den Rechtsstatus der russisch-orthodoxen Kirche, indem sie ihr „juristische Rechte" gewährte „zum Erwerb von Transportmitteln, zur Herstellung von Kirchengerät und von Gegenständen des religiösen Kultes, zum Verkauf dieser Gegenstände an die Gemeinschaften der Gläubigen, zur Miete, zum Bau und zum Eigentumserwerb von Häusern für kirchliche Bedürfnisse mit Genehmigung der Bevollmächtigten des Rates [für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche]. . ."

Alle diese hier kurz skizzierten liberalen Maßnahmen der Sowjetregierung gaben der russisch-orthodoxen Kirche seit 1943 einen größeren Bewegungsspielraum, als sie ihn je nach 1917 gehabt hatte. Allerdings wurden die wesentlich schärferen Religionsgesetze von 1918 und 1929 nicht aufgehoben, obwohl sie in einer Reihe von Punkten (Art. 12 des Dekrets von 1918; Art. 11 des Gesetzes von 1929) nicht mit der Verordnung von 1945 vereinbar waren. Der Staat hielt sich also jederzeit den Rückgriff auf die alten repressiven Bestimmungen offen. Von einem Konkordat zwischen Kirche und Staat als einer für beide Seiten verbindlichen Abmachung konnte auch zu diesem Zeitpunkt keine Rede sein.

Immerhin befanden sich bis 1949 wieder 74 orthodoxe Bischöfe im Amt, die 73 Eparchien verwalteten, von denen allerdings immer eine Reihe unbesetzt war, weil in mehreren wichtigen Eparchien — wie seit dem 19. Jahrhundert üblich — zusätzlich Vikarbischöfe amtierten.

Zwischen 1944 und 1947 konnte die Kirche zum erstenmal seit Ende der zwanziger Jahre wieder eine geregelte theologische Ausbildung des Priesternachwuchses organisieren und zwei Geistliche Akademien und acht Seminare eröffnen. Eine weitere Ausweitung des Netzes der Lehranstalten ließ der Staat dann allerdings nicht zu Aber die russische Kirche konnte doch im Laufe von etwa 15 Jahren relativ ungestört ihre Gemeinden wieder zusammenführen und gab 1961 in ihrem Aufnahmeantrag an den Weltrat der Kirchen deren Zahl mit 20 000 an, die von 30 000 Geistlichen betreut wurden Uber die Anzahl der praktizierenden Gläubigen, die sich hinter diesen statistischen Daten verbirgt, gibt es keine exakten Angaben. Man ist hier auf Schätzungen angewiesen, die für das Ende der fünfziger Jahre zwischen 20 und 40 Millionen schwanken. Wichtige Beobachtungen, die zu diesen — unter den gegebenen Umständen — außerordentlich hohen Schätzungen geführt haben, sind einmal die Überfüllung der Kirchen auch außerhalb der kirchlichen Festtage und zum anderen die verhältnismäßig reichlich fließenden Geldmittel der Gemeinden, die allein durch Spenden der Gläubigen aufgebracht werden müssen Im ganzen wird man sagen können, daß es der orthodoxen Kirche in der Sowjetunion — geschützt durch ihre fraglose Loyalität gegenüber dem Staat — vom Beginn des Zweiten Weltkrieges bis zum Ende der fünfziger Jahre möglich war, sich eine zwar im Prinzip immer gefährdete, jedoch für die unmittelbare Zukunft relativ gesicherte Existenz aufzubauen. Dieser Eindruck schien um so mehr gerechtfertigt, als die Nachfolger Stalins die Kirche in wesentlich stärkerem Maße als der Diktator in ihr außenpolitisches Konzept einbezogen und sie in der internationalen Friedensbewegung eine hervorragende Rolle spielte.

II. Die Politik der Repressalien 1959— 1964

Die Jahre, in denen Chruev auf dem Höhepunkt seiner Macht stand, sind durch ein erneutes aggressives Vorgehen von Partei und Staat gegen die Religionsgemeinschaften charakterisiert, das die orthodoxe Kirche besonders hart traf. Dies mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, wenn man davon ausgeht, daß die Chruevsche Innenpolitik häufig als Entkrampfung oder sogar Entideologisierung des sowjetischen Herrschaftssystems charakterisiert wird. Man spricht vom „Auftreten neuer Tendenzen, reformerischer Ideen in den verschiedenen Lebensbereichen", von einem „Emanzipationsprozeß" der sowjetischen Gesellschaft, von „Modernisierung" und Pragmatismus als Leitlinien einer in die Zukunft weisenden, an den Problemen der modernen Industriegesellschaft orientierten sowjetischen Entwicklung. Im Gegensatz dazu muß man jedoch im Auge behalten, daß Chruscevs Politik in einer Reihe von Bereichen durchaus von doktrinär ideologischen Gesichtspunkten bestimmt war und generell einen verstärkten Einfluß der Partei in Staat und Gesellschaft zum Ziel hatte. Ebenso wie die Bildungsreform und die Chruscevsche Landwirtschaftspolitik nur verständlich werden, wenn man ihre starke ideologische Motivation mitberücksichtigt, gilt für die sowjetische Religionspolitik seit dem Ende der fünfziger Jahre die Aufgabe, die „religiösen Überbleibsel" zu überwinden, wieder als entscheidender Orientierungspunkt für alle konkreten Maßnahmen. Dies um so mehr, als in der von Chruscev verkündeten Phase des „entfalteten Aufbaus des Kommunismus" die seit dem Kriege wieder konsolidierten kirchlichen Organisationen vom Standpunkt der KPdSU ein besonderes Ärgernis sein mußten. Die Vergünstigungen, die Stalin der Kirche gewährt hatte, wurden jetzt als „Abweichungen von der leninisti-sehen Gesetzlichkeit" gebrandmarkt, das heißt, der Kampf gegen die Kirche sollte nicht nur mit propagandistischen Mitteln geführt werden, sondern auch durch Zurücknahme früherer Zugeständnisse und administrativen Druck.

Diese von Chruscev initiierte erneute Verschärfung des Kirchenkampfes machte sich allerdings in den ersten Jahren nach Stalins Tod, als seine Nachfolger den Kampf um die Macht unter sich austrugen, noch nicht bemerkbar. Man konnte im Gegenteil aus einem von Chruscev als dem 1. Sekretär herbeigeführten Beschluß des ZK der KPdSU vom 10. November 1954 den Eindruck gewinnen, daß die Sowjetführung nicht beabsichtigte, in absehbarer Zeit neue Gewaltmaßnahmen gegenüber der Kirche zu ergreifen. Der Beschluß „über Fehler in der Durchführung der wissenschaftlich-atheistischen Propaganda unter der Bevölkerung" brachte einmal mehr den Topos in Erinnerung, daß die atheistische Propaganda „jede Verletzung der Gefühle der Gläubigen zu vermeiden" habe, daß es unberechtigt sei, „Sowjetbürgern wegen ihrer religiösen Überzeugung politisch zu mißtrauen" und daß die „Diener der Kirche" „in ihrer Mehrzahl" „ebenfalls eine loyale Haltung gegenüber der Sowjetmacht" einnähmen. Zugleich distanzierte sich das ZK von „Fällen administrativer Einmischung in die Tätigkeit der religiösen Vereinigungen" und stellte sehr richtig fest, daß „administrative Maßnahmen und beleidigende Ausfälle" nur zu einer „Verschärfung der religiösen Vorurteile" führen. Man braucht in dieser Feststellung des ZK nicht nur eine Anspielung auf die Stalinsche Vernichtungskampagne gegen die Kirchen vor dem Zweiten Weltkrieg zu sehen, sondern es ist wichtig, immer im Auge zu behalten, daß es eine scharfe Kontrolle der Kirchen und polizeiliche Einmischung in die innerkirchliche Verwaltung auch in den Jahren der relativen Bewegungsfreiheit nach 1941 stets gegeben hat. Die selbst-kritischen Äußerungen ergänzte das ZK durch den eindringlichen Hinweis darauf, daß die sozialen Wurzeln der Religion in der Sowjetunion ein für allemal untergraben seien und es jetzt um so mehr darauf ankomme, einen verstärkten ideologischen Kampf zur endgültigen Beseitigung der religiösen Überreste zu führen.

Die Überwindung der „unwissenschaftlichen, religiösen Weltanschauungen" durch die „wissenschaftliche, materialistische" bedeutete also in der Sicht des ZK nur noch die Etablierung eines Sieges, der längst errungen war.

Die Partei wurde aufgerufen, sich mit mehr Energie als bisher dieser Aufgabe zuzuwenden.

Entgegen diesem ZK-Beschluß vom November 1954 ist die atheistische Aktivität in den folgenden Jahren jedoch zunächst nicht verstärkt, sondern im Gegenteil weiter vernachlässigt worden In der sowjetischen Innenpolitik standen zu dieser Zeit andere, wichtigere Probleme im Vordergrund. Aber seit etwa 1958/1959 wandten sich dann Partei und Staat erneut der Religionspolitik zu, und es begann jetzt auf breiter Front der atheistische Angriff, der besonders durch jene „administrativen Maßnahmen" seine Schärfe erhielt, die das ZK 1954 verurteilt hatte.

Den Auftakt bildeten Pressekampagnen gegen Kirche und Geistlichkeit und ein rapides Ansteigen der atheistischen Verlagstätigkeit seit 1958. Dabei wurden die unter dem Druck der individuellen Agitation und kommunistischer Verlockungen sich häufenden Fälle von öffentlicher Apostasie orthodoxer Geistlicher und Laien in großem Stile ausgeschlachtet. Besonderes Aufsehen erregte der Abfall des Professors für Altes Testament an der Leningrader Geistlichen Akademie A. A. Osipov, den er am 9. Dezember 1959 in der „Pravda" bekanntgab überraschenderweise nahm das Moskauer Patriarchat diese Herausforderung nicht schweigend hin, sondern reagierte — wahrscheinlich im Vertrauen auf die relativ große Handlungsfreiheit, die man ihm in den zurückliegenden Jahren gelassen hatte — mit der Exkommunikation der Apostaten, von denen vier — darunter Osipov — namentlich genannt wurden. Der Sinod traf die Entscheidung zum Ausschluß der Apostaten, die „öffentlich den Namen Gottes geschmäht" hatten, am 30. Dezember 1959; im Februar 1960 wurde der Sinodal-beschluß in der Zeitschrift des Patriarchats veröffentlicht. Damit griff die russische Kirche zu einer zwar schwachen, jedoch öffentlichen Gegenwehr, was seit mehr als 30 Jahren nicht mehr vorgekommen war

In die gleiche Richtung eines vorsichtigen Widerstandes gegen den neuen staatlichen Druck ging die Ansprache, die Patriarch Aleksij am 16. Februar 1960 vor der Konferenz der politischen und sozialen Organisationen der UdSSR für die Abrüstung hielt und in der er einerseits die großen Verdienste der orthodoxen Kirche in der Geschichte Rußlands rühmte, andererseits aber Klage führte über die „Vorwürfe und Angriffe", denen die Kirche durch die Menschen ausgesetzt sei, und seine Zuversicht bekundete, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen würden

Auf diese versteckten Anzeichen einer kirchlichen Opposition reagierte der Staat sogleich mit einschneidenden Maßnahmen, die für die verschärfte Kampfhaltung von Staat und Partei gegenüber der Kirche symptomatisch waren. Die beiden Männer, die von staatlicher und kirchlicher Seite den Modus vivendi seit 1943 vermittelt hatten, wurden gestürzt. G. G. Kar-pov, Präsident des Rates für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche seit Bestehen dieses Amtes, wurde am 21. Februar 1960 durch V. A. Kuroedov ersetzt, der den Rat aus einem Instrument zur Kontrolle der Kirche in ein Werkzeug der aggressiven Unterdrückung verwandelte Auf kirchlicher Seite mußte der engste Mitarbeiter des Patriarchen, der die russisch-orthodoxe Kirche poliB isch im In-und Ausland repräsentierte, sei-

en Rücktritt einreichen. Der Metropolit von Kruticy und Kolomna Nikolaj Jarusevic, wurde im Juni 1960 von der Leitung des Aulenamtes des Moskauer Patriarchats entbunden und verlor im September d. J. die Leitung der Eparchie Moskau. Er war seit dem Kriege durch seine politische und patriotische Aktivität im Dienste der Kirche und der sowjetischen Außenpolitik auch einer internationalen Öffentlichkeit bekanntgeworden, trat aber wahrscheinlich den neuen, von der Regierung Chruev geforderten Repressalien entgegen. Metropolit Nikolaj wurde nach seinem Sturz praktisch unter Hausarrest gestellt und Ende 1961, offenbar gegen seinen Willen, in ein Moskauer Krankenhaus eingewiesen, wo er am 13. Dezember ohne Zeugen starb. Seitdem verstummen nicht mehr die Vermutungen, er sei von den sowjetischen Behörden gewaltsam beseitigt worden; in den Augen der Gläubigen gilt er heute als Märtyrer

Die Nachfolge Nikolajs als Leiter des Außen-amtes des Patriarchats und damit als internationaler Repräsentant der Kirche trat der junge, ehrgeizige und wendige Nikodim Roton an, der in kürzester Zeit eine aufsehenerregende Karriere machte. Geboren 1929, wurde er 1947 Mönch und empfing zwei Jahre später die Priesterweihe; 1956 wurde er Mitglied der russischen Jerusalem-Mission und 1959 Leiter der Patriarchatskanzlei. Im Juni 1960 übernahm er, wie gesagt, im Alter von 31 Jahren das Außenamt, empfing Ende d. J. die Bischofs-weihe und avancierte im September 1963 zum Metropoliten von Leningrad; heute gilt er als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge des über 90jährigen Partriarchen Aleksij Nikodim ist in seinen politischen Jahren das Außenamt, empfing Ende d. J. die Bischofs-weihe und avancierte im September 1963 zum Metropoliten von Leningrad; heute gilt er als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge des über 90jährigen Partriarchen Aleksij 29). Nikodim ist in seinen politischen Äußerungen stets der Tradition der orthodoxen Kirche in der Sowjetunion gefolgt und hat auch in der Zeit der Chruscevschen Gewalt-maßnahmen nach außen die Ansicht vertreten, daß es keinen Konflikt zwischen Staat und Kirche gäbe. In dieser Haltung des demütigen Ertragens sieht die Patriarchatskirche nach den mißlungenen Versuchen einer versteckten Opposition die einzige Möglichkeit des Widerstandes. Das Jahr 1960 brachte nicht nur eine Neubesetzung der für das Verhältnis von Kirche und Staat wichtigsten Ämter, sondern auch einen ersten Höhepunkt der seit 1959 in der ganzen Sowjetunion angelaufenen Kampagne zur Schließung von Kirchen. Nach ungefähr übereinstimmenden Angaben von atheistischer Seite und aus nichtoffiziellen Kreisen der orthodoxen Kirche wurden zwischen 1959 und 1964 etwa 10 000 orthodoxe Kirchen in der Sowjetunion durch die staatlichen Behörden geschlossen; damit sank die Zahl der für den Gottesdienst geöffneten Kirchen auf die Hälfte 30). Besonders zahlreich waren die Kirchenschließungen in den westlichen Teilen der Ukraine, Weißrußlands und in der Republik Moldau, die erst 1939/40 bzw. 1943 der Sowjetunion angegliedert worden waren, die Stalinsche Kirchenverfolgung also nicht erlebt hatten, und wo es bis zum Ende der fünfziger Jahre eine wesentlich besser organisierte und lebendigere kirchliche Aktivität gab als in der übrigen Sowjetunion.

Genaue Angaben über die Kirchenschließungen im einzelnen gibt es weder von offizieller kirchlicher noch von staatlicher Seite. Wir sind hierbei auf verstreute — nicht immer genau übereinstimmende — Informationen aus der Sowjetunion und davon ausgehende Schätzungen angewiesen. Danach sank z. B. die Zahl der geöffneten Kirchen in der Eparchie Minsk von 750 auf 420, in der Eparchie Odessa von 400 auf 90, in der Stadt Odessa von 19 auf sieben. In der Stadt Kiev blieben von 28 Kirchen 1960 nur noch sieben im Jahre 1964 geöffnet, in Lemberg lautet das Zahlenverhältnis 22 zu sieben. Aber auch die Kirchenbezirke, die ohnehin nur über eine geringe Zahl von Gotteshäusern verfügten, wurden nicht verschont; so sind in der Eparchie Novgorod von 39 Kirchen nur noch 13 übriggeblieben, in der Eparchie Kirov von 75 noch 33 31).

Obwohl also — wie die Zahlen zeigen — die Kirchenschließüngen von den Behörden mit Entschiedenheit forciert wurden und den zuständigen Gebietsexekutivkomitees und den Bevollmächtigten des Rates für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche eindrucksvolle Erfolgsmeldungen ermöglichten, versuchte man in den meisten Fällen, den Anschein der Legalität zu wahren. So wurde in Westrußland ein 15 Jahre altes Gesetz bemüht, das alle Maßnahmen der deutschen Besatzungsmächte annullierte. Da in den Jahren der deutschen Besetzung eine große Zahl von Kirchen wiedereröffnet worden war, konnte man auf diese Weise Hunderte von Kirchen in der Ukraine und Weißrußland schließen. Auf Grund einer anderen Verordnung, die die Ausübung einer Arbeit auf den Wohnort beschränkte, wurde den Priestern die Betreuung anderer Gemeinden untersagt. Die Kirchen, in denen dann kein Gottesdienst mehr gehalten werden konnte, wurden als unbenutzt geschlossen Im übrigen aber bot das Stalin-sehe Religionsgesetz von 1929, auf das man jetzt unter Umgehung der seit dem Zweiten Weltkrieg gewährten Erleichterungen zurückgriff, praktisch unbegrenzte Möglichkeiten zur administrativen Willkür. So konnte man z. B.

den Gemeinden Kirchen entziehen, indem man sie zum historischen Denkmal erklärte, oder Kirchengebäude wurden unter dem Vorwand abgerissen, daß sie den Verkehr behinderten.

Oft boten die detaillierten feuer-und baupolizeilichen Bestimmungen des Gesetzes von 1929 eine Handhabe, um eine Kirche zu schließen und häufig auch zu zerstören, denn eine Bau-kommission konnte jederzeit eine Kirche als baufällig erklären und ihre vollständige Renovierung fordern. Wenn die Gemeinde nicht in der Lage war, die entsprechenden finanziellen Mittel aufzubringen oder Baumaterial zu beschaffen, wurde die Kirche geschlossen.

Häufig bildeten auch Erfordernisse der Stadtplanung den Vorwand, Kirchen zu beseitigen. Ein anderes, vielfach angewandtes Mittel, das allerdings nicht einmal in der sowjetischen Religionsgesetzgebung vorgesehen war, bestand in der Manipulation einer öffentlichen Meinung. Partei und Komsomol veranstalteten eine Unterschriftenaktion bei der Bevölkerung, durch die die Schließung. einer bestimmten Kirche gefordert wurde

Es ist klar, daß bei dieser antikirchlichen Kampagne der Phantasie der lokalen Behörden keine Grenzen gesetzt waren und daß man bei der zweifellos zentral veranlaßten Aktion mit erheblichen örtlichen Unterschieden in Methode und Konsequenz der Durchführung zu rechnen hat. Zu den gemeinsamen Zügen gehört allerdings, daß man die wenigen in der sowjetischen Religionsgesetzgebung vorgesehenen Schutzbestimmungen gegen administrative Willkür vollständig überging. So wurde etwa die jeder Gemeinde bei einer drohenden Kirchenschließung garantierte Appellation an den Obersten Sowjet (Art. 37 des Gesetzes von 1929) nirgends beachtet Vielfach haben sich die Behörden in diesen Jahren nicht mit der Schließung von Kirchen begnügt, sondern diese auch zerstört. Das geschah meist in großer Heimlichkeit und bei Nacht, um Zusammenstöße mit Gemeindegliedern möglichst zu vermeiden, was übrigens nicht immer gelang. So wurden in Kiev im März 1964 in einer Nacht drei Kirchen dem Erdboden gleichgemacht. In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 1964 wurde ganz plötzlich, ohne daß die Gemeinde davon benachrichtigt wurde, die Kirche des Moskauer Metropoliten, der Preobrazenskij Sobor, abgerissen, angeblich, um einem Metroschacht Platz zu machen. Längere Zeit hielt sich damals in Moskau das Gerücht, daß sogar die Kirche des Patriarchen aus „städtebaulichen Gründen" beseitigt werden sollte, wovon man dann jedoch Abstand nahm

An sich bedeutet nun die Schließung oder auch Zerstörung einer Kirche noch nicht automatisch die Auflösung einer Gemeinde. Tatsächlich aber haben die Behörden — nicht zuletzt wegen der Nachgiebigkeit und völligen Passivität der meisten Bischöfe — fast überall beides zugleich erreicht. Entweder entzog man nach der Kirchenschließung dem Priester für seine Gemeinde die Registration und machte ihm damit die Amtsausübung unmöglich, oder der Entzug der Registration ging der Kirchenschließung voraus, die nun damit begründet wurde, daß die Gemeinde ja ohne Priester funktionsunfähig sei

Ein wichtiges Druckmittel, das man — wie in den dreißiger Jahren — gegen die Geistlichkeit anwandte, war die rapide Erhöhung der Einkommensteuer. Damit wurde die Kirche, die schon durch die Schließung vieler Gemeinden schwere finanzielle Einbußen erlitt, noch durch den zusätzlichen Steuerdruck belastet. Viele Geistliche waren wegen der neuen finanziellen Belastung nicht mehr in der Lage, ihr Amt aus-zuüben, oder sie befanden sich ständig in Gefahr, wegen Steuerhinterziehung belangt zu werden, wenn sie trotzdem ihre Gemeinden weiter betreuten

Auch sonst versuchten die Behörden, in jeder Weise Vorwände zum Eingreifen gegen die Geistlichkeit zu finden. Hausbesuche wurden jetzt als verbotene religiöse Propaganda ausgelegt. Priester wurden bestraft, wenn sie Ju-gendliche für die Kirche gewannen, oder man warf ihnen plötzlich Kollaboration mit den Deutschen während des Krieges vor.

Im ganzen wurde die Zahl der orthodoxen Gemeindepriester zwischen 1959 und 1964 um etwa die Hälfte auf 15 000 reduziert. Einige von ihnen übten weiterhin ohne Registrierung illegal ihre Tätigkeit aus, andere zogen als Wanderpriester von Ort zu Ort, viele fanden mühsam einen einfachen Arbeitsplatz in einem anderen Beruf Obwohl man am Anfang der sechziger Jahre nach Möglichkeit vermied, Märtyrer zu schaffen, wurde auch eine ganze Reihe von Priestern zu Gefängnisstrafen, meist wegen Steuerhinterziehung, verurteilt. Ebenso erging es zwei Bischöfen: Erzbischof lov Kre-sovic von Kazan’ und Erzbischof Andrej Su-chenko von ernigov wurden 1960 und 1961 mit drei bzw. acht Jahren Freiheitsentzug bestraft; in beiden Fällen bildeten Steuervergehen den Hauptanklagepunkt

Aber die sowjetischen Unterdrückungsmaßnahmen richteten sich nicht nur gegen die Kirchen und Geistlichen, sondern auch gegen die orthodoxen Klöster, von denen das Moskauer Patriarchat zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der fünfziger Jahre wieder knapp 70 aufgebaut oder in den hinzugewonnenen Westgebieten übernommen hatte. 1962 bestanden von ihnen nur noch etwa 30, in der überwiegenden Mehrzahl Nonnenklöster; nach neuesten Informationen soll ihre Zahl noch weiter gesunken sein. Der außerordentlich gut unterrichtete, in der Sowjetunion lebende kirchliche Schriftsteller A. E. Levitin sprach 1966 nur noch von vier Männerklöstern

Alle Klöster in der Moldau und fast alle in der Karpato-Ukraine wurden zur Auflösung gezwungen; in beiden Gebieten hatte es noch eine beachtliche Anzahl von ihnen gegeben. Aber auch eines der berühmtesten russischen Klöster, das durch vielfältige Bande mit der russischen Geschichte verflochtene Kiever Höhlenkloster, wurde 1960/61 wegen eines Erdrutsches geschlossen, dem allerdings das dort eingerichtete Atheismus-Museum standhielt. Die Aufnahme von Novizen war den Klöstern schon seit 1958 praktisch nicht mehr möglich.

Die Behörden zwangen dann viele Klöster durch sehr hohe neue Steuerlasten — die Klöster hatten von 1945 bis 1958 Steuerfreiheit genossen —, durch Agitation und Drohung und im letzten Stadium vielfach durch pure Brachialgewalt zur Selbstaufgabe

Am meisten wissen wir über den jahrelangen Druck, den die Behörden auf die berühmte Pocaevskaja Lavra in Volynien ausübten. Dies Vorgehen, das sicher vielfach exemplarische Bedeutung hat, ist durch eine Reihe von Eingaben und Bittschriften der Mönche und Gläubigen, die z. T. im Westen publiziert wurden, einem internationalen Publikum bekanntgeworden Wahrscheinlich haben die westlichen Proteste dazu beigetragen, daß die sowjetischen Behörden schließlich von einer Schließung des Klosters absahen.

Seit 1961 hatten sie versucht, die Wallfahrten nach Pocaev zu unterbinden und die Mönche durch Überredung und Drohungen zu bewegen, das Kloster zu verlassen. Ein Teil der Klostergebäude wurde beschlagnahmt. Man untersagte dem Kloster und den Einwohnern von Pocaev, Pilger zu beherbergen. Infolgedessen durchsuchte die Miliz regelmäßig nachts das Kloster nach Pilgern, die z. T. wegen Landstreicherei zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Mehrfach transportierte die Miliz die Pilger auf LKWs einfach ab

Den Mönchen, die nicht bereit waren, freiwillig das Kloster zu verlassen, entzog man die Aufenthaltsgenehmigung. Wenn sie sich auch dann noch weigerten, das Kloster zu räumen, wurden sie gewaltsam zu ihren Verwandten oder in Altersheime abtransportiert. Es kam auch zu Zwangseinweisungen in Krankenhäuser und Nervenheilanstalten. Auf diese Weise blieben von den 140 Mönchen, die 1961 im Kloster lebten, im Herbst 1962 noch 36 übrig.

Auch von diesen lebten die meisten jetzt illegal im Kloster, denn sie waren nach der Deportation einfach zurückgekehrt und lebten jetzt ohne Aufenthaltsgenehmigung hier. Sie wurden deshalb regelmäßig wegen Paßvergehen zu Geldstrafen verurteilt; manche Mönche erhielten auch — z. T. wiederholte — Gefängnisstrafen

Bei den Maßnahmen der Polizei gegen das Kloster kam es mehrfach zu pogromartigen Ausschreitungen. Gläubige und Mönche wurden durchsucht, geschlagen und beraubt, Frauen vergewaltigt. Zwei von der Miliz erschlagene Frauen sind namentlich bekannt. Ende November 1964 erreichten die Gewalttätigkeiten noch einmal einen Höhepunkt. Die Pilger wurden gewaltsam aus Pocaev abtransportiert und z. T. in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, mehrere Mönche verhaftet. Der neue von der kirchlichen Obrigkeit auf Wunsch der Behörden eingesetzte Vorsteher des Klosters verhielt sich völlig passiv

Seit dem Frühjahr 1965 hat sich dann die Lage in Pocaev offenbar allmählich wieder normalisiert. Entscheidend dafür war der neue religionspolitische Kurs nach dem Sturz Chru-

evs, durch den ermutigt sich sogar atheistische Funktionäre, wie der Redakteur von „Nauka i religija", B. T. Grigor’jan, für die Beendigung der „Zustände" (bezobrasie) in Pocaev einsetzten. 1966 lebten wieder etwa 30 Mönche im Kloster

War auch der Verlust vieler Klöster für die orthodoxe Kirche sehr schmerzlich, so bedeuteten die gleichzeitigen Repressalien gegen die geistlichen Lehranstalten doch eine noch gefährlichere Bedrohung für die Zukunft der Kirche. Die acht Seminare und zwölf Akademien (in Zagorsk und Leningrad bestehen jeweils ein Seminar und eine Akademie als gemeinsame Lehranstalt) hatten vom Ende der vierziger Jahre bis zum Ende der fünfziger Jahre schätzungsweise 1500 Priester ausgebildet; das ist angesichts der Überalterung der orthodoxen Geistlichkeit zwar eine geringe Zahl, sie hat aber in den folgenden Jahren eine bedeutende Verjüngung des hohen Klerus möglich gemacht.

Seit 1960 haben die sowjetischen Behörden systematisch auf eine Unterbindung der theologischen Ausbildung des Priesternachwuchses hingearbeitet. In diesem Jahr wurden die Gebäude der Seminare in Kiev, Stavropol’, Saratov und Odessa beschlagnahmt. Die drei erstgenannten Seminare, die sicher ihrer Schüler-zahl entsprechend zu den kleinen Ausbildungsstätten gehörten, wurden im folgenden Früh-jähr geschlossen Nur das Seminar in Odessa konnte rechtzeitig in das Mariä-Himmelfahrts-Kloster in der Nähe der Stadt ausweichen, das zugleich Sommerresidenz des Patriarchen ist; möglicherweise ist es deshalb in den folgenden Jahren unangetastet geblieben. Dagegen mußte auch das Seminar in Zirovicy (Gebiet Baranovici) 1963 seine Arbeit einstellen, und das Seminar in Luck hielt im Studienjahr 1964/1965 seine letzten Kurse ab

Die Schließungen erreichte die Sowjetmacht wie üblich durch eine Kombination administrativer und propagandistischer Maßnahmen. Auf administrativem Wege wurden z. B. die Gebäude beschlagnahmt, man entzog vielen Studenten die Aufenthaltsgenehmigung für den Studienort oder verweigerte sie Kandidaten, die sich um die Neuaufnahme in eine geistliche Lehranstalt bewarben. Seit 1959 wurden die Seminaristen nicht mehr — wie bis dahin üblich — vom Militärdienst zurückgestellt. Auch Studenten, die sich schon zu Priestern hatten weihen lassen, unterlagen jetzt der Dienstpflicht. Diese Maßnahme erlaubte es auf ganz legalem Wege, die Seminare zu leeren.

Zusätzlich wurde die Studentenzahl, die sich bis zum Ende der fünfziger Jahre ständig vergrößert hatte, durch eine massive individuelle Agitation gedrückt. Die Propagandisten forderten die Studenten auf, das Seminar zu verlassen und versuchten vor allem, Neubewerber zur Rücknahme ihres Aufnahmeantrages zu bewegen. Obwohl es in den fünfziger Jahren regelmäßig mehr Bewerber als Studienplätze an den Seminaren und Akademien gegeben hatte, gelang es mit den neuen repressiven Maßnahmen z. B., die Neueinschreibungen für das erste Studienjahr am Seminar in Leningrad von 37 im Jahre 1959 auf 16 im Jahre 1960 und auf acht im Jahre 1961 zu reduzieren Im Herbst 1965 betrug die Zahl der Studenten an den Lehranstalten in Leningrad und Zagorsk zusammen nur noch etwa 600, von denen aber die Hälfte lediglich als Fernstudenten betreut wurde. Daneben bestand noch das Seminar bei Odessa, in dem sich 1964 nicht mehr als Studenten auf das Priesteramt vorbereiten konnten 50).

Bisher sind die Repressalien behandelt worden, durch die Staat und Partei im wesentlichen von außen auf die Kirche und ihre Einrichtungen Druck ausübten. Darüber hinaus hat man versucht, auch auf das innerkirchliche Leben Einfluß zu nehmen und den Existenzspielraum der Gemeinden noch weiter einzuengen.

Ein wichtiges Instrument wurde hierbei die 1961 auf die Forderung des Rates für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche hin durchgeführte Änderung des kirchlichen Statutes vom Januar 1945. Der Rat verlangte eine Änderung der Gemeindeordnung (Kap. IV des Statutes), die dem Gemeindepriester den Vorsitz im Kirchenrat, dem ausführenden Verwaltungsorgan oder Kirchengemeinde, eingeräumt hatte. Die sowjetische Behörde berief sich bei dieser Forderung auf das Gesetz vom April 1929, das eine Mitarbeit des Geistlichen im Kirchenrat überhaupt nicht vorgesehen hatte und seine Tätigkeit auf die geistliche Betreuung der Gemeinde beschränkte (Art. 13, 19 des Gesetzes vom 8. April 1929). Der Heilige Sinod entsprach unverzüglich der Aufforderung des Rates für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche, das kirchliche Statut mit dem Gesetz von 1929 in Einklang zu bringen und mußte hiermit erneut dem Rückgriff der Sowjetmacht auf die diskriminierende Religionsgesetzgebung der Stalinschen Frühzeit nachgeben. Gegen die entsprechende Verordnung des Sinod vom 18. April 1961 regte sich jedoch Widerstand unter der Geistlichkeit, und das Patriarchat sah sich veranlaßt, eine Bischofskonferenz einzuberufen, die am 18. Juli 1961 im Dreifaltigkeitskloster in Zagorsk zusammentrat und die Verordnung des Sinod sowie eine neue Gemeindeordnung bestätigte Sie bedeutete eine erhebliche Stärkung des Laienelementes in der Kirche — ein Gesichtspunkt, der vielen Bischöfen u. U. nicht sogleich die den Gemeinden drohende Gefahr deutlich werden ließ, die in einer vollkommenen Ausschaltung des Klerus aus der Gemeindeverwaltung lag. Der von der Gemeindeversammlung gewählte dreiköpfige Kirchenrat mit dem Ältesten (starosta) an der Spitze war jetzt der ein-21 zige handlungsberechtigte Partner für die sowjetischen Behörden; er allein verfügte über die Geldmittel der Gemeinde, bezahlte die Geistlichkeit, schloß Arbeitsverträge und war für die Kirchengebäude und das Inventar verantwortlich. Der Priester wurde auf die Ab-haltung des Gottesdienstes und die „Leitung der Gemeinde im christlichen Leben" (Art. 2, i)

verwiesen und war in allen weltlichen Fragen vom Kirchenrat, in dem er weder Sitz noch Stimme hatte, abhängig. Es zeigte sich sehr bald, daß die neuen Kirchenräte vielfach den staatlichen Behörden und den Bevollmächtigten des Rates für die russisch-orthodoxe Kirche in den einzelnen Eparchien preisgegeben waren — besonders, da die Behörden ja jederzeit die Möglichkeit hatten, unnachgiebige Mitglieder des Kirchenrates abzusetzen und ihnen willfährige von der Gemeinde wählen zu lassen (Art. 14 des Gesetzes vom 8. April 1929).

Die jetzige Zweiteilung der Gemeinden in Kirchenrat und Klerus hat außerdem zu vielfachen inneren Spannungen geführt und es den Behörden auch dadurch erleichtert, ihnen ergebene Personen in die Gemeindeleitung einzuschleusen. So sind zahlreiche Gemeinden von innen her zersetzt oder aufgelöst worden. Die Unterwanderung vieler Gemeinden betrieben die sowjetischen Behörden nicht nur durch die Auswahl unkirchlicher und ungläubiger Kirchenältesten, die von sich aus mithalfen, eine Gemeinde zur Selbstauslösung zu bringen sondern auch durch die Stützung unfähiger Priester, die bei der Gemeinde moralisch Anstoß erregten und von ihr abgelehnt wurden. Es haben sich sogar Geistliche in die Kirche eingeschlichen, die mit Eifer bei Kirchenschließungen mitwirkten, ihre Amtsbrüder denunzierten und die atheistische Agitation in der Gemeinde förderten. Da solche ganz offen zerstörerischen Elemente von den Behörden gern gesehen wurden, war es für die Kirchenleitung meist sehr schwierig, sie zu entfernen

Die unklaren Formulierungen der neuen Gemeindeordnung von 1961 (Art. 2, c, d) ermöglichten es den Bevollmächtigten des Rates für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche außerdem, die Gemeindeversammlung, das oberste Organ jeder Gemeinde, dem der Kirchenrat rechenschaftspflichtig ist, auf 20 Personen (dvadcatka) zu begrenzen. Diese Einschränkung, die sogar über die Bestimmungen des Gesetzes von 1929 noch hinausgeht, das 20 Personen lediglich als Mindestzahl für eine Gemeinde festgesetzt hatte, schloß die weitaus überwiegende Mehrzahl der Gemeindemitglieder jetzt von der Teilnahme an der Selbstverwaltung der Gemeinde aus. Die Behörden sind darüber hinaus gehalten, als Mitglieder der auf 20 Personen beschränkten Gemeindeversammlung nur Leute zu registrieren, die bereit sind, die „Vorschläge und Aufträge" der sowjetischen Behörden redlich zu erfüllen, wie es in einem internen Zirkular des Rates für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche heißt

Wenden wir uns jetzt der Rolle dieses Rates bei der repressiven Politik gegen die Kirche noch etwas genauer zu. Seine Tätigkeit vollzieht sich weitgehend im geheimen; wir sind über sie nur fragmentisch durch eine Reihe von Zeugnissen aus kirchlichen Kreisen in der Sowjetunion unterrichtet und alle Verallgemeinerungen bleiben problematisch. Dennoch scheint es sicher, daß sich der Rat unter Ku-

roedovs Leitung seit 1960 aus einer Institution, die zwischen staatlichen und kirchlichen Stellen vermitteln sollte, „in ein Organ der nicht-offiziellen und ungesetzlichen Leitung des Moskauer Patriarchates" verwandelte. Der Rat griff ständig unkontrolliert in die innere Verwaltung der Kirche ein. „Telefonische Anordnungen, mündliches Instruieren, nirgends fixierte, inoffizielle Absprachen — das ist die Atmosphäre der ungesunden Heimlichkeit, die wie ein dichter Nebel die Beziehungen des Moskauer Patriarchates und des Rates einhüllte."

So haben der Rat und seine Unterorgane in den Eparchien seit etwa 1961 auf Grund mündlicher, nichtoffizieller Vorschriften in fast allen Pfarrbezirken die Registrierung kirchlicher Amtshandlungen, besonders der Taufen, erreicht. Vor der Taufe muß außerdem eine schriftliche Genehmigung beider Elternteile vorgelegt werden. Ein Verzeichnis der vorge-nommenen Amtshandlungen, das eine — in der Sowjetunion verbotene — verkappte Registrierung der Religionszugehörigkeit bedeutet, wird vom Gemeindekirchenrat den staatlichen Behörden zugeleitet und hat häufig zur Verhöhnung der Christen, zu gezielter atheistischer Propaganda und zur Diskriminierung der Gläubigen in den Betrieben und Schulen einschließlich ihrer Entlassung geführt.

Der Patriarch, der sich außerstande sah, den Forderungen des Rates entgegenzutreten, hat die Registrierung von Kasualien in einem Zirkular vom 22. Dezember 1964 ausdrücklich zur Pflicht gemacht. Um eine Umgehung dieser Bestimmung zu erschweren, wurde die Sakramentsspendung außerhalb der Kirchen in Privathäusern verboten

Auch die letztgenannte Anordnung des Zirkulars war nur die Sanktionierung eines Zustandes, den die Bevollmächtigten des Rates auf Grund geheimer Anweisungen vielfach schon seit 1961 durchgesetzt hatten. Zunächst wurden Anfang der sechziger Jahre alle Taufkapellen außerhalb der Kirchen geschlossen. Danach verlangten die Beamten des Rates von den Priestern, Amtshandlungen in Privathäusern und ebenso Totenmessen auf Friedhöfen nur noch nach vorheriger Genehmigung durch die örtlichen Sowjetverwaltungen abzuhalten, obwohl sogar die sowjetische Gesetzgebung von 1929 für beides keine besondere Erlaubnis gefordert hatte. Da entsprechende Genehmigungen der lokalen Sowjets während der angespannten Atmosphäre des Kirchenkampfes in der ersten Hälfte der sechziger Jahre „fast niemals gegeben wurden", bedeutete dies faktisch ein Verbot kirchlicher Amtshandlungen außerhalb der Kirchengebäude.

Das war für die Gemeinden eine besonders schmerzliche und für die atheistischen Funktionäre eine höchst wichtige Maßnahme in einer Zeit, da überall Kirchen geschlossen wurden und die atheistische Administration damit gleichzeitig jedes Gemeindeleben paralysieren, aber auch das Ausweichen in eine Untergrundkirche nach Möglichkeit verhindern wollte.

Die Bevollmächtigten des Rates fanden auch die geeigneten Mittel, um ihren Anordnungen in dieser Sache Nachdruck zu verleihen. So machte etwa der Bevollmächtigte des Rates für das Moskauer Gebiet, Trusin, die routinemäßige Erneuerung der Registrierung der Priester 1961/62 davon abhängig, daß diese sich vorher schriftlich verpflichteten, in Zukunft Amtshandlungen in Familien und Totenmessen auf Friedhöfen von den Behörden genehmigen zu lassen. Obwohl weiterhin unveröffentlicht, ist diese Einengung des kirchlichen Lebens, die noch über die Einschränkungen yon 1929 hinausgeht, inzwischen in das sowjetische Verwaltungsrecht eingegangen

Wie das besondere Augenmerk der atheistischen Propaganda stets der Jugend gegolten hat, so waren auch die Beamten des Rates für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche seit Beginn der sechziger Jahre bemüht, den Einfluß der Kirche auf Kinder und Jugendliche durch administrative Maßnahmen zu beschränken. Jegliche von der Kirche organisierte christliche Unterweisung von Jugendlichen unter 18 Jahren ist ohnehin vom Gesetz untersagt. Aber man ging auch hier noch über die Bestimmungen von 1929 hinaus: Die Bevollmächtigten des Rates setzten in vielen Eparchien durch, daß Kinder und Jugendliche zwischen drei und achtzehn Jahren überhaupt nicht mehr beim Gottendienst mitwirken durften und auch nicht zur Kommunion zugelassen wurden. Die Bischöfe mußten vielfach diese Anordnung des Rates bestätigen, die gelegentlich auch mit Polizeigewalt durchgesetzt Würde; die Polizei hinderte dann an hohen kirchlichen Feiertagen generell alle Jugendlichen, eine Kirche zu betreten

Zum Schluß ist darauf hinzuweisen, daß der Rat im Zuge seiner ständigen repressiven Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Kirche seit etwa 1960 entscheidenden Einfluß auf die Personalpolitik der Kirche auf allen Ebenen genommen hat. Hierzu bot die Regi-strationspflicht der Geistlichkeit bei den Sowjetbehörden den legalen Ansatzpunkt. Die Bevollmächtigten des Rates leiteten daraus in der Praxis für sich das Recht ab, bei allen Ernennungen, Versetzungen und Entlassungen von Diakonen, Priestern und Bischöfen vorher von den kirchlichen Stellen gehört zu werden und dann ihre mündliche Zustimmung zu geben oder auch zu versagen. Aber die Registra-tionspflicht der Geistlichkeit wurde vom Rat nicht nur zu einem faktischen Vetorecht in kirchlichen Personalentscheidungen ausgenutzt, sondern die Beamten des Rates ergriffen auch selbst die Initiative und forderten von der Kirche bestimmte personelle Veränderungen. Bei einem Teil der häufigen Versetzungen der Bischöfe aus einer Eparchie in eine andere — eine ungesunde Erscheinung des kirchlichen Lebens, die allerdings schon aus dem 19. Jahrhundert stammt — bildeten Beschwerden der Behörden den Anlaß, auf die derSinod prompt reagierte. Auch der Sturz des Metropoliten Nikolaj Jarusevic 1960 ist sehr wahrscheinlich vom Rat für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche gefordert worden; ebenso erklärte der Erzbischof von Kaluga, Ermogen Golubev, seine zwangsweise Versetzung in den Ruhestand habe der Sinod im November 1965 auf Weisung Ku-roedovs verfügt

Halten wir zusammenfassend noch einmal fest:

Bei aller Härte der Repressalien, die in den Jahren der Alleinherrschaft Chruevs gegen die orthodoxe Kirche und mit gewissen Modifizierungen auch gegen die anderen Religionsgemeinschaften angewandt wurden und die zu einer Dezimierung der institutionalisierten Kirche um die Hälfte ihres Bestandes von 1959 geführt haben, muß man doch im Auge behalten, daß — im Gegensatz zu den dreißiger Jahren — Blutvergießen im großen und ganzen vermieden wurde und daß die sowjetischen Behörden sich zumeist bemühten, den Anschein der Legalität zu wahren.

Diese Taktik wurde noch durch eine zusätzliche Raffinesse ergänzt. Im Unterschied zu dem gnadenlosen Frontalangriff gegen die Kirche in der Stalinzeit ließ man während der jüngsten Etappe des Kirchenkampfes den hohen Klerus und die Kirchenleitung — von wenigen Ausnahmen abgesehen — unangetastet. Zwar wurden auch die Bischöfe seit 1959 vielfach in der kirchlichen Leitung ihrer Eparchie behindert und praktisch auf das Abhalten von Gottesdiensten beschränkt; die Behörden beschlagnahmten auch eine Reihe bischöflicher Residenzen — wahrscheinlich, weil die Kirche die den Gebäuden neuerdings auferlegten hohen Steuerlasten nicht tragen konnte. Aber im übrigen konnte das Patriarchat gerade in diesen Jahren den schon erwähnten Generationswechsel und die Verjüngung des Episkopates durchführen. Die Gesamtzahl der Bischöfe im aktiven Dienst unter Patriarch Aleksij stieg von 53 im Sommer 1961 auf 71 im Frühjahr 1965. Die prominentesten unter den jüngeren Bischöfen sind Nikodim Rotov (geweiht 1960) und Aleksij Ridinger (geweiht 1961), die beide dem Geburtsjahr 1929 angehören; von den acht Bischöfen, die 1965/66 in ihr Amt berufen wurden, standen drei erst im 30. Lebensjahr

Die weitgehende Verschonung des hohen Klerus durch die Behörden hat schwerwiegende Folgen für die Kirche gehabt. Es wurde so ein gewisser äußerer Glanz des kirchlichen Lebens aufrechterhalten, der die zahllosen ausländischen Besucher der orthodoxen Kirche vielfach über die wahre Situation täuschte. Eine Fehleinschätzung wurde noch dadurch gefördert, daß die russisch-orthodoxe Kirche gerade in den Jahren der schweren inneren Bedrängnis ihre eigene Mitarbeit in den internationalen kirchlichen Organisationen entscheidend ausgebaut hat. Diese wachsende internationale Rolle wurde deutlich, als die russisch-orthodoxe Kirche 1961 dem Weltrat der Kirchen beitrat und im gleichen Jahr durch die Teilnahme an der ersten panorthodoxen Rhodoskonferenz ihren Willen bekundete, aktiv an der Vorbereitung eines gesamtorthodoxen Konzils mitzuwirken. Seit der Eröffnung des 2. Vatikanums 1962 ging diesen internationalen Bezieziehung eine rasche Annäherung an Rom parallel.

Die paradoxe Gleichzeitigkeit von gefährlicher Bedrohung im Inneren und zunehmender internationaler Bedeutung hat dazu geführt, daß ein breiteres Publikum außerhalb der Sowjetunion die neue Welle der Kirchenverfolgung erst mit einer Verzögerung von mehreren Jahren — seit etwa 1964 — zur Kenntnis nahm Als weit schwerwiegender für die innerkirchliche Situation erwies sich jedoch die Tatsache, daß die Bischöfe zwar unangetastet blieben, daß der Rat für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche aber in den meisten Fällen von ihnen eine Sanktionierung der Repressalien verlangte. Die Entlassungen von Geistlichen, Auflösungen von Gemeinden, die Registrationspflicht der Kasualien mußten vom zuständigen Bischof bzw.der Patriarchatsleitung bestätigt werden, die ensprechend der grundsätzlichen Loyalität der orthodoxen Kirche gegenüber der Sowjetmacht nur selten den Versuch machten, sich zu widersetzen.

Diese Unterwürfigkeit, die auch als Opportunismus ausgelegt wurde, führte in manchen Gemeinden zu einem wachsenden Widerwillen gegen die Kirchenleitung, von der die einzelnen Gemeinden sich im Stich gelassen sahen. Die kompromittierte Kirchenführung steht deshalb seit etwa 1963 oppositionellen Strömungen in der eigenen Kirche gegenüber, die die Gefahr einer Abspaltung, eines Raskol, nicht ausgeschlossen erscheinen lassen. Soweit wir wissen, ist es bisher weder zu einem organisierten Zusammenschluß der kirchlichen Opposition gekommen noch haben sich Priester und Gemeinden von der Patriarchatskirche losgesagt, aber die oppositionelle Haltung gegenüber der Kirchenleitung wird zweifellos von einer großen Zahl Gläubiger in allen’ Teilen der Sowjetunion geteilt, wie aus einer Reihe von Zeugnissen bekannt ist

Die Vorwürfe und Anklagen gegen Patriarch und Bischöfe werden meist in einer sehr scharfen Sprache geführt; man beschuldigt sie, „zu einem gehorsamen Werkzeug in den Händen der machthabenden Atheisten" geworden zu sein Die Priester Esliman und Jakunin vergleichen die Unterwürfigkeit der Kirchenleitung mit den Zuständen vor 1917, als an der Spitze der orthodoxen Staatskirche der kaiserliche Oberprokuror stand, nur sei die Freiheit der Kirche jetzt noch weit gefährlicher bedroht, „denn an die Stelle eines christlichen Beamten, der an der Spitze des Hl. Sinod stand, traten jetzt faktisch atheistische Beamte an das Ruder der Kirche"

Empörung und Verachtung spricht aus einem Brief, mit dem sich Gemeindeglieder aus Pocaev an ihren Bischof Damian in L’vov wandten und in dem sie sich darüber beklagten, daß er nichts zum Schutz der Pocaevskaja Lavra unternommen habe. „Was fürchtest Du den Tod und willst lieber auf der Erde leben und den Kommunisten dienen? Wenn Du nicht unser Hirte sein willst, dann sage Dich los von Deiner Würde, und einen Nachfolger brauchen wir nicht [! ]... Unser Kloster schließt Du, das ganze Evangelium trittst Du und Deine Kirchenführung mit Füßen. Und wie wirst Du beim Jüngsten Gericht erscheinen? ... Gehe von uns.“

Mindestens ein Bischof, Ermogen Golubev, Erzbischof von Kaluga, hat sich den Kritikern angeschlossen, die der offiziellen Kirche ihr widerstandsloses Nachgeben gegenüber den neuen sowjetischen Repressalien vorwerfen. Das vergrößert die Gefahr eines Schismas außerordentlich, denn es könnte trotz einer Lossagung von der Patriarchatskirche die apostolische Sukzession gewahrt werden. Erzbischof Ermogen hatte sich zusammen mit sieben anderen Bischöfen im Sommer 1965 in einer Erklärung an den Patriarchen gewandt, in der die wichtigsten konkreten Forderungen der kirchlichen Opposition ausgesprochen wurden. Man verlangte, daß die Beschlüsse der Bischofskonferenz vom Juli 1961 aufgehoben würden und daß ein Landeskonzil zusammentreten sollte, um die gesamtkirchliche Lage zu beraten und einen Ausgleich zu suchen. Außerdem vertreten die oppositionellen Kreise durchweg die Forderung, daß die Einmischung staatlicher Behörden in die inneren Angele-genheiten der Kirche aufhören müsse. Sie berufen sich dabei auf das Dekret über die Trennung von Staat und Kirche von 1918 und auf die sowjetische Verfassung, implizieren jedoch mit einem solchen Aufbegehren eine entscheidende Veränderung der sowjetischen Wirklichkeit.

Erzbischof Ermogen, der es vor dem Sinod abjehpte, die Erklärung der acht Bischöfe zu widerrufen, wurde daraufhin gegen seinen Willen im November 1965 in den Ruhestand versetzt und in das Kloster Zjrovicy bei Minsk eingewiesen, wo er noch heute lebt. Er hat inzwischen im November 1967 ein erneutes Schreiben an Patriarch Aleksij gerichtet, in dem er schwerwiegende kanonische Bedenken gegen die jetzige Kirchenleitung äußert

Dennoch ist es bisher nicht zu einer Kirchen Spaltung gekommen, wie die Kritiker selbs mehrfach betont haben Ein solches Schis ma würde für die Kirche eine innere Zerreiß probe bedeuten, wobei es höchst fraglich bleibt ob die Opposition nach einer Trennung voi der Patriarchatskirche ihr Programm verwirk licken könnte. Daß indessen ein neuer Rasko nicht ausgeschlossen ist, zeigt nicht nur die Analogie zur „Lebendigen Kirche" aus der zwanziger Jahren. Bei den Evangeliumschri sten/Baptisten haben die gleichen Ursachen die hinter den Spannungen in der orthodoxer Kirche stehen, schon zu Beginn der sechzige: Jahre zur Abspaltung der sogenannten inicia tivniki geführt.

III. Die Lockerung des administrativen Druckes nach dem Sturz Chruschtschows

Seit 1965 zeichnet sich eine gewisse Entspannung der kirchenpolitischen Lage in der Sowjetunion ab. Jedenfalls haben die schlimmsten Folgen des staatlichen Druckes aufgehört:

Es gibt keine massenweise Schließung von Kirchen mehr und den Priestern wird nicht mehr ihre Registrierung entzogen. Vielfach ist berichtet worden, daß die Zahl der Kirchenbesucher entschieden zugenommen hat, unter denen sich auch wieder Jugendliche in größerer Zahl finden, überfüllte Kirchen sind heute in der Sowjetunion eine normale Erscheinung. Einige der in den Jahren zuvor geschlossenen Kirchen — man spricht von 1 °/0 — sind seit 1965 wieder für den Gottesdienst geöffnet worden.

Auch die Situation an den geistlichen Lehranstalten hat sich gebessert. Man hindert die Kandidaten nicht mehr mit administrativen Mitteln, in die Seminare einzutreten. Das zuvor geschlossene Seminar Zirovicy in Weißrußland soll 1966 wieder 20 Kandidaten ausgenommen haben

Mit der allgemeinen Entspannung des Verhältnisses von Kirche und Staat hängt es zusammen, daß auch die Zahl der Taufen und kirchlichen Eheschließungen wieder angestiegen ist.

Immer wieder werden in der sowjetischen Presse Fälle erörtert, in denen sogar Mitglieder des Komsomol und der Partei die kirchlichen Sakramente in Anspruch nehmen. Wenn auch im Prinzip beides als unvereinbar gilt, so gibt es doch in der Wirklichkeit eine ganze Skala von Verhaltensreaktionen der Partei:

von der augenzwinkernden Duldung einer gleichzeitigen Zugehörigkeit zu Partei und Kirche bis hin zum Ausschlußverfahren, verbunden mit einem öffentlichen Skandal Obwohl Staat und Partei seit 1965 in ihrer Auseinandersetzung mit der Kirche in gewissem Umfang nach neuen Methoden suchen, sind doch die repressiven Beschränkungen des innerkirchlichen Lebens vom Anfang der sechziger Jahre zumeist auch heute noch in Kraft. Beide Elternteile müssen weiterhin ihr Einverständnis bei der Taufe eines Kindes geben, kirchliche Amtshandlungen müssen registriert* werden und sind außerhalb der Kirchengebäude verboten. Auch das für die Kirche besonders gravierende Verbot, Jugendliche unter 18 Jahren zur Kommunion zuzulassen, besteht noch. — Aber in dem entspannteren Klima ist es leichter geworden, solche Verbote zu umgehen.

Wenn man nach Gründen fragt, die die Sowjetmacht zur Änderung ihres Kurses gegenüber der Kirche veranlaßt haben, so kommen hier eine ganze Reihe von Motiven in Betracht. Eine Rolle hat dabei sicher die Einsicht gespielt, die eine Propagandistin des Atheismus folgendermaßen umriß: „Es stimmt, daß es auf einem großen Treil des Territoriums der Sowjetunion keine Kirchen und keine Kultdiener mehr gibt. Aber die Gläubigen gibt es . . ., die Schließung eines Pfarrbezirks macht aus den Gläubigen keine Atheisten. Im Gegenteil, sie verstärkt die Hinneigung der Menschen zur Religion und verhärtet außerdem ihre Herzen." Die administrative Unterdrückung des kirchlichen Lebens hatte also nicht zu dem Erfolg geführt, den die Partei sich wünschte, außerdem brachte sie in zunehmendem Maße die Gefahr mit sich, daß ein Teil der aufgelösten Gemeinden in den Untergrund ging — eine Entwicklung, die auch die Sowjetbehörden fürchten und nach Möglichkeit zu verhindern suchen.

Einen anderen Grund für das Nachlassen des Druckes wird man wohl darin suchen müssen, daß die staatlichen Repressalien inzwischen auf einen „harten Kern" in der Kirche gestoßen waren, der auch mit den bisher angewandten Methoden nicht zu sprengen gewesen wäre. Schließlich können auch westliche Proteste gegen die Kirchenverfolgung, die in der Sowjetunion sehr genau verzeichnet wurden — orthodoxe Bischöfe mußten verschiedentlich Dementis abgeben —, zur Kursänderung beigetragen haben. Wichtiger scheint dagegen, daß innerhalb der Sowjetunion die innerkirchliche Opposition, die sich gegen den atheistisehen Staat und die eigene Kirchenleitung wandte und von der oben die Rede war, erhebliche Ausmaße annahm. Diese Gegenströmung wird von den staatlichen Behörden genau registriert und muß ihnen höchst unerwünscht sein da sie die Kontrolle eines Bereiches im Sowjetstaat gefährdet, der ohnehin außerhalb der „totalitären" Ordnung steht. Aber Unwillen gegen die seit Jahren anhaltende Kampagne der Kirchenschließungen und die damit verbundene platte, beleidigende und verächtliche atheistische Propaganda regte sich auch in der außerkirchlichen sowjetischen Öffentlichkeit, insbesondere bei einem Teil der professionellen Atheisten. Dieser Unmut verband sich mit der nach dem Herbst 1964 allerseits in der Sowjetunion geübten Kritik am Chruscevschen „administrirovanie", unter dem die Kirche ja besonders hatte leiden müssen.

Der Rat für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche hat sich rechtzeitig der neuen Entwicklung angepaßt. Vielleicht hat sogar sein Leiter, V. A. Kuroedov, eine Änderung der eigenen Taktik angestrebt; er hat jedenfalls eine gewisse Entspannung mit der gleichen Vehemenz verteidigt, mit der er vorher die Repressalien durchgeführt hat. 1965 wurde eine Reihe von Bevollmächtigten des Rates aus der Provinz nach Moskau gerufen, wo man ihnen wegen ihres willkürlichen Vorgehens gegen die Kirche einen Verweis erteilte; bei Kirchenschließungen sei in Zukunft die sozialistische Gesetzlichkeit einzuhalten. Damit soll offenbar den Gemeinden u. a. wieder die Möglichkeit gegeben werden, bei Kirchenschließungen an den Obersten Sowjet zu appellieren

Kuroedov selbst bescheinigte der Geistlichkeit im Zeichen des neuen Kurses „in ihrer Mehrheit" Loyalität „gegenüber allen Maßnahmen der sowjetischen Regierung". Und er erklärte in erstaunlicher Selbstverleugnung:

„Es ist seit langem bekannt [! ], daß Verbote jeder Art oder administrativer Druck untaugliche Mittel im Kampf mit der religiösen Ideologie sind... Atheistische Überzeugungen ... können niemandem durch Gewalt, Dekretierung oder andere administrative Maßnahmen aufgezwungen werden." Kuroedov konnte seine Stellung durch die Re-

Organisation der staatlichen Aufsichtsbehörden über die Religionsgemeinschaften zu Beginn des Jahres 1966 noch festigen. Die beiden seit dem Kriege bestehenden Räte für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche bzw.der anderen Religionsgemeinschaften wurden zusammengelegt und in „Rat für die Angelegenheiten der Religionen beim Ministerrat der UdSSR" umbenannt, wobei die leitenden Stellen mit den Beamten des ehemaligen Rates für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche besetzt wurden. Zugleich hat man die Kompetenzen des neuen Rates entscheidend erweitert, worin jedoch nicht ein verstärkter Druck gegenüber den Religionsgemeinschaften, sondern lediglich eine Verwaltungsvereinheitlichung zu sehen ist. Wahrscheinlich hatten die beiden ehemaligen Räte schon vor 1966 einen Großteil der neuen Kompetenzen faktisch an sich gezogen. Die Bevollmächtigten des neuen Rates erhielten jetzt offiziell viele Rechte, die bisher den Exekutivkomitees der Sowjetbehörden (ispolkomy) zu-standen. In Ausübung seiner Kontrollfunktion über die Religionsgemeinschaften kann der Rat heute von sich aus administrative Maßnahmen ergreifen, die vorher — jedenfalls formell — den allgemeinen Verwaltungsbehörden vorbehalten waren. Der Rat ist berechtigt, den Religionsgemeinschaften und ihren Geistlichen bei Verletzung der sowjetischen Religionsgesetze die Registrierung zu entziehen und ihre Kult-gebäude zu schließen; er prüft auch die Rechnungslegung der Kirchengemeinden. Dabei sind die Bevollmächtigten des Rates stets gehalten, eng mit den staatlichen Verwaltungsbehörden zusammenzuarbeiten

Zu den Aufgaben des Rates hat es ja auf der anderen Seite von Anfang an gehört, den Religionsgemeinschaften ihrerseits das Recht auf freie Religionsausübung zu sichern und sie vor unberechtigten staatlichen Eingriffen zu schützen. Dies ist zwar eine verbale Verpflichtung geblieben, dennoch hat der Gesetzgeber im März 1966 im Zeichen der Neuorientierung im Kampf mit den „religiösen Überresten" eine vom Rat vorbereitete Verordnung verabschiedet, in der die Diskriminierung Gläubiger ausdrücklich als kriminelles Delikt bezeichnet wird. Die Verordnung „über die Anwendung des Art. 142 des Strafgesetzbuches der RSFSR", der die Übertretung der Gesetze über die Trennung von Kirche und Staat unter Strafe stellt, definiert als Straftaten im Sinne dieses Artikels u. a.: „Die Verweigerung der Aufnahme in ein Arbeitsverhältnis oder in eine Lehranstalt, Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder Ausschluß aus einer Lehranstalt . .. von Bürgern in Abhängigkeit von ihrer Beziehung zur Religion." Die Verordnung insgesamt ebenso wie der gleichzeitig verabschiedete Ukaz „über die administrative Verantwortlichkeit bei Übertretung der Gesetze über die religiösen Kulte" und eine Ergänzung des genannten Artikels 142 StGB der RSFSR richten sich im übrigen in erster Linie gegen die iniciativniki’, eine schismatische Gruppe der Evangeliumschristen/Baptisten, die offen gegen die Beschränkungen der religiösen Freiheit in der Sowjetunion opponiert und deshalb als illegale Sekte seit der Mitte der sechziger Jahre administrativ und gerichtlich verfolgt wird

Die im März 1966 vom Gesetzgeber verurteilte persönliche Diskriminierung von Gläubigen war in den vorangegangenen Jahren eine häufige Erscheinung in der Sowjetunion und reichte von verleumderischen Angriffen in der Presse über die Nichtzuteilung verdienter Prämien und Beförderungen bis hin zur generellen Verweigerung eines Arbeitsplatzes in einem ganzen Bezirk; der Ausschluß von Studenten aus Lehranstalten war dabei eine besonders häufig geübte Form dieser Diskriminierung Es bleibt abzuwarten, ob die neuen Bestimmungen in Zukunft die persönliche Benachteiligung Gläubiger tatsächlich beseitigen werden; bisher wird auch weiterhin in der sowjetischen Presse über sie berichtet, wobei die Formen dieser Deklassierung heute anscheinend weniger offen sind

Um ein richtiges Bild von der Situation der Kirche nach 1964 zu bekommen, ist es notwendig, sich vor Augen zu halten, daß die atheistische Propaganda seit dem Sturz Chruseevs in ihrer Intensität nur wenig nachgelassen hat und auf manchen Gebieten seitdem noch verstärkt wurde. 1959 war zugleich mit den administrativen Maßnahmen gegen die Kirche eine großangelegte atheistische Propagandakampagne angelaufen. Die Flut der atheistischen Bücher und Broschüren schwoll im Jahre 1962 auf 355 Neuerscheinungen an, die in 5, 4 Mill. Exemplaren in der ganzen Sowjetunion verbreitet wurden; 1964 erreichte die Auflagenhöhe mehr als 6 Mill. Exemplare, dazu wurden in diesem Jahre 70 antrireligiöse Filme in der Sowjetunion gezeigt Sie liefern das Material für Hunderttausende von atheistischen Kongressen, Seminaren, Vorträgen, Unterhaltungen, Filmvorführungen, Radio-und Fernsehsendungen, die seitdem in jedem Jahr in der Sowjetunion veranstaltet werden. Allein in der Moldauischen Unionsrepublik wurden 1967 mehrere Tausend atheistische Vorträge gehalten, und es fanden mehr als 2000 atheistische Konferenzen, Diskussionsabende und andere Massenveranstaltungen statt. Außerdem führten 20 000 Komsomolzen individuelle Propaganda bei den Gläubigen durch Die atheistische Arbeit wird von entsprechenden Sektionen bei den Parteiorganisationen geleitet. Die Lektoren und das Propagandamaterial stellt vielfach die „Allunionsgesellschaft zur Verbreitung politischer und wissenschaftlicher Kenntnisse", 1963 in „Das Wissen" (Znanie) umbenannt, zur Verfügung.

Trotz des gewaltigen Aufwandes ist an der atheistischen Arbeit in den vergangenen Jahren in der Sowjetunion selbst häufig Kritik geübt worden. Auch der Vorsitzende der Ideologischen Kommission beim ZK der KPdSU, L. F. Il'icev, betonte in einem Referat vor diesem Gremium im November 1963 die „ernsten Mängel der atheistischen Propaganda". „In der atheistischen Arbeit gibt es bis heute viel Formalismus, häufig ist sie ohne Beziehung zum Leben, sie erreicht nicht Verstand und Herzen der Menschen und hat nur schwachen Einfluß auf die Gläubigen." Um die atheistische Erziehung des „neuen Menschen" im „Stadium des entfalteten Aufbaus des Kommunismus" quantitativ, aber vor allem qualitativ zu verbessern, faßte das ZK der KPdSU im Januar 1964 einen Beschluß „Uber Maßnahmen zur Verstärkung der atheistischen Erziehung der Bevölkerung" Die hier projektierten und im Laufe des Jahres 1964 verwirklichten Maßnahmen haben den Sturz Chruevs überdauert. Zur Organisation und Koordinierung der gesamten Atheismusforschung, der die Partei außerordentlich großes Gewicht beilegt, grün-dete man innerhalb der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der KPdSU ein Institut für wissenschaftlichen Atheismus Der Unterricht über Fragen des Atheismus wurde darüber hinaus seit 1964 auf allen Ebenen des Schulwesens erweitert. An einer Reihe von Universitäten und Pädagogischen Instituten schuf man Lehrstühle für wissenschaftlichen Atheismus. Und für alle Studenten an Universitäten, medizinischen, landwirtschaftlichen und pädagogischen Hochschulen wurden mit dem Schuljahr 1964/65 „Grundlagen des wissenschaftlichen Atheismus" Pflichtfach. Neben den traditionellen Formen der atheistischen Propaganda durch Vorträge, Filme, Ausstellungen usf. steht in den letzten Jahren eine verstärkte individuelle propagandistische Arbeit mit den Gläubigen im Vordergrund, die mit den hergebrachten Propagandamethoden meist nicht erreicht worden waren.

Die Intensivierung der atheistischen Forschung und Erziehung hat glücklicherweise nicht das überdenken der eigenen Position verhindert, dem allerdings bisher feste ideologische Grenzen gesetzt sind. Gab es schon zu Beginn der sechziger Jahre Klagen über die Flachheit und Primitivität atheistischer Broschüren, so hat sich diese Kritik seit 1965 wesentlich verstärkt und auch grundsätzliche Fragen einbezogen. Die sowjetische Presse wendete sich nicht nur gegen die Oberflächlichkeit und intellektuelle Armut atheistischer Lehrbücher, sondern auch gegen die Verhöhnung und Verleumdung von Geistlichen und Gläubigen durch die atheistische Propaganda

Symptomatische Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung zwischen den atheistischen Propagandisten verschiedener Richtung, die in einem „Brief" aus der Redaktion" der Zeitschrift „Nauka i religija" und der anschließenden Diskussion zum Ausdruck kommt Die drei Verfasser des Briefes (B. Mar’janov, G. Ul’janov, A. Samaro) richten scharfe Angriffe gegen A. Ja. Trubni-kova, die bekannte Autorin atheistischer Feuilletons und Broschüren, die in Massenauflagen in der Sowjetunion gedruckt werden.

Der Trubnikova wird vorgeworfen, daß sie ihre Angriffe nicht gegen die religiöse Ideologie richte, sondern gegen die Gläubigen, die bei ihr grundsätzlich nur als Gauner, Betrüger, Landstreicher, geistige und körperliche Krüppel aufträten. Anstatt die Religiosität als Unglück für die betroffenen Menschen zu betrachten, erscheine sie bei der Trubnikova als persönlich zu verantwortende Schuld. Die Verfasser des Briefes betonen, daß es anachronistisch sei, die Gläubigen als politisch unzuverlässige Menschen und Feinde der sowjetischen Gesellschaft hinzustellen. Anhand vieler Zitate aus ihren Schriften werfen sie der Trubnikova „verächtliches, höhnisches Verhalten gegenüber den Gläubigen" vor, es fehle ihr sowohl an journalistischem Geschmack als auch am Gefühl des Maßes. Der einzig erfolgversprechende Weg in der atheistischen Arbeit bestehe darin, in ein Gespräch mit den Gläubigen einzutreten; anstatt dessen richte die Trubnikova zusätzliche Barrieren auf. Ihre Schriften seien geeignet, „die Liebhaber grober administrativer Maßnahmen zu ermuntern".

Die Redaktion von „Wissenschaft und Religion" erhielt auf ihren „Brief" hin, in dem es natürlich nicht nur um die Trubnikova ging, sondern „um die Richtung. . .der atheistischen Propaganda im ganzen", viele zustimmende, aber auch eine Reihe scharf ablehnender Stellungnahmen, insbesondere von der Trubnikova selbst, die die Redaktion beschuldigte, Religion und Gläubige in Schutz zu nehmen und der atheistischen Propaganda in den Rükken zu fallen. Dennoch verteidigte die Redaktion in ihrem Schlußwort zur Diskussion die Ansicht, daß es „in erster Linie auf den humanitären Charakter unserer atheistischen Bewegung" ankomme, und bezog in ihre Kritik jetzt sogar die Izvestija ein, in deren Redaktion es offenbar einige Genossen gäbe, die glaubten, „daß es in der Ordnung sei, den Kampf mit der Religion hauptsächlich im Rahmen des Strafgesetzbuches zu führen, und die dabei vergessen, daß die Religion eine Ideologie ist".

Zwar sind die Einsichten von „Wissenschaft und Religion" nicht unwidersprochen geblieben, und es gibt weiterhin die „Harten", die im Interesse eines „kämpferischen" Atheismus nicht lange über die Mittel dieses Kampfes reflektieren. Dennoch bleibt es bemerkenswert, daß in der gleichen Zeitschrift ein Autor zu Wort kommen konnte, der sogar dafür eintrat, jegliche administrative Verbote im Kampf gegen religiöse Überzeugungen aufzugeben

Wenn auch die sowjetische Religionsgesetzgebung und die politische Praxis noch weit von solchen Grundsätzen entfernt sind, so hat sich in den letzten Jahren unter den atheistischen Funktionären doch vielfach die Ansicht durchgesetzt, daß die bisherige rein negative Ausrichtung des Atheismus unzureichend ist. Die umfangreichen religions-soziologischen Forschungen haben die Einsicht gefördert, daß die Religion Anziehungskräfte besitzt, denen die kommunistische Ideologie wenig entgegenzusetzen hat. Zu diesen elementaren Kräften gehören sowohl die religiösen Antworten auf die letzten Fragen des Menschen nach dem Sinn des Lebens und nach dem Tode als auch die Hinwendung der christlichen Religion zu den „Erniedrigten und Beleidigten", den aus der modernen Leistungsgesellschaft Ausgestoßenen. Diese Unglücklichen und Kranken sind „irgendwie auf unserem optimistischen Hintergrund nicht vorgesehen", heißt es in einem Artikel, der die atheistische Propaganda zugleich auffordert, ihnen gegenüber „die Konkurrenz" mjt „den kirchlichen Tröstungen" aufzunehmen

Diese neuen Töne in der Sprache des sowjetischen Atheismus sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß dort mit unverminderter Zähigkeit an der ideologischen Formel von der Unvereinbarkeit von Kommunismus und Religion festgehalten wird. Oder deutet das dauernde Einhämmern dieser Formel darauf hin, daß man sich ihrer nicht mehr so sicher ist? Auch vor einem kommunistischen Publikum ist es schwierig geworden, sie zu vertreten Die russisch-orthodoxe Kirche und fast alle anderen Religionsgemeinschaften in der Sowjetunion gehen jedenfalls in ihrem eigenen Existenzverständnis stillschweigend davon aus, daß Religion mit der gegenwärtigen und auch mit einer zukünftigen sowjetischen Gesellschaftsordnung sehr wohl vereinbar ist; sie verzichten allerdings auf jede offene Auseinandersetzung mit dem Atheismus.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Istorija sovetskoj konstitucii (V dokumentach) 1917— 1956, Moskau 1957, S. 744.

  2. Art. 9 und 12 des Dekrets vom 23. Januar/5. Februar 1918 (Kirche und Staat in der Sowjetunion. Gesetze und Verordnungen, hrsg. v. R. Stupperich, Witten 1962, S. 5f.).

  3. Istorija sovetskoj konstitucii, a. a. O., S. 145, 530.

  4. Kirche und Staat in der Sowjetunion, a. a. O., S. 13— 28.

  5. Verfassungsänderndes Gesetz vom 18. Mai 1929 (S-ezdy Sovetov, Bd. IV, 1, 1962, S. 140).

  6. J. Chrysostomus, Kleine Kirchengeschichte Rußlands nach 1917, (Freiburg 1968), S. 126; N. Struve, Die Christen in der UdSSR, Mainz (1965), S. 61.

  7. Aus dem Programm der KPR(B) von 1919 (Kirche und Staat in der Sowjetunion, a. a. O., S. 12).

  8. Struve, a. a. O., S. 70.

  9. W. Kolarz, Die Religionen in der Sowjetunion, Freiburg-Basel-Wien (1963), S. 54 f. Die Zuständigkeiten der Räte sind niemals genau bekannt-gegeben worden. Sie traten die Nachfolge der 1931 geschaffenen „Ständigen Kommission beim Präsidium des Zentralexekutivkomitees der UdSSR für religiöse Fragen" an (vgl. D. Loeber, Die Rechtsstellung der Kirche in der Sowjetunion, in: WGO VIII (1966), S. 268 Anm. 85).

  10. Struve, a. a. O., S. 68 ff; Die Russische Orthodoxe Kirche in Lehre und Lehen, hrsg. v. R. Stupperich, Witten 1966, S. 57 f. Das Statut ist gedruckt irr: Kirche und Staat in der Sowjetunion, a. a. O., S. 35— 41.

  11. Loeber, a. a. O., S 271, P 4

  12. Die Verordnung vom 22. August 1945 ist nicht veröffentlicht worden; ihr Inhalt ergibt sich aus einem Schreiben des Vorsitzenden des Rates für die Angelegenheiten der russisch-orthodoxen Kirche G. G. Karpov an den Patriarchen Aleksij vom 28, August 1945, aus dem hier uch zitiert wird (publiziert bei Loeber, a. a. O., S. 272 f.). Trotz der Gewährung dieser „juristischen Rechte" sind Kirchen in der Sowjetunion — nach sowjetischer Rechtsterminologie — nach wie vor keine juristischen Personen (Loeber, a, a. O., S. 268; Administrativnoe pravo, pod-red. A. E. Luneva, Moskau 1967, S. 506; anders R. Maurach, Handbuch der Sowjetvertassung, München 1955, S. 358, und K. -H. Ruffmann, Sowjetrußland, München 1967, S. 177).

  13. Struve, a. a. O., S. 130 f., 148.

  14. Kirche im Osten (= KIO) V (1962), S. 140.

  15. Struve, a. a. O., S. 193; Kolarz, a. a. O., S. 37.

  16. Bilanz der Ära Chruscev (Hrsg. E. Boettcher u. a. j, Stuttgart (1966), S. 8, 12, 15.

  17. Il’icev in einem Referat vor der Ideologischen Kommission des ZK der KPdSU am 25. November 1963 (Kommunist 1/1964, S. 29).

  18. Der Beschluß ist gedruckt in: Kirche und Staat in der Sowjetunion, S. 29- 34; die folgenden Zitate S. 29, 30, 31, 32.

  19. Struve, a. a. O., S. 290; L. Pistrak, Moskau verschärft den Kampf gegen die Religion, in: Außenpolitik XII (1961), S. 824.

  20. Die Namen von etwa 30 abtrünnigen Priestern sind zusammengestellt bei Struve, a. a. O., S, 318, 346 f., 539 Anm. 114. Ihre Absagen an das Christentum sind von atheistischer Seite in verschiedenen Sammelbänden veröffentlicht worden: Pocemu my porvali s religiej, Moskau 1958; My porvali s religiej, Moskau 1963 2); My porvali s religiej, Moskau 1964.

  21. Zumal Moskovskoj Patriarchii (= ZMP), 2/1960, S. 27.

  22. Die Ansprache des Patriarchen ist in deutscher Übersetzung publiziert bei Struve, a. a. O., S. 412 bis 414; das Zitat ebd., S. 414.

  23. A. Kischkowsky, Die sowjetische Religionspolitik und die Russische Orthodoxe Kirche, München 1960 2), S. 161; G, Stökl, Todeskampf der russischen Kirche?, in: Zeitwende. Die neue Furche XXXVII (1966), S. 26.

  24. Diesen Titel trägt der Stellvertreter des Patriarchen, der zugleich die Eparchie Moskau leitet.

  25. Struve, a. a. O., S. 338— 341.

  26. Struve, ebd., S. 179; KIO V (1962), S. 136; Who's who in the USSR 1965/66, 19662, S. 594 f.

  27. KIO VIII (1965), S. 146; XI (1968); Struve, a. a. O., S. 194 f., 324; Posev, 23. September 1966, S. 3.

  28. Struve, a. a. O., S. 320.

  29. Ebd., S. 321 f. Weitere Einzelfälle berichtet B. V. Talantov in einem offenen Brief vom November 1966 aus der Eparchie Kirov. Vestnik russk. studenceskogo christianskogo dvizenija 1967/1, S. 29— 64; Referat in KIO XI).

  30. Brief der Priester Esliman und Jakunin an Patriarch Aleksij (Grani 61, 1966, S. 130 f., vgl, S. 179); Brief von B. V. Talantov (s. Anm. 33).

  31. Struve, a. a. O., S, 326 f.

  32. Briefe der Priester Esliman und Jakunin (Grani, 61, 1966, S. 169, 180); Brief von B. V. Talantov, s. Anm. 33,

  33. Struve, a. a. O., S. 320 f.; Neues Forum XIV (1967), S. 354 (Interview mit dem Stellvertretenden Leiter des Rates für die Religionen P. V. Markar-cev).

  34. Struve, a. a. O., S. 343— 345; Informationen aus der Orthodoxen Kirche 1967/2, S. 27; KIO IX (1966), S. 121.

  35. KIO VI (1963), S. 128 f.; IX (1966), S. 119 Anm. 13; Struve, a. a. O., S. 337. Die Verschärfung des Art. 227 des Strafgesetzbuches der RSFSR vom 25. Juli 1962 (Vedomosti Verchovnogo Soveta RSFSR 1962, S. 452) richtet sich dagegen wohl in erster Linie gegen die Sekten und besonders die radikale Gruppe der „iniciativniki" unter den Evangeliumschristen/Baptisten.

  36. Struve, a. a. O„ S. 327; KIO X (1967), S. 127 f. (Levitin); Salzburger Nachrichten vom 22. IV. 1968.

  37. Neues Forum XIV (1967), S. 351, 353 (Interview mit Makarcev); Loeber, a. a. O., S. 262.

  38. Eine vorläufige Zusammenstellung der Dokumente ergibt folgendes: 1) Bittschrift von Mönchen und Gläubigen aus Pocaev an Chruev, Kennedy und den Weltrat der Kirchen vom September 1962 (FAZ, 12. Dezember 1962; Auszüge bei Struve, a. a. O., S. 329— 333, 349 f.). 2) Bittschrift an Chruscev vom 20. Juli 1963 (Hinweis bei J. Lawrence, Soviet Policy towards the Russian Churches, 1958— 1964, in: Soviet Studies XVI [1964/65], S. 282 f.) 3) Von vier Frauen unterzeichnete Bittschrift an die orientalischen Patriarchen vom September 1963 (Hinweis bei Struve, a. a. O., S. 535 Anm. 20, S. 536 Anm. 31). 4) Von A. E. Levitin gesammelte und zusammengestellte Dokumente über Repressalien gegen das Kloster im Jahre 1963 (Zascita very v SSSR, Pariz 1966, S. 63— 87). 5) Bittschrift einer „Gruppe von Gläubigen" vom 2. Februar 1964 an den Weltrat der Kirchen (Hinweis bei J. Lawrence, a. a. O., S. 283). 6) Bittschrift „von Gemeindegliedern und Pilgern der Pocaevskaja Lavra" vom 5. Dezember 1964 „an die UN, die Häupter aller Regierungen der Erde, an die Vorsteher aller christlichen Kirchen und Vereinigungen, an die Christen der ganzen Welt" mit der Beilage einer Reihe von Dokumenten zur Geschichte der sowjetischen Repressalien

  39. Struve, a. a. O., S. 329— 333, 349 f. (Auszug aus der Bittschrift, Anm. 42, Nr. 1).

  40. Eingaben verschiedener Mönche mit der Bitte um Wiederherstellung ihrer Aufenthaltsgenehmigung sind gedruckt in: Zaita very v SSSR, Paris 1966, S. 63— 74; eine am 31. Oktober 1964 von der Leitung des Klosters zusammengestellte Liste von 19 Mönchen, denen zwischen 1961 und 1963 die Aufenthaltsgenehmigung entzogen worden war und die ohne eine solche in der Lavra lebten, ist publiziert in: Posev, 20. August 1965; Bittschrift, Anm. 42, Nr. 10.

  41. Bittschriften, Anm. 42, Nr. 6, 7.

  42. Zascita very v SSSR, a. a. O., S. 93; KTO X (1967), S. 127, 134.

  43. KIO VI (1963), S. 122 f.; eine Gruppenaufnahme von Schülern und Lehrern des Seminars in Stavropol’ vom Ende der fünfziger Jahre zeigt 88 Personen (Die Russische Orthodoxe Kirche, Moskau 1958, S. 118),

  44. KIO VIII (1965), S. 147; IX (1966), S. 126.

  45. Struve, a. a. O., S. 335 f.; E. T. Murav’ev — Ju. V. Dmitriev, O konkretnosti v izucenii i preodolenii religioznych perezitkov, in: Voprosy filosofji XV, 3 (1961), S. 68.

  46. KIO VII (1964), S. 153; IX (1966), S. 126; X (1967), S. 128.

  47. Die Beschlüsse der Bischofskonferenz vom 18. Juli 1961 sind gedruckt in: Kirche und Staat in der Sowjetunion. Gesetze und Verordnungen, a. a. O„ S. 41— 45.

  48. Brief der Priester Esliman und Jakunin an Pat. Aleksij (Grani 61, [1966], S. 143— 146); A. E. Levitin (Pseud. Kiasnov), Slusaja radio ... in: Posev, 1. Oktober 1966, S. 3 f; R. Stupperich, Die Russisch-Orthodoxe Kirche fünfzig Jahre nach der Oktoberrevolution, in: Osteuropa XVII (1967), S. 892 f.; ders., Zwischen staatlichem Druck und kirchlicher Opposition, in: Osteuropa XVII (1967), S. 210.

  49. Esliman und Jakunin, ebd., S. 149; Posev, 30. April 1967, S. 3 f.; Struve, a. a. O., S. 345.

  50. Esliman und Jakunin, ebd., S. 169 f., 185; das Zirkular aus der Zeit zwischen 1961 und 1966 in: Vestnik russkogo studentceskogo christianskogo dvizenija 1967, 1, S. 3— 6, hier zitiert nach KIO XI (1968).

  51. Brief der Priester Esliman und Jakunin an Patriarch Aleksij (Grani 61, 1966, S. 126).

  52. Esliman und Jakunin, ebd., S. 127 ff,, 182; Struve, a a. O., S. 355 t.

  53. Esliman und Jakunin, ebd., S. 132 f. (das Zitat S. 133), 135; Loeber, Die Rechtsstellung der Kirche in der Sowjetunion, a. a. O., S. 264, 267; Ad-ministrativnoe pravo, pod. red. A. E. Luneva, Moskau 1967, S. 508.

  54. Esliman und Jakunin, ebd., S. 134 f.; KIO IX, S. 122; X, S. 145.

  55. Esliman und Jakunin, ebd., S. 137, 177; Posev, 1. Oktober 1966, S. 3; Struve, a. a. O„ S. 152; Brief Erzbischofs Ermogen an Patriarch Aleksij vom 25. November 1967 (Vestnik russk. studenc. christiansk. dvizenija 1967 Nr. 86, S. 60 ff.; hier nach: Religion und Atheismus in der UdSSR 6, 1968, S. 2).

  56. Struve, a. a. O., S. 336; Die Russisch Orthodoxe Kirche in Lehre und Leben, a. a. O., S. 284 f.; KIO VI (1963), S. 119 f.; X (1967), S. 122. Ein generelles Mißtrauen gegenüber den jungen Bischöfen, wie es Chrysostomus, Kleine Kirchengeschichte Rußlands, a. a. O., S. 180, äußert, ist unbegründet.

  57. Das zeigen u. a. die sonst außerordentlich informativen Chroniken des kirchlichen Lebens in: KIO; vgl. KIO VIII (1965), S. 145 f.; J. Lawrence, Soviet Policy towards the Russian Churches, a. a. O., S. 276. Nicht vermerkt ist die gesamte Entwicklung bei Ruffmann, Sowjetrußland, a. a. O., S. 177 f.

  58. Den wichtigsten Aufschluß über die oppositionelle Haltung innerhalb der Kirche vermittelt der offene Brief der Priester Nikolaj Esliman aus Moskau und Gieb Jakunin aus Dmitrov an Patriarch Aleksij vom 21. November 1965 (Grani 61, [1966], S. 122— 167). Mit ihnen solidarisierten sich weitgehend: ein offener Brief von zwölf Gläubigen aus der Eparchie Kirov vom Juni 1966 an Patriarch Aleksij (Vestnik russk. stud. christ. dvizenija [1966], 4, S. 3— 19); ein offener Brief eines „demütigen Christen" aus der Sowjetunion an den Mitarbeiter der BBC Vater Vladimir Rodzjanko vom 31. August 1966 (auszugsweise in Posev, 7. Januar 1967, S. 7 f.); offener Brief des Boris V. Talantov aus der Eparchie Kirov vom 10. November 1966 (Vestnik russk. stud. christ. dvizenija [1967], 1, S. 29— 64); Briefe des Erzpriesters Vsevolod Spiller (Moskau) an Metropolit Nikodim Rotov (Istina 1965/66, S. 469 bis 496) und Erzb Vasilij Krivosein vom 2. Januar 1967 (Messager de l'Exarchat du Patr. Russe [1967], Nr. 58, S. 107 ff.); Schreiben des Bischofs Ermogen Golubev an Patriarch Aleksij vom 25. November 1967 (Vestnik russ. stud. Christ, dvizenija Nr. 86, [1967], S. 60— 80). Harte Kritik an der Kirchenleitung wird auch in einem Teil der in Anm. 42 genannten Dokumente geübt; der in Moskau lebende kirchliche Schriftsteller A. E. Levitin richtete ebenfalls schwere Vorwürfe gegen Patriarch und Bischöfe (besonders Posev, 23. September 1966, S. 3 f.).

  59. Brief der zwölf Gläubigen aus der Eparchie Kirov, hier zitiert nach KIO XI (1968).

  60. Grani 61, 1966, S. 160.

  61. Der Brief ist wahrscheinlich Ende 1964 verfaßt, Posev, 20. August 1965.

  62. Brief der Priester Eliman und Jakunin n alle russisch-orthodoxen Bischöfe vom 13. Dezember 1965 (Grani 61, [1966], S. 172 f. l; KIO X, 1967], S. 120; Posev, Mai 1968, S. 7; Religion und Ateismus in der UdSSR, Apnl 1968, S. 1— 3.

  63. Levitin in: Posev, 1. Oktober 1966, S. 4; Protoierej Spiller hier zitiert nach: KTO XI (1968). Die Darstellung, die D. Konstantinov in Ostprobleme XVIII (1966), S. 386 ff., und in seinem Buch Religioznoe dvizenie soprotivlenija v SSSR, London (Canada), 1967, von der kirchlichen Opposition gegeben hat, schießt m. E. weit über das Ziel hinaus.

  64. KIO VIII (1965), S. 146; IX (1966), S. 123 Anm. 33 a; Posev, 27. August 1965; 30. April 1967; Mai 1968, S. 7.

  65. Ostprobleme XX (1968) S. 156- 158; W. C. Fleischer, Russian Orthodoxy: The Church and the Communist State, in: Studies on the Soviet Union N. S., VII, 2 (1967), S. 78 f.

  66. G. Kel't, Svjataja svjatych-celovek! in: Kom-somol’skaja pravda, 15. August 1965, S. 3. Eine solche öffentliche Äußerung zu diesem Zeitpunkt bestätigt zweifellos eine politische Kursänderung; daß indessen publizistische Äußerungen in der Sowjetunion keineswegs notwendigerweise eine politische Richtungsänderung widerspiegeln, zeigt der Aufsatz von A. Valentinov, Azbuka materializma in: Kom. pravda, 14. Juni 1963, der die gleichen Argumente enthält wie der obengenannte Artikel und — auf dem Höhepunkt der Repressalien gegen die Kirche — ausdrücklich vor „administrativen Methoden des Kampfes mit der Religion" warnt.

  67. KIO VIII (1965), S. 145 f.; IX (1966), S. 122.

  68. Vgl. besonders: Zascita very v SSSR, a. a. O., S. 88 ff.; V. Kuroedov, Leninskie principy svobody sovesti v SSSR, in: Nauka i religija IX (1968) 6, S. 10.

  69. Posev, 27. August 1965; D. Konstantinov, Religioznoe dvienie soprotivlenija v SSSR, London (Canada) 1967, S. 49.

  70. Izvestija, 30. August 1966, S. 4.

  71. Ebd.; Administratjvnoe pravo, a, a. O. r S. 509 f. Eine entsprechende Änderung des Religionsgesetzes von 1929 ist bisher nicht publiziert worden.

  72. Dje drei Gesetzgebungsakte vom 18. März 1966 sind publiziert in: Vedomosti Verchovnogo Soveta RSFSR (1966), S. 219 f.

  73. Struve, a. a. O., S. 352 ff ; Ostprobleme XVIII (1966), S. 59; Posev, 7. Januar 1967, S. 5.

  74. G. Mateckij, Vojna s bogami, in: Trud, 12. Mai 1968.

  75. Struve, a. a. O., S. 300; Posev, 29. April 1966.

  76. Nauka i religija IX (1968) 3, S. 62.

  77. Referat von Il’icev auf der Sitzung der Ideologischen Kommission des ZK der KPdSU am 25. November 1963 in: Kommunist Nr. 1, Januar 1964, S. 23— 46 (die Zitate S. 34).

  78. Partijnaja zisn'Nr. 2, Januar 1964, S. 22— 26.

  79. Das Institut gibt seit 1966 u. a. regelmäßig Sammelbände unter dem Titel Voprosy nauänogo ateizma heraus, bisher 4 Bände. Dafür haben die beiden Periodica Voprosy istorii religii i ateizma und Ezegodnik Muzeja istorii religii i ateizma 1964 ihr Erscheinen eingestellt.

  80. Entsprechende Nachweise sind zusammengestellt in: Nauka i religija VII (1965) 10, S. 12; Posev, 10. IV. 1966, S. 3. 7; Mai 1968, S. 10.

  81. Nauka i religija VII (1965) 3, S. 23— 26. Auszüge aus Leserbriefen und Stellungnahmen ebd. H. 9. S. 14 f.; H. 10, S. 12— 14; Schlußwort der Redaktion: H. 10, S. 5— 8. Die folgenden Zitate: H. 3, S. 24, 26; H. 10, S. 5, 6, 8.

  82. D. Balasov, Tradicionnoe i sovremennoe, in: Nauka i religija VII (1965) 12, S. 28. Dieser Artikel wurde allerdings von der Redaktion mit einer einschränkenden Vorbemerkung versehen,

  83. L. Korobkov, V teni i na solnce, in: Komso-morskaja pravda, 6. Juli 1968.

  84. I. P. Camerjan, Kommunizm i religija, Moskau 1967, S. 3; V. Drugov, Ateisticeskaja Propaganda i ee dejstvennost’, in: Pravda, 18. April 1968; vgl. das Il'icev-Referat, Anm. 81, S. 35.

Weitere Inhalte

Gerhard Simon, Dr. phil., geb. 1937, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundes-institut für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Studium der Geschichte und Slawistik in Göttingen und Hamburg. Veröffentlichung: K. P. Pobedonoscev und die Kirchenpolitik des Heiligen Sinod 1880— 1905, erscheint 1969 in Göttingen.