Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Zum Selbstverständnis des Deutschen Bundestages Parlamentsreform als Ausdruck eines sich wandelnden Selbstverständnisses | APuZ 39/1974 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 39/1974 Artikel 1 Zur Entwicklung des Parlaments unter der Ordnung des Grundgesetzes Zum Selbstverständnis des Deutschen Bundestages Parlamentsreform als Ausdruck eines sich wandelnden Selbstverständnisses

Zum Selbstverständnis des Deutschen Bundestages Parlamentsreform als Ausdruck eines sich wandelnden Selbstverständnisses

Volker Szmula

/ 48 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Als der Bundestag 1949 seine Arbeit aufnahm, war ihm sein Standort innerhalb des politischen Systems, das die Verfassung skizziert hatte, unklar. Ihm boten sich im vorgegebenen Rahmen zwei mögliche Wege an: einerseits sich als Ganzes neben der Exekutive zu begreifen und die vom Grundgesetz vorgeschriebenen Funktionen restriktiv zu interpretieren sowie die von der Verfassung konzipierte Gewaltentrennung auszubauen, andererseits eine symbiotische Verbindung mit der Regierung einzugehen, deren Konsequenz die Hinwendung zum parlamentarischen Regierungssystem ist. In dem Maße, in dem nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei jüngeren Abgeordneten der Regierungsfraktionen der Wunsch nach einer aktiveren Handlungsweise des Bundestages laut wurde — hervorgerufen durch den Regierungsstil Adenauers und durch das veränderte Selbstbewußtsein der Abgeordneten, welches das vermehrte Interesse im Volke an politischen Vorgängen widerspiegelte —, suchte der Bundestag nach neuen Möglichkeiten der Parlamentsarbeit. Dieses Bemühen fand seinen sichtbaren Ausdruck in den drei Reformphasen des Bundestages: Die 1951 konzipierte neue Geschäftsordnung enthielt in nuce ein bipolares Geschäftsordnungsmodell, in dem den Mehrheitsrechten fast nur noch qualifizierte Minderheitsrechte gegenüberstanden. Die zweite Phase wird durch den Versuch des Bundestages bestimmt, der Langweiligkeit in seinen Plenarsitzungen durch die Änderung der „Fragestunde“ und durch die Einführung der „Aktuellen Stunde" zu begegnen. Erst die Kleine Geschäftsordnungsreform von 1968/69 brachte den großen Durchbruch in der bewußten, auch geschäftsordnungsmäßig verankerten Hin-wendung zum parlamentarischen Regierungssystem. Die Einführung der Parlamentarischen Staatssekretäre dokumentiert ebenfalls den Willen des Bundestages, seine Interdependenz zur Regierung deutlich werden zu lassen. Auch der Wandel in der Redeordnung stellt schließlich einen signifikanten Prozeß im Selbstverständnis des Bundestages dar.

Der Begriff . parlamentarisches Regierungs-System“ skizziert nur grob die politische Wirklichkeit, in der Legislative und Exekutive verantwortlich handeln. Politikwissenschaftler haben sich deshalb wiederholt bemüht, exaktere und klarere Charakteristika für dieses System zu erarbeiten Solches Bemühen weist Klaus von Beyme als „linnesche Klassifikationswut“ zurück und beschränkt seine Betrachtung auf das Verhältnis von Regierung und Parlament; er kommt so zu Unterscheidungsmerkmalen, von denen die wesentlichsten im folgenden kurz wiedergegeben werden

Auf institutioneller Ebene ergibt sich 1. eine enge Verbindung zwischen Parlament und Regierung dadurch, daß eine Kompatibilität von Abgeordnetenmandat und Ministerposten besteht. 2. In der Regel rekrutieren sich Regierungschef und Minister aus dem Parlament

3. Die Regierung hat die Pflicht zurückzutretren, wenn sie nicht mehr das Vertrauen der Parlamentsmehrheit genießt. Das Parlament besitzt das Recht, die Regierung zu kontrollieren, und zwar in Form von Untersuchungsausschüssen oder Anfragen verschiedener Art. Als sozialstrukturelle Kriterien bezeichnet von Beyme die Existenz organisierter Parteien, die im modernen Parlamentarismus die Klammerfunktion zwischen Legislative und Exekutive ausüben. 6. Es bedarf eines hohen Grades an Homogenität und solidarischem Verhalten im Kabinett. 7. Durch seine Richt-linienkompetenz nimmt der Regierungschef eine exponierte Stellung ein. Sein Rücktritt zieht die Demission des gesamten Kabinetts nach sich. 8. Dem Kabinett steht eine loyale Opposition entgegen. Darüber hinaus nimmt von Beyme noch 9. die „Existenz einer dem Parlamentarismus günstigen politischen Kultur" als Merkmal auf: „Nur wo parlamentarische Verhaltensweisen auch auf Ebenen unterhalb des Parlaments im Volk und seinen politischen Eliten verwurzelt sind und wo autoritär-bürokratische Konfliktschlichtungstechniken nicht vorherrschen, kann ein parlamentarisches System auf die Dauer mehr sein als ein formaler überbau einer faktischen Minderheitsdiktatur" 4). Sollen sich „parlamentarische Verhaltensweisen" außerhalb der Legislative durchsetzen, hat das Parlament eben solchen zu folgen, um die „teaching function“ 5) übernehmen zu können — sofern ihm überhaupt diese „elitäre" Funktion zugebilligt wird.

Aus der Art, wie sich das Wechselspiel zwischen Parlament und Regierung gestaltet, lassen sich Rückschlüsse auf das Selbstverständnis der Exekutive einerseits und das der Legislative andererseits ziehen. Die Notwendigkeit des Kabinetts, Homogenität und solidarisches Verhalten zu üben, durch die Richtlinien-kompetenz des Bundeskanzlers ohnehin im Grundgesetz fixiert, macht den Regierungschef im wesentlichen zum Bildner des Selbstverständnisses der Exekutive. Anders liegt der Fall bei der Legislative, die aufgrund parteipolitischer Pluralität den singulären Begriff vom Selbstverständnis als problematisch erscheinen läßt. Dennoch kann aus der Vielzahl der politischen Handlungen, die im Laufe, der Wahlperioden die Tätigkeit des Parlamentes prägen, eine Tendenz in seinem Selbstver-ständnis gefiltert werden. Eine solche läßt sich an vielen Faktoren ablesen. Die bewußte Beschränkung, das Selbstverständnis des Parlaments aus seinem Spannungsverhältnis zur Regierung gewinnen, legt den Prozeß der „lebenden Verfassung“ bloß, den das parlamentarische Regierungssystem in einem bestimmten Zeitraum durchlaufen hat.

In den Mittelpunkt einer solchen Betrachtung rückt nicht die Diskussion, ob das im Grundgesetz niedergelegte Nebeneinander von parlamentarischem Regierungssystem und Gewaltentrennung in der Praxis funktioniert, sondern die Frage, wohin sich das Regierungssystem entwickelt hat. Dabei richtet sich zwangsläufig das Hauptaugenmerk auf bisher durchgeführte Parlamentsreformen. Denn sie sind „die fortwährende Reflexion über den Standort eines Parlamentes in einem repräsentativen Regierungssystem und die diesen Überlegungen folgende Standortverlegung"

Eine solche ist aber ohne Zielorientierung unmöglich.

Obwohl dem Bundestag weithin fehlende Reformbereitschaft unterstellt wird läßt sich aus seinen bisher durchgeführten Reformen eine derartige Tendenz kaum ablesen. Weiterentwicklungen sind am ehesten im Geschäfts-Ordnungsgebaren des Bundestages zu finden, weil das Geschäftsordnungsrecht einer häufigeren Modifizierung unterliegt als etwa die Verfassung und es darüber hinaus in der Parlamentspraxis flexibel gehandhabt wird. Im folgenden bleibt die Erörterung über Geschäftsordnungsänderungen notwendigerweise selektiv; sie umfaßt nur solche Aspekte, die zur Dynamisierung des parlamentarischen Regierungssystems beigetragen haben.

I. Aktualisierung der Plenardebatten

Das aus Wahlen hervorgehende Kräfteverhältnis im Parlament kann sich in sachpolitischen Auseinandersetzungen durch taktisch geschicktes Operieren mit geschäftsordnungsmäßigen Bestimmungen verändern. Daher kommt den Bemühungen um Geschäftsordnungsregeln entscheidend wichtige Bedeutung zu; häufig verbirgt sich hinter den Auseinandersetzungen um rein verfahrenstechnische Regelungen de facto ein „erbittert geführter Kampf um Ausweitung, Erhaltung oder Abbau von Machtpositionen“ Diese allgemein-gültige These bezieht sich auf eine Geschäfts So der Titel: Dolf Sternberger, Lebende Verfassung.

Ordnungsentwicklung, die speziell durch die deutsche Verfassungswirklichkeit bedingt wird:

Obwohl das im Grundgesetz niedergelegte Verfassungsmodell mit Relikten aus der konstitutionellen Ära behaftet ist, vermögen Geschäftsordnungsänderungen diese schrittweise abzubauen, um die parlamentarische Regierungsweise voll zu verwirklichen Als der 1. Deutsche Bundestag in seiner 5. Sitzung die modifizierte Geschäftsordnung des Reichstages als seine vorläufige Verfahrensregelung an-nahm, leitete ihn der Wunsch, an die Tradition des Weimarer Reichstages anzuknüpfen, um so eine kontinuierliche Geschäftsordnungsentwicklung zu begünstigen n). Mit der Annahme verband der Bundestag den Auftrag, eine endgültige Geschäftsordnung von dem von ihm berufenen Geschäftsordnungsausschuß erarbeiten zu lassen.

Die wichtigste und das künftige Parlaments-leben prägende Arbeit, die ein Ausschuß zu leisten hat, der sich speziell mit Fragen parlamentarischer Organisation befaßt, ist die Kodifizierung der Geschäftsordnung, die den Erfordernissen des momentanen Parlaments ebenso wie den künftigen Anforderungen entsprechen muß. Daher kann die Frage nach der objektiven Qualität einer Geschäftsordnung nicht gestellt werden, weil diese stets eine Funktion des parlamentarischen Lebens ist; erst ihre Handhabung in der Parlamentspraxis läßt erkennen, ob sie funktionstüchtig ist, was aber auch den Willen der Parlamentarier impliziert, ihr zu ihrer Geltung zu verhelfen. Diese Beziehung zwischen der Wirkkraft der Geschäftsordnung und den parlamentarisch Handelnden führt zu einer gegenseitigen Abhängigkeit, an deren Spannungsverhältnis und Elastizität der Gütegrad des jeweiligen parlamentarischen Systems abgelesen werden kann. 1. Wandlungen in der Redeordnung Die für die Öffentlichkeit signifikante Tätigkeit des Abgeordneten liegt in seiner Artikulierungsmöglichkeit und -fähigkeit im Parlamentsplenum. Mit der geschäftsordnungsmäßigen Regelung dieses Bereiches steht und fällt die politische Chancengleichheit für den einzelnen Abgeordneten und auch für die Fraktionen. Betrachten wir deshalb diesen Komplex, wie er sich in den 25 Jahren seit Bestehen des Bundestages strukturierte. a) Rednerfolge Vor den Plenardebatten haben sich Abgeordnete, die in ihnen zur Sache sprechen wollen, beim Schriftführer in die Rednerliste einzutragen Nur ihnen kann der Präsident das Wort erteilen Da diese starre Handhabung dem dynamischen Prozeß der Plenardebatten widersprach, nahm der Bundestagspräsident in der 1.

Wahlperiode auch Wortmeldungen durch Zuruf entgegen Doch ist der Präsident, um das Wort zu erteilen, nicht an die Reihenfolge der Wortmeldungen gebunden. Ihn soll vielmehr die „Sorge für sachgemäße Erledigung und zweckmäßige Gestaltung der Beratung, die Rücksicht auf die verschiedenen Parteirichtungen und die Stärke der Fraktionen leiten" Um diesem Proportionalitätspassus entgegenzuwirken, plädierte die kommunistische Fraktion im 1. Bundestag für die Wort-erteilung in der Reihenfolge der eingegangenen Wortmeldungen. Dieses Ansinnen wurde jedoch von der Mehrheit des Bundestages zurückgewiesen

Die Einengung der Wortmeldungen war im 1. Bundestag aufgrund der vielen Fraktionen und Gruppen durchaus nötig. Diese Maßnahme verlor jedoch mit zunehmender Reduzierung der im Parlament vertretenen Parteien ihre Berechtigung und führte vor allem dann zur Monotonie in den Plenardebatten wenn in komplexen Sacherörterungen den Ausführungen der Bundesminister die Sprecher der stärksten Regierungsfraktion zu folgen pflegten Häufig gestattete eine solche Debattenführung den oppositionellen Rednern erst längere Zeit später, auf die Ausführungen der Bundesminister zu antworten. Diese Übung verdeutlicht, daß sich die Regierung bei der Worterteilung nicht als ein Teil der Regierungskoalition, sondern von ihr losgelöst und eigenständig begriff. Die Opposition versuchte deshalb in der 2. Wahlperiode diesen konstitutionalistischen Rückstand zu überwinden, indem sie vor-schlug, die Geschäftsordnung in § 33 Abs. 2 um folgenden Satz zu erweitern: „Bei der Beratung von Regierungserklärungen soll in der Regel der erste Redner von der Opposition gestellt werden." Dieser Antrag fand jedoch keine Mehrheit

Die ritualisierte Form der Rednerfolge — nach dem Regierungschef sprach erst der Führer der stärksten, d. h.der Regierungsfraktion, dann der Oppositionsführer und schließlich die Chefs der kleineren Koalitionsfraktionen •— verschleierte eines der Wesensmerkmale parlamentarischer Opposition: die sichtbare personelle Alternative zum Bundeskanzler zu bilden. Erst nach Bildung der Großen Koalition wurde dieses Ritual unterbrochen. Bei der Aussprache über die Regierungserklärung des Bundeskanzlers erhielten die oppositionellen Freidemokraten nach dem Regierungschef das Wort Diese Praxis wollte die sozialdemokratische Fraktion auch geschäftsordnungsmäßig verankern und legte einen entsprechenden Antrag vor „Der Präsident bestimmt die Reihenfolge der Redner. Dabei soll ihn ... die Rücksicht auf die verschiedenen Parteirichtungen, auf Rede und Gegenrede und auf die Stärke der Fraktionen leiten; insbesondere soll nach der Rede eines Mitgliedes oder Beauftragten der Bundesregierung eine abweichende Meinung zu Wort kommen."

Von der ursprünglichen Formulierung „eine oppositionelle Meinung“ nahm der Bundestag Abstand, indem er sie durch „eine abweichende Meinung" ersetzte; hierbei vertrat er die Ansicht, auch Mitglieder der regierungstragenden Fraktionen könnten durchaus eine von der Exekutive differierende Meinung vorbringen. Der Bundestag konnte sich, indem er diesen Antrag billigte nicht entschließen, eine klare, dem parlamentarischen Regierungssystem entsprechende Formulierung zu wählen. Damit wird dem Präsidenten die Aufgabe zugemessen, über Ausführungen eines Redners, die dieser noch nicht gemacht hat, zu entscheiden, ob sie im Gegensatz zu der Auffassung der Bundesregierung stehen. In der Praxis des Bundestages setzte sich informell durch, der Opposition nach der Exekutive das Wort zu erteilen Heute ist diese Übung sicherer Bestandteil des Parlamentsbrauches, ohne jedoch kodifiziert zu sein. b) Redezeit Eng mit der Rednerfolge ist die Redezeit verknüpft, die sich in der parlamentarischen Praxis zu einer restriktiven Geschäftsordnungsbestimmung entwickelte. Obwohl die vorläufige Geschäftsordnung die Regelung aus dem Weimarer Reichstag übernahm, dem einzelnen Abgeordneten eine Stunde Redezeit zu gewähren schränkte § 88 vorläufige Geschäftsordnung diese Bestimmung ein, indem er dem Plenum ermöglichte, auf Vorschlag des Ältesten-rates eine Gesamtredezeit für einen bestimmten Themenkreis beschließen zu können. Damit entschied die Mehrheit darüber, wie lange eine Plenardebatte dauern sollte. Gewöhnlich folgte der Bundestag dem Vorschlag des Ältesten-rates, häufig unter dem psychologischen Druck, daß sich die Debatte bei Nichteinigung ausweiten würde. Der 1. Bundestag übernahm deshalb, um eine rasche Einigung zu fördern, in § 39 Abs. 1 der Geschäftsordnung die Bestimmung, daß während der Beratung ein Antrag auf Verlängerung der Redezeit gestellt werden kann. Damit sollten ad hoc sich entwickelnde, politisch relevante Sachauseinandersetzungen nicht vorzeitig ausgeschaltet werden Da seit Beginn des Bundestages die Redezeit proportional zur Stärke der Fraktionen zugeteilt wurde, mußte das Parlament für die Gruppierung unterhalb der Fraktion eine Mindestredezeit festlegen. Es beschloß, sie auf fünf Minuten zu begrenzen, die es für genügend erachte, damit ein Redner einen ihm wesentlich erscheinenden Gedanken kurz und doch komplex abhandeln könne In der Pra-xis des 1-Bundestages zeigte sich, daß diese Zeit zu knapp bemessen war. Abgeordnete opponierten immer wieder dagegen sowie gegen die generelle Beschränkung der Redezeit Die strikte Beschränkung der Redezeit sieht Ritzel als „eine Folge der turbulenten Szenen, die sich während der Geltung (der Geschäftsordnung) im ersten Deutschen Bundestag ereigneten" Folgt man dieser Argumentation, dann wäre die Redezeitbeschränkung in den nächsten Bundestagen, als so gut wie keine . turbulente Szenen“ mehr stattfanden, obsolet geworden. In der Praxis handhabte das Parlament zwar die Zumessung der einzelnen Rede-zeiten großzügiger hielt aber dennnoch am Prinzip der Redezeitbeschränkung fest, so daß sich im 3. Bundestag die sozialdemokratische Fraktion an das Bundesverfassungsgericht mit der Bitte wandte festzustellen, ob eine Begrenzung der Redezeit überhaupt mit der Verfassung vereinbar sei.

Da das Bundesverfassungsgericht die Redezeitbeschränkung als verfassungskonform bezeichnet hatte meinten einige Mitglieder des Bundestages, durch weitere Einschränkung der Redezeit Spontaneität und Lebendigkeit in die Parlamentsdebatten bringen zu können Vornehmlich in der 5. Wahlperiode beschäftigte sich der Bundestag mit diesbezüglichen Anträgen, von denen einer für die Änderung des § 39 Abs. 2 GO wie folgt lautete:

Jeder Redner hat bei Wortmeldungen anzugeben, wie lange er voraussichtlich sprechen wird. Ergibt sich aus den angemeldeten Rede-zeiten, daß die gemäß Absatz 1 festgelegte Rededauer nicht eingehalten werden kann, teilt der Präsident dem Haus die Summe der angemeldeten Redezeit mit und schlägt eine angemessene Beschränkung der angemeldeten Redezeit vor“ Eine solche Bestimmung schien aus folgenden Gründen durchführbar:

a) Der Redner muß sich selbst zur Einhaltung der Redezeit zwingen; der Präsident kann daher entsprechend disponieren. b) Dieser Antrag schränkt die Redezeit einer Fraktion nicht ein, sondern bewirkt nur eine Straffung der Verhandlungen.

c) Dies kommt der Tendenz, Plenarsitzungen lebendiger zu gestalten, entgegen.

Ein schwerwiegendes negatives Moment sah der Bundestag jedoch in der Formulierung des ersten Satzes „Jeder Redner hat bei der Wortmeldung anzugeben, wie lange er voraussichtlich sprechen wird“, weil sie den Redner — zumindest psychologisch — zwingen würde, sich in seinen Ausführungen kurz zu fassen. Eine solche Methode hielt der Bundestag für fragwürdig und verwarf deshalb den Antrag Daraufhin versuchte der Antragsteller, Abg. Dichgans — ein leidenschaftlicher Befürworter der Redeneuordnung —, die Redezeitbeschränkung mit der Rednerfolge zu koppeln, um so seinem Ziel näherzukommen. Er beantragte, § 33 GO einen neuen Absatz 3 zu geben „Abgeordnete, die höchstens zehn Minuten ohne Manuskript sprechen wollen, erhalten, nachdem von jeder Fraktion ein Redner gesprochen hat, das Wort mit Vorrang vor anderen Wortmeldungen ... Bei politisch besonders bedeutsamen Debatten kann der Bundestag den Vorrang der Kurzrede außer Kraft setzen."

Dieser wie der erste Antrag achten peinlich genau auf die Prinzipien des parlamentarischen Geschäftsordnungsgebarens: Weder die Priorität noch die Proportionalität der Fraktionen zueinander wird angetastet. Dennoch wandte sich vor allem Bundestagspräsident Gerstenmaier gegen eine solche Bestimmung, weil sie die Freiheit des Präsidenten, die Reihenfolge der Redner zu bestimmen, einengen würde. Vielmehr könnten die amtierenden Präsidenten häufiger als bisher dies Recht gebrauchen, wobei nicht so sehr in dem Vordergrund stehen sollte, wann ein Redner sich zu Wort gemeldet habe, sondern was der sachgemäßen Erledigung eines Beratungsgegenstandes am meisten nütze. Die neue Bestimmung dagegen zwänge den Präsidenten, ohne Rücksicht auf die sachdienlichen Erfordernisse, „Kurzredner" zu bevorzugen. Eine solche Regelung würde diesen zwar Priorität verschaffen, doch bliebe es äußerst zweifelhaft, ob sie zu einer sinnvollen Ordnung der Debatte beitrügen. Auch könnte die Bestimmung zu unerwünschten Folgen führen, wenn z. B. eine größere Zahl von Abgeordneten sich ein Thema in Kurzreden unterteilten, um somit Sprechern, die eine längere Redezeit beantragen, zuvorzukommen. Die zu schematisch erscheinende Regelung könnte den amtierenden Präsidenten in die schwierige, ja peinliche Lage versetzen, einem Redner, der nur zehn Minuten für eine wichtige Äußerung beanspruchen wolle und diese Zeit dann überschreite, ohne Rücksicht auf den sachdienlichen Gehalt seiner Ausführungen das Wort zu entziehen. Der letzte Satz des neuen Absatzes 3 unterscheide zwischen politisch wichtigen und unwichtigen Debatten, wobei die Entscheidung, welche Bedeutung den einzelnen Debatten zukomme, selbst ein Politikum sei und zu erheblichen Meinungsverschiedenheiten führen könne. Neue Bestimmungen seien aber nur dann sinnvoll, wenn sie für politisch wichtige Aussprachen gelten würden

Aufgrund der Intervention des Bundestagspräsidenten ließ man diesen Antrag fallen, verband aber gleichzeitig damit den Wunsch, eine grundsätzliche Bestimmung, welche die Rede-zeit begrenzen sollte, in die Geschäftsordnung aufzunehmen. Dafür standen nunmehr 15 bis 30 Minuten zur Diskussion. Gegen eine solche Limitierung wandten sich die Freidemokraten, da vornehmlich der Duellpart der Opposition bei einer generell gekürzten Redezeit eingeschränkt werde, zumal man § Abs. 1 Satz GO („Die Zeitdauer für die Beratung eines Gegenstandes wird — in der Regel nach Vorschlag des Ältestenrates — vom Bundestag festgesetzt") nicht ändern wolle. Dieser Paragraph aber würde der Mehrheit weiterhin ermöglichen, die gesamte Zeitdauer für die Beratungen eines Gegenstandes festzusetzen. Demgegenüber argumentierten christdemokratische Mitglieder, daß der Bundestag diese Bestimmung in den letzten Jahren nicht mehr gebraucht habe 39); auch solle der Präsident die Redezeit auf Antrag sowohl bei 15-wie bei 30minütiger Redezeit verlängern, was die Rechte der Opposition keineswegs einschränke. Für große Debatten werde der Ältestenrat zuvor Verlängerungszeiten vereinbaren, während der Präsident in anderen Fällen ad hoc entscheiden würde.

Der Geschäftsordnungsausschuß, in dem diese Debatte geführt wurde, beschloß, als die Bedenken der Freidemokraten nicht ausgeräumt werden konnten, folgende Neufassung in § 39 „Der einzelne Redner soll nicht länger als 15 Minuten sprechen. Jede Fraktion kann für einen ihrer Redner 30 Minuten Redezeit beanspruchen. Der Präsident kann die Rede-zeit auf Antrag verlängern. Er soll sie verlängern, wenn das auf Grund längerer Ausführungen der Mitglieder des Bundesrates oder der Bundesregierung bzw. ihrer Beauftragten beantragt wird.“

Auch diese Formulierung fand nicht die Zustimmung der Freidemokraten. Daher erwog der Geschäftsordnungsausschuß eine Zeitlang, die Rede in zwei Arten aufzugliedern: Während in der Aussprache sich der einzelne Redner nicht länger als 15 Minuten äußern sollte, müßte für die Begründung von Anträgen weiterhin eine längere Redezeit vorgesehen werden. Im Vergleich zur obigen Fassung meinte der Geschäftsordnungsausschuß, der Passus „jede Fraktion kann für einen ihrer Redner 30 Minuten Redezeit beanspruchen“ solle nicht mehr aufgenommen werden; dies bekräftigte seinen Willen, Kurzreden im Plenum zu fördern. Für überflüssig hielt er auch die Regelung, die Redezeit aufgrund ausführlicher Darlegungen des Bundesrates oder der Bundesregierung zu verlängern.

Der Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung im § 39 rief im Plenum eine leidenschaftlich geführte Geschäftsordnungsdebatte hervor in deren Verlauf sich hauptsächlich an dem expressis verbis nicht mehr aufgenommenen Redevorrecht der Fraktionssprecher eine Kontroverse zwischen oppositionellen Freidemokraten und den Koalitionsfraktionen entzündete: Da der Antrag zwischen „Beratung“, in der gewöhnlich Fraktionssprecherreden, und „Aussprache", in der die übrigen Abgeordneten zu Wort kommen, unterscheide, werde de facto ein Dreiklassen-Rederecht geschaffen: 1. Rederecht für Bundesregierung und Bundesrat,

2. Rederecht für Fraktionssprecher, 3. Rederecht für alle übrigen Abgeordneten Den Mitgliedern der Bundesregierung und des Bundesrates stehe ein unbeschränkbares Rede-rechtnach Art 43 Abs. 2 GG zu; den Sprechern der Fraktionen werde de facto ein privilegiertes Rederecht eingeräumt, um den Standpunkt der Fraktionen eingehend zu begründen. Alle anderen Mitglieder des Bundestages dagegen hätten sich mit 15 Minuten Redezeit zu begnügen, ohne vorher zu wissen, ob ihnen diese verlängert werde Die FDP-Fraktion sah deshalb in dem Antrag eine Minderung der Parlamentsrechte „bei Gleichbleiben und damit Mehrung der Rechte der Regierungsbank und der Bundesratsbank" Der Absicht, den Dialog in den Plenardebatten fördern zu wollen, begegnete der FDP-Sprecher mit dem Hinweis, die neue Bestimmung gewähre gerade denen, die zu diesem Dialog nicht beitrügen, eine längere Redezeit

Die unnachgiebige Haltung der oppositionellen Freidemokraten veranlaßte schließlich den Bundestag, den Änderungsantrag an den Geschäftsordnungsausschuß zurückzuverweisen Dieser unterbreitete daraufhin dem Plenum folgenden Antrag: „(I) Die Zeitdauer für die Beratung eines Gegenstandes wird — in der Regel nach Vorschlag des Ältestenrates — vom Bundestag festgesetzt. Sie kann während der Beratung geändert werden. (1 a) Der einzelne Redner soll nicht länger als 15 Minuten sprechen. Jede Fraktion kann für einen ihrer Redner 45 Minuten Redezeit beanspruchen. Der Präsident kann die Redezeit auf Antrag verlängern, wenn dieser Antrag von einer Fraktion gestellt wird oder wenn der Gegenstand oder Verlauf der Aussprache dieses nahelegt. Dabei soll er die Grundsätze des § 33 Abs. 1 Satz 2 beachten"

Bedeutend in diesem Antrag ist die Formulierung ,... wenn dieser Antrag von einer Fraktion gestellt wird ...“, weil sie jede Fraktion berechtigt, einen Antrag auf Verlängerung der Redezeit zu stellen. Dieses Recht wird aber von der Formulierung des vorangehenden Hauptsatzes („Der Präsident kann ...“) eingeschränkt, da es im Ermessen des Präsidenten liegt, dem Antrag stattzugeben oder nicht, über den oben genannten Antrag beriet der Bundestag in seiner 240. Sitzung in der die Freidemokraten sich mit der Regierungskoalition vornehmlich in der Frage auseinander-setzten, inwieweit die Redezeit der Regierungsmitglieder beschränkbar sei, da deren weitreichendes Recht aus Art. 43 Abs. 2 GG stets zu Lasten des Parlaments ginge. Sie forderten, daß zwischen den Rechten der Bundesregierung und denen des Bundestages Gleichgewicht herrschen müsse. Dieser verständlichen Forderung könnte nach Meinung des Abg. Mommer (SPD) entsprochen werden, wenn sich die Exekutive .... auf freiwilliger Basis an die Bestimmungen der Redezeit..."

binden würde; um ihnen Nachdruck zu verleihen, schlug Mommer vor, den Präsidenten zu ermächtigen, einen Minister oder dessen Beauftragten, falls dieser zu lange rede, mit folgenden Worten zu mahnen: „Sie haben jetzt 45 Minuten gesprochen, wollen Sie bitte zum Schluß kommen ...“. Wenn dies nichts nütze, solle der Präsident dem folgenden Redner nach § 33 GO die Redezeit großzügig bemessen, weil .... vor ihm ein Minister länger gesprochen ..." habe

Der Wille der Regierungsfraktionen, künftig auch die Exekutive an die Redezeitbeschränkung zu erinnern, räumte die Vorbehalte der Freidemokraten aus, so daß sie ihren Streichungsantrag für § 39 Abs. 1 a zurückzogen. Damit konnte die Ausschußvorlage mit nur zwei Gegenstimmen gebilligt werden

Die informelle Regelung — an die man sich in der Praxis auch hielt —, künftig die Rededauer der Bundesregierung der parlamentarischen anzugleichen, zeigt den Willen der Abgeordneten, das aus konstitutionellem Denken herrührende, unbeschränkbare Redevorrecht der anderen Körperschaft abzubauen, um sie damit deutlicher als integrierten Teil des Parlaments anzusprechen. c) Rederecht der Bundesregierung und des Bundesrates Während seiner Beratungen zum Grundgesetz hatte sich der Parlamentarische Rat „eindeutig für das parlamentarische Regierungssystem ausgesprochen" Diese Absicht hinderte ihn dennnoch nicht, in mehrere Verfassungsartikel das traditionelle Konzept der Trennung von Regierung und Gesamtparlament einfließen zu lassen. Dieses findet sich z. B. in Art. 43 Abs. 2 wieder, der den Mitgliedern der Bundesregierung sowie ihren Beauftragten das Recht einräumt, jederzeit im Parlament gehört zu werden. Auch das Bundesverfassungsgericht, das im Jahre 1958 von FDP-und SPD-Abgeordneten in der Frage angerufen wurde, inwieweit die Redezeit der Regierungsmitglieder auf die der Parlamentsmehrheit angerechnet werden könne, entschied nach konstitutionellem Muster: „In den Reden der Regierungsmitglieder kommt in erster Linie der Standpunkt der Regierung zum Ausdruck, der sich mit dem der Parlamentsmehrheit nicht zu decken braucht. Der Redebefugnis der Regierung nach Art. 43 GG steht die Redebefugnis des Parlaments, d. h. die Summe der Redezeiten aller Abgeordneten gegenüber. Der auf die Opposition entfallende Anteil an der ... festgesetzten Rede-zeit enthält daher schon mindestens zu einem Teil den Ausgleich und das Gegengewicht für Regierungsreden. Das wird besonders deutlich, wenn die Regierung eine Auffassung verficht, die von den Standpunkten sowohl der Opposition als der Regierungsparteien abweicht"

Zu fragen bleibt dabei, wie ein parlamentarisches Regierungssystem funktionieren kann, wenn das Spezifikum dieses Systems, nämlich die Abhängigkeit der Regierung vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit, als nicht unabdingbar bezeichnet wird.

In der Praxis hat sich glücklicherweise die weiter oben beschriebene Erkenntnis der Bundesregierung durchgesetzt, sich in der Redezeit dem parlamentarischen Modus anzupassen. Dennoch erscheint die freiwillige und informelle Zusicherung seitens der Bundesregie-rung ungenügend. Eine klare Bindung der Rededauer der Bundesregierung an die des Bundestages wäre nötig. Diese könnte in der Geschäftsordnung dahingehend erfolgen, in § 39 Abs. 2 festzulegen, daß die Mitglieder der Bundesregierung sowie ihre Beauftragten sich nach den vom Bundestag bestimmten Rede-zeiten zu richten haben, wobei ihre Redezeit auf die der Regierungsfraktion bzw. -fraktionen angerechnet wird. Eine klare Identifizierung der Exekutive mit den sie zu tragenden Fraktionen wäre erreicht, und die Opposition als solche zur Regierung und nicht zum Staat würde sichtbar

Das Argument, das in der Verfassung fixierte Rederecht der Exekutive könne vom Bundestag in der Zeit nicht durch seine Geschäftsordnung eingeschränkt werden, weil solche Absicht contra legem sei, wird mit folgendem Analogon entkräftet: In Artikel 63 regelt das Grundgesetz die Wahl des Bundeskanzlers. Wählt der Bundestag nicht mit der Mehrheit seiner Mitglieder den vom Bundespräsidenten vorgeschlagenen Kandidaten, kann der Bundestag „nach diesem Wahlgang mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen Kommt eine Wahl nicht innerhalb von vierzehn Tagen zustande, ist derjenige Kandidat gewählt, der die meisten Stimmen erhält. In den beiden letztgenannten Wahlgängen muß der Bundestag aus seiner Mitte Wahlvorschläge unterbreiten. Dabei regelt der Gesetzgeber nicht, ob ein solcher Vorschlag ein bestimmtes Quorum erforderlich macht. Diese in der Verfassung liegende Unklarheit füllt die Geschäftsordnung des Bundestages in § 4 aus, indem sie bestimmt, daß „Wahlvorschläge aus der Mitte des Bundestages ...der Unterstützung eines Viertels der Mitglieder des Bundestages bedürfen“ Als Begründung für die Maßnahme führt der Berichterstatter des Geschäftsordnungsausschusses an: „Diese qualifizierte Unterstützung des Antrages wurde für notwendig erachtet, damit nicht Kandidaten zur Wahl vorgeschlagen werden, die offensichtlich keine Aussicht haben, gewählt zu werden.“ Analog zu dieser Einschränkung kann der Bundestag auch die Mitglieder der Bundesregierung oder ihre Beauftragten bei ihren Handlungen im Parlamentsraum an die Geschäftsordnung des Bundestages binden, ohne damit ihr verfassungsmäßiges Recht aufzuheben. Der Bundestag würde so die Rededauer der einzelnen Funktionsträger in ihrer parlamentarischen Tätigkeit harmonisieren, um vor allem der Öffentlichkeit die Interdependenz von Regierung und Regierungsfraktionen versus Opposition zu verdeutlichen.

Anders dagegen verhält es sich bei dem Rede-recht des Bundesrates sowie seiner Beauftragten. Da der Bundesrat als föderatives Element ein Gliederungsprinzip des demokratischen Rechtsstaates darstellt, ist seine Bindung im parlamentarischen Regierungssystem an regierungstragende bzw. oppositionelle Fraktionen unmöglich. Er muß in seiner Sonderstellung belassen bleiben; es könnte höchstens seitens des Bundestages auf ihn eingewirkt werden, sich freiwillig den Redezeitregeln des Parlaments zu unterwerfen. 2. Die Fragestunde in ihrer Entwicklung Audi die Institution „Fragestunde" wandelte sich in zwanzigjährigem Ringen um ihre Gestaltung in ihrer geschäftsordnungsmäßigen Ausdifferenzierung und damit politischen Wirkungsmöglichkeit so, daß sie zu einem vollen Instrument im Wechselspiel zwischen Regierung und den sie tragenden Fraktionen sowie der Opposition wurde. Bevor sich dieses Ziel erreichen ließ, gab es heftige Auseinandersetzungen im Geschäftsordnungsausschuß und im Bundestagsplenum um Inhalt, Form und Zweck der Fragestunde

Da die zahlreichen, den einzelnen Abgeordneten zukommenden Verfahrensrechte, die noch die vorläufige Geschäftsordnung des 1. Bundestages kennzeichneten in der neuen Satzung abgebaut oder abgeschwächt wurden, bestand im Geschäftsordnungsausschuß der Wunsch, eine Einrichtung zu schaffen, welche die Abgeordneten für ihre erlittenen Einbußen entschädigen sollte. Hinter dieser Absicht stand jedoch die Tendenz, ein kontrollierendes und kritisierendes Instrument für die Opposition zu schaffen. Diesen Zweck schien die Fragestunde nach englischem Vorbild zu erfüllen Die „question time" wird im folgenden jedoch nur in denjenigen Bestimmungen skizziert, die für die spätere Ausformung der Fragestunde im Bundestag relevant wurden:

Das englische Unterhaus eröffnet jede Plenarsitzung mit einer Fragestunde Die Abgeordneten müssen ihre Anfragen vorher beim Speaker schriftlich einreichen. In wichtigen Ausnahmefällen läßt der Speaker „private notice questions" noch am Tag ihrer Vorlage zur Beantwortung zu, wenn diese nach seiner Meinung dringend sind und Angelegenheiten von öffentlichem Interesse betreffen. In erster Linie bezwecken die Anfragen, die Regierung über jeden Bereich ihrer Politik und Verwaltung zur Rede zu stellen und eine Art „parlamentarisches Kreuzverhör" durch Zusatzfragen zu entfachen, die es sowohl dem Fragesteller als auch anderen Abgeordneten ermöglichen, im Anschluß an die Antwort des Ministers auf eine weitere Klärung zu dringen

Aus der Begeisterung des Geschäftsordnungsausschusses, die Fragestunde im Bundestag einzuführen, folgert Johnson, daß gegen sie keine Bedenken bestanden hätten Schindler dagegen weist anhand von Presseberichten nach, Mitglieder der CDU-Fraktion und der Regierung hätten sich gegen diese Einrichtung ausgesprochen Wie schwierig es war, die neu einzuführende Bestimmung in Paragraphen zu fassen, zeigt ihre langwierige Entwicklungsgeschichte: Im Januar 1951 lag dem Geschäftsordnungsausschuß ein von den Sozialdemokraten initiierter Antrag für die Fragestunde vor, der folgende Kriterien enthielt: a) Jeder Abgeordnete ist berechtigt, kurze mündliche Anfragen an die Bundesregierung zu richten, b) Mindestens einmal im Monat ist eine Fragestunde im Plenum abzuhalten, c) Der Gegenstand der mündlichen Anfrage kann vorher dem zuständigen Bundesminister mitgeteilt werden. Der Geschäftsordnungsausschuß änderte diesen letzten Punkt folgendermaßen ab: „Der Gegenstand der mündlichen Anfrage soll, wenn es sich um Spezialfragen örtlichen Charakters handelt, vorher dem zuständigen Bundesminister mitgeteilt werden . . .".

Eine solche Spezifizierung lag sowohl im Interesse der Abgeordneten als auch in dem der Bundesminister. Einerseits ist es unmöglich, daß der Bundesminister über sämtliche lokale Einzelheiten seines Kompetenzbereiches Bescheid weiß, andererseits erwartet aber der anfragende Abgeordnete eine fundierte Antwort Auch zeigt dieser Konditionalsatz, „daß der Themenbereich für die Fragestunde nicht allein auf lokale Angelegenheiten begrenzt gedacht wurde, denn nur bei solchen Fragen soll — verständlicherweise — der Minister vorher informiert werden" In allen anderen Fällen aber, wenn Fragen über allgemeinere Themen anstehen, brauchen sie dem Bundesminister vorher nicht mitgeteilt zu werden. Hierbei geht der in der Fragestunde antwortende Minister ein nicht unerhebliches Risiko ein. Diese Gefahr erkannte die Regierungskoalition und unterbreitete dem Geschäftsordnungsausschuß folgenden Änderungsantrag: „Der Gegenstand der mündlichen Anfrage ist vorher dem zuständigen Bundesminister mitzuteilen. Die Antwort der Bundesregierung ist ohne weitere Besprechung zur Kenntnis zu nehmen.“

Diesem Antrag setzte die sozialdemokratische Fraktion einen eigenen entgegen: „Der Gegenstand der mündlichen Anfrage soll dem zuständigen Bundesminister mindestens 24 Stunden vorher mitgeteilt werden. Die Antwort der Bundesregierung ist ohne weitere Besprechung zur Kenntnis zu nehmen, doch können kurze Zusatzfragen zu dem betreffenden Gegenstand von den Anfragenden gestellt werden.“

Die Anträge weisen eine gegensätzliche Tendenz auf: Während der erste die Fragestunde einschränken will, möchte der zweite sie ausweiten. Da nach dem Antrag der Regierungskoalition alle Fragen stets vorher schriftlich einzureichen und mündliche Antworten diskussionslos zur Kenntnis zu nehmen sind, stehen die Äußerungen des Ministers vor Beginn der Sitzung fest; der Ablauf der Fragestunde erfolgt planmäßig, ohne unvorhersehbare Zwischen-oder Zusatzfragen, so daß der antwortende Bundesminister vor Überraschungen sicher sein kann. Damit wird die gesamte Einrichtung zur Farce degradiert und erhält nur eine „demonstrative und dokumentierende, aber keine kritische Funktion“ Die ursprüngliche Absicht, mit der Fragestunde den Abgeordneten einen parlamentarischen Initiativraum zu erschließen, wäre damit zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Der sozialdemokratische Antrag dagegen will dem Ablauf der Fragestunde den Charakter der Improvisation und des institutionalisierten Risikos für die Regierung dadurch geben, daß Zusatzfragen einen begrenzten Disput zwischen antwortendem Minister und Fragendem gestatten

In zähen Auseinandersetzungen im Geschäftsordnungsausschuß konnte sich der SPD-Antrag im Bundestagsplenum mit der einen Änderung durchsetzen, daß der Gegenstand der mündlichen Anfragen drei Tage vorher dem zuständigen Bundesminister mitzuteilen ist. Diese Zusage seitens der regierungstragenden Fraktionen kam zustande, weil der Geschäftsordnungsausschuß informell beschloß, den mündlichen Fragenkatalog auf örtliche, sich aus dem Wahlkreis ergebende Angelegenheiten zu begrenzen Mit dieser Taktik, den Funktionsbereich der Fragestunde nicht in der kodifizierten Geschäftsordnung, sondern nur durch mündliche Übereinkunft einzuengen, hoffte der Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses, ihre Entwicklung zu fördern.

Als der Bundestag erstmals im Januar 1952 eine Fragestunde abhielt zu der insgesamt 19 Fragen eingereicht wurden, konnten nicht alle Fragen innerhalb einer Stunde erledigt werden. Daraufhin entspann sich eine Kontroverse zwischen dem Abg. Ritzel (SPD) und dem Bundestagspräsidenten Ehlers darüber, ob die Fragestunde gleichbedeutend mit sechzig Minuten sei. Ehlers drang mit seiner Meinung durch und limitierte damit alle künftigen Fragestunden auf die Dauer von sechzig Minuten

Da die Zeitspanne zwischen den einzelnen Fragestunden zu groß war und die Beantwortung der Fragen häufig Wochen später erfolgte, ging ihre Aktualität und das Interesse an ihnen verloren Um dem merklichen Interessenschwund zu begegnen, begann das Parlament zögernd, die Fragestunde wirksamer zu gestalten, indem es den Präsidenten beauftragte, die Zeit, die das Verlesen der Frage beanspruchte, einzusparen und nur noch ihre Drucksachennummer — wie es das englische Unterhaus praktiziert — aufzurufen Dies steigerte zwar die Zahl der Anfragen, doch beklagte man gleichzeitig die häufige Abwesenheit der Minister in den Fragestunden Auch forderten die Sozialdemokraten immer wieder, jede Plenarsitzung mit einer Fragestunde zu eröffnen und sie darüber hinaus zu politisieren Dieses Bemühen stieß zunächst im Bundestag auf wenig Interesse. Langsam setzte sich bei den Christdemokraten jedoch die Erkenntnis durch, die Effektivierung der Fragestunde nicht mehr verhindern zu können. Es schien ihnen deshalb ratsam, die Modernisierung selbst zu initiieren und ihr damit den Durchbruch zu einer voll wirksamen Einrichtung im parlamentarischen Regierungssystem zu ermöglichen.

Der Bundestagspräsident legte dem Plenum im Juni 1960 die neuen Richtlinien für die Fragestunde vor, und das Parlament nahm sie, um ihren experimentellen Charakter zu betonen, in den Anhang seiner Geschäftsordnung auf Die Richtlinien faßten in den 19 Punkten teils bestehende Regeln zusammen, teils enthielten sie wichtige Neuerungen, die dem englischen Vorbild entsprachen. Im einzelnen beinhalten sie u. a.:

1. Jede Plenarsitzung beginnt mit einer Fragestunde, zu der jeder Abgeordnete pro Woche höchstens drei mündliche Anfragen einreichen kann.

2. Reichen die angesetzten Fragestunden für die Beantwortung nicht aus, sollen weitere vorgesehen werden.

3. Einzelfragen aus dem Bereich der mittelbaren oder unmittelbaren bundesverantwortlichen Verwaltung und aus dem Bereich der Bundespolitik sind zulässig. 4. Die Anfrage selbst darf nur eine konkrete, nicht untergliederte Frage enthalten. Der Anfragende sowie auch der Abgeordnete können Zusatzfragen stellen, die vor Beginn der Fragestunde anzukündigen sind

Eine Handhabung nach Ziffer 4 würde dem Sinn der Zusatzfrage, die primär in der Spontaneität zu sehen ist, zuwiderlaufen. Deshalb setzte sich der Präsident des Bundestages über diese Bestimmung hinweg, indem er feststellte: „Es heißt zwar in unserer Übereinkunft, daß sie (die Zusatzfragen) vorher dem Bundestags-präsidenten angekündigt werden sollen. Das ist ein schwieriges Unternehmen, denn es könnte den Betreffenden erst, wenn die Fragen gestellt und beantwortet werden, einfallen, ihrerseits nun Fragen zu stellen. Davon gehe ich aus und werde deshalb einstweilen über diese Bestimmung, die nicht unerläßlich ist, hinwegsehen." Diese informelle Regelung des Präsidenten lief der Absicht der Bundesregierung nach Ziffer 4 zuwider und bewirkte in der Praxis, daß die antwortenden Minister bei unerwarteten Zusatzfragen ein nicht unbeachtliches Risiko eingehen. Um es weitgehend zu eliminieren, lassen sie sich gewöhnlich von ihrem Ministerium alle erdenklichen Zusatzfragen und -antworten zu den vorliegenden Anfragen vorbereiten. Während der Sitzung leisten häufig Abgeordnete der Regierungsfraktion durch geschickte Zusatzfragen dem bedrängten Minister Hilfestellung

Ein Vorgang besonderer Art fand im 6. Bundestag statt, als Bundeskanzler Brandt „als Abgeordneter" seinem in Bedrängnis geratenen Außenminister eine Zusatzfrage stellte Diese Handlung rief in der CDU/CSU-Fraktion Kritik hervor und kam in einer späteren Fragestunde zur Sprache. In dieser erklärte Minister Ehmke, Chef des Bundeskanzleramtes, die Regierung halte es „nicht nur für rechtlich, sondern unter bestimmten Umständen auch für politisch zulässig", daß der Regierungschef „sich in eine Diskussion einschaltet, die sich während einer Fragestunde entwikkelt“ Die Umdeutung Ehmkes, die Zusatzfrage Brandts als einen „Diskussionsbeitrag" zu verstehen, verkennt den parlamentarischen Sinn der Fragestunde: Selbstverständlich kann sich auch der Bundeskanzler „als Abgeordneter" am Frage-und Antwort-Dialog beteiligen, um die Politik der Regierung klarer zu profilieren, indem er einem bedrängten Minister die „Argumentationsbälle“ in Form einer Zusatzfrage zuspielt.

Die Neugestaltung der Fragestunde gestattete nun, Anfragen zu Belangen der Bundespolitik zu stellen, wodurch langsam die politische Bedeutung der Fragestunde wuchs. Bei den Abgeordneten setzte sich die Erkenntnis durch, es existiere kein anderes „verfassungsmäßiges Mittel der öffentlichen Kontrolle, das mit so geringem Aufwand so weitreichende Wirkung zu erzielen.. vermag. Dies bewirkte einen sprunghaften Anstieg der mündlichen Anfragen auf insgesamt 4786 Fragen im 4. 83

Bundestag von denen allerdings über ein Viertel schriftlich beantwortet wurden Loe. wenberg weist nach, daß nur ein Drittel aller Abgeordneten vom Fragerecht Gebrauch mach, te und daß über 60 °/o der gestellten Fragen wiederum auf nur ein Zehntel dieser Abgeordneten entfiel Die meisten Anfragen richteten sich dabei an das Verkehrs-, Finanz-und Innenministerium

Wenige, aber politisch wichtige Fragen zielten auf die Außen-und Verteidigungspolitik der Bundesregierung. Um deren Konzeption in Erfahrung zu bringen, veranstalteten die oppositionellen Sozialdemokraten im Sommer 1962 eine „Europa-Fragestunde" die ein so hohes Niveau erreichte, daß für eine Stunde . etwas von dem Geist des britischen Unterhauses durch das deutsche Parlament“ wehte. Auf die Idee, eine Fragestunde systematisch zu planen, verfiel die SPD-Fraktion aus Zeitnot, weil es nicht mehr möglich war, eine Große Anfrage einzubringen Der kurz bevorstehende Staatsbesuch des Bundeskanzlers in Frankreich ließ die Sozialdemokraten befürchten, die deutsch-französische Freundschaft könnte auf Kosten der Atlantischen Allianz allzusehr betont werden; deshalb versuchten zehn sozialdemokratische Abgeordnete mit inhaltlich aufeinander abgestimmten Anfragen, zu denen noch 44 Zusatzfragen gestellt wurden, die Bundesregierung auf die Grundzüge ihrer Europa-Politik festzulegen. Außenminister Schröder beantwortete alle Fragen.

Diese Taktik der Opposition, eine Technik durch systematische Fragestellung zu entwikkein, gab der Fragestunde eine neue Dimension. Ihren nächsten Höhepunkt erreichte sie in der „Spiegel-Affäre". Zu dieser kam es, nachdem das Nachrichtenmagazin „Der Spie-gel” unter dem Titel »Bedingt abwehrbereit“ eine Abhandlung über die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr veröffentlicht hatte. Daraufhin wurde in einer »Nacht-und Nebel-Aktion“ das Spiegel-Verlagsgebäude durchsucht. Einige Journalisten wurden verhaftet, weil man ihnen aufgrund des veröffentlichten Artikels »landesverräterische Absichten" unterstellte. Zur „Spiegel-Fragestunde“ gab es 18 Fragen und so viele Zusatzfragen, daß es dem Präsidenten kaum möglich war, festzustellen, ob sie speziell zu der gestellten Hauptfrage gehörten

In die hitzig geführte Plenardebatte griff am Ende des ersten Tages der Bundeskanzler mit einer Erklärung zur Politik ein, die heftige Reaktionen im Plenum hervorrief. Als sich schließlich die „Spiegel-Fragestunde“ am dritten Tage dem Ende zuneigte, zeigte sich, daß sowohl das Ansehen des Verteidigungsministers als auch das weiterer Kabinettsmitglieder in diesen politisch geführten Auseinandersetzungen gelitten hatte. Als Folge der „SpiegelAffäre" und ihrer parlamentarischen Behandlung in der Fragestunde kam es zum Bruch in der Regierungskoalition; Adenauer mußte sein Kabinett umbilden, wobei Strauß sein Ministeramt verlor.

Eine weitere „Europa-Fragestunde“ erwirkten die Sozialdemokraten im November 1964 als die Außenpolitik der Bundesregierung ihre Einheit zu verlieren drohte. Hauptgründe dafür waren die Multilaterale Atomstreitmacht MLF), der gemeinsame Getreidepreis in der EWG sowie im Hintergrund erneut das Verhältnis zu Frankreich. In dieser Situation reichten die SPD-Fraktion 14 und die CDU-Fraktion zwei Dringlichkeitsanfragen ein, die — nebst 70 Zusatzfragen — von der Bundesregierung beantwortet wurden. In dieser Fragestunde trat „der seltene Fall ein, daß der Kanzler eine frage beantwortete“ Die Tatsache, daß der Bundeskanzler zumeist Anfragen von seinen Ministern beantworten läßt zeigt, wie wenig er sich den Abgeordneten, von denen er während einer Wahlperiode abhängt, verbunden fühlt.

Obwohl die gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien dem Regierungschef in § 9 gestattet, auf wichtige Fragen selbst zu antworten, überweist dieser gewöhnlich Anfragen zwecks Beantwortung an die betroffenen Ministerien. Zu erwarten wäre, daß der Minister, da er mehr oder weniger unmittelbar dem Parlament verantwortlich ist, in der Fragestunde die Anfragen selbst beantwortet. In der Praxis des Bundestages zeigte sich jedoch ein anderes Bild: Nach Einführung der Fragestunde in der 1. Wahlperiode beantworteten leitende Ministerialbeamte mehr als ein Drittel der Fragen. In der folgenden Legislaturperiode übernahmen wiederum Beamte über die Hälfte der Beantwortung aller an den Finanzminister gerichteten Anfragen. Etwas günstiger verhielt sich das Bild beim Innenminister und Verkehrsminister

Erstaunt ist zu fragen, wie es der Bundestag mit seinem Selbstverständnis vereinbaren konnte, daß ein politisch nicht verantwortlicher Beamter im Plenum Fragen beantwortete, die an den politisch verantwortlichen Minister gerichtet waren. Dieses unerfreuliche Bild begann sich jedoch in der 5. Wahlperiode zu wandeln: Im zweiten Kabinett Erhard beantworteten beamtete Staatssekretäre nur noch 692 von insgesamt 1505 Anfragen; weit über die Hälfte erledigten die Bundesminister selbst.

Als nach Bildung der Großen Koalition Parlamentarische Staatssekretäre für einige Ministerien sowie für das Bundeskanzleramt berufen wurden, ließ sich für diese Ressorts ein Auftreten der Beamten im Plenum kaum noch rechtfertigen Von 3668 Anfragen an die Bundesregierung beantworteten beamtete Staatssekretäre 956, Minister 1025 und Parlamentarische Staatssekretäre 1687. Diese Tendenz setzte sich im 6. Bundestag fort, als jedem Ministerium ein Parlamentarischer Staatssekretär beigegeben wurde Von insgesamt 3463 Anfragen beantworteten die Parlamentarischen Staatssekretäre 2635, die beamteten Staatssekretäre 227, die Bundesminister 596 und der Bundeskanzler fünf 101a). Dieser Trend dokumentiert deutlich den Willen des Bundestages, durch die Parlamentarischen Staatssekretäre ein weiteres Instrument zu gewinnen, um die politische Interdependenz von Regierung und den sie tragenden Abgeordneten sichtbar zu machen und die Regierung für die parlamentarische Arbeit besser verfügbar zu haben. Dennoch darf eine solche Absicht in der Fragestunde nicht dazu führen, daß die Minister die Beantwortung von mündlichen Anfragen nur noch ihren Parlamentarischen Staatssekretären überlassen 3. Aktuelle Stunde Die mangelhafte Aktualität in der Fragestunde und ihre meist regionale Bezogenheit während der fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre ließen den Bundestag nach einer Lösung suchen, politisch aktuelle Fragen ad hoc im Plenum diskutieren zu können. Eine solche Absicht verfolgte der Antrag, der vom Bundestagspräsidenten angeregt und interfraktionell initiiert wurde; er schlug vor, eine „Aktuelle Stunde" einzuführen

Die „Vorläufigen Bestimmungen über Aussprachen zu Fragen von allgemeinem aktuellen Interesse" unterscheiden zwischen „Aussprache auf Antrag“ und „Aussprache auf Verlangen"; letztere findet statt, wenn sie unmittelbar nach Schluß der Fragestunde von soviel Abgeordneten, wie einer Fraktionsstärke entspricht gewünscht wird. Die Aussprache muß jedoch an die Antwort des Ministers anknüpfen, die dieser auf eine mündliche Anfrage von allgemeinem aktuellen Interesse gegeben hat. Die „Aussprache auf Antrag” bedarf ebenfalls der Unterstützung in Fraktionsstärke und muß dem Präsidenten schriftlich eingereicht werden. Der Präsident setzt die Aussprache im Einvernehmen mit dem Ältestenrat auf die Tagesordnung; wird dieses nicht erzielt, entscheidet das Plenum zu Beginn der nächsten Sitzung über den Antrag

Die Dauer der Aussprache ist auf eine Stunde begrenzt. In ihr erhält als erster Redner einer derjenigen Abgeordneten das Wort, welche die Aussprache initiiert haben; die weitere Reihenfolge der Worterteilung regelt sich nach § 33 Abs. 1 GO. Jeder Redner hat seine Ausführungen auf fünf Minuten zu begrenzen; wobei es erlaubt ist, vorbereitete Erklärungen oder Reden zu verlesen. Sinn dieser Regelung ist es, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit dem Abgeordneten zu ermöglichen, ihm wesentlich erscheinende Gedanken in möglichst präziser Form darlegen zu können

Da die Zeit, welche die Mitglieder oder Beauftragten der Bundesregierung oder des Bundesrates beanspruchten, bei der Berechnung der Stundendauer nicht berücksichtigt wurde, nahmen die Vertreter dieser Körperschaften in praxi häufig erhebliche Redezeiten in Anspruch. Der Geschäftsordnungsausschuß sah darin nicht mehr die Chancengleichheit der einzelnen Organe (Bundestag /Bundesregierung, Bundesrat) gewahrt und erweiterte die Bestimmung in Nr. 3 der „Aktuellen Stunde'wie folgt „überschreitet die von Mitgliedern und Beauftragten der Bundesregierung sowie des Bundesrates in Anspruch genommene Redezeit 30 Minuten, so verlängert sich die Dauer der Aussprache ebenfalls um 30 Minuten." Damit kann die Aktuelle Stunde ggf. eineinhalb Stunden dauern. Trotz dieser geschäftsordnungsmäßigen Erweiterung erwartete der Bundestag von den Vertretern der anderen Körperschaften, daß sie ebenfalls nur fünf Minuten Redezeit beanspruchen würden. Eine solche Verpflichtung ging Bundeskanzler Erhard in einem Schreiben an den Bundestagspräsidenten ein

Der Struktur zufolge kann die Aktuelle Stunde wichtige Parlamentsaufgaben übernehmen: Geplant mit der Absicht, die Erörterung aktueller politischer Fragen auf das Plenum des Bundestages zu konzentrieren, gestattet sie dem Parlament, vornehmlich aber der Opposition, spontan Kritik und Kontrolle an der Regierungspolitik zu üben. Da die Aktuelle Stunde nicht so detailliert wie eine normale Plenardebatte geplant ist, eröffnet sie darüber hinaus dem einzelnen Abgeordneten die Chance, auf sich aufmerksam zu machen. Dadurch kann sie auch zu einer innerparlamentarischen Auslesefunktion beitragen. In der Praxis des Bundestages zeichnete sich allerdings ein anderes Bild ab: Obwohl die Aktuelle Stunde einfach anzuberaumen ist, fanden in der ausgehenden 4. Wahlperiode nur zwei statt, auf die die Öffentlichkeit positiv reagierte. Auch in der 5. Wahlperiode machte der Bundestag nur insgesamt 17mal von ihr Gebrauch. Eine Analyse in der Handhabung dieser Institution verdeutlicht, daß sie zunehmend ihren improvisierten Charakter verlor und sich der Verfahrenspraxis normaler Plenardebatten anpaßte In zunehmendem Maße nutzten die Fraktionsführer und weitere Mitglieder des Fraktionsvorstandes sowie Experten die Ak-tuelle Stunde und hinderten Hinterbänkler, die ohnehin mit dieser Debattenart wenig vertraut waren, daran, sich in ihr zu profilieren. Während noch im 5. Bundestag das „Rundenprinzip“ in der Redeordnung eine deutliche Polarisierung von Regierungs-und Oppositionsmeinung verdeckte, konnte diese nach der Kleinen Geschäftsordnungsreform von 1969 auch in der Aktuellen Stunde sichtbar hervortreten.

Die Erfahrungen aus dem 6. Bundestag haben die pessimistische Einschätzung Loewenbergs bestätigt, daß sich die „Kontrolle der Fraktionen und die Vorherrschaft der Experten ... für die weitere Entwicklung" der Aktuellen Stunde als hinderlich erwiesen Die acht Aktuellen Stunden, die alle die CDU/CSU-Fraktion beantragte, spiegeln kaum die thematische Aktualität dieser Wahlperiode wider. Im einzelnen ergibt sich folgendes Bild: In den ersten beiden Aktuellen Stunden standen die Diskontsatzerhöhung der Bundesbank und die Konjunkturpolitik der Bundesregierung zur Diskussion Die folgende befaßte sich mit Äußerungen des Bundeskanzlers über eine rechtsgerichtete außerparlamentarische Opposition Die nächste beinhaltete die Beschlüsse des EWG-Rates zur Strukturpolitik Die zwei weiteren befaßten sich mit den Vier-Mächte-Verhandlungen über Berlin bzw. mit dem Besuch des Bundeskanzlers in der Sowjetunion Den Abschluß bildeten die Aktuellen Stunden über die Erhöhung der Postgebühren und über die Finanz-und Haushaltspolitik der Bundesregierung

II. Die Parlamentarischen Staatssekretäre

Um die enge Verbindung und Abhängigkeit der Regierung vom Parlament zu betonen und diese auch seitens der Exekutive deutlich werden zu lassen, beschloß der Bundestag, Parlalamentarische Staatssekretäre einzufüh-ren Dabei blieb unklar, welchem Modell des englischen Verfassungslebens man folgen wollte. Das eine Vorbild war der „Staatsminister", das andere der „Parlamentarische Staatssekretär“. Zwar sind die Grenzen im Kompetenzbereich zwischen beiden flie-* Send dennoch kann man ersteren mehr als einen Gehilfen des Ministers bezeichnen, der einen Sektor des Ressorts selbständig, allerdings mit der Letztverantwortlichkeit seines Ministers übertragen bekommt. Der Parlamentarische Staatssekretär dagegen, wie schon sein Attribut andeutet, ist primär als „ein Sendbote des Ministers zum Parlament und seinen Gremien" zu sehen.

Als unter der Großen Koalition erstmals sieben Parlamentarische Staatssekretäre berufen wurden motivierte man ihre Ernennung folgendermaßen:

1. Entlastung des Ministers von einem Teil seiner Repräsentationspflichten gegenüber der Öffentlichkeit, vornehmlich gegenüber organisierten Verbänden.

2. Entlastung der beamteten Staatssekretäre von originären parlamentarisdien Funktionen, die diese in Vertretung des Ministers häufig wahrgenommen hatten.

3. Kontaktintensivierung zum Parlament und seinen Gremien, zu Parteien und zu den Fraktionen. 4. „Minister-Vorschule", die gleichzeitig eine „Vermehrung der politisch zu besetzenden Staatsämter..." bedeutet.

Für den Kontext sind die Punkte 2 bis 4 wichtig und sollen im folgenden untersucht werden: Als der Inhenausschuß des Bundestages die Gesetzesvorlage über Parlamentarische Staatssekretäre diskutierte, warf er die Frage auf, ob eine solche Einrichtung der deutschen parlamentarischen Regierungsweise systemimmanent sei Mit seiner positiven Einschätzung verband der Ausschuß den Wunsch, die Einflußmöglichkeiten des Parlaments in der Exekutive zu verstärken. Dieser Tendenz trägt § 23 Abs. 1 der Geschäftsordnung der Bundesregierung Rechnung: An den Sitzungen der Bundesregierung nimmt außer den Bundesministern und dem Chef des Bundeskanzleramtes auch der Parlamentarische Staatsseketär beim Bundeskanzleramt regelmäßig teil.

In Abs. 2 heißt es: „Ist der Bundesminister an der Teilnahme an einer Sitzung verhinderdert, so nimmt für ihn der Parlamentarische Staatssekretär an der Sitzung teil. Der Bundesminister kann für Einzelfälle anordnen, daß der Staatssekretär an der Sitzung teilnimmt." Sollen im Bundestag oder Bundesrat Erklärungen eines Ministers abgegeben werden, regelt § 14 Abs. 2, daß der Parlamentarische Staatssekretär solche bei Verhinderung seines Ministers abgibt.

Diese Bestimmungen stellen sicher, daß sich der Parlamentarische Staatssekretär über die laufenden Regierungsgeschäfte informieren und bei Abwesenheit des Ministers im Kabinett bzw. im Bundestag politisch verantwortlich agieren kann. Das Pärlament seinerseits hat mit dieser Institution einen Informationsstrang gefunden, durch den es verstärkten Einblick in die Kabinettstätigkeit gewinnt und diese für sich transparenter macht

Mit dieser Regelung, daß Parlamentarische Staatssekretäre zugleich Abgeordnete des Bundestages sein müssen — im Gegensatz zu ihren Ministern —, hat die Legislative ihren Willen bekundet, die personelle Rekrutierung für die Exekutive aus ihren eigenen Reihen zu for-cieren _ ein weiteres Indiz für die bewußte Hinwendung zum parlamentarischen Regierungssystem. Was das „Ministervorfeld" anbelangt, ergibt sich bei den Parlamentarischen Staatssekretären folgendes Bild: Unter der Großen Koalition wurde lediglich Ernst Benda, als Innenminister Paul Lücke ausschied, sein Nachfolger. Bei weiteren vier Ministerien (Familien-, Verteidigungs-, Justizministerium und das Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit), die vakant wurden, griff der Bundeskanzler nicht auf Parlamentarische Staatssekretäre zurück; eine Begründung hierfür bleibt im Bereich der Vermutung Von den drei aus der Großen Koalition in Frage kommenden Parlamentarischen Staatssekretären berief Bundeskanzler Brandt in sein 1. Kabinett nur Gerhard Jahn als seinen Justizminister Bei dieser Regierungsbildung vereinbarten die Koalitionspartner, nunmehr jedem Ministerium einen Parlamentarischen Staatssekretär beizugeben. Von den insgesamt 15 Parlamentarischen Staatssekretären berief Brandt nur Klaus von Dohnanyi als Minister für Bildung und Wissenschaft, nachdem Hans Leussink ausgeschieden war. Auch im 2. Kabinett Brandt änderte sich diese Tendenz nicht: Nur ins Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit — Käte Strobel hatte für den Bundestag nicht mehr kandidiert — rückte Katharina Focke nach, die bisherige Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeskanzleramt. Anders dagegen verhielt sich das Bild, als Bundeskanzler Schmidt sein Kabinett zusammenstellte: insgesamt rekrutierte es sich aus einem Drittel ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretäre

In der Praxis fühlen sich die Parlamentarischen Staatssekretäre anscheinend weit mehr zur Regierungsbank hingezogen als zu ihren Abgeordnetensitzen Wie die Minister gaben sie ihre Ausschußsitze im Bundestag auf In dem Maße aber, in dem sie sich als Ministervertreter verstehen und sich der Regierung zuordnen verlieren sie einen Teil ihrer ursprünglich intendierten Doppel-funktion: unterhalb der ministeriellen Ebene Zubringerdienste für Parlament und Regierung — in beiden Richtungen — zu leisten

Schlußbetrachtung

Als der Deutsche Bundestag 1949 seine Arbeit aufnahm, war ihm sein Standort innerhalb des politischen Systems, das die Verfassung skizziert hatte, unklar. Ihm boten sich im vorgegebenen Rahmen zwei gangbare Wege an: Einerseits sich als Ganzes neben der Exekutive zu begreifen und die vom Grundgesetz vorge-schriebenen Funktionen regressiv zu interpretieren, gleichzeitig aber die von der Verfassung konzipierte Gewaltentrennung auszubauen, andererseits eine symbiotische Verbindung zur Regierung einzugehen, deren Konsequenz die volle Hinwendung zum parlamentarischen Regierungssystem war. Unter der Kanzlerschaft Adenauers schien sich die erstere Tendenz abzuzeichnen, die Loewenstein zu dem Urteil verleitete, das Regime als „demoautoritär“ zu apostrophieren Zu Adenauers Haltung korrespondierte die von Bundestagspräsident Gerstenmaier, der Reformbestrebungen aus der Mitte des Parlaments verhinderte, negierte oder nur unter konzentriertem Druck der Fraktionen .selbst* initiierte.

In dem Maße, in dem nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei jüngeren Abgeordneten der Koalitionsfraktionen der Wunsch nach einer aktiveren Handlungsweise laut wurde, hervorgerufen durch den Regierungsstil Adenauers und durch das veränderte Selbstbewußtsein der Abgeordneten, welches das vermehrte Interesse im Volke an politischen Vorgängen widerspiegelte, suchte der Bundestag nach neuen Möglichkeiten in der Parlamentsarbeit. Diese Hinwendung zum parlamentarischen Regierungssystem — verstärkt seit Beginn der sechziger Jahre — wird durch die Reformen des Bundestages, die sich in drei Phasen gliedern lassen, sichtbar: 1. Unter dem Präsident Ehlers schuf sich der Bundestag eine neue Geschäftsordnung (1951). Hinter vielen Geschäftsordnungsneuformulierungen verbarg sich der Wunsch der meisten Fraktionen, die kommunistische Fraktion geschäftsordnungsmäßig im Parlament zu lähmen — ein Bestreben, das völlig gelang. Als Begleiterscheinung stellte sich jedoch in den folgenden Wahlperioden heraus, daß mehr oder weniger alle anderen kleineren Fraktionen gleichfalls dadurch betroffen wurden. Die Absicht des Bundestages, eine Geschäftsordnung zu konzipieren, die sich am »Vielfraktionensystem“ orientieren sollte, entwikkelte sich in der Praxis des Bundestages zu einem bipolaren Geschäftsordnungsmodell, in dem den Mehrheitsrechten fast nur noch qualifizierte Minderheitsrechte gegenüberstanden Solche auszuüben, erfordert heute ein Quorum von soviel Mitgliedern des Bundestages in Fraktionsstärke. Diese restriktive Bestimmung, die im Kern schon in der neuen Geschäftsordnung von 1951 angelegt war, führte der Bundestag aber erst in der Kleinen Geschäftsordnungsreform von 1969 konsequent ein.

2. Die zweite Phase der Parlamentsreform ist durch das Bemühen gekennzeichnet, aus dem parlamentarischen Immobilismus herauszu-kommen, der sich während der fünfziger Jahre vornehmlich in den Plenardebatten breitgemacht hatte. Als neue Impulse sind zu nennen: die 1955 im Ältestenrat vereinbarte »Handhabung der Zwischenfragen in den Plenarsitzungen“, die 1960 geänderten „Richtlinien für die Fragestunde* und die 1965 vom Bundestag beschlossenen vorläufigen »Bestimmungen über Aussprachen zu Fragen von allgemeinem aktuellen Interesse*. Alle drei Regelungen nahm das Parlament, um ihren experimentellen Charakter zu betonen, in den Anhang seiner Geschäftsordnung auf. Soll dieser Hinweis andeuten, daß sich der Bundestag zwar zu Experimenten durchringen konnte, Reformen aber fürchtete? 3. Die langangestaute Reform des Bundestages brach sich erst 1968/69 eine Bahn. Die Konstellation hierfür war in mehrfacher Hinsicht günstig: Da die Regierung über eine übergroße Mehrheit in der Großen Koalition verfügte, konnten die Reformer aufbegehren, ohne die Regierungsmehrheit ernstlich zu gefährden. Vor allem die Sozialdemokraten, die seit Bestehen des Bundestages unter der dysfunktionalen Geschäftsordnung gelitten hatten und an jedem Versuch zu einer entscheidenden Stärkung des Parlaments gescheitert waren, da „die im Parlament letztlich ausschlaggebende .selbstsichere Mehrheit der Regierungsparteien'(Dietrich Rollmann) durch eine Stärkung des Parlaments eine Stärkung der Opposition befürchtete“ behielten auch in der Großen Koalition ihren Vorsatz im Auge, die Rechte der Opposition geschäftsordnungsmäßig zu festigen. Günstig für die Reform erwies sich auch die Bereitschaft der CDU/CSU-Fraktion, da ungewiß war, wer nach der Wahl Regierungsmehrheit bzw. Opposition sein würde.

Bedeutend für die Reform der Geschäftsordnung war jedoch der Wechsel im Amt des Bundestagspräsidenten. Die anfängliche Aufgeschlossenheit Kai-Uwe von Hassels für eine große Parlamentsreform wich bald einer nüchternen Betrachtungsweise, aus der die Grenzen für strukturelle Änderungen im parlamentarischen Geschäftsgebaren deutlich wurden Der neue Präsident nahm von der großen Par-lamentsreform Abstand. Die dann unter dem Begriff „Kleine Geschäftsordnungsreform" gefaßten Beschlüsse des Bundestages sollten „im wesentlichen vier Grundintentionen dienen: der Ausweitung politischer Partizipation durch Verstärkung der Kontrollmöglichkeiten mit Hilfe erweiterter Minderheitenrechte; der Steigerung der Effektivität des Bundestages; der Intensivierung der Transparenz des politischen Willensbildungsprozesses; der Belebung der Bundestagsarbeit, insbesondere im Plenum“

In der 6. Wahlperiode hielt der Bundestag — vornehmlich aber die Opposition — in der durch die Kleine Geschäftsordnungsreform geänderten Satzung ein scharf geschliffenes Instrument für parlamentarische Auseinandersetzungen in der Hand. Die Ironie der Geschichte hatte es gefügt, daß gerade die sozialdemokratische Fraktion, die jahrelang für die Erweiterung oppositioneller Rechte in der Geschäftsordnung gestritten hatte, nun, als sie endlich kodifiziert waren, diese Rechte voll zu spüren bekam. Viele plenare Erfolge der oppositionellen CDU/CSU-Fraktion sind in dieser Form nur durch die neuen Satzungsrechte möglich geworden. Und in verstärktem Maße ist durch sie der Öffentlichkeit die Oppositionsfunktion im parlamentarischen Regierungssystem bewußt gemacht worden.

. Die Duldung, Anerkennung, Legitimierung und schließlich Institutionalisierung parlamentarischer Opposition ist eines der erstaunlichsten und reifsten Erzeugnisse politischer Kultur...“ und hat heute das parlamentari-sehe Regierungssystem in den wesentlichsten Punkten voll entwickelt: in der Redeordnung und in der Fragestunde, um nur die in dieser Arbeit behandelten Komplexe zu nennen. Wenig dagegen hat die Opposition bisher die Aktuelle Stunde als Instrument in der parlamentarischen Auseinandersetzung erkannt und genutzt. Hier öffnet sich ein weites Feld für fundierte Kritik und Kontrolle an der aktuellen Politik der Regierungsfraktionen; sie bietet darüber hinaus mehr Möglichkeiten als etwa die Kleine oder Große Anfrage, oppositionelle Alternativvorstellungen pointiert vorzutragen.

Mit der Einrichtung der Parlamentarischen Staatssekretäre hat der Bundestag neue Perspektiven in seinem Beziehungsverhältnis zur Regierung eröffnet, indem er ihnen u. a. Funktionen im parlamentarischen Handlungsraum zuwies. Dieser Bereich ließe sich weiter ausbauen; auch sollten dem Parlamentarischen Staatssekretär vermehrt Aufgaben in der parlamentarischen Öffentlichkeitsarbeit übertragen werden. Sobald Bundesminister nicht mehr über zwei Sitze im Parlament verfügen — einen auf der Regierungsbank und einen als Abgeordneter —, würde die demonstrative Hinwendung der Parlamentarischen Staatssekretäre zur Regierungsbank obsolet. Dann entstände ebenfalls — wie aus der Sitzordnung im englischen Unterhaus hervorgeht — ein innerer und ein äußerer Zirkel bei den Regierungsfraktionen, der denen bei der oppositionellen Fraktion entsprechen würde. Ein solcher Schritt würde auch die vorangegangene Ausformung des parlamentarischen Regierungssystems nach außen hin sichtbar machen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe z. B Winfried Steffani, Gewaltenteilung im demokratisch-pluralistischen Rechtsstaat, in: Politische Vierteljahrsschrift, 1962, S. 256— 282, der von einem „repräsentativen demokratisch-pluralistischen Verfassungsstaat" spricht. Erich Kü-chenhoff, Möglichkeiten und Grenzen begrifflicher Klarheit in der Staatsformenlehre, Berlin 1967, kritisiert die üblichen Ausdrücke wie „parlamentarisches System“ oder „parlamentarische Demokratie" als Typologie von Regierungsformen.

  2. Klaus von Beyme, Die parlamentarischen Regierangssysteme in Europa, München 1970, S. 41— 43.

  3. Hierbei müßten ebenfalls Parlamentarische Staatssekretäre bzw. Staatsminister genannt werden.

  4. Von Beyme, a. a. O., S. 44

  5. So Walter Bagehot. The Enalish Constitution. London 1922, Kap. V, bes. S. 133 ff , der der „belehrenden und informierenden Funktion" des englischen Unterhauses größere Wichtigkeit als der gesetzgeberischen zumißt.

  6. So der Titel: Dolf Sternberger, Lebende Verfassung. Studien über Koalition und Opposition, Meisenheim/Glan 1956.

  7. Heinz Rausch, Heinrich Oberreuter, Parlamentsreform in der Dunkelkammer? Zum Selbstverständnis der Bundestagsabgeordneten, in: Parlamentarismus ohne Transparenz, hrsg. von Winfried Steffani, Opladen 1971, S. 142.

  8. So z. B. Helmut Lindemann, Die Unfähigkeit zur Reform, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, 20, 1969, S. 357 ff. Eine zusammenfassende Darstellung über die deutsche Parlamentsreform gibt: Uwe Thaysen, Parlamentsreform in Theorie und Praxis. Zur institutionellen Lernfähigkeit des parlamentarischen Regierungssystems. Eine empirische Analyse der Parlamentsreform im 5. Deutschen Bundestag, Opladen 1972. Seine Thesen zur „Strategie der Parlamentsreform" (S. 246 ff.) offenbaren Binsenweisheiten „normativen Postulierens" (S. 15).

  9. Winfried Steffani, Das „Rules Committee" des Amerikanischen Repräsentantenhauses: Eine Macht-bastion, in: Politische Vierteljahrsschrift, 8. JQ, 1967, S. 585.

  10. Zu dieser Forderung siehe auch Dolf Sternberger, Parlamentarische Regierung und parlamentarische Kontrolle, in: Politische Vierteljahrsschrift 5. Jg., 1964, S. 6— 19; ders., Gewaltenteilung und parlamentarische Kontrolle in der Bundesrepublik Deutschland, in: Politische Vierteljahrsschrift 1960, S. 22 ff., bes. S. 36f.; ders., über parlamentarische Opposition, in: Festschrift für A. Rüstow, Erlenbach-Zürich-Stuttgart 1955, S. 301 ff.

  11. Vgl. 5. Sitz. d. BT v. 20. September 1949, S. 20 B und Drs. 1/18, In Gesprächen mit dem Alterspräsidenten Loebe und dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, von Brentano, vereinbarte der Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses, die Geschäftsordnung des Reichstages in der Fassung vom 31. Dezember 1922 mit einigen Änderungen, die das Grundgesetz bedingte, dem Plenum des Bundestages zur Annahme vorzulegen.

  12. Zur Struktur und Funktion des Geschäftsordnungsausschusses siehe Volker Szmula, Die Arbeit des Geschäftsordnungsausschusses — Aufgabe und Bedeutung eines Bundestagsausschusses, Diss. Heidelberg 1970.

  13. Zur Rednerliste s. a. Hans Trossmann, Reichstag und Bundestag — Organisation und Arbeitsweise, in: Ernst Deuerlein, Der Reichstag, Frankfurt/M. -Bonn 1963, S. 130.

  14. Vgl. § 81 Satz 3 vorl. GO sowie § 33 GO in der Fassung vom 6. Dezember 1951.

  15. Dieser Praxis trug die Formulierung des § 32 Satz 3 GO Rechnung, wonach Wortmeldung nur noch „in der Regel" beim Schriftführer zu erfolgen haben.

  16. Vgl. § 33 GO.

  17. Zur Frage der Proportionalität vgl. Friedrich Schäfer, Der Bundestag. Eine Darstellung seiner Aufgaben und seiner Arbeitsweise, verbunden mit Vorschlägen zur Parlamentsreform, Köln und Opladen 1967, S. 62; Hans Trossmann, Parlaments-recht und Praxis des Deutschen Bundestages, Bonn 1967, S. 301.

  18. Vgl. Zu Drs. 1/2550, S. 13.

  19. Zur Langweiligkeit der Reden s. a.: Alfred Rapp, Unterhaus am Rhein? Ein neuer Stil im Bundeshaus, in: Die politische Meinung, 4. Jg., 1959, Heft 43, S. 15— 16. Zu einer durchaus positiven Bewertung, weshalb Abgeordnete den Plenardebatten fernbleiben, kommt Hans Dichgans, Präsenz im Plenum, Pflichten der Abgeordneten, in: Die politische Meinung, 9. Jg., Heft 94, S. 5— 6, ohne jedoch auf die Monotonie in der Debattenführung einzugehen.

  20. Vgl. z. B.: 36. Sitz. d. BT v. 9. Februar 1950, S. 1158 D — 1159 A.

  21. Vgl. 36. Sitz. d. Geschäftsordnungsausschusses v 9. Juli 1957.

  22. Vgl. 82. Sitz. d. BT v. 15. Dezember 1966, S. 3699 A — 3706 B und 161. Sitz. d. BT v. 27. März 1968, S. 8434 C, in der die FDP-Fraktion die Geschäftsordnungsdebatte eröffnete. Karl Lohmann, Der deutsche Bundestag, Frankfurt/M. und Bonn 1967, S. 60, spricht sich für eine Änderung der Geschäftsordnung in diesem Punkt aus, doch meint er. die Beurteilung dieser Frage hänge in gewissem Grade davon ab, „ob der Bundestag als solcher oder nur die Opposition als das eigentliche Gegenüber der Bundesregierung gilt".

  23. Vgl. Drs. V/396.

  24. Vgl. Drs. V/4373, S. 17, sowie 240. Sitz. d. BT v. 18. Juni 1969 , S. 13298 A.

  25. Carl-Christian Kaiser, Teach-in der Spezialisten oder Forum der Nation? Der Bundestag strebt nadh mehr Einfluß und Eigenprofil, in: Die Zeit v. 9. Januar 1970, S. 40-Zu dieser Frage s. auch: Gerhard Loewenberg, Parlamentarismus im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1969, S. 367 und 467 f.

  26. Vgl. § 87 Abs. 1 Satz 1 vorl. GO.

  27. Vgl. 123. Sitz. d. Geschäftsordnungsausschussei v. 26. November 1951.

  28. Diese Bestimmung wurde in § 39 Abs. 1 Satz 4 GO aufgenommen.

  29. Vgl. z. B. 65. Sitz. d. BT v. 1. Juni 1950, S. 2377, sowie 59. Sitz. d. BT v. 10. Juli 1951, S. 6359.

  30. Heinrich Ritzel, Parlamentarische Geschäftsord-nung im Weimarer Reichstag und im Deutschen Bundestag, in: E. Deuerlein, Der Reichstag, Frankfurt/M. —Bonn 1963, S. 152.

  31. So Loewenberg, a. a. O., S. 366 f. und 467 f.

  32. Vgl. BVerfGE v. 14. Juli 1959 — 2 BvE 2, 3/58 — M. 10, S. 13.

  33. Zur Frage der Kürzung von Redezeiten s. Wilhelm Hennis, Der Deutsche Bundestag 1949— 1965, in: Der Monat, 18. Jg„ 1966, Heft 215, S. 36.

  34. Vgl. Drs. V/509.

  35. Vgl. 9. Sitz. d. Geschäftsordnungsausschusses v. 29. November 1967.

  36. Hans Dichgans, Das Unbehagen in der Bundesrepublik. Ist die Demokratie am Ende?, Düsseldorf/Wien 1968, S. 94— 100.

  37. Vgl. Drs. V/2343.

  38. S. dazu Schreiben des Bundestagspräsidenten v. 15. Dezember 1967 zur Drs. V/2343.

  39. Loewenberg, a. a. O., S. 468.

  40. Vgl. 10. Sitz. d. Geschäftsordnungsausschusses v 16. Dezember 1967. ,

  41. S. dazu auch den ähnlichen Antrag der CDU CSU-Fraktion, Drs. V/3895.

  42. Vgl. 161 Sitz, d. BT v. 27. März 1967, S. 8434 B-8455 B.

  43. Ebenda: S. 8451 C.

  44. Ebenda: S. 8436 C. Der Antrag Drs. V/2479 (neu) lautete in diesem Passus: „Der Präsident kann die Redezeit auf Antrag verlängern. Er soll sie verlängern, wenn Gegenstand oder Verlauf der Aussprache dies nahelegt."

  45. Ebenda: S. 8450 B.

  46. Ebenda: S. 8447 D.

  47. Ebenda: S. 8454 D. Von 355 abstimmenden Ab-geordneten votierten für die Rückverweisung an den Geschäftsordnungsausschuß 177, während sich 158 dagegen aussprachen.

  48. Vgl. Drs. V/4373, S. 17— 18. Den hervorgehobe-Mn Text fügte der Geschäftsordnungsausschuß neu einl

  49. Vgl. 240. Sitz. d. BT v. 18. Juni 1969, S. 13298 A _ 13305 B

  50. Ebenda: S. 13303 A-B.

  51. Ebenda, S. 13305 A-B. Vgl. auch die redaktionelle Änderung der Geschäftsordnung im 6. Bundestag: Drs. VI/521, S 16.

  52. Volker Otto, Das Selbstverständnis des Parlamentarischen Rates. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1971, S. 123. Eine grundsätzliche Auseinandersetzung über das parlamentarische Regierungssystem fand nach Otto, S. 123, nicht statt. Bei der Abstimmung im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates — am 9. Februar 1949 — stimmten nur 11 der anwesenden 18 Mitglieder für das parlamentarische Regierungssystem (S. 127)

  53. Vgl. BVerfGE, 10, 4, S. 22 f.

  54. Zum Problem von Opposition s. Hanns Seidel, Die Funktion der Opposition im parlamentarischen System, in: Politische Studien, 6. Jg., 1955, Heft 66, S. 24— 35; Manfred Friedrich, Opposition ohne Alterative? über die Lage der parlamentarischen Opposition im Wohlfahrtsstaat, Köln 1962’, Michael Hereth, Die Parlamentarische Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, München/Wien 1969.

  55. Vgl. Art. 63 Abs. 3 und 4 GG.

  56. Vgl. § 4 Abs. 5 GO.

  57. Vgl. 179. Sitz. d. BT v. 6. Dezember 1951, S. 7442 B.

  58. Zur Entwicklung der Institution Fragestunde siehe auch die Monographie von Peter Schindler, Die Funktion der Fragestunde des Deutschen Bundestages, Dipl. -Arbeit, Berlin 1965; ders., in: Politische Vierteljahrsschrift, 7. Jg„ 1966, S. 407— 443. Im folgenden wird die Dipl. -Arbeit zitiert.

  59. S. dazu Szmula, a. a. O„ S. 13— 104.

  60. Gerhard A. Reifenberg, Die Bundesverfassungsorqane und ihre Geschäftsordnungen, Diss. Göttingen 1958, schreibt zu diesem Problem: „Die wenigen Rechte, die den Abgeordneten geblieben sind, lassen ihm keine Möglichkeit, sich frei zu entwickeln und frei zu betätigen. Es ist deshalb schwer für ihn, seine unabhängige, selbständige Stellung zu behaupten. Eines der wirksamsten Mittel gegen das Übergewicht der Fraktion ... ist das Fragerecht in der mündlichen Fragestunde ..." (S. 102).

  61. Zur Institution der Fragestunde im englischen Parlament siehe: Lord Gilbert Campion, An Introduction to the Procedure of the House of Commons, London 1958’, S. 146— 147, sowie Eric Taylpr, The House of Commons at Work, Aylesbury 1965“, S. 105— 114.

  62. Im englischen Geschäftsverfahren wird zwischen mündlicher (starred question) und schriftlicher Beantwortung (unstarred question) unterschieden.

  63. So D. N. Chester und N. Bowring, Questions in Parliament, Oxford 1962, S. 44. Carl Joachim Friedrich, Verfassungsstaat der Neuzeit, Berlin, Göttingen, Heidelberg 1953, S. 378, meint, die Fragestunde habe vielfach den Charakter eines fintenreichen Scharmützels zwischen Regierung und Opposition.

  64. So Helmut Wollmann, Die Stellung der Parlamentsminderheiten in England, der Bundesrepublik Deutschland und Italien, Diss. Heidelberg 1967, S. 175. (Die Arbeit erschien unter demselben Titel 1970 im Haag. Im folgenden wird jedoch die Dissertation zitiert!)

  65. Nevil Johnson, Questions in the Bundestag, in: Parliamentary Affairs, Vol. XVI 1962/63, Nr 1 S. 23.

  66. Schindler, a. a. O., S. 41.

  67. Ebenda, S. 43.

  68. Ebenda, S. 44.

  69. Vgl. Zu Drs. 1/2550, S. 32.

  70. So Schindler, a. a. O., S. 47.

  71. Ebenda, S. 48.

  72. Vgl. Drs. 1/2550, S. 12.

  73. Vgl. 187. Sitz, d BT v. 23. Januar 1952, S. 7941 B -7946 D.

  74. Ebenda, S. 7941 B—C.

  75. Im Zeitraum von zwei Jahren (1952— 1953) wurden nur 392 Fragen gestellt. — Terence Prittie, hie Federal German Parliament, in: Parliamentary Affairs, Vol. VIII, 1954/55, S. 237, sieht in der Langweiligkeit, in der Fragestunden abgehalten wurden, und -in der Demonstration der Abgeordneten, Zeitung zu lesen und sich mit anderen Dingen zu beschäftigen, die Gefahr einer „nearly , kiled‘ question-time, which was introduced into the Federal Parliament with the best will in the world.“ & fährt fort: Wenn Fragen beantwortet werden, Jhey are generally out of date.“

  76. Vgl. 7. Sitz. d. BT v. 3. Dezember 1953, S. 130 C.

  77. Vgl. z. B. 103. Sitz. d. BT v. 29. September 1955, ’• 5681 C und 5684 B—C; 133. Sitz. d. BT v. 17. November 1960, S. 7569 C—D. Dazu auch: Dolf Sternberger, Dreiunddreißig Fragen und eine, in: Die Gegenwart, 10. Jg. 1955, Nr. 244, S. 651.

  78. Siehe z. B. Abg. Ritzel im SPD-Pressedienst v. « Januar 1956.

  79. Schindler, a. a. O., S. 95.

  80. Vgl. 121. Sitz. d. BT v. 29. Juni 1960, S. 6960 D.

  81. Vgl. Anlage 3 der GO (Richtlinien für die Fragestunde).

  82. Vgl. 124. Sitz. d. BT v. 28. September 1960, S. 7162 A—B.

  83. Schäfer, a. a. O., S. 238 f.

  84. Vgl. 14. Sitz. d. BT v. 27. November 1969, S. 516D.

  85. Vgl. 17. Sitz. d. BT v. 4. Dezember 1969, S. 606 C.

  86. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 21. Februar 1962.

  87. ergibt sich folgendes Anfragen 5. BT 6. BT 10733 11073 zur Tätigkeit und Zusammensetzung Deutschen Bundestages, Parlamentsfragen, 1, 1973,

  88. Loewenberg a. a. O., S. 487

  89. Ebenda, S. 486.

  90. Ebenda, S. 484.

  91. Vgl. 36. Sitz. d. BT v. 27. Juni 1962, S. 1482 D - 1495 A.

  92. Die Welt v. 28. Juni 1962.

  93. Die CDU-Fraktion sah darin eine Verfälschung der Fragestunde, zumal es die Große Anfrage gebe Die SPD-Fraktion dagegen wies auf den experi mentellen Charakter hin.

  94. Vgl. 45., 46. und 47. Sitz. d. BT. v. 7., 8. und 9. November 1962, S. 1949 B — 1963 B, 2013 A — 2025D und 2075 A — 2087 A.

  95. So: Schindler, a. a. O., S. 125.

  96. Vgl. 147. Sitz. d. BT v. 13. November 1964, S 7225 B— 7240 B.

  97. Loewenberg, a. a. O., S. 485. Adenauer weigerte Sich stets, mündliche Anfragen zu beantworten. Audi Erhard erklärte sich während seiner Zeit als Bundeskanzler „nur ein-oder zweimal dazu bereit“ Wiewenberg, a. a. O., S. 482).

  98. Johnson, a. a. O., S. 33, bemerkt zu diesem Fak-tum lapidar: „The Chancellor does not answer Questions."

  99. Loewenberg, a. a. O., S. 482.

  100. Zur Frage der beamteten Staatssekretäre s. a.: Ulrich Echtler, Einfluß und Macht in der Politik. Der beamtete Staatssekretär, München 1973.

  101. In der 96. Sitz. d. BT v. 3. Februar 1971, S. 5291 A, sagte Abg. Wilhelm Rawes: „...denn die politische Verantwortung ist ihnen (den beamteten Staatssekretären, V. S.) vom Parlamentarischen Staatssekretär im wesentlichen abgenommen worden. Jedenfalls habe ich hier . in der Fragestunde seit langem keinen beamteten Staatssekretär mehr gesehen.“

  102. Als im 5. Bundestag die Kleine Geschäftsordnungsreform durchgeführt wurde, faßte das Parlament folgende Bestimmungen der „Richtlinien über die Fragestunde“ neu:

  103. Vgl. Drs. IV/2958; vgl. auch 159. Sitz. d. BT v. 27. Januar 1965, S, 7821 D. Zur „Aktuellen Stunde“ s. Karl Lohmann, Der Deutsche Bundestag, Frankfurt/M. und Bonn 1967, S. 97; Schäfer, a. a. O., S. 240; Trossmann, a. a. O., S. 12 f.

  104. Das Quorum wurde vom Bundestag am 27 März 1969 geändert; ursprünglich hieß es: w •wenn . . . mindestens 30 anwesende Mitglieder des Bundestages verlangen".

  105. S. dazu: Anlage 4 der Geschäftsordnung des Bundestages.

  106. Vgl. Drs. V/2479 (neu), S. 4; vgl. auch: 161. Sitz, d. BT v. 27. März 1968, S. 8455 D. , .

  107. Vgl. Drs. V/4373, S. 22, sowie den Bescu des Bundestages in der 240 Sitz. v. 18. Juni 19681 S. 13323 D.

  108. Vgl. Drs. V/4373, S. 14.

  109. Ursula Bleek, Aktuelle Stunde, in: Handbuch des deutschen Parlamentarismus, hrsg. v. Röhring/Sontheimer, München 1970, S. 26.

  110. Loewenberg, a. a. O., S. 490.

  111. Vgl. 38. Sitz. d. BT v. 13. März 1970, S. 1886 B s»wie 47. Sitz. d. BT v. 24. April 1970, S. 2389 B.

  112. Vgl. 72. Sitz. d. BT v. 14. Oktober 1970, S. 3988 A.

  113. Vgl. 112. Sitz. d. BT v. 31. März 1971, S. 6599 C.

  114. Vgl. 126. Sitz. d. BT v. 9. Juni 1971, S. 7248 C.

  115. Vgl. 135. Sitz. d. BT v. 23. September 1971, S 7922 C

  116. Vgl. 175. Sitz. d. BT v. 2. März 1972, S. 10163 B.

  117. Vgl. 189. Sitz. d. BT v. 8. Juni 1972, S. 11080 A.

  118. S. hierzu: Werner Väth, Die politische Funktion des parlamentarischen Staatssekretärs im Regierungssystem der Bundesrepublik, in: Gegenwartskunde, 19. Jg. 1970, Heft 3, S. 251— 263.

  119. Vgl. 98. Sitz. d. BT v. 15. März 1967, S. 4514 B.

  120. Hans Schäfer, Der Parlamentarische Staatssekretär im Deutschen Regierungssystem. Eine Zwischenbilanz, in: Die öffentliche Verwaltung, 22, 1969, S. 39; Arnd Morkel, Lehrjahre für Minister? Zur Frage der Staatsminister und Parlamentarischen Staatssekretäre, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 12/67, S. 12 ff., stellt beide Modelle ausführlich dar. Siehe ebenfalls: Franz Nuscheler, Parlamentarische Staatssekretäre und Staatsminister — das britische Vorbild, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 1, 1970, S. 83— 89.

  121. Friedrich Karl Fromme, Die Parlamentarischen Staatssekretäre. Entwicklung in der 6. Wahlperiode, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 1, 1970, S. 56.

  122. Vorläufer dieser Institution finden sich schon in der letzten kaiserlichen Regierung unter Max won Baden, in der Parlamentarier zu Staatssekretären bestellt worden waren; vgl. Erich Matthias, Rudolf Morsey, Die Regierung des Prinzen Max von Baden, Düsseldorf 1962, S. XXIX et al. Parlamentarische Staatssekretäre hat es zu Beginn der Weimarer Republik ebenfalls gegeben; vgl. Volkmar Hopf, in: Öffentlicher Dienst und politischer Bereich. Schriftenreihe der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, Bd. 37, Berlin 1969, S. 132.

  123. Dies waren: Karl Theodor Freiherr von und zu Guttenberg (CSU) Bundeskanzleramt; Ernst Benda (CDU) Innenministerium; Eduard Adorno (CDU) Verteidigungsministerium; Albert Leicht (CDU) Finanzministerium; Klaus Dieter Arndt (SPD) Wirtschaftsministerium; Holger Börner (SPD) Verkehrs-ministerium; Gerhard Jahn (SPD) Auswärtiges Amt,

  124. Friedrich Karl Fromme, a. a. O., S. 58.

  125. Heinrich Koppler, Mißverständnisse, Spannungen, Rivalitäten? Zum Verhältnis von Parlament und Regierung, in: Der Bundestag von innen gesehen, hrsg. v. Emil Hübner, Heinrich Oberreuter, Heinz Rausch, München 1969, S. 183.

  126. Innenminister Genscher bezeichnete die Institution der Parlamentarischen Staatssekretäre als „eine Verstärkung des Einflusses des Parlaments auf die Exekutive“; vgl.: 7. Sitz. d. BT v. 30. Oktober 1969, S. 225 A.

  127. So Fromme, a. a. O., S. 61.

  128. Jahn war in der Großen Koalition Parlamentafischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt.

  129. Diese sind: Apel, Finanzminister (ehemals Pari. Staatssekretär im Auswärtigen Amt), Gescheidl, Verkehrs-und Postminister (ehemals Pari. Staatssekretär ebendort), Ravens, Städtebauminister (ehemals Pari. Staatssekretär ebendort und im Bundeskanzleramt), Rohde, Wissenschaftsminister (ehemals Pari. Staatssekretär im Arbeitsministerium) und Matthöfer, Forschungsminister (ehemals Pari, taatssekretär im Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit).

  130. Rausch, Oberreuter, a. a. O., S. 148.

  131. Fromme, a. a. O., S. 80.

  132. Franz Nuscheler, Winfried Steffani, Umfrage zum Selbstverständnis der Parlamentarischen Staatssekretäre, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 1, 1970, S. 25— 35. Anfang 1970 verschickten die Autoren einen Fragebogen an alle ehemaligen und im Amt befindlichen Parlamentarischen Staatssekretäre. Ihre Antworten „dokumentieren ein uneinheitliches Rollenverständnis, unterschiedliche Erfahrungen und Erwartungen, sie reflektieren einen noch nicht abgeschlossenen Entwicklungsprozeß, eine nur vorläufige institutioneile und funktionale Einordnung ...der PStS in das Regierungssystem der BRD“ (S. 26).

  133. Ebenda, S. 27: „Die Mehrheit der PStS ... versteht sich bereits als Stellvertreter des Ressort-ministers, obwohl diese beanspruchte Stellung normativ nicht abgesichert ist.“

  134. Zur Reform der Parlamentarischen Staatssekretäre s. Claus Arndt, Zur Reform der Institution des Parlamentarischen Staatssekretärs, in: Der Staat, 9. Bd„ 1970, Heft 4, S. 501— 507.

  135. Karl Loewenstein, Verfassungslehre, Tübingen 196921, S. 93.

  136. Vgl. dazu z. B. Vertagung oder Schluß der Beratung bzw. Sitzung (§ 30 bzw. § 31 GO); den Komplex der Abstimmungen (§ 57, § 87, § 88 GO); die Beratungen von Gesetzentwürfen (§ 78, § 80, § 85, § 86 GO); den Komplex der verschiedenen Anträge 8 89, § 97, § 100 GO) sowie den der Großen und Kleinen Anfragen (§ 105, § 106, § 107, § 108, § 110 GO) und die Aktuelle Stunde in der Anlage der GO,

  137. Uwe Thaysen, Peter Schindler, Bundestagsreform 1969. Die Änderungen der Geschäftsordnung, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, O, 1969, S. 21.

  138. S. dazu das Interview des Bundestagspräsidenten von Hassel im „Spiegel“, Nr. 23, 1969, S. 71— 79.

  139. Uwe Thaysen, Peter Schindler, a. a. O., S. 27.

  140. Dolf Stemberger, Uber parlamentarische Opposition, a. a. O., S. 301.

Weitere Inhalte

Volker Szmula, Dr. phil., geb. 1941 in Königsberg; Studium der Politischen Wissenschaft, der Alten, Mittelalterlichen und Neueren Geschichte sowie des Völkerrechts in Heidelberg und Bonn; seit 1972 Wissenschaftlicher Assistent im Fach Politische Wissenschaft an der Gesamthochschule Paderborn. Veröffentlichungen: Die Arbeit des Geschäftsordnungsausschusses — Aufgabe und Bedeutung eines Bundestagsausschusses, Diss. Heidelberg 1970; Verfasser der folgenden Artikel im Handbuch des deutschen Parlamentarismus, hrsg. von Röhring/Sontheimer, München 1970: Einberufung des Bundestages, Geschäftsordnung, Geschäftsordnungen im parlamentarischen System der Bundesrepublik Deutschland, Geschäftsordnungsausschuß, Geschäftsordnungsdebatte, Redezeit und Tagesordnung.