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Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten | APuZ 26/1976 | bpb.de

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APuZ 26/1976 keine Die Deutschen und Amerika Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten

Rüdiger Bernd Wersich

/ 30 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die gegenwärtige deutsch-amerikanische Partnerschaft hat auch auf dem Gebiet der Wirtschaftsbeziehungen eine wechselvolle Geschichte hinter sich. In den Anfangsjahren der jungen amerikanischen Republik förderten hohe Schutzzölle den Aufbau der amerikanischen Industrie und halfen, die Union von der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Europa zu befreien. Der preußisch-amerikanische Freundschafts-und Handelsvertrag von 1785 begründete die Handelsbeziehungen mit Deutschland, die dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Abschluß von Meistbegünstigungsverträgen mit zahlreichen deutschen Teilstaaten stark ausgebaut wurden. Wachsende Defizite zu Lasten Deutschlands wegen der amerikanischen Hochschutzzollpolitik führten um 1900 zu gereizter Stimmung auf beiden Seiten, zu Diskussionen über einen Handelskrieg. Den Höhepunkt bildete in den Jahren 1909/10 der Zwist um das deutsche Kalisyndikat, das seine Monopolstellung auf dem Weltmarkt mit überhöhten Auslandspreisen ausnutzte. Der Handels-und Konsularvertrag von 1923 erleichterte die Beziehungen und stellte die Meistbegünstigung wieder her. Die Nazizeit unterbrach aber diese verbesserten Handelsbeziehungen und führte zu erheblichem Rückgang der Exporte und teilweisem Boykott deutscher Waren. Am Ende des Zweiten Weltkriegs beschworen Not und Elend in Europa die Gefahr politischer Instabilität herauf. Aus humanitären, politischen und wirtschaftlichen Gründen waren die USA an einer baldigen Besserung der Lage interessiert und konzipierten mit der Marshallplanhilfe ein Programm für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Westeuropas, das dem Kommunismus in diesem Gebiet keine Chance lassen sollte. Es initiierte die engere europäische Zusammenarbeit durch Unterstützung der gemeinsamen Selbsthilfe und schaffte gleichzeitig bessere Handelsbedingungen und erweiterte Märkte für amerikanische Produkte. Die „Gegenwertfonds" der Marshallplangelder unterstützten den Wiederaufbau Europas und die Stabilisierung der Währungen und bilden in der Bundesrepublik bis heute die Grundlage für Darlehen an die deutsche Wirtschaft und Entwicklungsländer. Die Rückzahlung eines Drittels der Hilfsgelder und die Errichtung der deutschen Marshall-Gedächtnisstiftung in Harvard 1972 bilden den Abschluß dieses Programms, das die entscheidende Starthilfe für den Zusammenschluß der westeuropäischen Völker unter Einbeziehung des besiegten Deutschlands darstellte.

Die USA und die Bundesrepublik seien zur Zeit die besten Verbündeten und Wirtschaftspartner, erklärte der amerikanische Präsident Ford am 17. Juni 1975 bei der Begrüßung von Bundespräsident Scheel in Washington. Reduziert man diese freundliche Äußerung auf ihren materiellen Gehalt, so bleibt festzustellen, daß das deutsch-amerikanische Verhältnis zumindest als eine sachliche, nüchterne und realistische Interesssengemeinschaft charakterisiert werden kann. Dieser heutige Zustand ist jedoch keineswegs kennzeichnend für die Geschichte der deutsch-amerikanischen Handelsbeziehungen. Deutschland spielte in den ersten Jahren der jungen amerikanischen Republik als Handelspartner kaum eine Rolle; trotz aller politischen Auseinandersetzungen mit dem Mutterland war Großbritannien der wichtigste Wirtschaftspartner, denn die Vereinigten Staaten waren schon damals der größte Baumwollexporteur der Welt, und in englischen Webereien begann die industrielle Revolution mit der Erfindung der Spinnmaschine und des mechanischen Webstuhls.

Im 19. Jahrhundert lebten die Siedler im nördlichen Teil der Vereinigten Staaten vorwiegend als Farmer mit kleinen und mittelgroßen Wirtschaftsbetrieben oder als Handel-und Gewerbetreibende. Sie forderten von der Regierung der Union, die laut Verfassung für den Außenhandel zuständig war, Schutzzölle, während die in den Südstaaten tonangebenden Großgrundbesitzer ebenso energisch den Freihandel verlangten. Die nordstaatlichen Handelsinteressen setzten sich stärker durch, und so wurde der schnelle Aufbau der amerikanischen Industrie durch eine rigorose Hochschutzzollpolitik der Regierung gefördert. Extrem hohe Zölle — die höchsten der Welt — schützten vor der Konkurrenz ausländischer Industrien und halfen, die Union von der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Europa zu befreien. Der protektionistische und europafeindliche McKinley Tariff Act von 1890 brachte erhebliche Erhöhungen der Schutzzölle auf durchschnittlich 48, 6 0/0 des Wertes bei den zollpflichtigen Waren, die immerhin fast die Hälfte aller Importe ausmachten Nach vorübergehender Ermäßigung auf etwa 42 °/o durch den demokratischen Präsidenten Cleveland und seine demokratische Mehrheit im Senat wurden die Zölle unter der republikanischen Präsidentschaft McKinleys wieder erhöht durch den Dingley Tariff von 1897 auf durchschnittlich 52% (zum Vergleich: die deutsche Zollhöhe lag zu jener Zeit bei etwa 17 %).

Als Begleiterscheinung der hohen Schutzzölle entstanden Konzerne und Trusts, die zahlreiche Wirtschaftsbereiche (Stahl, Petroleum, Kupfer, Fleisch, Zucker, Tabak, Bananen, Mehl, Leder, Erntemaschinen) vom Rohstoff bis zum Fertigfabrikat und Verkauf beherrschten. Die Trusts übten auch großen politischen Einfluß aus und erreichten die zusätzlichen Erhöhungen durch das Dingley-Zollgesetz, was wiederum zur weiteren Verbreitung des Trustwesens führte. Ihr politisches Engagement hatte eine aggressive Wirtschaftspolitik der USA auf dem Weltmarkt zum Ergebnis; die Konzerne konnten wegen der Schutzzölle hohe Verdienste im Inland erwirtschaften und versuchten, durch Schleuderpreise im Ausland andere Staaten vom Weltmarkt zu verdrängen. Dieses Vorgehen stieß bald auf den Widerstand der alten Handelsmächte. Erst durch mehrere Abkommen sowie aufgrund der durch die politischen Ereignisse der Neuzeit erfolgten engeren Bindungen der Vereinigten Staaten an Europa kam es zu einem ausgewogeneren Verhältnis von Konkurrenz und Partnerschaft.

Die deutsch-amerikanische Handelspolitik im 18. und 19. Jahrhundert

Deutsch-amerikanischer Handel von der Kolonialzeit bis zur Gegenwart

Preußen hatte als erster deutscher Staat mit den Vereinigten Staaten bald nach deren Gründung 1785 einen Freundschafts-und Handelsvertrag („Treaty of Amity and Commerce") abgeschlossen, der 1799 erneuert wurde und 1810 ablief. Dieser Vertrag, der Vorbild für die zahlreichen späteren handelspolitischen Vereinbarungen mit deutschen Kleinstaaten wurde, formulierte im ersten Abschnitt als Zielsetzung: „Es soll fester, unverletzlicher und allgemeiner Friede und wahre Freundschaft zwischen seiner Majestät, seinen Erben und Nachfolgern, sowie seinen Untertanen einerseits, und den Vereinigten Staaten und ihren Bürgern andererseits ohne irgendwelche Ausnahmen hinsichtlich der Gebiete und Personen bestehen." Der Vertrag legte das Prinzip der vollkommenen Gleichheit und Gegenseitigkeit als Grundlage der Handelsbeziehungen fest und förderte den Handel, vor allem den Austausch von schlesischem Leinen gegen Tabak aus Virginia, und er schützte die Kaufleute auch im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen.

Nach einer längeren vertragslosen Zeit schloß die Union 1827 Handelsverträge mit mehreren deutschen Staaten (Hamburg, Lübeck, Bremen) ab, die u. a. zur Niederlassung von insgesamt 137, vorwiegend hanseatischen Firmen in Nordamerika führten (Stand von 1845). Es folgten Verträge mit Preußen (1828) Hannover (1840), Oldenburg (1847) und Mecklenburg-Schwerin (1847), bei denen es sich in der Hauptsache um einfache Meistbegünstigungsverträge handelte Während die Vereinigten Staaten vorwiegend Rohstoffe exportierten, bestand die deutsche Ausfuhr zu dieser Zeit meist aus industriellen Fertigprodukten. Der Zollverein und das Deutsche Reich hatten keinen Vertrag mit der Union abgeschlossen, was über viele Jahre hinweg verschiedene Interpretationen der Verträge mit den deutschen Einzelstaaten zur Folge hatte, bis schließlich 1891 eine beiderseitige Bestätigung des Meistbegünstigungsrechts zwischen Deutschland und den USA erfolgte. Dennoch gingen die Auseinandersetzungen über die Auslegung des preußisch-amerikanischen Handelsvertrages weiter und führten durch amerikanische Maßnahmen und eine Note der deutschen Regierung schließlich 1899 zu dessen Aufhebung.

Der Zeitabschnitt zwischen 1900 und 1910 ist durch gereizte Stimmung auf beiden Seiten gekennzeichnet. Ein Zollabkommen über Meistbegünstigung mit Reziprozitätsklausel, das in Deutschland als „Provisorium" bezeichnet wurde, brachte Zollermäßigungen, wie sie u. a. Frankreich, Portugal und Italien erhalten hatten. Es vermied einen — besonders von den deutschen Agrariern geforderten — Zollkrieg, den die USA mit Erfolg hätten führen können. Dieser Vertrag blieb die Basis der deutsch-amerikanischen Handelspolitik bis 1910; seine Bedingungen wurden jedoch etwas erleichtert durch zwei neue „Provisorien" von 1906 und 1907. Nachdem die Vereinigten Staaten 1910 alle Handelsverträge gekündigt hatten, wurde im gleichen Jahr vom Deutschen Reich ein nicht sehr günstiger Minimalzolltarif akzeptiert, um einen Maximal(Kampf-) Zolltarif abzuwenden.

Negative Handelsbilanz und Kalikrieg

Anteile am Weltexport

I Die deutsch-amerikanische Handelsbilanz hat-I te seit 1894 ein wachsendes Defizit zu Lasten I Deutschlands gebracht, das 1913 über eine Milliarde Mark erreichte. Wegen der Hochschutzzollpolitik nahm der deutsche Export in die Union ab; ausgenommen waren nur einige Spezialartikel wie chemische und pharmazeutische Erzeugnisse, Farbwaren und Kali, die * von Zöllen weitgehend verschont blieben. Ein wurde gefordert und lebhaft disku'tiert, hätte aber für die Deutschen mehr Nachteile'gebracht als für die Amerikaner. Reichsregierung strebte daher den Ab-Schluß möglichst langfristiger Handelsverträge an, um durch beiderseitige vertragliche I Konzessionen deutschen Fabrikaten die Ein-I fuhr in Amerika zu erleichtern und die deut-s sehe Zahlungsbilanz zu verbessern. führten in den folj genden Jahren (1911— 1913) zu dem Versuch der deutschen Regierung, ein Reichspetrof leummonopol zu gründen, das gegen die Rokkefellersche Deutsch-Amerikanische Petro1 leum AG (DAPAG/Standard Oil) und deren 1870 begonnenen Kampf um den Alleinbesitz deutschen Marktes gerichtet war.

E Die Abhängigkeit der deutschen Baumwollini dustrie, die 75 bis 80 0/0 ihres Bedarfs aus den : USA bezog (den Rest aus Indien und Ägypten), führte in Deutschland wie in anderen eu-i ropäischen Staaten zu erfolgreich anlaufenden Bemühungen, Baumwollanbau in ihren [afrikanischen Kolonien einzuführen, nachdem Produktionssenklingen und eigene Verarbeitungsindustrien in den USA zu hohen Preissteigerungen geführt hatten.

Einen, weiteren Versuch zur Verbesserung der deutschen Handelsbilanz bildete das Reichskaligesetz von 1910. Die Auseinandersetzungen um dieses Gesetz und um das mächtige deutsche Kalisyndikat, das vor dem Ersten Weltkrieg ein Produktionsmonopol besaß, Förderungsquoten festlegte und einheitlich hohe Verkaufspreise vorschrieb, die im Ausland höher als im Inland waren, erregte monatelang die Gemüter auf beiden Seiten des Atlantiks Nachdem der Syndikatsvertrag, der Verkäufe außerhalb der gemeinsamen Organisation verbot, am 30. Juni 1909 abgelaufen war,'schlossen die beiden Kalifirmen Aschersleben und Sollstedt kurz nach Mitternacht mit der Firma Bradley, der Vertreterin des amerikanischen Düngertrusts („American Agricultural Chemical Company, USA"), einen Siebenjahresvertrag mit Preisen, die etwa 45 °/o unter den bisher vom Syndikat vorgeschriebenen Sätzen lagen. Weil sich die deutsch-amerikanische Handelsbilanz dadurch um mehrere Millionen Mark jährlich verschlechtert hätte und auf Drängen der deutschen Bergwerksinteressen schalteten sich Bundesrat und Reichsregierung und daraufhin auch die amerikanische Regierung in den „Kali-Krieg" ein; Massive Protestnoten wurden ausgetauscht, ein Quotensystem verabschiedet und Kampfzölle angedroht; schließlich einigten sich 1911 die amerikanischen Kalikäufer mit den deutschen Bergwerksbesitzern auf einer Konferenz in Hamburg, die im wesentlichen die alten Verhältnisse vor dem 1. Juli 1909 wiederbrachte. „Somit wurden die vom Yankee-Unternehmertum erhofften Profite durch bismarcksche Staatskunst verhindert und das alte Monopol wiederhergestellt", zieht B. H. Williams als Fazit

Der deutsch-amerikanische Handel zwischen den Weltkriegen

der Economic Cooperation Administration an europäische Länder

Die Kriegs-Und Nachkriegsjahre führten zu Erhöhungen der Zollsätze sowie zu erschwerten Handelsbedingungen, nachdem der uneingeschränkte Einsatz deutscher U-Boote auch gegen amerikanische Handelsschiffe sicher erheblich zum amerikanischen Entschluß zum Kriegseintritt beigetragen hatte. Erst der sorgfältig vorbereitete Handels-und Konsularvertrag („Treaty of Commerce and Consular Rights") vorn 8. Dezember 1923 entkrampfte die gespannte Situation. Er stellt® die gegenseitige Meistbegünstigung wieder her und sollte einer (aus der Sicht Amerikas) „drohenden" europäischen Verständigung: in Zollfragen entgegenwirken (Stresemann,. Briand, Chamberlain). „Die Bedeutung des Vertrages und der Wunsch, ähnliche Vereinbarungen mit anderen europäischen Nationen zu erreichen, wurde bei dem Zolldisput mit Frankreich im Jahre 1927 sehr deutlich. Deutschland und Frankreich hatten besondere Konzessionen ausgetauscht. Unter den Bedingungen des Vertrages von 1923 wurden die Erleichterungen, die Deutschland den französischen Importen gewährte, sofort auf die Produkte aus den USA ausgedehnt. Mit Frankreich hatten die Vereinigten Staaten jedoch keinen solchen Vertrag und amerikanische Güter hatten im Vergleich mit deutschen eine wesentlich nachteiligere Position."

Durch die bedeutende Verstärkung des deutschen Handels mit Lateinamerika in den dreißiger Jahren fühlten sich die Vereinigten Staaten herausgefordert, insbesondere durch den rapide ansteigenden Handel mit Brasilien, Chile und Uruguay. Dieser ging jedoch mehr auf Kosten Großbritanniens und anderer Staaten als der USA. Der Handelszuwachs Deutschlands in Südosteuropa und Lateinamerika wurde weitgehend durch Rückgänge in Westeuropa, den Vereinigten Staaten, Kanada und Australien ausgeglichen, so daß sich für den deutschen Außenhandel nur ein mäßiger Gewinn ergab. Die Anteile am Weltexport betrugen von 1929 bis 1937 in Prozent:

Amerika entzog Deutschland 1935 wegen dessen Politik der Importquoten und Außenhandelsbeschränkungen und weil es ein Land mit einer diktatorischen Regierung war die Meistbegünstigung und setzte es damit auf eine „schwarze Liste", die zum inoffiziellen Boykott deutscher Waren führte. Dieser Boykott und die deutsche Politik des bilateralen Handelsausgleichs führten zu einem starken Rückgang in Wert und Umfang des deutsch-amerikanischen Handels. 1933 kaufte Deutschland amerikanische Güter im Werte vvon 42, 8 Millionen Reichsmark, das sind 111, 5 °/o aller Einkäufe im Ausland; 1937 waren 3es nur noch 282 Millionen Reichsmark oder 35, 2 °/o der gesamten Importe. Die Baumwollex-Sporte geben das beste Beispiel dafür ab, was 3sich ereignete: Während die USA 1927 80% □ der deutschen Rohbaumwollimporte bestritt, waren es zehn Jahre später nur noch 26%.

Für diese Veränderungen war teilweise das amerikanische Baumwollrestriktionspro gramm verantwortlich, zum anderen die deutsche Politik, Rohmaterialien (vor allem Kupfer, Mineralöl und auch Baumwolle) in denjenigen Ländern zu kaufen, mit denen das Deutsche Reich direkte Verrechnungs-und Tauschabkommen schließen konnte. Der deutsch-amerikanische Handel sank dann während der Kriegsjahre auf ein unbedeutendes Minimum herab, wie aus der statistischen Gesamtübersicht deutlich wird, welche die wechselvollen Handelsbeziehungen für den Zeitraum von fast 200 Jahren widerspiegelt 8) (siehe Tabelle).

Das Programm für den europäischen Wiederaufbau

US-Handelsbilanz (Uberschuß bzw. Defizit in Millionen Dollar)

Am Ende des Zweiten Weltkriegs bedingten Not und Elend in Europa die latente Gefahr politischer Instabilität. Westeuropas Außenihandelsdefizit betrug 1947 fast 8 Milliaröden Dollar.

Die Vereinigten Staaten waren saus humanitären, politischen und wirtschaftliochen Gründen an einer baldigen Besserung j der Lage interessiert. Seit Kriegsende hatten =schon fast 20 Milliarden Dollar Zuschüsse □und Kredite in aller Welt vergeben, über 12 (Milliarden allein in Europa, zusätzlich zu der qprivaten CARE-Aktion und der Nothilfe der US-Armee. Tatsache ist, „daß weder die Ver3 einigten Staaten noch die anderen Nationnen ohne ein umfangreiches Volumen des iHandels mit der übrigen Welt wirklich proesperieren können, und daß niemand sich auf die Dauer des Wohlstandes erfreuen kann, /wenn er von armen Nachbarn umgeben ist", ^stellte das amerikanische Außenministerium im März 1948 in seiner Publikation No. 3097 liest. Wirtschaftlicher Aufschwung war nach amerikanischer Überzeugung die Voraussetszung für politische Stabilität und würde dem ^expansiven Kommunismus keine Chance lasIsen. Der US-Außenminister George C. Mar-I shall forderte in seiner berühmten Rede an der Harvard-Universität am 5. Juni 1947 sein lLand auf, ein Wirtschaftsprogramm vorzuben reiten, das den verwüsteten europäischen Ländern beim Wiederaufbau ihrer Produkti-Ionskapazitäten helfen und sie möglichst e schnell in die Lage versetzen sollte, als gleichberechtigte Partner erneut am Welthandel teilzunehmen: „In Wahrheit liegt die Sache so, daß Europas Bedarf an ausländischen 'Nahrungsmitteln und anderen wichtigen Gütern — hauptsächlich aus Amerika — während der nächsten drei oder vier Jahre um so viel höher liegt als seine gegenwärtige Zahlungsfähigkeit, daß beträchtliche zusätzliche Hilfsleistungen notwendig sind, wenn es nicht in einen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verfall sehr ernster Art geraten soll. Die Lösung liegt in ...der Wiederherstellung des Vertrauens bei den europäischen Völkern auf die wirtschaftliche Zukunft ihrer Länder und ganz Europas. Der Fabrikant und der Landwirt in weiten Gebieten müssen gewillt und in der Lage sein, ihre Produkte für eine Währung in Tausch zu geben, deren fester Wert außer Zweifel steht. Abgesehen von der demoralisierenden Wirkung auf die ganze Welt und von der Möglichkeit, daß aus der Verzweiflung der betroffenen Völker sich Unruheherde ergeben könnten, dürfte es auch offensichtlich sein, welche Folgen dieser Zustand auf die Wirtschaft der Vereinigten Staaten haben muß. Es ist nur logisch, daß die USA alles tun, was in ihrer Macht steht, um die Wiederherstellung gesunder wirtschaftlicher Verhältnisse in der Welt zu fördern, ohne die es keine politische Stabilität und keinen sicheren Frieden geben kann. Unsere Politik richtet sich nicht gegen irgendein Land oder irgendeine Doktrin, sondern gegen Hunger, Armut, Verzweiflung und Chaos. Ihr Zweck ist die Wiederbelebung einer funktionierenden Weltwirtschaft, damit die Entstehung politischer und sozialer Bedingungen ermöglicht wird, unter denen freie Institutionen existieren können... Es wäre weder angebracht noch zweckmäßig, wenn die Regierung der Vereinigten Staaten von sich aus ein Programm entwerfen würde, um die wirtschaftliche Wiederaufrichtung Europas durchzufüh-ren. Das ist die Sache der Europäer selbst. Die Initiative muß von Europa ausgehen, meine ich. Unsere Rolle sollte darin bestehen, den Entwurf eines europäischen Programms freundschaftlich zu fördern und später dieses Programm zu unterstützen, soweit das für uns praktisch ist. Es sollte ein gemeinsames Programm entworfen werden, hinter/dem, wenn nicht alle, so doch eine Anzahl von europäischen Nationen stehen."

Die Einzelheiten dieses Programms zur Erstellung eines brauchbaren internationalen Marktes („Marshall Plan“ oder „European Recovery Program" — ERP genannt) wurden in mehreren Konferenzen mit europäischen Staaten erörtert. Aus diesen Konferenzen ging 1948 in Paris der Ausschuß für die wirtschaftliche Zusammenarbeit Europas („Committee of European Economic Cooperation" — CEEC), aus dem später die OEEC wurde, hervor. Der Ausschuß setzte sich aus Vertretern von 16 europäischen Staaten zusammen: Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Island, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz und die Türkei.

Die Tschechoslowakei, Polen und Ungarn, die sich ursprünglich zur Teilnahme bereit erklärt hatten, beugten sich sowjetischem Druck und sagten ab. Die UdSSR nahm zwar an einer der Konferenzen teil, lehnte jedoch eine Mitarbeit ab, denn nach ihrer Ansicht bedeutete das amerikanische Programm eine Einmischung in die Souveränität der europäischen Länder. Außenminister Marshall war es gewiß recht, daß die Sowjetunion fernblieb. Er hatte früher schon erklärt, als er nach der Beteiligung der Sowjetunion gefragt wurde: „No, it is for the West"

Die Hilfe der USA, deren gesetzliche Grundlage der sehr gründlich vorbereitete „Economic Cooperation Act" als Teil des „Foreign Assistance Act" vom 3. April 1948 bildete sollte ursprünglich bis Mitte 1952 gewährt werden. Sie diente als politische Mehrzweckwaffe und auch als Voraussetzung für die 1949 gegründete NATO. Ende 1951, nach Ausbruch des Koreakrieges, wurde ein neues Gesetz beschlossen, der „Mutual Security Act", welcher eine Verminderung der Wirtschaftshilfe und eine Verstärkung der militärischen Unterstützung vorsah, denn die europäischen Länder gaben in dieser Zeit sehr wenig Geld für Armeen und Waffen aus.

Die amerikanische Verwaltungsbehörde für wirtschaftliche Zusammenarbeit („Economic Cooperation Administration" — ECA) sorgte dafür, daß die US-Gelder während der ersten beiden Jahre für zivile Produkte einschließlich Kapitalausstattung benutzt wurden, spätere Mittel wurden teilweise für wirtschaftliche und technische Hilfe und teilweise als Militärhilfe (Mutual Defense Assistance) vergeben (siehe Tabelle).

Die Beiträge für das europäische Wiederaufbauprogramm wurden nicht für die ganze Laufzeit des Planes von 51 Monaten (April 1948 bis Juni 1952), sondern nur Jahr für Jahr bewilligt. Der Kongreß wollte nicht für mehr als jeweils ein Jahr festgelegt werden, da der größte Teil (70 0/0) als verlorene Zuschüsse gegeben wurde, der Rest als Kredite, deren Rückzahlung jedoch nicht als sicher galten.

Präsident Truman nannte das Gesetz bei der Vorlage „eine lebenswichtige Maßnahme unserer Außenpolitik". Außenminister Marshall schätzte die Kosten bei den Hearings im Senat auf 15 bis 18 Milliarden Dollar (die tatsächlichen Kosten blieben dann mit knapp 14 Milliarden Dollar für die Jahre 1948 bis 1952 noch unter der vorgesehenen Gesamtsumme). Er nannte das Wiederaufbaupro-Zahlungen gramm eine „Friedensinvestition''; wenn man von dieser Voraussetzung ausgehe, seien die Kosten gering; die Zuschüsse für ein Jahr seien kleiner als die Kosten für einen Monat Krieg. „Unser Land steht vor einer ungeheuren Entscheidung. Wenn wir zu dem Entschluß kommen, daß die Vereinigten Staaten nicht in der Lage oder nicht gewillt sind, den Wiederaufbau Westeuropas wirksam zu unterstützen, müssen wir die Folgen eines Zusammenbruchs dieser Länder und ihren Verfall in diktatorische Polizeistaaten hinnehmen. “ Handelsminister Harriman sagte bei den Hearings, das Hilfsprogramm sei großmütig in seiner Gesamtkonzeption, wenn es auch auf Erwägungen des eigenen Interesses und der Selbsterhaltung beruhe.

Natürlich gab es auch Gegenstimmen, und zwar bei den Abgeordneten beider Parteien im Kongreß. Ein oppositioneller Sprecher fand es merkwürdig, daß trotz des Hilfs-Programms die Demontage deutscher Industriewerke weitergehe; außerdem sei der rachsüchtige Morgenthau-Plan noch in Kraft. Deutschland müsse rehabilitiert werden; wenn die Amerikaner es nicht rehabilitierten, würden es die Russen tun. Ein Kritiker befürchtete, daß sich Deutschland nach dem Wiederaufbau mit Rußland verbinden und wieder auf Eroberungen ausgehen würde. Es fiel manches harte Wort gegen Europa. Ein Opponent nannte es in klassisch isolationistischer Manier ein Rattenloch, das man sich selbst überlassen sollte, ein weiterer bezeichnete die Europahilfe als „Santa Claus" -Politik, ein anderer sprach von Europa als der alten Lady, die auf Kosten anderer ein bequemes Leben führen möchte.

Unter dem Eindruck des kommunistischen Staatsstreichs in der Tschechoslowakei und der Furcht vor einem kommunistischen Sieg bei den Wahlen in Italien im April stimmte der Senat dem Gesetz am 14. März 1948 mit 69 gegen 17 Stimmen zu, das Repräsentanten-haus nahm die Vorlage am 31. März 1948 mit 329 gegen 74 Stimmen an — ein großer Erfolg der außenpolitischen Gemeinsamkeit beider Parteien.

Wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Euroapa

In Paris verwandelte sich im April 1948 das CEEC in den Europäischen Wirtschaftsrat (OEEC) mit 18 Mitgliedern, dem außer den 16 CEEC-Staaten jetzt auch Westdeutschland einschließlich Westberlins sowie Triest angehörten. Seine Aufgabe war die Verteilung der Gesamt-Marshallhilfe im Einvernehmen mit der ECA auf die einzelnen Länder, außerdem die Ausarbeitung der von den USA geforderten und als wesentlichen Teil des ganzen Hilfsprogramms betrachteten Wiederaufbau-pläne, sowie die Überwachung der Lieferungen der europäischen Länder untereinander und die Schaffung eines multilateralen Zahlungsplanes der ERP-Staaten.

Beabsichtigte Nebenwirkung des Marshall-Plans war die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa und des multilateralen Zahlungverkehrs. Es entstand die Europäische Zahlungsunion (1950) und aus der OEEC wurde 1960/61 die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung („Organization for Economic Cooperation and Development" — OECD), der außer den OEEC-Ländern auch die USA und Kanada (seit 1961) sowie Japan (seit 1964) und Finnland (seit 1969) angehören.

Von 1948 bis 1952 erhielten die europäische« Länder insgesamt 13, 9 Milliarden Dollar Wirt-23 schafts-und Militärhilfe (das sind rund 80 Dollar pro Kopf der amerikanischen Bevölkerung), davon Großbritannien 3, 4 Milliarden, Frankreich 2, 8 Milliarden, Italien 1, 5 Milliarden, die Bi-Zone und die Französische Zone Deutschlands, die spätere Bundesrepublik inklusive West-Berlin (für das die Hilfe bis 1957 fortgesetzt wurde), 1, 4 Milliarden Dollar

Die Bedingungen der Hilfe wurden gemäß dem Economic Cooperation Act in sogenannten „bilateralen Abkommen" niedergelegt, die den amerikanischen Standpunkt verdeutlichten: Der Handel über den Ozean und innerhalb Europas sollte im Sinne der Nichtdiskriminierung und der Zusammenarbeit geführt werden. Einige der beteiligten Staaten brachten Einwände vor gegen einzelne Bedingungen der Verträge, besonders gegen die Artikel, die der ECA ziemlich weitgehende Vollmachten bei der Festsetzung der Währungsparitäten gebracht hätten. Die Empfangsländer waren auch nicht damit einverstanden, sich für die ganze Periode zu verpflichten, während die amerikanische Hilfe vorläufig nur für ein Jahr bewilligt war.

Schließlich nahmen einige Staaten daran Anstoß, daß sie beim Handel mit den amerikanisch besetzten Gebieten (Deutschland, Japan, Korea) die Meistbegünstigung anwenden und amerikanischen Bürgern in ihrem Bereich in allen Wirtschafts-und Handelsangelegenheiten ohne Zusicherung der Gegenseitigkeit die gleiche Behandlung wie den eigenen Staatsangehörigen gewähren sollten (!). Amerika machte einige Zugeständnisse und die meisten Verträge waren bis Juli 1948 unterzeichnet; verspätet unterschrieben Großbritannien, die Türkei und Portugal; mit der Schweiz kam kein Abkommen zustande.

Die Bedingungen gliedern sich mit geringfügigen Änderungen von Land zu Land in vier Teile: „ 1. Verpflichtet sich das betreffende Land, der ECA jede nur mögliche Hilfe angedeihen zu lassen (ausschließlich vertraulicher Informationen) ; 2. soll alles unternommen werden, um die Produktion zu fördern, die Währung stabil und den Staatshaushalt ausgeglichen zu hal-ten (einschließlich der engsten Zusammenarbeit mit den anderen Ländern im Sinne einer Erleichterung der Handelsbeziehungen); 3. haben die meisten der 19 Länder den Vereinigten Staaten den bedingten Zugang zu den in ihrem Gebiet vorhandenen seltenen (hauptsächlich militärisch wichtigen) Rohstoffen zu gewähren; und 4. werden für die Erlöse der Gratislieferungen die . Gegenfonds'aufgestellt, die von der Regierung des betreffenden Landes auf einem Spezialkonto der Nationalbank zu sammeln und — außer für die Ausgaben der ECA innerhalb des Landes — für mit der ERP-Verwaltung (und der US-Regierung) zu besprechende Wiederaufbau-und Entwicklungsaufgaben zweckbestimmt sind, die auch die Stabilisierung der Währung und die Tilgung der nationalen Schuld einschließen."

Der Marshall-Plan war ein Angebot an Europa, gemeinsame Selbsthilfe zu entwickeln, die von den Vereinigten Staaten freundschaftlich unterstützt wurde. Marshall regte damit die Einigung Europas einschließlich des isolierten Westdeutschlands an. Der Europäische Wirtschaftsrat in Paris (OEEC) war die erste internationale Institution, an der Westdeutschland vollberechtigt teilnehmen durfte; der ERP-Vertrag mit den USA war der erste Staatsvertrag, den die Bundesrepublik abschloß. Schon im Juli 1947 bekam der amerikanische Militärgouverneur General Clay den Auftrag, das deutsche Volk beim Aufbau eines Staates zu unterstützen, der sich selbst erhalten und sich in die europäische Wirtschaft eingliedern sollte. Für ein geordnetes und blühendes Europa ist, so hieß es in der Begründung, der wirtschaftliche Beitrag eines stabilen und produktiven Deutschlands notwendig

General Lucius D. Clay meinte aber auch — sehr zum Arger der Gewerkschaften und vieler Sozialdemokraten —, das deutsche Volk müsse die Möglichkeit haben, „eine freie Wirtschaft kennenzulernen"; er verbot alle öffentliches Versuche, Besitzrecht oder ge-werkschaftliche Mitbestimmung über Ländergesetze einzuführen

Die Marshall-Plan-Lieferungen wurden zwar aus dem amerikanischen Staatshaushalt bestritten, die europäischen Empfänger mußten sie jedoch in Landeswährung bezahlen und in den bereits erwähnten „Gegenwertfonds" anlegen. Im Unterschied zu anderen Ländern, wo diese Fonds allmählich in den Haushalten aufgingen, wurden sie in der Bundesrepublik vom regulären Etat getrennt und zur Finanzierung von Krediten für den weiteren wirtschaftlichen Wiederaufbau, dann zur Unterstützung einzelner Wirtschaftszweige verwendet. Die Gegenwertmittel, die zu Anfang sechs Milliarden DM betrugen, sind inzwischen durch Tilgung und Verzinsung der Kredite auf 10, 8 Milliarden DM (1974) angewachsen und bilden die Basis für neue Darlehen an die deutsche Wirtschaft und Entwicklungsländer.

Die Hauptbedeutung der bilateralen Abkommen lag für die USA nicht so sehr in den materiellen Gegenleistungen, sondern in den Maßnahmen zur Förderung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und in der garantierten Verwendung der Gelder für den Wiederaufbau im Sinne einer Erweiterung des Handels („... to promote production, to take the necessary measures to establish financial stability and to further the increase of trade"). Vorsichtige Kritik am amerikanischen Vorgehen wurde jedoch auch schon 1950 laut: „Gewisse Gefahren nichtökonomischer Art sind für die Vereinigten Staaten allerdings in den Abkommen deswegen latent, weil die Texte keine Handhaben gegenüber etwaigen politischen Vorwürfen bieten... Es ist jedoch denkbar, daß durch vielleicht absichtlich kraß gezogene Konsequenzen aus den Artikeln ein gewisser Imperialismus herausgelesen werden könnte, der einem Gegner des Programms unter Umständen Ansatzpunkte für Kritik geben könnte ... Wenn man will, kann man hier die Bedingungen der Meistbegünstigung im Handel mit den amerikanisch besetzten Gebieten, die Sonderbehandlung amerikanischer Staatsbürger über den Internationalen Gerichtshof und die im Einvernehmen mit Amerika vorzunehmende Zweckbestimmung der Gegenfonds anführen."

Mit insgesamt über drei Milliarden Dollar, die Deutschland an Nothilfe von der US-Armee und aus dem Marshall-Plan erhalten hatte, stand es hinter Großbritannien, Frankreich und Italien an vierter Stelle der ERP-Länder. Beide Arten von Geldern wurden an Deutschland zwar als „grants", als Zuschüsse, gegeben, begründeten aber — von der sonst üblichen Norm abweichend — eine Forderung gegen Deutschland als eine Art erster Hypothek, um mögliche andere Forderungen (z. B.der Sowjetunion) abzuwehren. Bei den Londoner Schuldenverhandlungen 1955 wurde vereinbart, daß nur ein Drittel der bis 30. Juni 1951 zugeteilten Mittel aus Armeehilfe und Marshall-Plan in 35 Jahresraten an die USA zurückgezahlt werden sollten. Diese Summe von etwa einer Milliarde Dollar wurde bereits am 30. Juni 1971 durch Zahlung der letzten Rate beglichen

Zweifellos bildete der Marshall-Plan die entscheidende Starthilfe für die westeuropäischen Völker zur wirtschaftlichen Gesundung und Erreichung von politischer und sozialer Stabilität. „Marshall-Plan, OEEC und Montan Union — und im Zusammenhang da-mit das Ende einer negativen Besatzungspolitik, wie sie sich in den Demontagen ausdrückte — wurden die ersten Stationen jener europäischen Renaissance, von der ich lieber rede als vom .deutschen Wunder', das in Wirklichkeit ein europäisches war", sagte Bundeskanzler Willy Brandt am 5. Juni 1972 bei seiner Dankesrede zum 25. Jahrestag des Marshall-Plans an der Harvard Universität Als Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zu einem wachsenden Verständnis der Partner auf beiden Seiten des Atlantiks überreichte er die ersten Schecks für die Errichtung einer. Deutschen Marshall-Gedächtnisstiftung in den Vereinigten Staaten („The German Marshall Fund of the United States — A Memorial to the Marshall Plan") über 150 Millionen DM Stammkapital.

USA und Europa — Partner und Konkurrenten

Nachdem amerikanisches Kapital und „Knowhow“ entscheidend beim Wiederaufbau geholfen hatten, verstärkte sich naturgemäß das Interesse und politische Engagement der Vereinigten Staaten in der Bundesrepublik. Bis etwa zu Beginn der siebziger Jahre förderten die USA die europäische Zusammenarbeit und Integration durch alle Mittel der wirtschaftlichen Außenpolitik, um das Gleichgewicht der Kräfte in Europa zu erhalten, auch wenn sich diese Politik nicht immer positiv für die amerikanischen Wirtschaftsinteressen auswirkte. Das allgemeine Zoll-und Handelsabkommen („General Agreement on Tariffs and Trade" — GATT) von 1947 machte die während des Zweiten Weltkrieges ausgehöhlte Meistbegünstigung wieder zu einer wichtigen Vertragsklausel und förderte die Liberalisierung des internationalen Handels. Die Bundesrepublik trat 1951 dem GATT bei, dem gegenwärtig über 80 Staaten angehören (die Sowjetunion und die übrigen Ostblockstaaten sind nicht Mitglieder), und dessen Hauptziele Zollsenkungen sowie der Abbau mengenmäßiger Beschränkungen und handelspolitischer Diskriminierungen sind. Die jüngste große Konferenz im Rahmen des GATT, die soge-nannte „Kennedy-Runde" von 1964 bis 1967, erreichte u. a. Zollsenkungen auf Industrieprodukte von 35 bis 40 °/o.

Amerika spielte eine wichtige Rolle bei der Initiierung der europäischen Zusammenarbeit nicht zuletzt dadurch, daß Amerikaner sich mit Problemen zu beschäftigen hatten, die am besten durch engere Kooperation zwischen Europäern gelöst werden konnten. Paul G. Hoffmann, ehemaliger Präsident der Studebaker Corporation und Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Entwicklung und seit April 1948 Administrator der Marshall-Hilfe als Chef der ECA, ging weit über Marshalls Vorstellungen hinaus, als er im Herbst 1949 die Europäer zur „Integration" drängte, womit er die Schaffung eines „einzigen großen Marktes“ frei von Kontingenten, Devisen-bewirtschaftung und „schließlich aller Zölle"

meinte

Die europäische Einigung wurde vom Kongreß befürwortet, von der ECA und dem Außenministerium jedoch nicht forciert. Die amerikanische Exekutive zeigte offensichtli- ehe Zurückhaltung bei der Durchsetzung von Lösungen, die nicht für alle oder wenigstens die wichtigsten Teilnehmer am ERP akzeptabel waren, denn ihr war klar, daß ein lebensfähiger Zusammenschluß nicht von außen auferlegt werden kann

Das französische Veto gegen die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) im Jahre 1954 machte die Grenzen deutlich, die Amerika bei der Beeinflussung der europäischen Ereignisse gesetzt waren. Bei diesem Versuch rannten die Vereinigten Staaten keine offenen Türen mehr ein und verhielten sich danach wesentlich vorsichtiger. Die EWG und die weiteren Integrationsversuche waren somit relativ autonome europäische Bemühungen, die dann jedoch ihrerseits die amerikanische Politik beeinflußten.

Mit der zunehmenden Integration der Europäischen Gemeinschaften steigerte sich die amerikanische Besorgnis: Hohe Wachstumsraten in Europa führten zu Fragen, ob die Wirt-schaftspolitik im langsamer wachsenden -Amerika denn richtig sei; zum erstenmal machte die Zahlungsbilanz Kummer; die Be-1 Ziehungen zu Europa schienen das Problem zu vergrößern, denn die Kosten für die dort stationierten amerikanischen Truppen steigerten den Dollarabfluß; die Importe aus Europa wuchsen schneller als die Exporte in jenes I Gebiet; amerikanische Investitionen stiegen rapide an. Größere Autonomie in Europa bedeutete auch, daß es mehr Raum als früher für Meinungsunterschiede bei internationalen Problemen und insbesondere dem internationalen Währungssystem gab Zollsenkungen, wie die von der Kennedy-Runde erzielten, genügten aber nicht, die Pro-i bleme aus der Welt zu schaffen, denn die ent-: scheidenden Handelsbarrieren bilden heute diejenigen, die nichts mit Zöllen zu tun haben, sondern in den nationalen Gesetzen und Bestimmungen der Handelsblöcke verankert sind, die sogenannten „Non-tariff barriers". Seit Nixons „Politik der neuen Realität" im Jahre 1971 stehen die amerikanischen Wirtschaftsinteressen an erster Stelle.

Das be-deutet einen stärkeren Einsatz der ökonomischen Potenz als politisches Machtmittel. Das amerikanische außenpolitische Strukturziel ist es, möglichst günstige Austauschbeziehungen in der Welt zu haben, was im Idealfall : die Auflösung aller Handels-und Währungsblöcke bedeuten würde. Darum sehen die [USA heute die Europäische Gemeinschaft mit einem lachenden und einem weinenden Auge an, denn der Handelsausbau der Europäer im I Mittelmeerraum und in Afrika tangiert die ! von Amerika angestrebte Handlungsfreiheit. [Die Vereinigten Staaten verlangen von Euro-j pa reale Anstrengungen, die diskriminiereni den Auswirkungen seiner regionalen Integration auf den amerikanischen Export auf ein ! Mindestmaß zu verringern. Sie fordern Konzessionen hauptsächlich auf den Gebieten des Industriehandels, der Landwirtschaft (die in den vergangenen Jahren über 20 0/0 des ame, rikanischen Exporteinkommens brachte und i zum wichtigsten Devisenbringer der USA wurde ) und der Präferenzabkommen der EG, wobei sie m. E. berechtigterweise gegen die Gegenpräferenzen bestimmter Entwicklungsländer an die Europäische Gemeinschaft opponieren. Die Europäer wurden — so ist der heute vorherrschende Eindruck — für die Amerikaner auf wirtschaftlichem Gebiet vom alliierten und geschätzten Partner zum mehr oder weniger lästigen Herausforderer und Konkurrenten

Die Brüsseler EG-Kommission wies im Oktober 1971 die amerikanischen Vorwürfe zurück und betonte, daß die EG von allen wichtigen Industriegebieten die niedrigsten Zölle aufweise, während in einer vom GATT aufgestellten Liste über 800 Handelsschranken die USA am häufigsten auftauchten. In der Gesamtentwicklung war die EG in der Tat ein schnell wachsender Markt für amerikanische Exporte. Von 1958 bis 1970 war die amerikanische Ausfuhr in die Gemeinschaft von 2, 8 Milliarden Dollar auf 9 Milliarden Dollar gestiegen, die Einfuhr aus der EWG von 1, 7 Milliarden auf 6, 6 Milliarden Dollar.

In Anbetracht des hohen Defizits der amerikanischen Zahlungsbilanz, das 1972 einen Rekord von 5, 9 Milliarden Dollar erreichte, wird jedoch oft übersehen, daß die amerikanische Bilanz gegenüber Westeuropa mit Ausnahme von 1972 immer positiv war und ist und daß der Umsatz der US-Konzerne in der EG (vor allem der Multis wie Exxon, General Motors, ITT und IBM) mehr als das zweieinhalbfache des amerikanischen Exports in die EG ausmacht

Die amerikanische Zahlungsbilanz wies traditionell Überschüsse aus; erst 1971 wurde sie defizitär. Das liegt nicht an einem Rückgang der Ausfuhr, die im Gegenteil kontinuierlich stieg, sondern daran, daß die Einfuhr wesentlich stärker zunahm. Es klingt also wenig wahrscheinlich, daß die Verschlechterung der Handelsbilanz eine Folge von Handelshindernissen sei, die die Vereinigten Staaten besonders träfen. So sagte US-Botschafter Hillenbrand am 19. September 1974 in Düsseldorf vor der amerikanischen. Handelskammer in Deutschland: „There are few significant trade or financial barriers to expanding our exports to Germany.“

Das handels-und währungspolitische Verhältnis zwischen Deutschland und Amerika wird auch durch den Sicherheitsbereich wesentlich mitbeeinflußt, da die amerikanische Drohung des Truppenabzugs unausgesprochen dauernd präsent ist obwohl die Unterhaltung der US-Truppen im Rahmen des NATO-Vertrags den amerikanischen Steuerzahler weniger kostet, wenn die Soldaten in Europa statt in den USA stationiert sind. Zwar hat die Bundesrepublik seit 1961 durch die bisher acht Devisenausgleichsabkommen über rund 40 Milliarden DM die USA von etwa 80 °/o der durch den Unterhalt ihrer Streitkräfte in Westdeutschland entstehenden Dollarausgaben entlastet, was von der amerikanischen Regierung auch anerkannt und gewürdigt wird, jedoch herrschen im Kongreß, den Medien und der Öffentlichkeit andere Empfindungen vor.

Aussagen wie die des damaligen stellvertretenden Außenministers, Staatssekretär Elliot Richardson, am 20. Januar 1970 vor dem Außenpolitischen Rat der Stadt Chicago helfen offenbar wenig: „In völligem Gegensatz zu den frühen Tagen unserer Republik, als George Washington davor zu warnen pflegte, , den heimtückischen Listen'des europäischen Einflusses zum Opfer zu fallen, sind unsere Bindungen zu Westeuropa heute so fest gegründet, daß ein Kommentar zu diesem Thema als eine ermüdende Bekräftigung des Selbstverständlichen empfunden wird ... Zwei Weltkriege haben dazu geführt, daß das amerikanische Volk mit großer Klarheit erkennt, daß die Sicherheit der Vereinigten Staaten direkt mit der Sicherheit Europas verbunden ist...

Wenn beispielsweise alle unsere gegenwärtig in Europa befindlichen Truppen heimgebracht und in den USA stationiert würden, dann würden sich in unserem Verteidigungshaushalt nur geringe oder gar keine Einsparungen ergeben. Möglicherweise müßten wir sogar noch etwas mehr Geld aufbringen, weil wir beträchtliche finanzielle Vorteile verlieren In Deutschland stellt die Bundesre-1 gierung unseren Streitkräften Land, Unter-1 künfte, Anlagen und Dienstleistungen kosten-1 los oder zu ermäßigten Kosten zur Verfügung. I Eine Zweitanlage solcher Einrichtungen und I ihre Unterhaltung in den Vereinigten Staaten I würde große und ständige Ausgaben zur Folge haben, die praktisch die Einsparungen auf-i grund kürzerer Nachschubverbindungen und den Transportkosten nach Europa aufheben würden. Die Belastung unserer Zahlungsbilanz aufgrund unserer militärischen Dislozie-1 rung in Europa beläuft sich gegenwärtig aüf 1, 51 Milliarden Dollar pro Jähr. Das ist zweifellos beträchtliche Summe, und wenn Unsere in die USA zurückgebracht würden, würde ein großer Teil dieser Dollar im I Lande verbleiben. Dieses Problem ist jedoch I zum Teil durch Devisenausgleichsvereinba-1 rungen mit den europäischen Ländern, vor al-1 lern mit Deutschland, neutralisiert worden, I und wir suchen gegenwärtig nach Mitteln, um I diese Vereinbarungen noch zureichender zu I gestalten. Darüber hinaus würde ein Abzug j unserer Truppen aus Europa wahrscheinlich j umgehend negative Effekte für uns auslösen, I vor allem durch ein Nachlassen unserer Ver-1 käufe von militärischer Ausrüstung an unsere i Verbündeten sowie der allgemeinen Exporte nach diesen Ländern."

Nach Ablauf des letzten deutsch-amerikanisehen Devisenausgleichsabkommens im Som-1 mer 1975, das deutsche Leistungen in Höhe I von 5, 92 Milliarden DM für militärische Beschaffungen, Ankauf mittelfristiger Schuld-des US-Schatzamtes und die I Fortsetzung des Programms zur Modernisie-I rung von Kasernen und anderen Unterkünften der US-Streitkräfte sowie zivile Beschaffun-umfaßte, scheint kein neuer Vertrag mehr zustande zu kommen. Nachdem die Hauptursache für die letzten Abkommen, die negative : Zahlungsbilanz der Vereinigten Staaten, nach der Dollar-AbWertung 1973 und seit Ende des I Vietnamkrieges durch ein komfortables Devisenpolster überwunden ist, sieht die deutsche Bundesregierung keine Rechtfertigung mehr für neue Zahlungsverpflichtungen

Das neue Außenhandelsgesetz von 1974

Das neue Außenhandelsgesetz betont den bereits erwähnten Machtfaktor, der in der ökonomischen Potenz der Vereinigten Staaten liegt, in deutlicher Form. Es gibt dem Präsidenten erheblichen Spielraum zur Senkung oder Erhöhung von Zöllen, und gegenüber dem Kongreß eine stärkere Stellung in handelspolitischen Entscheidungen als bisher.

Nach der Ölkrise waren sich die westlichen Industriegesellschaften einig: Keine Regierung, so versicherten die Mitgliedsstaaten der OECD einander Anfang 1974, würde zur Über-windung der Krise protektionistische Maßnahmen ergreifen und damit die Last der Probleme auf die Partner abwälzen. Das Stillhalteabkommen scheint inzwischen beiderseits des Atlantiks in Vergessenheit zu geraten, man wirft einander unfaire Handelspraktiken, Dumpingmethoden und Protektionismus vor. Anfang Oktober 1975 wandte sich die Brüsseler Kommission mit harten Worten an die amerikanische Regierung: „In diesem Fall wie schon in anderen erwartet die Kommission von der Regierung der Vereinigten Staaten, daß sie ihre internationalen Verpflichtungen einhält und mit den anderen Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft ihre Verantwortung gegenüber den Kräften des Protektionismus wahmimmt."

Brüssel protestierte gegen den bisher letzten und schwersten Fall in einer Reihe von Verfahren, die seit Inkrafttreten des neuen Handelsgesetzes beim US-Schatzministerium gegen Importe aus dem Ausland angestrengt wurden. Es geht gegen die europäische Mehrwertsteuerpraxis, gegen die Amerikas größter Stahlproduzent, die U. S. Steel Corporation in Pittsburgh, eine Musterentscheidung erzwingen will. Nach deren Auffassung verstößt die Erstattung der Mehrwertsteuer bei Exporten gegen die Regeln eines fairen Wettbewerbs; sie sei eine Subventionierung der Exporte, also eine „unfaire Handelspraxis", gegen die das neue Handelsgesetz Ausgleichszölle als Vergeltungsmaßnahme vorsieht. Adressat der Vorwürfe sind die Stahlexportländer der EG, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien, Luxemburg und Großbritannien, die auch in der gegenwärtigen Flaute relativ gute Absätze in den USA erzielen konnten, während die amerikanischen Stahlexporte erheblich zurückgingen. Noch vor den Pittsburghern hatten sich bereits andere Lobbyisten mit Klagen an das Schatzministerium gewandt: Die mächtige Automobilarbeitergewerkschaft (UAW), die auch sonst ihre Landsleute zu nationalbewußtem Konsum anhält („Buy American!"), brachte ein Anti-Dumping-Verfahren ins Rollen, das vor allem gegen das Volkswagenwerk gerichtet ist. Nach dem Spruch der von der amerikanischen Regierung unabhängigen „International Trade Commission", die Anfang September 1975 feststellte, daß eine Schädigung der amerikanischen Automobilindustrie durch Importe nicht auszuschließen sei, mußte das Schatzministerium tätig werden, dessen Entscheidung nun erwartet wird.

Somit drohen gegen rund ein Fünftel der EG-Exporte in die USA im Werte von 19 Milliarden Dollar (1974) Verfahren eingeleitet zu werden. Der EG-Vertreter beim GATT in Genf, Paul Luyten, hielt der amerikanischen Delegation vor: „Die Gemeinschaft übersieht nicht, daß der überwiegende Teil dieser Verfahren auf private Wirtschaftsgruppen in den USA zurückgeht. Aber die Art, wie die amerikanische Administration auf deren Begehren reagiert hat, bereitet uns Sorgen." So werde z. B. die Zollabfertigung europäischer Waren in den USA verzögert. In anderen Fällen hätten die Exporteure empfindliche Kosten tragen müssen, um sich ihr Recht gegenüber den Behörden zu verschaffen.

Die größte Sorge bereitet den Brüsselern jedoch die Frage, ob die amerikanische Regierung so kurz vor den Präsidentschaftswahlen den Versuchungen der Protektionisten widersteht. Bei der Mehrwertsteuer handelt es sich immerhin schon um den zweiten Vorstoß, den die Stahllobby unternimmt. Dabei werde absichtlich übersehen, daß das Prinzip der Freistellung der Exporte von der Mehrwertsteuer ausdrücklich den GATT-Regeln, also einer „fairen Handelspolitik" entspricht. Denn erst durch die Befreiung von der von Land zu Land unterschiedlichen Steuer auf den Verbrauch entstehen international gleiche Wettbewerbsbedingungen. Trotz aller Probleme und Gegensätze bleiben die USA nach Frankreich und den Niederlan-den der drittwichtigste Handelspartner Deutschlands. Beide Volkswirtschaften sind eng verflochten, und die Kurskorrekturen des Dollars in den vergangenen Jahren haben zu einem starken Anwachsen der deutschen Direktinvestitionen in den USA geführt, die Mitte 1974 3, 1 Milliarden DM erreichten, Mitte 1975 sogar über 3, 8 Milliarden DM. Die US-Investitionen in der Bundesrepublik betrugen Mitte 1974 15, 9 Milliarden DM, Mitte 1975 erreichten sie 16, 6 Milliarden DM und sind damit mehr als viermal so groß wie die deutschen in den USA (Jahresberichte der Bundesregierung, Bonn). Die Vereinigten Staaten bemühen sich gleichzeitig um einen verstärkten Export in die Bundesrepublik Deutschland; Botschaft und Konsulate fördern diese Bemühungen durch Beratung Und konkrete Hilfsprogramme.

Die vitale Partnerschaft, die die „Achse" Bonn—Washington heute kennzeichnet, wird i gelegentliche Belastungsproben wohl wie bisher überstehen, zumal beide Seiten in einer Fülle von internationalen, Organisationen auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet eng zusammenarbeiten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Ludwig Prager, Die Handelsbeziehungen des Deutschen Reiches mit den Vereinigten Staaten bis zum Ausbruch des Weltkrieges im Jahre 1914, Weimar 1926, S. 9; Sidney Ratner, The Tariff in American History, New York 1972, S. 36.

  2. Artikel 3 des Handels-und Schiffahrtsvertrages zwischen Preußen und den Vereinigten Staaten vom 1. 5. 1828 lautete: „Die Waren und Handels-gegenstände jeder Art, mögen sie Erzeugnisse des Bodens oder des Kunstfleißes der Vereinigten Staaten von Amerika, oder jedes anderen Landes sein, welche gesetzlich auf Preußischen Schiffen in die Häfen des Königreichs Preußen eingeführt werden dürfen, sollen daselbst gleicherweise auf Schiffen der Vereinigten Staaten von Amerika eingeführt werden können, ohne andere oder höhere Abgaben oder Gebühren irgendeiner Art oder Benennung, welche im Namen oder im Vorteile der Regierung, der Ortsbehörden oder irgend von Privatanstalten erhoben werden, zahlen zu müssen, als wenn sie auf Preußischen Schiffen eingeführt würden ..." Abgedruckt bei L. Prager, a. a. O., S. 139.

  3. Meistbegünstigung: Zugeständnis, wonach sich die Vertragsstaaten wechselseitig alle handelspolitischen Vergünstigungen gewähren, die sie anderen Staaten einräumen. Werden diese an Dritte gewährten Zugeständnisse dem Vertragspartner nur unter der Voraussetzung gewährt, daß er selbst neue Zugeständnisse macht, so spricht man von Reziprozität.

  4. Nähere Einzelheiten über den „Kali-Krieg" bei: Benjamin H. Williams, Economic Foreign Polidy of the United States, New York 1929, S. 387 ff., und bei Prager, a. a. O., S. 91 ff.

  5. B. H. Williams, a. a. O., S. 390.

  6. B. H. Williams, a. a. O., S. 300.

  7. Percy W, Bidwell, Latin America, Germany and the Hull Program, in: Foreign Affairs, Jan. 1939,

  8. Historical Statistics of the United States, Colonial Times to 1957; und: Statistical Abstracts of the United States, 1974 und 1975.

  9. Zit. bei Sidney Ratner, The Tariff in American History, New York 1972, S. 164 f., und Fritz Hauenstein, In Memoriam George C. Marshall, FAZ Nr. 246 vom 23. 10. 1963 (Sonderdruck).

  10. F. Hauenstein, a. a. O.

  11. Im Kongreß wurden mehrere Ausschüsse und Unterausschüsse gebildet, Senatoren, Abgeordnete und Journalisten reisten durch Europa und berichteten; eine Lawine von Untersuchungen, Studien und Diskussionen kam ins Rollen. Eine Ubersicht über das „Schrifttum zum Märshall-Plan", zusammengestellt von A. Wittkowski vom Institut für Weltwirtschaft, umfaßt 382 Seiten, obwohl es nur das Deutschland betreffende Schrifttum aufzählt (I). In der Vorlage des Außenministeriums an den

  12. W. S. Woytinski, World Commerce and Governments. Trends and Outlook, New York 1955, S. 828.

  13. Zitiert bei F. Hauenstein, a. a. O.

  14. Die Zahlenangaben in den verschiedenen Quellen variieren erheblich, da unterschiedliche Zeitabschnitte gelegt werden. zugrunde Die hier angegebenen Summen entstammen dem offiziellen abschließenden Bericht der deutschen Bundesregierung über die Durchführung des Marshall-Plans und die Fortführung amerikanischer Wirtschaftshilfe (MSA) für die Zeit bis 31. 12. 1952, Bonn 1953, S. 158.

  15. Hugo Henikstein, Die amerikanische Handelspolitik nach dem Zweiten Weltkrieg und die Wiederbelebung des Welthandels, Wien 1950, S. 156.

  16. F. Hauenstein, a. a. O.

  17. Vgl. Der Spiegel vom 23. 10. 1972 sowie Otto Winzer, Der Marshall-Plan. Was er bringt und was er nimmt, Berlin 1948. Der spätere Außenminister der DDR äußert in dieser Broschüre eine Fülle propagandistischer Phrasen und Fehlspekulationen, weist aber auch auf einige Mängel der amerikanischen Maßnahmen hin, so z. B. die Demontagen aus Konkurrenzgründen, die fast generelle Freigabe deutscher Patente und Verfahren, das Verbot des Osthandels, die gesteigerte Rohstoffausfuhr (statt Fertigprodukten) Und das Verbot der Mitbestimmung, ergänzt durch besondere Förderung des „freien Unternehmertums". Ausführlich diskutiert wird die Problematik auch bei Hadley Arkes, Bureaucracy, the Marshall Plan und National Interest, Princeton 1972.

  18. H. Henikstein, a. a. O., S. 157.

  19. Vgl. Carl-Christian Kaiser, Dank an die Amerikaner, in: Die ZEIT, Nr. 23 vom 9. 6. 1972.

  20. Vgl. Das Parlament, 7. Juni 1972, S. 12.

  21. William Diebold, Jr., The United States and the Industrial World. American Foreign Policy in the 1970's, New York 1972, S. 25, und Ernst Schroeder, Vier Jahre Marshall-Plan, 1953, S. 51.

  22. Vgl. E. H. van der Beugel, From Marshall Aid to Atlantic Partnership, Amsterdam 1966, S. 220 f.

  23. Vgl. W. Diebold, a. a. O., S. 24

  24. E. -O. Czempiel in einem Vortrag-vor der Gesellschaft für Auslandskunde in München am 2. Juni 1973. Vgl. auch Randall Hinshaw, The European Community and American Trade. A study in Atlantic Economics and Policy, New York 1964.

  25. Im gesamten nichtamerikanischen Ausland produzieren die Töchter der US-Unternehmen sogar das vierfache der amerikanischen Exporte; vgl. Der Spiegel, 10. Nov. 1975.

  26. Als der frühere Präsident der Bundesbank, Karl Blessing, gefragt wurde, ob die USA mit Truppenabzug gedroht hätten, um Deutschland zur Zustimmung zu bewegen, Dollars statt Gold zu halten, sagte er, daß es eine zwar nie ausgesprochene, aber immer vorhandene Drohung war. Vgl. Interview in: Der Spiegel, 3. Mai 1971, S. 82.

  27. Amerika-Dienst, Bonn-Bad Godesberg, 22. 1. 1970.

  28. Vgl. Der Spiegel, Nr. 5/76 vom 26. 1. 1976, S. 26.

  29. Hans-Hagen Bremer, In Brüssel wird die Faust geballt, in: Die ZEIT, Nr. 41 vom 3. 10. 1975.

  30. H. -H. Bremer, a. a. O.

Weitere Inhalte

Rüdiger Bernd Wersich, geb. 1941; Studium in Frankfurt/Main, Trenton/New Jersey und München; Lehrtätigkeit in der Erwachsenenbildung in Schweden; wiss. Assistent im Deutschen Bundestag von 1969 bis 1972. Veröffentlichungen u. a.: Zeitschriftenaufsätze und Hörfunkmanuskripte zu zeitgeschichtlichen Themen Schwedens und der USA (Studium und Studienreform, Verhältnis Deutschland—Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg); Betriebsdemokratie und Mitbestimmung in Schweden, in: Fritz Vilmar (Hrsg.), Industrielle Demokratie in Westeuropa, Hamburg 1975.