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Martin Bubers pädagogische Grundbegriffe | APuZ 49/1978 | bpb.de

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Martin Bubers pädagogische Grundbegriffe

Günther Böhme

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Martin Buber ist kein Pädagoge im geläufigen Sinne des Wortes, und dennoch ist er ein entscheidender Förderer des pädagogischen Denkens in unserem Jahrhundert. Er entfaltet — auf dem Hintergrund der chassidischen Lehre, deren Wiederentdeckung ihm zu danken ist, eines vertieften Bibelverständnisses und einer um anthropologische Fragen kreisenden Philosophie — pädagogische Grundbegriffe, mit denen er das pädagogische Verhältnis zu erhellen versucht. Indem er so zu dem Ursprung pädagogischen Denkens zurückführt, macht er den Grundsachverhalt deutlich, der in der Beziehung von Erzieher und Zögling liegt. Er sieht diese Beziehung charakterisiert durch das dialogische Prinzip, wofür ihm Sokrates ein lebendiges, unvergängliches Beispiel ist. Das Gespräch, in dem sich Geistiges entfaltet durch Aussage und Aufnahme, wird wesentlich: „Die fundamentale Tatsache der menschlichen Existenz ist der Mensch mit dem Menschen", lautet einer seiner zentralen Sätze, aus denen er die Erkenntnis entwickelt, daß nur im Miteinander von Ich und Du eine pädagogisch verantwortete „Auslese der wirkenden Welt" erfolgen kann. Dieses Zurückgehen auf die Grundstruktur menschlicher Gemeinsamkeit ist ihm um so wichtiger, als er mit allen seinen scharfsichtigen Zeitgenossen weiß, daß unserer Zeit kein Erziehungsziel mehr selbstverständlich ist, Bildung also aus dem fundamentalen Sachverhalt menschlicher Seinsweise heraus entwickelt werden muß. Das freilich schließt für Buber ein religiöses Wissen ein, das, wie er auch selbst weiß, den meisten verlorengegangen ist. Um so stärker wirkt seine Pädagogik als Herausforderung an ein Denken, das sich von „Konfliktstrategien“, „gesellschaftlichen Antagonismen" oder „dialektischer Auseinandersetzung" allein leiten läßt; sie könnte — wie schon zu seiner Zeit — wieder zur Besinnung auf das „Pädagogisch-Eigentliche" führen.

Eine Zeitlang — und das liegt nicht viel mehr als eine Generation zurück — haben die Pädagogen Martin Buber ganz für sich beansprucht. Neben allem, was er sonst noch war — homo religiosus et politicus, Sprachgestalter und Übersetzer, Schriftsteller, Philosoph, Universitätsprofessor, Erwachsenenbildner —, und gleichsam durch dieses alles hindurch erschien sein Leben als eine exemplarische pädagogische Existenz in jenem elementaren Sinne, daß das ganze Leben geprägt war von der Haltung des Erziehers, der nicht belehren, sondern durch lebendige Wirkung Geistiges erwecken will. Und in seiner Sprache schien, obwohl sie sich keiner der herrschenden Strömungen zuordnen ließ, seinen Zeitgenossen das fundamentale pädagogische Denken auf den Begriff gebracht.

Das war auf dem Höhepunkt der Reformpädagogik in den zwanziger Jahren, als alle Hoffnung, Welt und Menschen zu ändern, sich — ähnlich wie in unserer Zeit, die ja in manchem wieder das Erbe der Reformpädagogik angetreten hat — auf Erziehung gründete. Das währte, wie man weiß, nicht lange; Martin Bubers Denken als Pädagoge teilte das Schicksal der Reformpädagogik, schien bald überholt zu sein. Es hatte der Unmenschlichkeit nicht standhalten können, wiewohl gerade Buber den Widerstand aus dem Denken, aus der Erneuerung des Geistes heraus versuchte. Und als sich später die Pädagogik daran machte, nach den Jahren der Neuorientierung nach der Katastrophe sich zur Erziehungswissenschaft zu verengen, blieb für ein pädagogisches Denken kein Raum mehr, das weniger auf definitorische Schärfe und begriffliche Abstraktion als auf die Ergründung der pädagogischen Situation und die Herstellung pädagogischer Erfahrung, weniger auf logische Deduktion als auf dialogische Reflexion bedacht war. Eine Kluft hat sich seither aufgetan: „Was sich ... an Meditationen über die Beziehungen zwischen , Ich'und Du’ in pädagogischen Kreisen eingebürgert hat, kann unser Verständnis des Erziehungsprozesses schwerlich bereichern, sondern muß eher zeitkritisch als . ideologische Seligsprechung'einer romantischen Beziehung angesehen werden.“ Schärfer kann die Distanz nicht ausgesprochen werden.

Die Frage freilich ist, ob Martin Bubers pädagogisches Denken wirklich nur noch ein Gegenstand zeitkritischer Betrachtung sein kann (was natürlich jedes Denken allemal auch ist) und ob sich das pädagogische Verhältnis wirklich nur als eine „romantische Beziehung" abtun läßt — was wohl eher seinerseits einer zeitkritischen Betrachtung bedürftig wäre, insofern es menschliche Nähe im pädagogischen Geschehen als irreal, als unzeitgemäß herabsetzt. Die Frage ist demgegenüber, ob nicht über alle zeitverhaftete Sprachlichkeit der Buberschen Diktion und über alle Verwissenschaftlichung der Pädagogik hinaus sich mit den pädagogischen Grundbegriffen Bubers Wahrheiten und Einsichten aussprechen, die es wiederzugewinnen gilt, weil sie Gültigkeit haben für jede Pädagogik, die sich um den Menschen in seiner Hilfsbedürftigkeit und Ausgesetztheit bemüht. Die Frage, mit anderen Worten, ist: Ob es wirklich nur ein Akt der Pietät oder bestenfalls der historischen Neugier ist, sich Martin Bubers zu erinnern als eines Wegweisers der Pädagogik — oder ob nicht gerade in einer Zeit, in der der Mensch immer mehr zum bloßen Objekt her-abzusinken droht, die Besinnung auf eine Pädagogik notwendig ist, die den Menschen in seiner ursprünglichen Menschlichkeit zu verstehen versucht und damit die Erinnerung an zeitlos Gültiges zu beleben geeignet ist.

Denn das kann nicht zweifelhaft sein, daß Buber in allem Vergänglichen das Bleibende suchte, daß er über den Tag hinaus dachte, wie wenig er sich auch in seinem unmittelbaren praktischen Wirken je der Forderung des Tages entzog, und daß er aus diesem buchstäblich gründlichen Denken heraus auch in seinem Suchen nach Grund und Sinn der Erziehung sich nicht von Aktualität und kurzlebigem Erfolg blenden ließ. Ihn beirrte nicht, daß ihn das immer wieder zu Verstrickungen — wie in der zionistischen Bewegung, in der religionsphilosophischen Diskussion oder in den * dogmatischen Auseinandersetzungen und pädagogischen Streitfragen der Zeit — führte. Sein Widerstand etwa gegen die reformpädagogische Mißdeutung des erzieherischen Verhältnisses als eines solchen, das allein auf die „schöpferischen Kräfte im Kinde"

baut, ist ein Beleg neben anderen.

Er selbst hat seine Suche nach dem Dauernden, ja nach dem Ewigen und dessen Ver-II knüpfung mit der greifbaren Realität ausgesprochen in dem lapidaren, souveränen Satz: „Das Moderne ist eine belanglose Kategorie." Das ist natürlich zunächst nicht nur auf die Pädagogik bezogen, sondern ist zuerst der Ausdruck einer überlegenen Haltung, die sich Gelassenheit bewahrt gegenüber Tages-meinungen und modischen Strömungen auch im Denken; sie ist Ausdruck einer Unabhängigkeit, die sich auf das sichere Wissen um die Notwendigkeit unverlierbarer Werte und deren Realisierung im menschlichen Miteinander stützen kann. Aber indem in einem universalen Denken wie dem Bubers sich die verschiedenen Sichtweisen wechselseitig durchdringen — das Religiöse mit dem Pädagogischen, das Philosophische mit dem Erzieherischen —, ist der Satz natürlich auch auf die Pädagogik gemünzt. Sie, die zwischen vielen Theorien hin und her schwankt und stets der Versuchung modischer Tendenzen und Modelle ausgesetzt ist, wird darauf verwiesen, ihre jeweilige historisch-gesellschaftliche Bedingtheit nicht absolut zu setzen. Doch zeigen sich die pädagogischen Implikationen dieses Satzes von der Belanglosigkeit des Modernen auch, wenn man sieht, daß das Wirken Bubers mit dem genuinen pädagogischen Anspruch auftrat, dem Menschen zum Verständnis seines Menschseins selbst zu verhelfen, ihn, wie man wohl sagen darf, zu den Wurzeln seiner Kreatürlichkeit zurückzuführen. Das weist über das, was das . Moderne'ist, weit hinaus.

Alle Pädagogik nimmt von der Frage nach dem Menschen ihren Ausgang, wie es noch die tägliche, alltägliche Rede bezeugt: Was soll wohl aus ihm werden? Buber hebt dieses Wort ins Allgemeine mit seiner noch im hohen Alter gestellten, doch sein ganzes Leben leitmotivisch begleitenden Frage, „wie der Mensch möglich sei" wie er werden könne, der er ist, wie er — mit einem uns heute geläufigen, freilich selten gründlich durchdachten Begriff — zu seiner Selbstverwirklichung finden könne. Diese Frage vermag freilich keine bündige Antwort in einem System der Erziehungswissenschaft zu finden, das den auf bestimmte Weise interpretierten und definierten Menschen immer schon voraussetzt. Die Frage ist gleichsam aller Erziehungswissenschaft voraus; sie führt zurück zum Ursprung pädagogischen Denkens, angesiedelt an der Grenzscheide zwischen Anthropologie und Pädagogik, denn mit der Frage, wie der Mensch möglich sei, ist immer auch die andere gestellt: wie Erziehung möglich sei.

Man erkennt die Schwierigkeiten, die einer Erziehungswissenschaft bereitet werden, der an Bewiesenem und Beweisbarem, am soge-nannten Positiven gelegen ist, dieses Denken sich anzueignen. Denn ein Denken, das sich wie das Bubersche auf die Kategorie der Möglichkeit stützt, bewegt sich notwendigerweise auf unsicherem Gelände; sie muß sich selbst jene Offenheit erhalten, durch die sie auch den Menschen charakterisiert sieht.

Buber freilich wollte nichts anderes als diese Hinführung zum Ursprung pädagogischen Denkens, als die Aufdeckung der ursprünglichen pädagogischen Situation, ohne deren Verständnis die Erziehung nicht zum Ziele kommen kann; er wollte der unmittelbaren Erfahrung des pädagogischen Verhältnisses Raum verschaffen. Wichtiger deshalb als Belehrung war ihm Verständigung, wichtiger als das wissenschaftliche Gedankengebäude die reale pädagogische Beziehung. Die Theorie für sich bedeutete ihm nichts. Der Mensch kann darin nicht . erfahren'werden — und dies im doppelten Wortsinn. Lehrmeinungen können nicht ersetzen, was nur in der suchenden Auseinandersetzung mit dem Menschen und, wie wohl Buber hinzufügen würde, im Sichzusammensetzen mit dem Menschen errungen werden kann: Einsicht in das, was an Möglichkeiten im Menschen liegt. Daher mußte er auch im Rückblick auf sein Werk und sein Wirken sagen: „Ich habe keine Lehre, aber ich führe ein Gespräch."

Daß ein solcher Satz nur bedingte Gültigkeit hat, ist evident; denn letztlich war seine Lehre das Gespräch: Er lehrte das Miteinander-Sprechen, lehrte, im Gespräch, wenn es nur ernsthaft geführt wurde und nicht Konversation blieb, den Weg zum Menschen zu finden, den Menschen in seiner Eigenart zu entdekken; er lehrte das Gespräch als das wesentliche Mittel der Kommunikation, für welche er den ungleich tieferen Begriff der Ich-Du-Beziehung hatte. Er selbst verweist auf das Beispiel des Sokrates, des großen Lehrers des Abendlandes und Lehrmeisters des pädagogischen Gesprächs, und charakterisiert ihn so: „Es ist das Ich des unendlichen Gesprächs ... Dieses Ich lebte in der Beziehung zum Menschen, die sich im Gespräch verkörpert." Auch Sokrates hatte keine Lehre, sondern führte ein Gespräch, ein unendliches, wie Buber ausdrücklich sagt, um deutlich zu machen, daß, solange pädagogisches Wirken dauern soll, es des Gespräches bedarf, das erst die pädagogische Beziehung stiftet und trägt. Und so finden sich auch im Beispiel des seine Mitbürger mit Fragen erweckenden Sokrates alle Erscheinungen, welche aus der Sicht Bubers — und gewiß nicht nur aus der seinen — pädagogisch fundamental sind und sein Denken zeit seines Lebens beherrschen. Buber hat diese Erscheinungen mit Begriffen belegt, die im Grunde nur den einen pädagogischen Sachverhalt umschreiben: Ich und Du, Begegnung, Beziehung, dialogisches Leben, Gespräch. Es sind nur wenige und noch dazu eng verwandte Begriffe; sie machen die großartige . Einseitigkeit'eines Denkens aus, das in immer neuen Wendungen die eine Erkenntnis variiert, von der alles pädagogische Denken auszugehen, die es zu realisieren hat und die einmal von Buber so formuliert worden ist: „Die fundamentale Tatsache der menschlichen Existenz ist der Mensch mit dem Menschen." Das ist einmal wörtlich zu nehmen in dem Sinne, daß das erste, was dem Menschen mit seiner Geburt widerfährt, die Unbedingtheit des menschlichen Miteinanders ist. Das ist zum anderen die Umschreibung dafür, daß sich dieses Miteinander nur in der Beziehung von Ich und Du denken läßt, wenn es auch, wie Buber hinzufügt, ohne das Es, die Welt der Objekte, nicht sein kann. Nur im Verhältnis von Ich und Du liegt aber prinzipielle Gleichrangigkeit, nur in einem solchen Verhältnis wird der Mensch dem Menschen ganz gerecht. Buber bekennt einmal, daß ihm nichts wichtiger war, als dem Du zu seinem Recht zu verhelfen. Der Satz ist schließlich die Feststellung dessen, daß der Mensch immer auf zwischenmenschliche Beziehung angewiesen ist und jede Existenz, solange sie dauert, auf Mitmenschlichkeit aufbauen muß.

Das sind sicherlich Umschreibungen, die nur dem greifbar werden, der von dem Grund-sachverhalt selbst ergriffen ist, das sind Metaphern, die die pädagogische Erfahrung nicht ersetzen können, wohl aber diese vorbereiten.

Sie können kaum von Deduktion, wohl aber von Evidenz gestützt werden. Demgegenüber verblaßt der Vorwurf „mangelnder Begrifflichkeit des Buberschen Denkens" wie er noch jüngst erhoben wurde, wenn es sich auch zweifellos um die Begrifflichkeit von Sachverhalten handelt, die immer neuer Erhellung und Annäherung bedürfen. * Buber wußte dies wohl; er führte sein „unendliches" Gespräch, er wollte keine Lehre. Wie anders aber wäre dem pädagogischen Dilemma zu begegnen, daß mit jedem erzieherischen Verhältnis neue erzieherische Dimensionen aufbrechen, die sich der Berechnung entziehen, weil in jeden erzieherischen Akt die Einzigartigkeit der menschlichen Situation, die Einzigartigkeit der Person als Du eingeht? Wie anders aber auch wären die Bedeutung ebenso wie die Zielrichtung des pädagogischen Auftrags ins Bewußtsein zu heben als durch die eindringliche Demonstration dieses Sachverhalts, den Buber am Ausklang seines Lebens neu umschreibt mit der Feststellung, Mensch sein heiße, „das gegenüber-seiende Wesen sein"? Wie anders ließe sich Pädagogik, die nur im Umgang mit dem Menschen sich bewähren kann, auf ihren Auftrag verpflichten als durch den nachdrücklichen Hinweis auf den Ursprung aller pädagogischen Bemühung, der allemal in der Hinwendung zum anderen als dem, der Ansprache braucht, liegt. Denn der Mensch, um an Bubers anthropologische Grundfrage zu erinnern, ist nur möglich, weil er ansprechbar ist. So bleibt denn der grundlegende Satz — wie allgemein er zunächst erscheinen mag — in Geltung als der erste, keineswegs nur der „ideologischen Seligsprechung“ dienende Satz aller praktischen, auf Praxis bedachten Pädagogik: „Im Anfang ist die Beziehung.“

Das ist wiederum wörtlich zu nehmen: Jedes Menschenleben hebt mit einer elementaren pädagogischen Beziehung an: der Mutter-Kind-Beziehung; und jeder neue pädagogische Ansatz und Einsatz hebt mit einer zwischenmenschlichen Beziehung an. Die Frage ist, wie diese zwischenmenschliche Beziehung zu einer fruchtbaren pädagogischen Beziehung wird. Es gibt Beziehungen verschiedener Art: zwischen Liebenden, zwischen Freunden, zwischen Geschäftspartnern. Sie haben jeweils ihre eigene Qualität. Pädagogisch wird eine Beziehung erst dann, wenn sich, um es zunächst ganz allgemein zu formulieren, in ihr ein Ich-Du-Verhältnis besonderer Art konstituiert. Für jedes Ich-Du-Verhältnis ist charakteristisch, daß es auf Gegenseitigkeit basiert, daß es den anderen nicht als Gegenstand des Handelns sieht, sondern als den, mit dem gemeinschaftlich gehandelt wird, so wie es ein sprechendes Ich nur geben kann, wenn es ein ansprechbares Du gibt, wenn es also reine Dialogik gibt, in welcher Ich und Du gleichrangige Pole sind. Die pädagogische Beziehung unterscheidet sich nun aber von allen anderen Beziehungen gerade dadurch, daß sie nicht zu voller Wechselseitigkeit sich entfalten kann, ja, wie Buber betont, sich nicht entfalten darf. Wohlverstanden: Es bleibt ein Ich-Du-Verhältnis, beruht auf Partnerschaftlichkeit, auf dem Wechselspiel von Verantwortung und Antwort, auf Sprechen und Ansprechbarkeit, ist ein Verhältnis der Mitmenschlichkeit. Es hat seine eigene Art und Form jedoch darin, daß es sich nicht, um es mit Bubers Worten zu wiederholen, „zu voller Mutualität entfalten darf, wenn es in dieser seiner Art dauern soll" Wenn es sich erst zu voller Wechselseitigkeit entfaltet hat — und darauf zielt doch alle pädagogische Anstrengung ab —, hat es aufgehört, eine pädagogische Beziehung zu sein. Das ist die Bubersche Umschreibung der gängig gewordenen Vorstellung, daß jeder Pädagogik wesentlich sei, sich überflüssig zu machen. Buber unterscheidet sich aber von anderen dadurch, daß er in diesem Prozeß der allmählichen Ablösung der pädagogischen Beziehung durch andere Beziehungen eindeutig Dominanten setzt, daß er, mit anderen Worten, der pädagogischen Autorität das Wort redet, die für diese Ich-Du-Beziehung wesentlich ist.

Damit ist auf Rolle und Funktion des Erziehers verwiesen, dem in dem Verhältnis von Erzieher und Zögling als dem Urbild eines jeden pädagogischen Verhältnisses die Führungsrolle zukommt. Diese Führungsrolle beruht auf der Verantwortung, welche dem auferlegt ist, der um den Sinn und die Zielsetzung des pädagogischen Verhältnisses weiß, nämlich daß er die Entwicklung des Heranwachsenden nicht naturwüchsigen oder, wie man heute gern sagt, „herrschaftsfreien" Prozessen überlassen kann. Die pädagogische Verantwortung erwächst aus dem Vorsprung an Erfahrung, Einsicht und Wissen, ohne welchen der Erzieher seinen Auftrag nicht wahrnehmen kann, ein Vorsprung freilich, der weit mehr ist als das, was heute gemeinhin als Wissensvorsprung bezeichnet wird, ein Vorsprung nämlich auch an persönlichem Gewicht, an gereifter Persönlichkeit, an Erkenntnis der Urgründe des Lebens, ein Vorsprung des Einblicks in das, „wie der Mensch möglich sei", kurz: eine im menschlichen Rang begründete Dominanz im pädagogischen Verhältnis von Ich und Du.

Eine der Formeln, in denen Buber die Aufgabe des Erziehers zu fassen versucht als einer Aufgabe der sorgenden Stellvertretung für den, der um die anzueignenden Inhalte noch nicht wissen kann und hilflos der ihn bedrängenden Welt gegenübersteht, eine dieser Formeln lautet: Erziehung, „die gewußte und gewollte, bedeutet Auslese der wirkenden Welt" n). Wohl gibt es auch eine absichtslose Erziehung, auf die aber kommt es Buber nicht an. Erziehung ist nichts ohne Intentionalität; was dem Kinde begegnen soll, um es wissender und sehender zu machen, kann nicht dem Zufall der Begegnung überlassen bleiben. Vor allem aber kann es nicht dem überlassen bleiben, der der Welt selber noch unvorbereitet und unfertig begegnet, dem Heranwachsenden, der noch nicht gelernt hat, wie die Vielfalt des Begegnenden zu gliedern und zu ordnen sei. Buber wußte, daß der Prozeß des Lernens unvermeidlich eine sorgfältige Auslese dessen verlangt, was auf den Heranwachsenden eindringt, was, wie es Buber bezeichnet, auf ihn einwirkt und in ihm Reifung, Wandlung, Bildung bewirkt. Erziehung verdient ihren Namen nur, wenn sie „gewußt und gewollt" ist — eine Mahnung, die zu Bubers Zeiten so wenig müßig war, wie sie es zu unseren Zeiten ist, da nach der Welle der antiautoritären Experimente das Schlagwort von der Antipädagogik in Umlauf gesetzt ist.

Die Formel von der . Auslese der wirkenden Welt als der Aufgabe des Erziehers'findet sich in dem Aufsatz „Uber das Erzieherische", der den Inhalt jenes berühmten Hauptvortrags der Internationalen pädagogischen Konferenz des Jahres 1925 in Heidelberg wiedergibt, die sich mit dem Thema „Die schöpferischen Kräfte im Kinde“ beschäftigte. Das Thema verwies auf einen zentralen Gedanken, der die Reformpädagogik bewegte, verwies auf die Wendung, die das pädagogische Denken vom Erwachsenen hin zum Kinde genommen hatte in Erfüllung jenes berühmten Begriffs von Ellen Key, die unser Jahrhundert als das Jahrhundert des Kindes’ bezeichnet hatte und zum Inbegriff für die pädagogische Wende zu Beginn des Jahrhunderts wurde.

Bubers Rede war nicht weniger als ein leidenschaftlicher Protest gegen jene sich übersteigernden Strömungen der Reformpädagogik, die den Begriff der Erziehung aufzulösen drohten, indem sie dem Erzieher seinen Rang aberkannten, ihm seine Bedeutung für die „Auslese der wirkenden Welt", für das pädagogische Geschehen im Ich-Du-Verhältnis bestritten, an die Stelle des Lehrers den Lehrerkameraden setzen wollten, der, indem er die Gedanken einer Pädagogik vom Kinde aus ganz wörtlich nahm, das erzieherische Verhältnis umkehrte und dem Kinde übertrug, was dem Lehrer obliegt; der sich jeglichen Bedürfnissen des Kindes und allem, was so heißen mochte, unterordnete, statt diesen Bedürfnissen — um mit Bubers Begriff zu reden — eine Auslese der wirkenden Welt gegenüberzustellen und blinde Welteroberung zu gezügelter Welterfahrung zu machen.

Damit verstand Buber seinen leidenschaftlichen Protest gegen einen verzerrten Erziehungsbegriff zugleich als ein leidenschaftliches Plädoyer für das Kind. Denn daß pädagogisches Denken von der Erziehungsbedürftigkeit des Kindes sich inspirieren lassen müsse, war ihm nicht zweifelhaft. Und es ging ihm natürlich um alles andere als um die Restauration eines überwundenen pädagogischen Verhältnisses, das allein von der Amts-und Sachautorität des Erziehers bestimmt war und den Lernenden nur zum Objekt herab-würdigte. Es ging ihm durchaus um Restitution und damit Reform des pädagogischen Verhältnisses, das von der menschlichen Beziehung und dem personalen Rang der darin Verbundenen bestimmt sein müsse. Aber der Überforderung des Kindes wollte er wehren, die ebenso gegeben ist mit dem unpersönlichen Diktat der Erwachsenen wie mit der schrankenlosen Freisetzung der kindlichen Kräfte. Buber mißtraute zutiefst jenen soge-nannten schöpferischen Kräften im Kinde, die nur freigesetzt werden müßten, um das Gute zu finden, das Schöne gestalten zu können. Er mißtraute ihnen, nicht weil er dem Kinde mißtraute, sondern weil er ihm nicht zumuten konnte, was es nicht zu leisten vermag. Er wollte statt von den schöpferischen Kräften vom Urhebertrieb sprechen, der natürlich nicht weniger der pädagogischen Sinngebung und Führung bedarf.

Hierin wird der religiöse Urgrund seines Denkens sichtbar: Seinem religiösen Empfinden widerstrebte ein Menschenbild, das dem Menschen eine Schöpferkraft zumaß, die nur Gott zukommen kann. Auch in Erziehung muß Demut gegenwärtig sein. Er erkannte in einer zum Schöpfertum übersteigerten Gestaltungskraft die hybride Übersteigerung des Menschen, die sich von allen Bindungen freisetzt und die Unvollkommenheit des Menschen nicht mitbedenkt. Und als Pädagoge erkannte er nur zu gut die Gefahr einer Erziehung, die ihre Aufgabe nur in der Herstellung eines Freiraumes für die Entfaltung von Trieben und Kräften sieht, sich aber jeder Führungsaufgabe entledigt, damit aber sich gerade am Heranwachsenden versündigt, der einer Gemeinschaft und personaler Bindungen bedarf, damit sich ihm Ordnungen erschließen können und Maßstäbe für das Bestehen in der Welt einsichtig werden. Gestaltende — „gewußte und gewollte“ — Hilfe zu Reifung und Bildung tut not. „Die Freiheit der Entfaltung", ruft Buber aus, „ist sinnvoll als die Tatsache, von der das Erziehungswerk auszügehen hat, sie wird absurd als seine grundsätzliche Aufgabe."

Er tritt damit wohl für die Idee der Freiheit des Menschen ein, stellt sich aber um so energischer einem Freiheitsbegriff entgegen, unter dessen Herrschaft Erziehung nicht gedeihen, ja sich schließlich überhaupt nicht ins Werk setzen kann. Er widerspricht einem Freiheitsbegriff, auf den sich jede Pädagogik berief und beruft, die jegliche erzieherische Bindung und Forderung als Fremdbestimmung oder als „Herrschaft von Menschen über Menschen" verdächtigt und die verkennt, daß das Kind, das unter Berufung auf seine Freiheit sich selbst überlassen bleibt, allein gelassen bleibt. Es muß gerade entbehren, worauf es Anspruch hat: Hilfe und Führung. Freiheit wird, nach Buber, wirksam im Dialog, im Gespräch, das als ein pädagogisches der Führung bedarf, damit es zu sinnvollen Resultaten komme.

Pädagogik also, die nicht zur Dressur entarten soll, setzt Freiheit voraus. Sie ist Ermöglichungsgrund und Bedingung aller Erziehung, die diesen Namen verdient. Diese Freiheit erfüllt sich jedoch gerade erst in dem, was Buber ihren Gegenpol nennt: in der Verbundenheit. Nicht zwischen Zwang und Freiheit, sondern im Spannungsfeld von Freiheit und Verbundenheit steht der Mensch. So ist denn auch diese personale Verbundenheit in allen jenen Begriffen enthalten, die uns noch als solche geläufig sind, wenn es auch in einer Zeit, die die emphatischen Übersteigerungen der Reformpädagogik wiederholt, schwer geworden ist, sie noch mit Inhalt zu füllen, in jenen Begriffen, die die pädagogischen Grundbegriffe Bubers sind: Beziehung, Begegnung, Umfassung, Dialogik, Ich-Du-Verhältnis. Indem wir verloren haben, worauf sie verweisen — und Buber sah diesen Verlust als ein Verhängnis voraus —, erkennen wir die Leere, die zurückgeblieben ist, erkennen den Verlust an Menschlichkeit und Mitmenschlichkeit in einer ernüchterten Welt, beginnen zu ahnen, daß eine Generation zur verlorenen werden muß, wenn in Erziehung nicht jene Begegnung stattfindet, von der Buber spricht: die Begegnung des Erziehers mit dem, der um seine Möglichkeiten noch nicht weiß und Auskunft braucht und Rat; die Begegnung des Zöglings mit dem, der ihn ernst nimmt in seiner Freiheit, von der Gebrauch zu machen er noch lernen muß.

Immer wieder kehrt Buber zu jener Grundtatsache des „Menschen mit dem Menschen" zurück, in dem das pädagogische Grundverhältnis vor allen anderen wurzelt. Dieses muß, da es wie jedes Verhältnis auf Wechselseitigkeit beruht, denn auch als ein dialogisches verstanden und aufgebaut werden. Es ist dialogisch, weil einer sein muß, der das Gespräch führt, und einer, der antwortet; aber nicht in dem flachen Sinne von Frage und Antwort — dann wäre auch jede autoritäre Pädagogik dialogisch zu nennen —, sondern in dem tiefen Sinne des Sich-einander-Aufschließens durch die Sprache und der Erschließung der Welt durch die Sprache. Das bedeutet buchstäblich Hingabe an den anderen, wenn ämlieh Erziehung nicht nur Aufzucht sein soll, sondern Erweckung, wenn Erziehung dem Erzieher nicht nur äußerlich bleiben soll, sondern getragen wird von dem, was er ist als Mensch. Denn „pädagogisch fruchtbar ist nicht die pädagogische Absicht, sondern die pädagogische Begegnung" Jedermanns Rückblick auf seine Erziehung vermag aus negativer wie positiver Erfahrung diesen Satz zu bestätigen.

Begegnung heißt nicht weniger, als in der dialogischen Beziehung die Erkenntnis zu gewinnen, daß der je andere sich öffnet für das Gegenüber, also wie das Sprechen so auch das Hinhören übt, daß ein Mensch das Gegenüber ist, der Vertrauen gewinnt, weil er Vertrauen zum anderen hat. Gerade darauf besteht Buber, wohl wissend, daß ein pädagogisches Verhältnis immer auch ein Vertrauensverhältnis sein muß, weil nicht anders durch die Wirkung der Person etwas angerührt werden kann, das zur Entfaltung drängt. Begegnung meint dann auch, die Erfahrung der Menschlichkeit zu machen und in eine geistige Gemeinschaft einzutreten. Entsprechend groß denkt Buber vom wahren Erzieher, entsprechend groß will er ihn in sein Amt gestellt sehen: ein Mensch, der aus der bewußten, stets gegenwärtigen Verantwortung für den Heranwachsenden lebt und handelt, der seine Überlegenheit einsetzt, um dem Heranwachsenden zu helfen, ohne ihm seine Anderheit zu nehmen.

Das klingt idealistisch, und von vielen wird es entsprechend abgetan werden. Wer den Ernst dieser Aufgabe nicht zu sehen vermag oder auch Erziehung in reine Funktionalität ummünzen will, wem die Wahrheit in der Subjektivität suspekt ist, wird in solchen Bildern in der Tat nur Romantizismen sehen.

Das Wagnis des Mißverständnisses ist groß. Allein, wir haben einen scharfen Blick für die Bedrohung des Menschen durch den Menschen bekommen und können uns mit dem immer neuen Abfall des Menschen von seinen humanen Möglichkeiten nicht abfinden. Sollten wir uns also nicht von einem pädagogischen Denken leiten lassen, das zur Selbstbesinnung aufruft und im pädagogischen Verhältnis, in der pädagogischen Ich-Du-Beziehung das Modell einer, wenn man so sagen darf, unverdorbenen menschlichen Bindung finden will?

Das Einfache ist einer alten Wendung zufolge immer das Schwerste. Und auch Buber weiß natürlich um die Schwere dieses Anspruchs. Er weiß es um so eher, als er sich keiner Täuschung darüber hingibt, daß es nicht nur kein gemeinsames Fundament der Erziehung mehr gibt — genau um die Herstellung dieses Fundamentes geht es ihm —, sondern daß es für den Auftrag der Erziehung keine bündige, keine anschauliche Formel mehr gibt. Die Frage nach einem Ziel der Erziehung bleibt für Buber — wie für seine Zeitgenossen, wie für uns — ohne allgemein anerkannte Antwort. Sie muß auch in einer Epoche permanenten Wandels und fragwürdig gewordener Normen ohne Antwort bleiben. Aber Buber findet sich damit nicht ab. Er wendet seinen Blick vom Vergänglichen, von dem ihm Antwort nicht zuteil wird, dem Unvergänglichen zu, nach einem Ziel suchend, das im Ich-Du-Verhältnis sich herstellen läßt.

Auf die Frage nach dem Wohin und Worauf zu der Erziehung wissen, wie Buber sagt, „nur Zeiten, die eine allgemeingültige Gestalt — Christ, Gentleman, Bürger — kennen, eine Erwiderung“ Wir haben eine solche Gestalt nicht, und auch Buber macht nicht glauben, eine solche zu sehen. Die Widersprüchlichkeit der Leitbilder, die Infragestellung von Traditionen, die Umwertung aller Werte spiegeln sich in der pädagogischen Unsicherheit, wie sie sich allerorten findet, und am augenfälligsten in dem, was man die Treibjagd der Reformen nennen kann. Sie ist die Unsicherheit darin, wie sich die Generationen begegnen sollen, wie der Zukunft (für die ja Pädagogik immer zu denken hat) der Charakter des Ungewissen und Bedrohlichen genommen werden kann. Die Unsicherheit zeigt sich, um mit Bubers Begriffen zu sprechen, darin, wie selten ein dialogisches Leben gelingen will; sie spiegelt sich im pädagogischen Bereich schon darin, daß die Rede von dem pädagogischen Verhältnis — immerhin noch eine Formel, um deren Sinngebung die Reformpädagogik und Buber im Einklang mit ihr rangen — in Mißkredit geraten ist und etwa der Rede von den Konfliktstrategien hat Platz machen müssen, wie bekanntlich auch die Dialogik der Dialektik das Feld geräumt hat.

Doch mag eine Chance selbst darin noch liegen, daß alle temporären Leitbilder versunken sind, daß alle Ideale verdächtig geworden sind, während die Jugend doch heute wie eh und je nach Leitbildern und Idealen sucht und deshalb von Bildern sich angezogen fühlt, denen in ihren zumeist beklemmenden Erscheinungsweisen nur, wie Buber sie nennt, „die Gebündelten . .., die das Gedächtnis abschaffen wollen (oder) die es regulieren wollen" folgen. Wenn nämlich alle historischen Leitbilder versunken sind und keine allgemeingültigen, der Auseinandersetzung entzogenen Leitbilder für die Erziehung sich zeigen, dann mag es sein, daß die Erziehung, die doch ohne Leitbild, auf das hin sie bilden will, nicht sein kann, sich des einzigen Bildes erinnert, das über alle zeitlich bedingten Formen und Gestaltungen hinaus sich erhält und der Bildung allein noch ein Maß setzen kann, daß sie auf dieses einzige Leitbild sich wieder ausrichtet, auf „nichts anderes als das Ebenbild Gottes"

Damit mündet das pädagogische Denken Bubers in einer religiösen Auskunft, wie es, wenn davon hier auch nicht in extenso die Rede sein konnte, allerorten diesen homo religiosus verrät, dessen Existenz von Kindheit an ein Leben aus dem Glauben gewesen ist, aus dem er auch Kraft für den pädagogischen Auftrag gewann, nicht zuletzt, als er als Erzieher seiner Glaubensbrüder dem Nationalsozialismus unerschrocken Widerstand entgegensetzte, wie ja für ihn auch das pädagogische Gespräch und die dialogische Beziehung ihr Vorbild haben in der Ich-Du-Beziehung des Menschen zu Gott.

Gewiß wird es, darüber kann man sich keine Illusionen machen, dadurch in einer Gesellschaft, die sich von den Ursprüngen des Glaubens unendlich weit entfernt hat, schwer, ihm Gefolgschaft zu leisten, zumal wenn man einem Glauben folgen soll, der auf dem personalen Gespräch mit Gott beruht, welches den Einsatz des einzelnen fordert, der auf keine Vermittlung zwischen sich und Gott warten darf. Buber war erhaben über dogmatische und konfessionelle Unterschiede, die ihm nichts galten gegenüber der Wiederherstellung und Gewinnung der unmittelbaren Beziehung zu Gott.

Aber nähme denn das religiöse Fundament dem pädagogischen Anspruch etwas von seinem Recht? Wäre nicht in der Tat zu fragen, ob die Ortlosigkeit des heutigen Menschen nicht daher rührt, daß er seinen Platz gegenüber Gott als dem gegenüberseienden Wesen schlechthin nicht mehr findet und daß ihn Pädagogik nicht mehr dazu führen kann? Wäre der Erziehung nicht wieder Halt und Fundament zu geben, indem sie sich verantworten müßte vor dem Ebenbild Gottes, in welchem Menschlichkeit 'sich wiedergewinnen ließe? Indem sie jenes Vertrauen sich zurückeroberte, das schon Sokrates bekundete, als er in seiner letzten Stunde das Wissen um das Gute gelassen der Gottheit überließ?

Fussnoten

Fußnoten

  1. W. Brezinka, zit. bei J. Speck (Hrsg.), Geschichte der Pädagogik des 20. Jahrhunderts, Band 1, 1978, S. 134.

  2. A. Zweig, Martin Buber, ein Mann von fünfzig Jahren, in: Der Jude, Sonderheft zu Martin Bubers fünfzigstem Geburtstag, 1928, S. 2.

  3. M. Buber, Antwort, in: P. A. Schilpp und M. Friedman (Hrsg.), Martin Buber (Übertragung von The Philosophy of Martin Buber), 1963, S. 592.

  4. A. a. O., S. 593.

  5. M. Buber, Ich und Du, in: ders., Das dialogische Prinzip, 19733, S. 68 f.

  6. M. Buber, Das Problem des Menschen, 19714, S. 164.

  7. M. Theunissen, Der Weg der Sprache in das System, F. A. Z. vom 8. 2. 1978.

  8. M. Buber, Begegnung. Autobiographische Fragmente, 1960, S. 50.

  9. M. Buber (s. Anm. 5), S. 22.

  10. M. Buber (s. Anm. 5), S. 130.

  11. M. Buber, Uber das Erzieherische, in: ders., Reden über Erziehung, 1964*, S. 20.

  12. A. a. O„ S. 22.

  13. Buber, Uber Charaktererziehung, in: Reden über Erziehung (s. Anm. 11), S. 58.

  14. M. Buber (s. Anm. 11), S. 39.

  15. M. Buber, Das dialogische Prinzip, 1973’, S. 187.

  16. M. Buber (s. Anm. 11), S. 39.

Weitere Inhalte

Günther Böhme, Dr. phil., Professor für Pädagogik mit bes. Berücksichtigung der Bildungsphilosophie und Bildungsgeschichte an der Universität Frankfurt; seit 1954 auch Dozent in der Erwachsenenbildung, seit 1968 Vorstandsvorsitzender der Wiesbadener Volkshochschule. Veröffentlichungen u. a.: Der pädagogische Beruf der Philosophie, 1968; Die philosophischen Grundlagen des Bildungsbegriffs, 1976; Mündigkeit und Anspruch des Geistes, 1978; zahlreiche Zeitschriftenaufsätze.