Beschäftigungsmöglichkeiten und Arbeitsmarkt-risiken hochqualifizierter Arbeitskräfte
Manfred Tessaring
/ 21 Minuten zu lesen
Link kopieren
Zusammenfassung
Die aufgrund der demographischen Entwicklung steigende Zahl junger Leute, die in den nächsten Jahren Ausbildungs-und Arbeitsplätze beanspruchen, wird in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre durch einen rapiden Rückgang der Absolventenzahlen abgelöst. Diese Entwicklung wird der Bildungs-, Beschäftigungs-und Wirtschaftspolitik bedeutende Anpassungsprozesse abfordern. Die Struktur und die Zahl der Arbeitsplätze wird sich aufgrund des technischen Fortschritts und sozialer Veränderungen schneller verändern als jemals in der Vergangenheit. Dies gilt insbesondere für die Qualifikationsstruktur der Erwerbspersonen, die schon bisher — und mehr noch in den kommenden Jahren — von einem steigenden Trend zur Höherqualifizierung und einer damit korrespondierenden Verminderung des Anteils der Ungelernten geprägt sein wird. Für die nächsten Jahre wird es die Hauptaufgabe der Bildungs-und Arbeitsmarktpolitik sein, in ausreichendem Umfang Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze bereitzustellen, um eine Benachteiligung der Generation, die den geburtenstarken Jahrgängen angehört, zu vermeiden. Insbesondere für Studenten und Hochschulabsolventen werden in den kommenden Jahren steigende Schwierigkeiten erwartet. Diese ergeben sich einmal aus der steigenden Zahl der Studenten (Prognosen rechnen mit 1, 3— 1, 5 Millionen Studenten 1987/88) bei insgesamt nicht erhöhter Zahl von Studienplätzen (z. Zt. rd. 750 000). Zeitlich versetzt hierzu werden die stärksten Absolventenjahrgänge in den Jahren 1990 bis 1995 in den Arbeitsmarkt eintreten und, wenn bis dahin das globale Arbeitsplatzdefizit nicht beseitigt sein wird, noch größeren Beschäftigungsproblemen gegenüberstehen als bereits heute. Dies dürfte insbesondere für diejenigen Absolventengruppen gelten, die auf eine Beschäftigung in bestimmten Wirtschaftsbereichen (öffentlicher Dienst, Baugewerbe, Sozialwesen) ausgerichtet sind und kaum Beschäftigungsalternativen haben.
I. Problemabgrenzung
Die Bildungsexpansion, verstärkt durch die demographischeEntwicklung einerseits und die anhaltend angespannte Wirtschafts-und Arbeitsmarktlage andererseits hat zu steigenden Beschäftigungsproblemen auch bei hochqualifizierten Arbeitskräften (HQA) geführt. Für diese Probleme können eine Reihe von Gründen angeführt werden:
Abbildung 11
Übersicht 4: Die Arbeitslosen nach Ausbildung und Geschlecht 1975 bis 1981 (jeweils Ende September)
Quelle: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit, versch. Jahrgänge
Übersicht 4: Die Arbeitslosen nach Ausbildung und Geschlecht 1975 bis 1981 (jeweils Ende September)
Quelle: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit, versch. Jahrgänge
a) Die überwiegend von den sprach-, kultur-und sozialwissenschaftlichen Disziplinen und hierbei in steigendem Umfang von Frauen getragene Hochschulexpansion;
Abbildung 12
Übersicht 5: Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten (jeweils Ende September)
Quellen: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit; Mikrozensen 1976 und 1978; eigene Berechnungen
Übersicht 5: Qualifikationsspezifische Arbeitslosenquoten (jeweils Ende September)
Quellen: Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit; Mikrozensen 1976 und 1978; eigene Berechnungen
b) Die — mit a) zusammenhängende — nach wie vor dominierende Ausrichtung der Hochschulabsolventen auf eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst i. w. S., dessen Einstellungsverhalten zunehmend restriktiv wird;
Abbildung 13
Übersicht 6: Die arbeitslosen Männer und Frauen mit Wissenschaftlichem Hochschul- und Fachhochschulabschluß 1975 und 1981 1) nach ihrer Ausbildungsfachrichtung
Quelle: Sonderuntersuchungen der Bundesanstalt für Arbeit über Arbeitslose, verseh. Jahrgänge
Übersicht 6: Die arbeitslosen Männer und Frauen mit Wissenschaftlichem Hochschul- und Fachhochschulabschluß 1975 und 1981 1) nach ihrer Ausbildungsfachrichtung
Quelle: Sonderuntersuchungen der Bundesanstalt für Arbeit über Arbeitslose, verseh. Jahrgänge
c) Die Altersstruktur der erwerbstätigen HQA, von der nur geringe Ersatznachfrage-Impulse ausgehen;
Abbildung 14
Übersicht 7: Erwerbspersonen, Arbeitslose und Arbeitslosenquoten 1) für Akademiker 2) nach ausgewählten Fachrichtungen 1981 (Schätzung)
Quellen: Unterlagen des IAB, 1982 sowie eigene Schätzungen
Übersicht 7: Erwerbspersonen, Arbeitslose und Arbeitslosenquoten 1) für Akademiker 2) nach ausgewählten Fachrichtungen 1981 (Schätzung)
Quellen: Unterlagen des IAB, 1982 sowie eigene Schätzungen
d) Die in den meisten Bereichen offensichtlich fehlgeschlagene Studienreform;
e) Die gesunkene politische Priorität der Bildungspolitik im allgemeinen und der Hochschulpolitik im besonderen;
f) Die Verlängerung der Verweildauer im Hochschulbereich und die damit verbundene Überalterung der Neu-Absolventen;
g) Das Fehlen langfristiger individueller Orientierungshilfen mit der Folge, daß (wieder) fragwürdige Ersatz-Orientierungen an der aktuellen wie erwarteten/prognostizierten Arbeitsmarktsituation erfolgen und damit unerwünschte zyklische Schwankungen hervorgerufen werden;
h) Zunehmende soziale, ökonomische, ökologische Probleme, die zwar ausreichend dokumentiert und analysiert sind, deren Lösung durch Politik und Wissenschaft aber immer aussichtsloser erscheint und so zu Subkulturen, Untergrundökonomien, „grauen" Arbeitsmärkten oder zur Resignation der Absolventen führen, was gesellschaftlich eine Vernichtung von Qualifikationen bedeutet; i) Die Verrechtlichung und Verbürokratisie-rung im Ausbildungsund Beschäftigungssystem, die sowohl individuelle Spielräume bei der Arbeitsgestaltung (z. B. im Lehrerberuf) als auch im politischen Raum kreative und unkonventionelle beschäftigungspolitische Ideen einengen.
Demgegenüber müssen jedoch auch Chancen, die mit einer hochqualifizierten Ausbildung immer noch verbunden sind, genannt werden:
1. Ein qualifizierter und hochqualifizierter Ausbildungsabschluß ist nach wie vor Grundvoraussetzung für sozialen und beruflichen Aufstieg — wenn auch nicht mehr allein hinreichend und nicht mehr mit dem gleichen „Automatismus" wie in der Vergangenheit;
2. Eine abgeschlossene Ausbildung schützt immer noch besser vor Arbeitslosigkeit und Qualifikationsverlust als ein alternativer Verzicht auf die individuell höchste erreichbare Ausbildung;
3. Mit steigender Qualifikation steigt sowohl der individuelle, nicht monetär meßbare Nutzen (erweiterte Bewußtseinslage, Freizeit-verhalten, kulturelle/soziale Teilhabe) als auch der soziale Ertrag (Vermeidung von Friktionen und gesellschaftlichen Kosten — z. B. höheres Gesundheitsbewußtsein, niedrigere Kriminalität);
4. Mit der Höhe und Art der Ausbildungsqualifikation sinkt die Geschwindigkeit, mit der erworbene Qualifikationen veralten oder vergessen werden (Obsoleszenz); derart latente Qualifikatonen sind, auch wenn sie z. B. aufgrund der Arbeitsmarktlage eine Zeitlang brach liegen, leichter wieder aktivierbar als etwa enge, tätigkeitsorientierte Qualifikatio-nen.
Die skizzierten Risiken und Chancen spielen sich vor dem Hintergrund einer außerordentlich wechselvollen Bildungsund Arbeitsmarktentwicklung in den letzten 20 Jahren ab, die im folgenden nur stichwortartig umrissen werden soll.
Die wissenschaftliche und politische Auseinandersetzung mit Bildungs-und Arbeitsmarktproblemen setzte Anfang der sechziger Jahre mit der Bildungswerbung ein, die sich mit einer latent schon sehr viel früher existierenden Bildungsmotivation der Bevölkerung deckte und wegen des hohen Wirtschaftswachstums und Arbeitskräftemangels von den Abnehmern im Beschäftigungssystem gestützt wurde.
Ab Mitte der sechziger Jahre setzte eine Planungseuphorie ein, die u. a. steigende Prognoseaktivitäten sowohl mit gesamtwirtschaftlicher als auch qualifikations und berufs-struktureller Ausrichtung zur Folge hatte. Einen großen Anteil an den Strukturprognosen hatten Vorausschätzungen zum globalen und fächerspezifischen HQA-Angebot bzw. -bedarf die schwerpunktmäßig in den Jahren 1967— 1977 publiziert wurden.
Die Planungs-und Prognoseeuphorie wich jedoch schon bald — nicht nur aufgrund der realen Arbeitsmarktentwicklung, sondern auch wegen zunehmender Kritik an den Methoden und Annahmen der Prognostik — einem kritischen Prognoseverständnis, insbesondere was deren Verwendungsmöglichkeiten für individuelle und gesellschaftliche Bildungsund Berufsentscheidungen anging.
Inzwischen hat die nahezu aussichtslose Arbeitsmarktsituation eine wieder steigende Nachfrage nach Prognosen ausgelöst („Strohhalmfunktion''), die sich entsprechend den wechselnden Problemfeldern zunächst auf die mittleren Ausbildungsbereiche wie betrieblich Ausgebildete oder Absolventen des mittleren schulischen Ausbildungsbereichs konzentrierte und nun allmählich auch wieder auf die höheren Ausbildungsebenen übergreift. Die zweite Art von Entwicklungswellen betrifft die demographische Veränderung. Hier hat der Geburtenanstieg 1955 bis 1964 und der anschließende Geburtenrückgang (Übersicht 1) entsprechende Auswirkungen auf die Kapazitätsplanung in den verschiedenen Bildungs-und Ausbildungsbereichen sowie auf die Arbeitsmarktsituation der Absolventen der einzelnen Ausbildungsebenen. So ist der Höhepunkt der Erwerbseintritte von betrieblich Ausgebildeten im Zeitraum 1981— 1984, von Absolventen mittlerer schulischer Ausbildungen 1982— 1986 und von Hoch-/Fachhoch-schulabsolventen in den Jahren 1987— 1991 zu erwarten
Die Arbeitsmarktlage ist aller Voraussicht nach noch bis in die neunziger Jahre hinein von einem hohen globalen Arbeitsplatzdefizit aufgrund eines niedrigen wirtschaftlichen Wachstums gekennzeichnet: je nach angenommener Wachstumsrate und Produktivi-tätsentwicklung sowie des Ausländer-Wanderungssaldos ergibt sich für 1990 eine Schere zwischen Arbeitskräftepotential und Arbeitskräftebedarf zwischen 1, 2 Millionen (Untergrenze) und über 4, 2 Millionen Personen, von denen nach bisheriger Erfahrung rd. 60— 70% registrierte Arbeitslose darstellen (Über-sicht 2).
II. Entwicklung der Qualifikationsstruktur
Abbildung 8
Übersicht 1: Entwicklung der Zahl der Lebendgeborenen in der Bundesrepublik Deutschland 1950-80
Übersicht 1: Entwicklung der Zahl der Lebendgeborenen in der Bundesrepublik Deutschland 1950-80
Die Probleme der statistischen Analyse der längerfristigen Qualifikationsstrukturentwicklung sind hinlänglich bekannt und an anderen Stellen ausführlich nachgewiesen wor-den Hinzu kommt, daß die Erfassung der formalen und zertifizierten Ausbildungsabschlüsse angesichts der Vielfalt der weitgehend nicht formalisierten Weiterbildungsmöglichkeiten für die Beurteilung des gesamten Ausbildungsstandes der Bevölkerung unzureichend ist. Zu berücksichtigen wären z. B. öffentliche Fort-und Weiterbildungsaktivitäten, Doppel-und Mehrfachqualifikationen der Arbeitskräfte sowie betriebliche Einarbei-tungsund Fortbildungsmaßnahmen, die in beträchtlichem Umfang durchgeführt werden. Empirische Untersuchungen zeigen, welch hohes Gewicht der Ergänzung, Vertiefung oder Umstrukturierung der Qualifikation nach Abschluß der Schulbildung und der Erstausbildung zukommt
Zwischen 1961 und 1980 hat sich eine zwar leichte, aber doch deutliche Höherqualifizierung der Erwerbspersonen, vor allem als Folge der Bildungsexpansion, ergeben. Der Anteil der Arbeitskräfte mit abgeschlossener Hochschulausbildung z. B. ist von 2, 9% (1961) auf 5, 5% (1980) gestiegen. Frauen sind in den oberen Qualifikationsebenen weniger häufig vertreten als Männer: 1978 hatten 8, 7% der Männer, aber nur 5, 7% der Frauen eine Hoch-oder Fachhochschulausbildung abgeschlossen. Allerdings wird deutlich, daß der „Qualifikationsvorsprung" der Männer zwischen 1970 und 1978 abnahm: Der Anteilsunterschied zwischen Männern und Frauen betrug 1970 noch 4, 5 Prozentpunkte und verringerte sich bis 1978 auf 3, 0 Prozentpunkte.
Weiterhin hat sich der Altersaufbau der Hochschulabsolventen deutlich verjüngt (bezieht sich auf alle Erwerbstätigen HQA). So waren 1970 noch 14, 6% (7, 5%) der männlichen (weiblichen) Absolventen wissenschaftlicher Hochschulen älter als 60 Jahre; 1978 gehörten dieser Altersgruppe nur noch 8, 5% (3, 1%) an. Diese Verjüngungstendenz ist in den Gruppen mit mittlerem und niedrigeren Ausbildungsabschluß weit weniger ausgeprägt. Schon hieraus läßt sich ableiten, daß in den kommenden Jahren die Ersatznachfrage nach Hochschulabsolventen vergleichsweise gering ausfallen wird. Ein Anstieg der altersbedingten Ersatz-nachfrage ist erst für den Zeitraum ab 1990/95 zu erwarten, wenn die zahlenmäßig starken Geburtsjahrgänge (Geburtsjahr ab Mitte der fünfziger Jahre) allmählich in ein höheres Erwerbsalter (mit sinkender Erwerbsbeteiligung) vorgerückt sein werden
Angesichts der verschiedenen Hypothesen zur Qualifikationsstrukturentwicklung hat sich, für den Zeitraum 1961— 1980, die These einer Höherqualifizierung — zumindest auf der Arbeitskräfteangebotsseite — bestätigt. Inwieweit diese These auch für den Bedarf, d. h. für die Entwicklung der Arbeitsplatzanforderungen bestätigt werden kann, muß noch offen bleiben. Einige Anhaltspunkte bieten — für HQA — die im Kapitel III dargestellten Ergebnisse.
Die Tendenz zur Höherqualifizierung von Arbeitskräften hat jedoch noch einige weitere Folgewirkungen, von denen die wichtigsten die Entzugseffekte auf dem Arbeitsmarkt und die Erhöhung des Arbeitskräftepotentials, insbesondere durch Frauen, aufgrund des veränderten Erwerbsverhaltens darstellen.
Nach ersten, noch überschlägigen Berechnungen hatte die Bildungsexpansion mit steigenden Schüler-und Studentenzahlen im weiterführenden Allgemeinbildungsbereich und in qualifizierenden Ausbildungsgängen einerseits und einer Verlängerung der Verweildauer, insbesondere im Hochschulbereich, andererseits eine Bindung von über 680 000 Jugendlichen im Zeitraum 1971 bis 1980 — über die demographische Komponente hinaus — zur Folge („Aufbewahrungsfunktion des Bildungswesens"). Von diesen, dem Arbeitsmarkt vorübergehend entzogenen Jugendlichen, wären bis 1980 ca. 540 000 Personen als Arbeit-suchende in Erscheinung getreten, wenn die Bildungsexpansion nicht stattgefunden hätte; d. h., die Arbeitslosigkeit Jugendlicher wäre heute ohne die entzerrende Wirkung der Bildungsexpansion bedeutend höher.
Der zeitliche Aufschub des Erwerbseintritts hat aber auch zur Folge, daß sich die Absolventenzahl in den kommenden Jahren stärker erhöhen wird, als sie es ohne Expansion getan hätte. Für 1981— 1985 steigen die zu erwartenden Abgängerzahlen aus weiterführenden Ausbildungsgängen an, während die rein demographisch bedingte Zahl der Absolventen (bei nicht-realisierter Bildungsexpansion) nun wieder leicht rückläufig gewesen wäre. Für die erste Hälfte der achtziger Jahre ergibt sich somit kein Entzugseffekt mehr; in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre wird dann der zeitlich verschobene Absolventenanstieg voll wirksam: Im Vergleich zur Status-quo-Ent-wicklung ergibt sich ein um 400 000 Personen höheres (Erwerbseintritte ca. 320 000) und von 1991 sogar ein um 600 000 (Erwerbseintritte: 470 000) höheres Absolventenaufkommen als — bei ausgebliebener Bildungsexpansion — zu erwarten gewesen wäre.
Eine weitere Folge der Bildungsexpansion auf die Neuzugänge am Arbeitsmarkt besteht in der steigenden Bildungsbeteiligung der Frauen. Da mit höherer Qualifikation auch die Neigung zur Erwerbstätigkeit steigt, ist für die kommenden Jahre damit zu rechnen, daß die steigende Zahl höher qualifizierter weiblicher Arbeitskräfte in jüngeren Altersgruppen auch einen Anstieg der globalen Erwerbsquote zur Folge haben wird. So wird z. B. — gemäß einer Modellrechnung des IAB — allein die Tendenz zur Höherqualifizierung der Frauen einen Anstieg ihrer gesamten Erwerbsquote um 4 Prozentpunkte bis zum Jahre 1995 zur Folge haben. Diese Steigerung könnte u. a. kompensiert werden durch eine — entgegen dem bisherigen Trend — sinkende Erwerbsneigung der Frauen in den kommenden Jahren oder eine stärkere Inanspruchnahme der vorgezogenen Ruhestandsgrenze.
III. Beschäftigung hochqualifizierter Arbeitskräfte
Abbildung 9
Übersicht 2: Arbeitsmarktbilanz 1965 bis 2000
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung (Hrsg.): Quint Al (2. Nachtrag) Nürnberg
Übersicht 2: Arbeitsmarktbilanz 1965 bis 2000
Quelle: Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung (Hrsg.): Quint Al (2. Nachtrag) Nürnberg
Nach wie vor konzentriert sich die Beschäftigung hochqualifizierter Arbeitskräfte auf den öffentlichen Dienst, insbesondere im Bereich von Wissenschaft, Bildung, Kunst und Publizistik. Rechnet man den Bereich des Gesundheitswesens zur Hälfte dem öffentlichen Dienst zu, so waren 1978 rd. 63 % aller Hochschulabsolventen im öffentlichen Dienst beschäftigt. Hinzu kommen noch einmal knapp 6 %, die in Organisationen ohne Erwerbscharakter (z. B. Parteien, Stiftungen, Kirchen, Verbände) sowie rd. 3 %, die in öffentlichen Unternehmen sowie bei der Bahn und Post beschäftigt waren. Die Konzentration der Frauen mit abgeschlossenem Hochschulstudium im öffentlichen Dienst ist, im Vergleich zu den Männern, noch stärker ausgeprägt: 79 % von ihnen sind direkt im öffentlichen Dienst, weitere 6 % mittelbar im öffentlichen Dienst beschäftigt. Bei den männlichen Fachhochschulabsolventen dominiert demgegenüber eindeutig die Beschäftigung in der privaten Wirtschaft, wenn auch immerhin ein gutes Drittel von ihnen eine Beschäftigung mittelbar oder unmittelbar beim öffentlichen Dienst gefunden haben. Weibliche Fachhochschulabsolventinnen hingegen, die sich überwiegend aus den Ausbildungsfachrichtungen im Sozialwesen rekrutieren, sind zu rd. 64 % im öffentlichen Dienst i. w. S. beschäftigt.
Insgesamt hat sich seit 1961 ein Anstieg des Akademisierungsgrades der Erwerbsbevölkerung (Anteil der Absolventen wissenschaftlicher Hochschulen an allen Erwerbstätigen) von 2, 9% (1961) auf 5, 5% (1978) ergeben. Die Höherqualifizierung der Erwerbstätigen war jedoch vor allem in dem Bereich Bildung und Wissenschaft angesiedelt, während die übrigen Bereiche eine nur leichte oder sogar sinkende Akademisierung verzeichneten. So sank der Akademikeranteil im öffentlichen und privaten Gesundheitswesen von 17, 8 % (1961) auf 17, 1 % (1978) und bei den Organisationen ohne Erwerbscharakter sogar von 24, 3 % auf 20, 7 % ab. Nahezu unverändert blieb in den Jahren 1970— 1978 der Akademikeranteil im Verarbeitenden Gewerbe, im Handel und Verkehr, bei Banken und Versicherungen und im Bereich der sonstigen Dienstleistungen. (Übersicht 3).
Diese Entwicklung ist insofern überraschend, als aufgrund der Bildungsexpansion im Hochschulbereich und der noch relativ geringen Arbeitslosigkeit von Hochschulabsolventen (vgl. hierzu das folgende Kapitel) zu vermuten gewesen wäre, daß sich schon jetzt eine weitaus stärker ausgeprägte Umstrukturierung des Beschäftigungssystems zugunsten hochqualifizierter Arbeitskräfte gezeigt hätte. Hinzu kommt, daß sich der Übergang junger Hochschulabsolventen in das Beschäftigungssystem — zumindest bisher — insgesamt reibungsloser vollzog, als dies in der Öffentlichkeit oft dargestellt wird überraschend ist weiterhin, daß der öffentliche Dienst, entgegen allen Äußerungen in der Vergangenheit, zumindest bis zum Jahre 1978* seinen Qualifikationsvorsprung vor den anderen Wirtschaftsbereichen weiter erhöht hat — wenn auch mit geringeren Steigerungsraten als noch im Zeitraum 1961— 1970. Es ist allerdings festzustellen, daß seit 1978 die restriktive Personalpolitik des öffentlichen Dienstes sehr viel konsequenter gehandhabt wurde und angesichts des erst seit Ende der siebziger Jahre einsetzenden„Absolventenschubes''wachsende Beschäftigungsprobleme gerade bei Absolventen derjenigen Fachrichtungen auftreten, die weitgehend auf eine Beschäftigung im staatlichen und halbstaatlichen Bereich zugeschnitten sind.
Diese bisher charakterisierten Entwicklungslinien werfen die Frage auf, ob sie nicht ein Indiz dafür sind, daß Hochschulabsolventen in steigendem Umfang auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, die ihrer Ausbildung nicht adäquat sind. Zur Beantwortung dieser Frage gibt es, von einzelnen Fallstudien oder kleineren Erhebungen abgesehen, bisher nur wenige repräsentative Untersuchungen.
So hatte eine Repräsentativbefragung von IN-FRATEST bei rd. 4 000 Akademikerhaushalten 1978/79 folgende Ergebnisse
,, a) Der Übergang von der Hochschule in den Beruf ist zwar in den Jahren seit 1974 (Beginn der Rezession) erschwert; aber selbst in Hochkonjunkturjahren konnten die Absolventen ihre Berufswünsche nicht immer sofort realisieren. Sie haben zu gewissen Anteilen auf eine erste Anstellung (teils arbeitsmarktbedingt, teils freiwillig) länger gewartet. Je nach Fachrichtung gibt es dabei verschiedene Übergangsmuster ...
b) Den jungen Hochschulabsolventen werden im verstärkten Maße Möglichkeiten geboten, ihre Qualifikation bei Berufsantritt sowie während des Arbeitslebens zu erweitern, zu vertiefen oder auszubauen.
c) Die Verwertbarkeit der im Studium erworbenen Kenntnisse wird allgemein sehr hoch eingeschätzt (79 % der Akademiker geben an, das im Studium erworbene Wissen zu verwerten). Probleme bestehen u. a. bei einzelnen Funktionsbereichen der Privatwirtschaft.
d) Die Zahl der Hochschulabsolventen, die Arbeitsplätze von . Nicht-Akademikern'übernommen haben, beträgt maximal 9 % (im öffentlichen Dienst nur 5 %; in der Privatwirtschaft dagegen 22 %). Die Privatwirtschaft hat seit Beginn der 60er Jahre ihre Arbeitsplatz-Strukturen erheblich verändert. Dies führte u. a. dazu, in allen Funktionsbereichen mehr Akademiker einzusetzen.
e) Die Bewertung des Hochschulstudiums richtet sich vor allem an der persönlichen Lebenssituation aus. Vorstellungen, nur voll geeignete Bewerber oder solche, die Berufserfahrungen gesammelt haben, sollen Zugang zur Hochschule erhalten, finden insgesamt kein breites Echo. Gleiches gilt für die Aussage, es bestünden bereits vollwertige Alternativen zum Studium an einer Hochschule."
Aus den Repräsentativbefragungen läßt sich nur unter Einschränkungen die Nachfrageentwicklung nach Hochschulabsolventen ableiten. Im Rahmen einer Analyse der Beschäftigungsmöglichkeiten für Hochschulabsolventen aufgrund verschiedener Zählungen, Statistiken und Unterlagen (z. B. von Berufsverbänden) wurde versucht, diejenigen Beschäftigungsbereiche positiv abzugrenzen, deren Zugang nahezu ausschließlich Hochschulabsolventen vorbehalten ist
Im einzelnen werden folgende Gruppen als „niveau-adäquat" beschäftigt gerechnet:
— Lehrpersonal an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, wissenschaftliches Personal an Hochschulen, — Angestellte oder selbständige Ärzte, Apotheker, — Angestellte und Beamte im höheren Dienst, — selbständige Hochschulabsolventen in Berufen, die ein Studium voraussetzen, — Seelsorger mit Hochschulabschluß im kirchlichen Bereich.
Mit Einschränkungen können auch folgende Gruppen hinzugerechnet werden:
— überwiegend freie Berufe in Architektur-oder Ingenieurbüros und Laboratorien, — Selbständige bzw. Unternehmer im produzierenden Gewerbe, im Groß-und Einzelhandel, in der Land-und Forstwirtschaft sowie im Kredit-, Versicherungsund Finanzierungsgewerbe.
Die Analyse zeigte folgendes Ergebnis:
Der Gesamtbestand an Hochschulabsolventen im öffentlichen Dienst einschließlich öffentlichem und privatem Gesundheitswesen hat sich von rd. 690 000 Personen (1970) auf etwa 955 000 Personen (1980) erhöht. Dieser Zuwachs ist vor allem auf den Anstieg des Lehrpersonals im Bildungswesen und auf die Zunahme der Erwerbstätigen im Gesundheitswesen zurückzuführen. Rechnet man die rd. 38 000 Seelsorger mit Hochschulabschluß hinzu, so wären hiermit bereits 68 % des Gesamtbestandes an Hochschulabsolventen als „niveau-adäquat" eingesetzt zu bezeichnen.
Die niveau-adäquaten Beschäftigungsfelder im Bereich der Privatwirtschaft sind teilweise jedoch schwerer festzustellen. Als am relativ unproblematischsten können die in den akademischen Freien Berufen erwerbstätigen Hochschulabsolventen abgegrenzt werden. Hierzu rechnen Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und Diplom-Psychologen. Demgegenüber setzt sich die Gruppe der Unternehmensberater, der freischaffenden Ingenieure, Architekten, sowie auch der freien Künstler und Schriftsteller aus sehr heterogenen Ausbildungsgruppen zusammen. Wieviele von ihnen einen wissenschaftlichen Hochschulabschluß aufweisen und unter welchen Bedingungen sie ihre Tätigkeit ausüben, kann im einzelnen noch nicht nachvollzogen werden. Das gleiche gilt für die übrigen in der privaten Wirtschaft unselbständig beschäftigten Hochschulabsolventen. Die Entwicklung der Zahl der Selbständigen im Bereich der akademischen Freien Berufe, die nahezu ausschließlich einen wissenschaftlichen Hochschulabschluß erfordern, hat sich zwischen 1971 und 1980 mehr als verdoppelt. Inzwischen dürften in diesem Bereich knapp 80 000 Hochschulabsolventen zu finden sein. Weitere 108 000 selbständige oder mithel23 fende Hochschulabsolventen sind freiberuflich in Architektur-und Ingenieurbüros sowie als selbständige Unternehmer in der Privat-wirtschaft tätig. Zusammen mit den Beschäftigten im öffentlichen Dienst und bei den Kirchen können somit schon knapp 77 % aller Hochschulabsolventen als weitgehend adäquat beschäftigt gelten.
Die übrigen Hochschulabsolventen in der Privatwirtschaft und in privaten Organisationen ohne Erwerbscharakter sind als Angestellte oder Selbständige außerhalb der bisher aufgeführten Bereiche erwerbstätig. Ihre Zahl betrug 1978 rund 340 000 Personen, also gut 24 % aller Akademiker. Es ist nicht anzunehmen, daß der überwiegende Teil dieser Restgruppe „inadäquat" beschäftigt ist; zählen hierzu doch z. B. Akademiker im mittleren und gehobenen Management, in Forschungsund Entwicklungseinrichtungen der Wirtschaft, in privaten Forschungsinstituten sowie in Stabsabteilungen mit qualifizierten Aufgaben.
Es zeigt sich, daß mit dieser Abgrenzung der adäquaten Beschäftigungsbereiche für Akademiker der Spielraum für diejenigen eingeengt ist, die — wenn sie nicht arbeitslos sind — unterwertig beschäftigt sind oder in den soge-nannten „Grauzonen“ des Arbeitsmarktes unterkommen mußten.
Einschränkend zu dieser Analyse muß jedoch gesagt werden, daß sie sich nur auf den Gesamtbestand der Hochschulabsolventen bezieht. Möglicherweise finden junge Absolventen der letzten Jahre in überdurchschnittlichem Umfang Beschäftigungsmöglichkeiten vor, die ihren Erwartungen in qualitativer Hinsicht nicht entsprechen. Zur Klärung dieses Problems sind jedoch weiterführende Analysen erforderlich. Über die quantitativen Arbeitsmarktprobleme gibt das folgende Kapitel näheren Aufschluß.
IV. Qualifikationsspezifische Arbeitslosigkeit
Abbildung 10
Übersicht 3 Akademisierungsgrade 1961, 1970, 1978 (nur Erwerbstätige mit Abschluß einer wissenschaftlichen Hochschule)
Quellen: VBZ 1961, VBZ 1970, in: Quint AB 3, Beiblatt; Mikrozensus 1978; eigene Berechnungen
Übersicht 3 Akademisierungsgrade 1961, 1970, 1978 (nur Erwerbstätige mit Abschluß einer wissenschaftlichen Hochschule)
Quellen: VBZ 1961, VBZ 1970, in: Quint AB 3, Beiblatt; Mikrozensus 1978; eigene Berechnungen
Grundlage für die Analyse der qualifikationsspezifischen Arbeitslosigkeit sind einmal die jährlich von der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführten Sonderuntersuchungen über alle bei den Arbeitsämtern registrierten Arbeitslosen sowie die nach Ausbildung und Geschlecht differenzierten Ergebnisse der Volks-und Berufszählung 1970 sowie der Mikrozensen 1976 und 1978.
Die Berechnung qualifikationsspezifischer Arbeitslosenquoten ist mit zwei unterschiedlichen Verfahren möglich:
— Einmal als Anteil der Arbeitslosen an den abhängig beschäftigten Erwerbspersonen; sie entspricht der herkömmlichen Berechnung der Arbeitslosenquote durch die Bundesanstalt für Arbeit, — zum anderen kann die Arbeitslosenquote auch als Anteil der Arbeitlosen an allen Erwerbspersonen berechnet werden.
Für die Berechnung der zuletzt genannten Arbeitslosenquote sollen drei Gründe angeführt werden:
1) Auch selbständige und mithelfende Familienangehörige können sich arbeitslos melden und — unter bestimmten Voraussetzungen — Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (in der Fassung vom Dezember 1980) beanspruchen. Eine dieser Voraussetzungen ist die beabsichtigte Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung. Wie Untersuchungen des IAB zeigen, finden Übergänge zwischen Selbständigen oder Mithelfenden und abhängiger Beschäftigung in nicht unbeträchtlichem Ümfang statt: So gingen im Zeitraum 1970— 1979 knapp 240 000 Selbständige bzw. Mithelfende, das sind über 10% des Bestandes von 1970, in eine abhängige Beschäftigung über
2) Ein weiterer Grund ist die internationale Harmonisierung der Arbeitsmarktstatistiken. Die Statistiken der Europäischen Gemeinschaft und der OECD verwenden — auch für die Bundesrepublik Deutschland — das Labour-Force-Konzept, bei dem die Arbeitslosenquoten auf der Basis aller Erwerbspersonen ermittelt werden. Auch die Bundesregierung und die Deutsche Bundesbank weisen seit langem, parallel zu den herkömmlichen, derartige Arbeitslosenquoten aus.
3) Aus statistischen Gründen ist die Schätzung der Erwerbspersonenstruktur mit den Merk-malskombinatioen . Ausbildungsabschluß — Geschlecht — Stellung im Beruf“ auf der Basis der beiden Mikrozensen 1976 und 1978 für die Zwischenjahre mit zu großen Unsicherheiten behaftet. Schon von daher ist eine Beschränkung auf die beiden erstgenannten Merkmale B 38 unumgänglich. Darüber hinaus wird in der Öffentlichkeit nicht immer deutlich, daß die herkömmliche Arbeitslosenquote z. B. für Akademiker nur etwas über das Arbeitsmarktrisiko der Unselbständigen, nichts aber über das der selbständigen Architekten, Juristen oder Ärzte aussagt.
In den Übersichten 4 und 5 wird die Entwicklung der Zahl der Arbeitslosen nach ihrem Ausbildungsabschluß von 1975 bis 1981 sowie die Entwicklung der qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten (zweite Berechnungsweise) in den Jahren 1973— 1981 jeweils Ende September dargestellt.
Kurz zusammengefaßt ergibt sich folgendes Bild:
— Die Gesamtzahl der Arbeitslosen, die 1975 noch über 1 Million lag, erreichte ihren tiefsten Stand 1979 mit knapp 740 000 Personen und stieg bis 1981 wieder auf über 1, 25 Millionen Personen an. (Für das Jahr 1982 werden 1, 8 Millionen im Jahresdurchschnitt erwartet.)
— Die Arbeitslosenquoten zeigen deutliche Arbeitsmarktvorteile der Erwerbspersonen mit abgeschlossener Ausbildung; allerdings gleichen sich die Quoten innerhalb der Gruppe der ausgebildeten Arbeitskräfte tendenziell an.
— Frauen sind in allen Ausbildungsgruppen wesentlich stärker von Arbeitslosigkeit betroffen als Männer; ihre Arbeitslosenquote ist meist doppelt so hoch.
Aus der Entwicklung der qualifikationsspezifischen Arbeitslosenquoten wird deutlich, daß sich einmal eine steigende Strukturalisierung der Arbeitslosigkeit zwischen Ungelernten auf der einen und Ausgebildeten auf der anderen Seite andeutet. Dies läßt sich an der Spannweite der Arbeitslosenquoten zwischen Ungelernten und Ausgebildeten ablesen (Übersicht 5): Von wenigen Ausnahmen abgesehen, stieg die Spannweite der Arbeitslosen-quoten der Ungelernten einerseits und der Ausgebildeten andererseits kontinuierlich an:
Betrug der Quotenunterschied 1973, also kurz vor der Rezession, noch 0, 4 Prozentpunkte, so stieg er bis 1981 auf 5, 5 Prozentpunkte an. Im Hinblick auf die Ausbildung sind also sehr deutlich zwei Teilarbeitsmärkte — der der Ungelernten und der der Ausgebildeten — zu beobachten. Innerhalb der Gruppen mit einem Ausbildungsabschluß jedoch scheinen sich die Arbeitsmarktrisiken tendenziell zu nivellieren.
So betrug die Spannweite der Quoten innerhalb dieser Gruppe 1975 noch 1, 6, im Jahre 1980 verringerte sich dieser Unterschied auf 0, 8, um dann im Jahre 1981 wiederum auf 1, 2 Prozentpunkte anzusteigen.
Die bisher gängige Auffassung, eine qualifizierte Ausbildung schütze vor Arbeitslosigkeit, gilt demnach mit anhaltend angespannter Arbeitsmarktlage zwar nach wie vor, muß jedoch dahin gehend relativiert werden, daß z. Z. ein Hochschulabschluß nicht unbedingt ein weit unterdurchschnittliches Arbeitsmarktrisiko bedeutet, sondern daß sie sich generell auf eine Ausbildung bezieht: Eine Ausbildung gleich welcher Art schützt besser vor Arbeitslosigkeit als ein Ausbildungsverzicht.
Der Anstieg der Arbeitslosigkeit speziell von Hochschulabsolventen ist auf eine Reihe von Gründen zurückzuführen, insbesondere auf die unterschiedliche Ausrichtung der einzelnen Hochschulfächer auf eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft. Diese Strukturen der Arbeitslosigkeit von Hochschulabsolventen werden im folgenden näher betrachtet.
Die Zahl der Arbeitslosen mit dem Abschluß einer wissenschaftlichen Hochschule (im folgenden WHS abgekürzt) betrug 1973, also kurz vor der Rezession, nur rd. 5 500 Personen. Sie ist bis 1981 fast kontinuierlich auf nunmehr knapp 41 000 Personen angestiegen. Diese Zunahme ist vor allem auf die seit Mitte der siebziger Jahre steigende Lehrerarbeitslosigkeit zurückzuführen. Der Lehreranteil an allen arbeitslosen WHS-Absolventen betrug im Jahre 1975 noch 17 % und stieg bis 1981 auf 33 % an. Hieran liegt es auch, daß die Arbeitslosigkeit von Männern und Frauen mit Hochschulabschluß sehr unterschiedlich verlief (vgl. Über-sicht 6).
So hat sich zwischen 1975 und 1978 die Zahl der arbeitlosen Frauen mit WHS-Abschluß um über das Dreifache, die der Männer „nur" um das Doppelte erhöht.
Im Jahre 1981 waren 19 000 Fachhochschulabsolventen (im folgenden FHS abgekürzt) arbeitslos. Die Arbeitslosigkeit dieser Gruppe wird zunehmend von Absolventen der Sozial-berufe geprägt, die zudem einen höheren Frauenanteil aufweisen als beispielsweise aus Ingenieurfächern. So stieg zwischen 1975 und 1981 die Zahl der arbeitslosen weiblichen FHS-Absolventinnen um 157 %, bei den Männern ergab sich sogar ein leichter Rückgang um 5 %.
Betrachtet man die Fachrichtungsstruktur der arbeitslosen Männer und Frauen mit WHS27 bzw. FHS-Abschluß, so zeigen sich zwischen 1975 und 1981 einige bemerkenswerte Verschiebungen. Zunächst fällt auf, daß der Anteil der Frauen mit WHS-Abschluß (FHS-Ab-schluß) an allen Arbeitslosen dieser Gruppen von 28 % (20 %) im Jahre 1975 auf 47 % (40 %) im Jahre 1981 angestiegen ist
Die Hauptursache hierfür liegt bei den WHS-Absolventinnen in der Arbeitslosigkeit der Lehrerinnen. Bei den FHS-Absolventinnen dominiert immer stärker die Arbeitslosigkeit der Sozialarbeiterinnen; sie waren 1975 noch mit 4 % an allen arbeitslosen FHS-Absolventen vertreten, 1981 jedoch bereits mit über 17 %.
Betrachtet man die übrigen Fachrichtungen, so können zusammengefaßt folgende Entwicklungstendenzen aufgezeigt werden:
— Gemessen an der Zunahme der Gesamtarbeitslosigkeit von WHS-Absolventen stieg die Arbeitslosigkeit der Lehrer, Soziologen, Politologen, Geisteswissenschaftle %.
Betrachtet man die übrigen Fachrichtungen, so können zusammengefaßt folgende Entwicklungstendenzen aufgezeigt werden:
— Gemessen an der Zunahme der Gesamtarbeitslosigkeit von WHS-Absolventen stieg die Arbeitslosigkeit der Lehrer, Soziologen, Politologen, Geisteswissenschaftler, Psychologen, Ärzte, Apotheker, Agrarwissenschaftler und Künstler überdurchschnittlich an. Einen unterdurchschnittlichen Anstieg weisen die Architekten und Bauingenieure, Juristen, Volks-, Betriebswirte, Maschinenbau-, Fahrzeugbau-ingenieure, Elektroingenieure, Naturwissenschaftler sowie die Fach-, Berufsschul-und Werklehrer auf.
— Bei den FHS-Absolventen ergab sich im Zeitraum 1975— 1981 für Fach-, Berufsschul-, Werklehrer, Sozialarbeiter, Agrarwissenschaftler und Geisteswissenschaftler eine überdurchschnittliche Zunahme; Architekten, Ingenieure, Betriebswirte und Naturwissenschaftler verzeichneten demgegenüber eine rückläufige Arbeitslosigkeit.
Zur Arbeitsmarktproblematik einzelner Gruppen folgende Anmerkungen: Die rückläufigen Schülerzahlen zusammen mit Finanzierungsproblemen im Bildungsbereich wirken sich zunehmend auf die Arbeitsmarktlage der Volks-, Real-und Sonderschullehrer aus; inzwischen rücken die geburtenschwachen Jahrgänge (mit Geburtsjahren ab 1967) bereits in den Gymnasialbereich vor und beeinflussen somit zunehmend auch die Nachfrage nach Gymnasiallehrern. Weiterhin sind von den Finanzierungsschwierigkeiten der öffentlichen Hand zunehmend auch die Absolventen betroffen, deren Ausbildung weitgehend nur eine Tätigkeit im staatlichen oder halbstaatlichen Bereich zuläßt (Sozialpädagogen, Sozialarbeiter, Soziologen, Politologen, Psychologen und Geisteswissenschaftler).
Einer deutlich besseren Arbeitsmarktsituation stehen die Wirtschaftswissenschaftler, die Juristen und auch die Ingenieure und Naturwissenschaftler gegenüber, obwohl sich 1981 gerade bei den Ingenieuren im Vergleich zur Situation des Vorjahres und vor allem aus konjunkturellen Gründen der höchste Anstieg der Arbeitslosigkeit (Zuwachs der Arbeitslosigkeit binnen Jahresfrist um + 50 %) von allen Hochschulfachrichtungen außer Lehrern ergeben hat. Von dieser überraschend hohen Steigerung der Ingenieurarbeitslosigkeit waren Elektro-, Maschinen-/Fahrzeugbauingenieure sowie Architekten und Bauingenieure nahezu gleichermaßen betroffen. Auffallend bei der Ingenieurarbeitslosigkeit ist auch der sinkende Anteil jüngerer arbeitsloser Ingenieure und entsprechend steigende Arbeitslosigkeit von älteren Ingenieuren. Dies könnte bedeuten, daß Betriebe zunehmend — auf Kosten der älteren — jüngere Ingenieure einstellen, deren Einkommensansprüche weniger hoch sind und von denen man sich aufgrund ihrer neuen Kenntnisse (z. B. in der Mikroelektronik) neue Impulse zur Bewältigung künftiger technologischer Anforderungen verspricht. Die absolute Zahl der arbeitslosen Hochschulabsolventen sagt natürlich über die relative Betroffenheit der einzelnen Gruppen noch recht wenig aus. Zur näheren Analyse müßte einmal der Zahl der Neu-Absolventen aus dem Hochschulbereich die Zahl der arbeitslosen Berufsanfänger gegenübergestellt werden; hieraus ließe sich dann die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit beim Übergang von der Hochschulausbildung in das Erwerbsleben feststellen. Weiterhin müßte die Gesamtzahl der Arbeitslosen mit dem Gesamtbestand an Erwerbspersonen der einzelnen Fachrichtungen — wie dies insgesamt für die Berechnung der qualifikationsspezifischen Arbeitslosen-quoten (s. o.) durchgeführt wurde — gewichtet werden.
Derartige Analysen sind jedoch aufgrund unzureichenden Datenmaterials nur eingeschränkt durchführbar 16).
Um die Betroffenheit der Jungabsolventen von Arbeitslosigkeit zu analysieren, wurde in einer Untersuchung des IAB 17) die Struktur der Absolventen aus wissenschaftlichen Hochschulen nach einzelnen Fachrichtungen, gemäß der amtlichen Prüfungsstatistik, der entsprechenden Zahl der arbeitslosen WHS-Absolventen unter 30 Jahren im Jahre 1979 gegenübergestellt. Aus diesen Strukturunterschieden lassen sich erste Aussagen über die unterschiedliche Arbeitsmarktsituation der Jungabsolventen treffen. Der Vergleich der einzelnen Anteile ergibt folgende Rangordnung: 1.
Fachrichtungen, deren Arbeitslosenanteil 1979 größer war als der Absolventenanteil, sind:
— Wirtschafts-, Sozialwissenschaften (einschließlich Sozialpädagogik und Sozial-arbeit); — Kunst, Kunstwissenschaft;
Die Berechnung von Arbeitslosenquoten für Akademiker einzelner Fachrichtungen stößt bisher auf die Schwierigkeit, daß noch keine Ergebnisse des Mikrozensus 1980 zum Bestand an Akademikern nach Einzelfachrichtungen existieren. Aus diesem Grunde wurde, um erste Anhaltspunkte für die Betroffenheit einzelner Gruppen zu erhalten, eine Fortschreibung des Ausgangsbestandes 1970 (Volks-und Berufszählung) bis zum Jahre 1981 vorgenommen. In der Fortschreibung werden einmal die Abgänge der im Jahre 1970 erwerbstätigen Akademiker bis 1981 berechnet (Restbestand), zum anderen aus den Absolventenzahlen der Prüfungsstatistik die Neuzugänge seit dem Jahre 1970 ermittelt. Inzwischen liegen die Ergebnisse für einzelne Fachrichtungen vor (Übersicht 7).
Sie zeigen, daß — verglichen mit der Gesamt-arbeitslosenquote für Akademiker von 2, 4% — Soziologen, Politologen und Psychologen weit überdurchschnittlich von Arbeitslosig- keit betroffen sind. Die Arbeitslosigkeit der Lehrer und Ingenieure bewegt sich (noch) im Gesamtdurchschnitt aller Akademiker. Die übrigen, in der Tabelle angeführten Fachrichtungen, weisen unterdurchschnittliche Arbeitslosenquoten auf. Dies gilt insbesondere für Juristen und Mediziner (Ausnahme: Veterinärmedizin), deren Arbeitslosenquote nur etwa halb so hoch ist wie die Gesamtquote für Akademiker. Für die relativ bessere Arbeitsmarktsituation der zuletzt genannten Gruppen dürften folgende Gründe maßgeblich sein:
Zum einen ist der Anteil der Männer bei Ökonomen, Juristen, aber auch Medizinern höher als beispielsweise bei Lehrern, Sozial-und Geisteswissenschaftlern, zum anderen sind Wirtschaftswissenschaftler, Juristen und Ingenieure weniger auf eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst angewiesen als Geistes-und Sozialwissenschaftler. Aufgrund dieses breiteren Einsatzspektrums ergeben sich für die erstgenannten Gruppen auch bessere Ausweichmöglichkeiten, falls, wie es im Moment der Fall ist, die Personalpolitik des öffentlichen Dienstes sehr restriktiv ist. Die Sonderstellung der Ärzte und Apotheker auf dem Arbeitsmarkt ist vor allem auf das künstlich knapp gehaltene Angebot an Studienplätzen (Zulassungsbeschränkungen) zurückzuführen, das auch ein relativ niedriges Neuangebot an Ärzten und Pharmazeuten zur Folge hat.
Manfred Tessaring, Dr. phil., geb 1945; Diplom-Volkswirt; seit 1972 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg. Aufgabengebiete: Bildungsökonomie, Prognosen und Arbeitsmarktanalysen; insbesondere für hochqualifizierte Arbeitskräfte, Zusammenhänge zwischen Ausbildung, Einkommen und Beschäftigung.