Das in den westlichen Industriestaaten grassierende „High-Tech“ -Fieber hat nach den USA und Japan auch auf Westeuropa übergegriffen. Die Diskussion um die amerikanische weltraumgestützte Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) und die ihr zugrundeliegende phantastisch anmutende Vision, einen mehr oder weniger lückenlosen Schutzschirm gegen feindliche Raketen im Weltraum aufzubauen, hat den Europäern die wachsende militärtechnologische Asymmetrie zwischen dem alten Kontinent und den USA deutlich vor Augen geführt. Zu den damit verbundenen bedrohlichen Sicherheitsaussichten kommen westeuropäische wirtschaftliche Befürchtungen. Das Bild der „Eurosklerose“ suggeriert bei Spitzentechnologien den Verlust der Konkurrenzfähigkeit gegenüber den USA und Japan mit der Konsequenz von Einbußen bei Beschäftigung und Lebensstandard. Während der Technologie-Optimismus in den USA und Japan nach wie vor ungebrochen ist und im amerikanischen Fall Spitzentechnologien Schlüssel zur militär-strategischen und ziviltechnologischen Überlegenheit, im japanischen für weitere Exporterfolge sein sollen, werden in der europäischen Diskussion noch Vor-und Nachteile abgewogen. Der Beitrag liefert eine vergleichende Analyse der Auswirkungen von Hochtechnologien in den drei Bereichen Sicherheit, Weltmarktkonkurrenz und Binnenwirtschaft und zeigt dabei Ambivalenzen auf. So wenig die neuen Technologien zum generellen Problemlösungsschlüssel geeignet sind, so wenig bieten sie Anlaß für einen grundsätzlichen Pessimismus. So kann z. B. im Falle der USA aus der ständigen Verbesserung des militärtechnologischen Potentials und der Überlegenheit über die UdSSR keine Garantie für nationales wirtschaftliches Wachstum, ein hohes Beschäftigungsniveau und Weltmarkterfolg abgeleitet werden. Die eindeutige Rangfolge im militärtechnologischen Bereich könnte sich vielmehr innerhalb der westlichen Industriestaaten für den Zivilsektor eher umgekehrt entwickeln; dies hieße: weitere Positionsgewinne für Japan und Westeuropa und Wohlstandsverlust für die Vereinigten Staaten. Da eine atlantische Arbeitsteilung nach dem Muster, daß die USA für die Sicherheit sorgen und dafür ihren Reichtum aufwenden, während Europa und Japan nach dem „free-rider“ -Prinzip ihren Wohlstand mehren, auf Dauer nicht tragfähig sein kann, muß der Lastenteilungsdruck auf die Verbündeten zwangsläufig bald zunehmen.
I. Hoffnungen und Befürchtungen
In den USA grassiert das , High-Tech‘-Fieber Zuletzt hat es jetzt auch auf Westeuropa übergegriffen. Bezeichnenderweise war es die Diskussion um SDI (die weltraumgestützte strategische Verteidigungsinitiative der USA), also um ein militärisch orientiertes Forschungsprogramm, die die Westeuropäer aufgeschreckt hat. Offensichtlich waren es gerade die phantastisch anmutenden Aspekte der amerikanischen Vision, einen mehr oder weniger lückenlosen Schutzschirm gegen feindliche Raketen im Weltraum aufzubauen, die in Westeuropa Faszination, Minderwertigkeitskomplexe und Ängste zutage gebracht haben.
Militärische Sicherheit und wirtschaftliche Prosperität sind dabei eng miteinander verwoben. Militärisch ist Westeuropa seit langem auf die amerikanische Schutzgarantie angewiesen. SDI symbolisiert einerseits die Zunahme der militär-technologischen Asymmetrie zwischen Westeuropa und den Vereinigten Staaten, andererseits aber auch die amerikanische Option, Westeuropa außerhalb des potentiellen, vor feindlichen Raketen schützenden Schirms im Weltraum als Schlachtfeld betrachten zu können, das nach der Zerstörung immer noch Verhandlungen zwischen den beiden Supermächten zuließe.
Zu diesen bedrohlichen Sicherheitsaussichten kommen westeuropäische wirtschaftliche Befürchtungen, beispielhaft deutlich am Szenario der , Eurosklerose : technologischer Rückstand führt zu Einbußen bei Beschäftigung und Lebensstandard. Gerade auf dem wirtschaftlichen Feld hatte Westeuropa durch die EG die starke Nachkriegsasymmetrie gegenüber den Vereinigten Staaten abgebaut und war ein annähernd gleichberechtigter Partner der USA geworden. Die Diskussion um die militärische Europäisierungsoption hatte am Anfang der achtziger Jahre auch zumindest ein gedankliches Kokettieren mit einer eigenständigen europäischen militärischen Sicherheit bewirkt. Jetzt plötzlich wieder schien die alte Welt endgültig aufs Abstellgleis zu geraten: militärstrategisch zum Faustpfand degradiert, ökonomisch vom Fortschritt bei Spitzen-technologien, insbesondere bei den Informationstechnologien von den USA und Japan in die Nachrangigkeit verwiesen. Während sich die Euro-Pessimisten, inspiriert von Umweltschützern und Gewerkschaftern, um die Umwelt-und Arbeitsmarktfolgen neuer Technologien sorgten und Technologiefeindlichkeit als Attitüde pflegten, waren die USA und Japan zur Tagesordnung, übergegangen und hatten die nächste technologische Revolution in die Wege geleitet. Westeuropäer, die die mangelnde wirtschaftliche Dynamik des alten Kontinents, inbesondere die Inflexibilität des Arbeitsmarktes, schon länger beklagten, sahen um der europäischen Zukunft willen die Uhren auf fünf vor zwölf.
Während das japanische Selbstverständnis in der Tat ungebrochen Nippon auf der Gewinnerseite sah, war der von Ronald Reagan verkörperte neue amerikanische Optimismus durchaus nicht ohne Brüche. Die wirtschaftliche Niedergangs-diskussion der siebziger Jahre mit den Befürchtungen, auch im Technologiebereich von Japan überholt zu werden, klang noch nach. Der Reagan-Boom in der ersten Hälfte der achtziger Jahre hatte zwar erneut Vertrauen geweckt, die Tragfähigkeit war aber angesichts der immens wachsenden Haushalts-und Handelsbilanzdefizite in den USA selbst mehr als umstritten. Die Frage stellte sich, ob der große Kommunikator als Präsident nicht vornehmlich geschickt amerikanisches Selbstbewußtsein aufgebaut, aber die Sanierung der Ressourcen für die amerikanische Wirtschaft vernachlässigt habe. Nachdem zur „Reagan-Revolution“ für Gesellschaft und Wirtschaft nun auch noch die Vision militärischer Sicherheit durch SDI hinzugekommen war, wurden die Widersprüche evident, und es galt die Grenzen der Leistungsfähigkeit der USA erneut auszuloten.
Angesichts einer intensivierten Haushalts-und Schuldendiskussion und den Anzeichen des abB klingenden wirtschaftlichen Booms lag es für die Administration Reagan nur zu nahe, einen positiven Zusammenhang zwischen Sicherheit und Wirtschaft, d. h. konkret zwischen den möglichen technologischen Durchbrüchen im Bereich der Sicherheitstechnologien und den zivilen Folgewirkungen (sogen. Spinoff), herzustellen 1a). Die Hochtechnologie war darin der Schlüssel für eine glorreiche amerikanische Zukunft. Die Weltmachtkonkurrentin Sowjetunion könnte militär-strategischdeklassiert, Japan und Westeuropa könnten auf den Weltmärkten in ihre Schranken verwiesen werden. Parallel dazu würde die Binnenwirtschaft in den USA einer neuen Gründerzeit auf der Basis von Spitzentechnologien (New Frontier) entgegensehen Das Bild der heilen Hochtechnologiewelt ist freilich nicht ohne Sprünge. Die Aussichten für militärische Sicherheit, Weltmarktposition und Binnenwachstum sind womöglich eher janusköpfig als eindeutig.
II. Technologie und Sicherheit
In einem engen, aufs Militärische reduzierten Sicherheitsverständnis spielt technologische Überlegenheit eine wichtige Rolle: Historische Beispiele, daß Kriege durch militärtechnische Neuerungen und Überlegenheit über den Gegner gewonnen worden sind, gibt es seit der Antike zuhauf. Waffentechnische Überlegenheit war u. a. mit ein Grund für die erfolgreiche weltweite Kolonisation in der frühen Neuzeit, die von Europa ausging. Im Ost-West-Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg war die technologische Überlegenheit des Westens von Anfang an ein wichtiges Ausgleichsmoment für die zahlenmäßige Überlegenheit des Ostens an Soldaten und Material. Der Hegemon im westlichen Bündnis, die Vereinigten Staaten, kalkulierte die technologische Überlegenheit über die Sowjetunion stets ein und war zu keiner Zeit bereit, Parität auf diesem Sektor auch nur in Erwägung zu ziehen. Der Sputnik-Schock hatte in den USA das Vertrauen auf die systemisch bedingte Unfähigkeit der Sowjetunion, die westliche Vormacht zu überflügeln, erschüttert. Auch die Erfahrungen des Rüstungswettlaufs wiesen darauf hin, daß die UdSSR — wenn auch mit zeitlicher Verzögerung — jeweils sehr wohl in der Lage war, technologischen Durchbrüchen in den USA zu folgen.
Die Probleme der Sowjetunion lagen offensichtlich weniger auf der Forschungsseite als auf der Seite der breiten industriellen Umsetzung und Anwendung. Während der sowjetische Zivilsektor gegenüber westlichem Standard immer mehr zurückfiel, gelang es auf dem Rüstungssektor, immer wieder aufzuholen. Die Bindung der besten menschlichen Forschungs-und Produktionsressourcen der Sowjetunion in der Rüstungsindustrie brachte einerseits zivile Rückständigkeit und Engpässe mit sich, andererseits aber die Fähigkeit zum militärtechnologischen Schritthalten. Welches westliche Erklärungsmuster für dieses Phänomen man auch immer heranziehen mag — das Bild eines dualen Wirtschaftssystems, die Vorstellung einer durch zentrale Planung ermöglichten Schwerpunktwirtschaft oder das Bild der permanenten Kriegswirtschaft —, die militär-technologische Leistungsfähigkeit der UdSSR ist unbestritten. Dies wird unterstützt durch die Tatsache, daß entgegen allen jüngsten amerikanischen Behauptungen die waffentechnologischen Durchbrüche der Sowjetunion von ihr selbst entwickelt und nicht, wie das Pentagon bis jetzt ohne Erfolg nachzuweisen versucht hat, im Westen gekauft, ausspioniert oder gestohlen worden sind
Dennoch stellt die Frage des Technologietransfers ein zentrales Problem für den Westen, insbesondere für die Vereinigten Staaten dar. Das Interesse am Halten des technologischen Vorsprungs ist einsichtig. Bei einem Gleichziehen des Ostens oder gar technologischer Überlegenheit müßte organisatorisch und zahlenmäßig konterkariert werden, was erhebliche finanzielle Mehr-aufwendungen erfordern und eine schwer durchsetzbare Militarisierung der westlichen Gesellschaften nach sich ziehen würde. Ungeklärt ist freilich, wie weit der Technologietransfer in den Osten aus Sicherheitsgründen begrenzt werden muß. Trotz erheblicher Anstrengungen ist es nicht gelungen, eindeutige Kriterien für militärisch sensitive Technologien auszuarbeiten.
Nur Waffensysteme selbst lassen sich relativ leicht ausgrenzen, bei den „dual use items“ beginnt jedoch der wahrnehmungsbedingte Streit. Einem maximalistisch-konservativen Sicherheitsverständnis muß nahezu jede Hochtechnologie sicherheitsrelevant erscheinen. Angesichts der Struktur moderner Streitkräfte, bei denen Kommunikationstechnologien für die Führung und elektronische Bausteine in den Waffen zur Selbstverständlichkeit geworden sind, ist die Sicht, jegliche Technologie könne zur militärischen Leistungssteigerung des Gegners beitragen, stimmig. Entsprechend dem Worst-Case-Denken der Militärs liegt eine nahezu vollständige Behinderung des Technologietransfers nahe. Hinzu kommt das Argument, daß, selbst wenn die Sowjetunion in der Lage wäre, westlichen Vorsprüngen durch Eigenentwicklungen nachzufolgen, sie dafür Zeit benötigt, also bei Technologietransfer dem Westen Zeitvorsprung verloren-gehe. Da die Entwicklungskosten im Osten systembedingt relativ höher seien, könne es die westliche Seite nicht zulassen, der Sowjetunion Entwicklungskosten zu ersparen, vielmehr solle sie möglichst viel für ihre Schwerpunktsetzung — Kanonen statt Butter — bezahlen
Diese „Kein-Handel-mit-dem-Feind“ -Perspektive für den Technologietransfer wird in einer sicherheitsminimalistischen Sicht obsolet. Einmal sei es unvorstellbar, daß ein so rigides System wie die Sowjetunion im militärtechnologischen Bereich nicht auf Autarkie setze. Gerade angesichts der planwirtschaftsbedingten Umsetzungsprobleme von Technologie in die Produktion stünde der Sowjetunion nicht die japanische Reaktion offen — sie könne keinesfalls kurzfristig westliche Technologie übernehmen, verbessern und dann effizienter und günstiger produzieren.
Da in den USA unter der Reagan-Administration eine maximalistische Sichtweise vorherrscht, während in Westeuropa bei Regierungen und der Industrie eher eine minimalistische dominiert, stellt sich für die Vereinigten Staaten beim Technologietransfer ein weiteres Sicherheitsproblem.
Eigene Restriktionen sind so lange wertlos, wie die Technologie für den Osten in anderen Industriestaaten verfügbar ist. Sicherheitsmaximalistisch konsequent muß demnach auch der potentiell militärisch relevante Technologietransfer in westliche Industriestaaten kontrolliert oder beschränkt werden. Angesichts der innerwestlichen Verflechtungen durch transnationale Korporationen — ein Großteil des innerwestlichen Technologiehandels ist sogenannter Intra-Konzern-Handel, d. h. etwa zwischen amerikanischen Mutter-gesellschaften und westeuropäischen Tochtergesellschaften — stellt sich für die USA das Problem der extraterritorialen Kontrolle Letzteres ist besonders seit dem Gas-Röhren-Streit des Jahres 1982 Anlaß für transatlantische Kontroversen, weil die europäischen Partnerstaaten auf ihrer Eigenständigkeit bestehen
Über den prestigegeladenen Souveränitätsdisput hinaus, stellt der exzessive Sicherheitsvorbehalt der Vereinigten Staaten eine potentielle Bedrohung für das relativ offene, ein hohes Maß an Integration aufweisende westliche Handelssystem dar Transatlantische Firmenkooperation wäre im Hochtechnologiesektor stark bedroht, wenn sich die amerikanische Regierung jeweils unilaterale Eingriffsmöglichkeiten vorbehielte. Damit gingen erhebliche Vorteile der innerwestlichen Arbeitsteilung angesichts eines großen transatlantischen Marktes verloren, weil sicherheitsorientierte Marktabschottungen bei „dual use items“ kostentreibend wirken würden und die zivile Nutzung (Spinoff) militärischer Forschung erschwerten. Da z. B.der Maschinenbau nicht mehr ohne elektronische Bausteine vorstellbar ist, könnten die Brüche zwischen dem zivilen und dem aus Sicherheitsgründen kontrollierten transatlantischen Markt erheblich sein. Falls sich eine solche zunehmende Separation für die Bereiche Forschung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb ergeben sollte, würden die Regeln der Marktwirtschaft für einen wachsenden Teil der transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen außer Kraft gesetzt.
Die Vorteile des Marktsystems (Effizienz und niedrige Kosten) würden angesichts einer solchen Entwicklung zugunsten von Sicherheitserwägungen aufgegeben. Dem fragwürdigen Gewinn an Sicherheit stünden unvermeidliche Verluste auf der Wohlfahrtsseite gegenüber. Dem Grundproblem der Sicherheitsausgaben — die mit rein ökonomischen Kategorien betrachtet ja unproduktive Ausgaben sind — ist, solange es ein Sicherheitsdilemma im Ost-West-Konflikt gibt, nicht zu entkommen. Die Perspektive der Anhänger des Wohlfahrtsstaates und der Fiskalkonservativen deckt sich zu diesem Komplex insoweit, als beide für ein noch Sicherheit garantierendes Minimum an Militärausgaben eintreten. Die Entscheidungsprobleme sind jedoch nicht wirtschaftlicher, sondern politischer Art. Alle Versuche, einen nationalen oder internationalen Konsens über das Niveau von Sicherheitsausgaben auf der Basis von allgemein einleuchtenden Berechnungen auf der Grundlage von plausiblen Kriterien herzustellen, sind bislang gescheitert und werden wohl auch weiterhin kaum gelingen. Die nationalen Entscheidungsprozesse bei Rüstungsausgaben folgen vornehmlich politischen Konjunktur-zyklen, d. h. also dem jeweiligen Sowjetunion-oder Amerikabild. Wirtschaftliche Überlegungen gehen zwar ein, insbesondere die fragwürdige Annahme, Rüstungsausgaben eigneten sich zur Konjunktursteuerung, sind aber letztlich nachrangig und häufig lediglich Hilfsargumente.
Wenn konservative Befürworter einer möglichst ungezügelten Marktwirtschaft im Widerspruch zur eigenen Grundphilosophie den Rüstungsausgaben eine keynesianische Steuerungsfunktion zuschreiben, treten die Widersprüche unvermittelt zutage. WohlfahrtsVerluste wegen des Sicherheitsbedürfnisses können die westlichen Gesellschaften also kaum vermeiden, dennoch muß selbstverständlich versucht werden, sie trotz aller Probleme möglichst niedrig zu halten. Die Wahrung des westlichen technologischen Vorsprungs macht dabei nicht nur aus militärischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Perspektive Sinn, weil dadurch eine Ausweitung der traditionellen, vornehmlich konventionellen Militärapparate in Grenzen gehalten werden kann. Die maximalistisehe Perspektive, die zwangsläufig zu einem starken Kontrollschub führen würde, greift aber gerade wegen der Nähe von militärischen und zivilen Technologien über Gebühr in den Zivilsektor ein und gerät dadurch in die Gefahr, das sowjetische Vorbild des absoluten Vorrangs des Rüstungssektors nachzuahmen und damit angesichts der niedrigeren Belastbarkeit westlicher Demokratien die unerläßliche Wohlstandsbasis der Gesellschaften zu untergraben. Damit würde bei der Reduzierung der Konsensfähigkeit der Sicherheitsausgaben für wachsende Bevölkerungsteile die Frage „Sicherheit wofür?“ aufgeworfen.
III. TecI hnologie und Weltmarktkonkurrenz
Technischer Fortschritt gilt als ein wesentlicher Antrieb der wirtschaftlichen Entwicklung. Die im 19. Jahrhundert einsetzende Industrialisierung hatte auf der Nordhalbkugel eine im historischen Vergleich unverhältnismäßige Vermehrung des Wohlstands nach sich gezogen. So wie früher Agrargesellschaften klimatisch bedingt Hunger-jahre durchzustehen hatten, brachten die sich entfaltenden Produktivkräfte des Kapitalismus Konjunkturzyklen in kurzen und langen Wellen mit sich. Die sogenannten Kondratieffschen Wellen der Weltkonjunktur werden vielfach mit bahnbrechenden Neuerungen zu Beginn eines Aufschwungs zusammengebracht. Als Neuerungen für den Aufschwung seit den fünfziger Jahren gelten Kunststoffe, Fernsehen, Kernkraft, Elektronik und Raumfahrt. Die technologischen Auslöser für die nächste lange Welle werden in den Informationstechnologien, der Mikroelektronik, Glasfaser, Laser und Biotechnologie gesehen.
Da mit jedem technologischen Durchbruch im regionalen und internationalen Wettbewerb auch wirtschaftliche Rangfolgen zur Disposition ste-hen, wollen die führenden Industriestaaten ihre Position halten und ausbauen; die Aufsteiger, die Schwellenländer, suchen sie zu verdrängen. So wie Großbritannien seine wirtschaftliche Führungsposition schon Ende des 19. Jahrhunderts an Kontinentaleuropa verlor, Europa nach dem Zweiten Weltkrieg von den Vereinigten Staaten überholt wurde, kämpfen die USA nunmehr um die Bewahrung ihrer wirtschaftlichen Führungsrolle Zeichen des Niedergangs der USA ließen sich in den siebziger Jahren nicht übersehen: Das Währungssystem der festen Wechselkurse von Bretton Woods wurde von den USA selbst aufgegeben, der Dollarwert schwankte, und die amerikanische Handelsbilanz geriet zusehends ins Defizit. Neben dem Agrarexport waren die Ausfuhr von Spitzentechnologien bzw. von auf ihnen beruhenden Produkten die beiden Grundpfeiler der amerikanischen Stellung auf dem Weltmarkt. * Beide wurden Anfang der achtziger Jahre als bedroht angesehen. Die subventionsbedingte landwirtschaftliche Überproduktion in Westeuropa tangierte die amerikanischen Agrarexporte, Japan hatte bei den Spitzentechnologien nicht nur aufgeschlossen, sondern wurde als im Überholen begriffen eingeschätzt. Nichtsdestoweniger hatten die High-Tech-Exporte der USA 1983 einen Anteil von fast 30% an den gesamten Ausfuhren (57, von 196, 0 Mrd. US-Dollar). Die Bilanz der Ex-und Importe im Handel mit Hochtechnologiegütern wies im gleichen Jahr immerhin noch einen Überschuß von ca. 17 Mrd. US-Dollar aus 9).
Zugleich beleuchtete die Absatzkrise der amerikanischen Halbleiterindustrie die durch Japan bedrohte Führungsposition von Silicon Valley. Die Entwicklung auf dem Markt für Speicherchips für Computer gilt dafür als Beleg: Ursprünglich ahmte Japan die amerikanischen Chip-Hersteller nach, die bei den 1-KBs (Kilobyte) -RAM(Random Access Memory = Direktzugriffspeicher), den 4-KB-und den 16-K. B-RAMs eine marktbeherrschende Stellung besessen hatten. Als die Innovation der 64-KB-RAM-Chips von den amerikanischen Konzernen auf dem Weltmarkt eingeführt wurde, lag der Anteil der USA am Weltumsatz nur noch bei 44%. 1981 lag der japanische Anteil an diesem Markt schon bei 70%. Aus den technologischen Nachahmern von gestern wurden die Marktführer von heute. Die fünf Hersteller, die seit 1983 die neuen 256-KB-RAM-Speicherchips anbieten, heißen Fujitsu, Mitsubishi, NEC, Toshiba und Motorola. Lediglich letzterer ist ein amerikanischer Konzern
Die Wiederholung der japanischen Weltmarkterfolge bei den Informationstechnologien analog zu den früheren bei Radios, Fernsehern, Kameras und Autos bewirkte in den Vereinigten Staaten Anfang der achtziger Jahre eine intensivierte Diskussion um sogenannten fairen Handel einerseits und staatliche Hilfe bei der Entwicklung neuer Technologien andererseits. Während die Protektionismusdiskussion, durch die stark negative Handelsbilanz begünstigt, einen zunehmend japanfeindlichen Akzent aufwies, berührte die Industriepolitikdebatte die Grundlagen der amerikanischen Wirtschaftskultur. Damit war die japanische Herausforderung eine doppelte.
Der „Halbleiterschock“ zeigte auf, daß die japanische Konkurrenz auch auf diesem Sektor kostengünstiger und sogar qualitativ besser produzieren konnte. Zudem wurde das amerikanische Credo erschüttert, daß die Industrie allein, ohne staatliche Intervention, den Bedürfnissen des Marktes Rechnung tragen könnte. Die japanische Strategie, derzufolge die Konkurrenz der Unternehmen, die staatliche Unterstützung und die Koordinierung durch das Ministerium für Internationalen Handel und Industrie (MITI) miteinander kombiniert wurden, zeigte sich möglicherweise dem freien Spiel der Kräfte überlegen. Die amerikanische Abneigung gegen staatliche Lenkung und Eingriffe, die gegenüber Japan und auch Westeuropa in dem Vorwurf mangelnder Fairneß gipfelte, könnte durchaus bewirken, daß die USA Nachteile erleiden, weil sie an einer veralteten Trennung von Wirtschaft und Staat festhalten, die den Erfordernissen der neueren technologischen Entwicklung nicht mehr gerecht zu werden vermag.
Stellt das japanische System das adäquatere dar, weil es interventionistische und Markt-Elemente zu verbinden versteht? Intern kooperierten die japanischen Konzerne unter der Koordination des MITI, was Parallelaufwand bei Forschung und Entwicklung vermied; extern galten die Konkurrenzgesetze des Marktes beim Absatz.
Überforderte etwa die Höhe der notwendigen Investitionskosten für Forschung und Entwicklung die amerikanischen Einzelunternehmen? War es also kein Zufall, daß sie den Japanern zwar bei Innovationen überlegen waren, aber über kurz oder lang bei Produktion und Marketing ins Hintertreffen gerieten? Lagen dort die Grenzen der von innovations-und risikofreudigen Unternehmern aufgebauten High-Tech-Firmen von Silicon Valley? Konnten etwa nur noch transnationale Konzerne wie IBM dem japanischen staatlich-industriellen Komplex Paroli bieten?
Solche Fragen wirkten für das Selbstbewußtsein der amerikanischen Wirtschaftskultur verunsichernd. Die japanische Form des „pikking the winner“ bei der technologisch-industriellen Entwicklung hatte unbestreitbar zu beachtlichen Erfolgen geführt. Es gibt eine Reihe von Anzeichen dafür, daß sie sich bei jenen Schlüsseltechnologien wiederholen werden, von denen die nächste industrielle Revolution ausgehen soll.
Dazu zählen Computer der fünften Generation, immer größere Speicher-Chips auf Silicium-Basis, Höchstgeschwindigkeitsschaltkreise auf der Basis von Gallium-Arsenid, „intelligente“ Sensoren, die nächste Robotergeneration, Lasertechno7 logie und neue Biotechnik. Auch Europa, das insbesondere in Frankreich eine starke Tradition der staatlichen Lenkung bei der wirtschaftlichen Entwicklung aufzuweisen hat, sucht mit der — wenngleich noch unausgereiften — EUREKA-Initiative einen Weg staatlicher Lenkung einzuschlagen. Dies ist wenig verwunderlich angesichts des europäischen Rückstands. Er kann z. B. daran abgelesen werden, daß der Anteil am Weltmarkt bei integrierten Schaltkreisen nur bei 5 % liegt. Mikroprozessoren werden hier überhaupt nur unter amerikanischer Lizenz hergestellt. Während Japan und die USA den 256-KB-Speicher-Chip bereits seit Ende 1982 produzieren, lief die Produktion in Westeuropa erst 1985 an. Die deutsche Industrie z. B. stellt überhaupt keine Großrechner her. Ihr Anteil am Weltmarkt von Computern erreicht kaum 1 %, während die deutschen Fertigwarenexporte an den Weltexporten von Fertigwaren einen 15 %-Anteil halten. Westeuropa importiert mehr als die Hälfte seines Bedarfs an Robotern und computergestützten Konstruktionssystemen. Nur im Sektor der Telekommunikation sind Westeuropa und insbesondere die Bundesrepublik mit den USA und Japan konkurrenzfähig
Die Vorstellung vom europäischen Niedergang und der nachahmenswerten Beispielhaftigkeit des japanischen Modells ist freilich ni %-Anteil halten. Westeuropa importiert mehr als die Hälfte seines Bedarfs an Robotern und computergestützten Konstruktionssystemen. Nur im Sektor der Telekommunikation sind Westeuropa und insbesondere die Bundesrepublik mit den USA und Japan konkurrenzfähig 12).
Die Vorstellung vom europäischen Niedergang und der nachahmenswerten Beispielhaftigkeit des japanischen Modells ist freilich nicht unbestritten. Nicht nur technologiefeindliche, alternativen Modellen zugeneigte Umweltschützer lehnen diese Einschätzung ab, auch Vertreter der europäischen Industrie selbst halten sich für mittel-und längerfristig durchaus entwicklungs-und wettbewerbsfähig. Einmal ist das Effizienzproblem bei den Erfahrungen mit staatlicher Industriepolitik keinesfalls gelöst. Ein Großteil der staatlichen Subventionen produziert lediglich Mitnehmereffekte, d. h. die Industrie geht sowieso nur in gewinnträchtige Bereiche, akzeptiert staatliche Hilfe, läßt sich dadurch aber darüber hinaus nicht ernsthaft beeinflussen. Für staatliche Industriepolitik bedarf es eigentlich eines der Wirtschaft überlegenen, besonderen Lenkungswissens, über das Förderungsbürokratien und politische Entscheidungsträger, die an kurzfristigen Wahlerfolgen interessiert sind, nicht unbedingt verfügen. Neue, noch unbekannte Technologien sind demnach nur mit dem Risiko hoher Fehlinvestitionen förderbar. Die Erfahrungen mit der zu frühen Konzentration auf die Entwicklung und Produktion von Kernkraftwerken ist dafür Beleg. Einen weiteren spektakulären
Hochtechnologie-Flop stellt die britisch-französische Entwicklung des Überschallflugzeuges Concorde dar. Den Grenzen unternehmerischer Weit-sicht stehen also die Grenzen effizienter staatlicher Lenkungspolitik gegenüber.
Das deprimierende Bild europäischer Rückständigkeit, wie es sich durch die Entwicklung im Halbleitersektor darzustellen scheint, findet bei der Berücksichtigung anderer Indikatoren keine Bestätigung oder wird stark relativiert. Computerchips stellen augenscheinlich eine der Speer-spitzen der neuen Technologien dar, sie deshalb aber zum zentralen Indikator für den Technologiewettlauf zu machen, ist zumindest voreilig. So sieht z. B. die deutsche Maschinenbauindustrie ihre Spitzenposition auf den Weltexportmärkten nicht dadurch bedroht, daß sie Speicherchips nicht aus der Bundesrepublik selbst bezieht, sondern importiert.
Auch wenn die internationale Wettbewerbsfähigkeit im Handel mit technologieintensiven Gütern nicht einfach zu bestimmen ist, weil letztere häufig unterschiedlich abgegrenzt werden, besteht dennoch Einigkeit darüber, daß die Marktanteile der Bundesrepublik seit 1970 gesunken sind und die Japans sich kräftig erhöht haben. Diese Entwicklung läßt sich aus dem Schaubild (S. 9) eindeutig ablesen. Auch die Anteile der Vereinigten Staaten haben danach sowie nach den Resultaten verschiedener Untersuchungen abgenommen 13).
Dabei erscheinen die Positionsverluste der Vereinigten Staaten gravierender als die der Bundesrepublik. Doch auch der Verlust an amerikanischer Konkurrenzfähigkeit, wie er etwa in einer Studie des amerikanischen Handelsministeriums vom Februar 1983 14) aufgezeigt worden ist, ist in einer Brookings-Untersuchung mit dem Verweis auf die stärkere Beschäftigungszunahme im Hochtechnologiesektor der USA im Vergleich zur Bundesrepublik und zu Japan zürückgewiesen worden 15).
Als weiterer Indikator für die Aussichten bei der High-Tech-Konkurrenz kann die Entwicklung der jeweiligen Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) herangezogen werden. Nimmt man die Anteile der genannten vier Beispielländer am Bruttoinlandsprodukt, so beliefen sie sich Anfang der achtziger Jahre alle ungefähr gleich auf zwischen 2 und 3 %. Blickt man jedoch auf die absoluten Werte, wird die überlegene Finanzkraft der Vereinigten Staaten deutlich. Ihre FuE-Ausgaben betrugen 1983 89, 5 Mrd. US-Dollar und übertrafen damit bei weitem die Japans (31, 0 Mrd. US-Dollar), der Bundesrepublik (19, 5 Mrd. US-Dollar) und Großbritanniens (11, 3 Mrd. US-Dollar 1981/82). Zieht man zusätzlich die Anzahl der im FuE-Bereich aktiven Erwerbspersonen hinzu, so zeigt sich, daß die Bundesrepublik und Japan in Niveau und Entwicklung sich ähneln, während der Wissenschaftleranteil der USA durchweg höher lag. Auffällig sind die Unterschiede in der Herkunft der Mittel für die Forschungs-und Entwicklungsausgaben. In den USA kamen ungefähr gleich große Anteile vom Staat und den Unternehmen, während die staatlichen Aufwendungen in der Bundesrepublik die der Unternehmen übertrafen und in Japan entgegen den Erwartungen die Mittel der Unternehmen sogar mehr als doppelt so hoch lagen wie die des Staates
Zieht man als zusätzlichen Indikator die Entwicklung der Patentierungen auf bedeutenden Technologiemärkten hinzu, so zeigt sich, daß die Bundesrepublik Deutschland seit Mitte der siebziger Jahre insgesamt ungefähr auf dem gleichen technologischen Niveau steht wie die USA. In den sechziger Jahren hatte noch ein deutlicher Rückstand der Bundesrepublik bestanden. Aus dieser Perspektive hat also ein bundesrepublikanischer Aufholprozeß stattgefundenl Akzeptiert man die Patenterteilungen als Frühindikator für den Transfer von Technologien, so kann man, wie es Börnsen u. a. versucht haben, den relativen Aufholprozeß der Bundesrepublik und Japans im Vergleich mit den USA rechnerisch abschätzen. Danach haben in den letzten zwanzig Jahren andere Industrieländer in neun zentralen Patentfeldern ihre technologische Position gegenüber den Vereinigten Staaten verbessern können
Bei aller Vorsicht bei der Interpretation der komplizierten Datenlage ist Westeuropa offensichtlich noch lange nicht abgehängt. Auch die nahe-liegende Analogie zur transatlantischen Direktinvestitionsdiskussion früherer Jahre, die zuerst als „amerikanische Herausforderung“ und später als „europäische Revanche“ apostrophiert worden ist könnte angesichts der hohen Interdependenz beider Wirtschaftsräume durch die Aktivitäten transnationaler Korporationen die regionalistische Wettbewerbsperspektive relativieren. So wie der Blick auf die Handelsstatistik bilaterale Transaktionen aufzeigt, die zugleich in wesentlichen Teilen Intra-Konzern-Handel darstellen, sind auch die FuE-Anstrengungen der Unternehmen sinnvollerweise nicht allein national und regional zu bewerten. Unter der Annahme anhaltender Interdependenzen steht eher ein Trend hin zu gleichförmigeren wirtschaftlichen Entwicklungsprozessen zu erwarten. Die nationalen und regionalen Rahmenbedingungen spielen dabei als Wettbewerbsvor-oder -nachteile zweifellos eine Rolle, plausiblerweise werden sie aber auch starkem Anpassungsdruck unterliegen. Dies würde z. B. für Westeuropa und Japan einerseits eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes bewirken, für die Vereinigten Staaten andererseits eine Besserqualifizierung der Arbeitskräfte im unteren und mittleren Bereich zum Zweck höherer Produktivität nach sich ziehen und womöglich auch auf einen Abbau der Ansätze der „Reagan-Revolution“ in Richtung auf eine Wiederbelebung wohlfahrtsstaatlicher Tendenzen hinarbeiten.
IV. Technologie und Binnenwirtschaft
Alle westlichen Industriestaaten einschließlich Japans sehen sich dem wachsenden Konkurrenzdruck von Schwellenländern ausgesetzt In traditionellen, arbeitsintensiven Industriezweigen wie Textil und Bekleidung, Schuhe, Lederwaren, chemische Grundstoffe, Holzprodukte, Stahl usw. werden die Fertigungsstätten in den alten Industriestaaten vom Markt verdrängt. Als Folge findet in den alten Industriestaaten ein Struktur-wandel statt, auf den Kapital und Arbeit unterschiedlich flexibel reagieren können. Von Unternehmerseite gibt es zwei wirkungsvolle Gegen-strategien: die eine besteht in der Standortverlagerung, d. h. Produktion in Billigländern, die andere in der Entwicklung und Produktion von Produkten höheren Verarbeitungsgrades. Die Anpassungsprozesse und die Schließung unrentabler Produktionsanlagen haben negative Folgen für die Arbeitsmärkte. Dabei entstehen Mobilitätsanforderungen, denen die Arbeitskräfte oft nicht gewachsen sind. Daß Arbeiter aus Industriestaaten nicht bei den neuen Standorten in der Dritten Welt auf den Arbeitsmärkten konkurrieren, versteht sich von selbst. Aber auch ihre Flexibilität auf den heimischen Arbeitsmärkten ist stark eingegrenzt. Häufig verschwinden ganze Berufsgruppen, so daß neue Qualifikationen nötig werden, denen etwa ältere Arbeitnehmer oder schlecht ausgebildete Arbeitskräfte keinesfalls gewachsen sind. Auch die räumliche Veränderung innerhalb eines Landes wirft genügend menschliche und finanzielle Anpassungsprobleme auf. Als eine Folge nimmt die Arbeitslosigkeit zu, weil ein gespaltener Arbeitsmarkt entsteht: qualifizierte Fachkräfte werden gesucht, ungelernte, längerfristig freigesetzte Arbeitslose sind nicht mehr vermittelbar, weil kein Bedarf besteht. Demzufolge entsteht eine hohe Sockelarbeitslosigkeit. Dabei stellen sich die Entwicklungen auf den Arbeitsmärkten und deren politische Folgeprobleme für die USA, Westeuropa und Japan durchaus unterschiedlich dar.
Angesichts der wohlfahrtsstaatlichen Tradition in Westeuropa wird auf hohe Prozentsätze von Dauerarbeitslosigkeit politisch sensibel reagiert und die gesellschaftspolitische Stabilität oft als bedroht wahrgenommen. In Japan entstehen für die Firmen Kostenprobleme wegen der Weiterbeschäftigung quasi unkündbarer Arbeiter; die Beschäftigten kleinerer Unternehmen werden dagegen voll getroffen. In den Vereinigten Staaten ist die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für die traditionell hohen Arbeitslosenraten bei niedrig qualifizierten Beschäftigungssuchenden und bei Minderheiten sehr viel geringer. Die im Vergleich zu Westeuropa und Japan heterogene Gesellschaft sieht darin keinen größeren Anlaß für Sorgen, zumal in der ersten Hälfte der achtziger Jahre im Vergleich mit Westeuropa eine beachtliche Zunahme bei neuen Arbeitsplätzen insbesondere im Dienstleistungssektor zu verzeichnen war.
Die hoffnungsvollen Wachstumsaussichten des High-Tech-Sektors sollen dem Abhilfe schaffen. Nach dieser Vorstellung fände also lediglich ein Anpassungsprozeß statt, der letzten Endes nur die Verlagerung von Beschäftigungsschwerpunkten bedeuten würde, getreu dem Muster: der Vater Stahlkocher, der Sohn Programmierer! Derartige vereinfachte Lösungsvorstellungen lassen freilich außer acht, daß der technologiebedingte Strukturwandel sehr viel schneller abläuft als ein Generationenwechsel. Die Konzentration auf Hochtechnologiesektoren und der Trend zur Informatisierung der Gesellschaft schaffen zwar neue Arbeitsplätze, machen aber auch wieder eine ganze Reihe von Angestellten auf der Sachbearbeiterebene im Dienstleistungssektor überflüssig. Im Bankgewerbe, bei Versicherungen und Verwaltungen werden durch die Informatisierung Arbeitsplätze wegfallen, die Kommunikationssysteme bewirken einen Trend zu dem von den Gewerkschaften beklagten Typus des neuen elektronischen Heimarbeiters. Dabei werden traditionelle Beschäftigungsverhältnisse etwa auf Angestelltenbasis ausgehöhlt und Arbeitskräfte in die Ungewißheit der Selbständigkeit gedrängt. Mühsam historisch erkämpfte relative Arbeitsplatzsicherung in Westeuropa wird von den Gewerkschaften als zur Disposition gestellt angesehen. Die Aussichten sind in der Tat doppeldeutig. Die Interessenlage und die Zukunftsaussichten des selbständigen, in seinem Landhaus seine Arbeitszeit frei bestimmenden Programmierers und der elektronischen Heimarbeitsschreibkraft sind grundverschieden. Während im ersteren Fall die Vorteile überwiegen, können im zweiten die Nachteile höher bewertet werden.
Sehr viel düsterer aber sind die Aussichten der Informations-oder Computeranalphabeten. Zwischen 10 und 20% aller Beschäftigten könnten mittelfristig außerhalb der Informations-Dienstleistungsgesellschaft stehen. Dies bedeutete eine erhebliche Bürde entweder für den Wohlfahrtsstaat oder — im Falle der Vernachlässigung — für die Stabilität der politischen Systeme. Zunehmende soziale Konflikte und wachsende innere Sicherheitsprobleme wären nicht auszuschließen. Während die Anhänger einer möglichst ungezügelten Marktwirtschaft auch hier auf die heilenden Kräfte des Marktes vertrauen und angesichts einer intensivierten Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ein tendenziell fallendes Lohnniveau erwarten, das wiederum die internationale Konkurrenzfähigkeit erhöhen würde, suchen eher interventionistisch eingestellte Anhänger des Wohlfahrtsstaats nach wirksamen Lenkungsinstrumentarien. Letzteres schlug sich in der intensivierten Industriepolitikdebatte nieder. Während in den USA und Japan technologischer Fortschritt noch weitgehend per se als wünschenswert gilt, existiert in Westeuropa eine differenzierte Diskussion, die zwischen willkommenen und weniger willkommenen Technologien zu unterscheiden sucht. So verständlich dieser Ansatz ist, so wenig aussichtsreich scheint er freilich. Die arbeitsmarkt-und sozialpolitischen Folgen neuer, noch weitgehend unbekannter Technologien sind kaum hinreichend abschätzbar. Nachteile für den Arbeitsmarkt können zwar abgemildert, nicht aber durch nationale und regionale Alleingänge verhindert werden.
Wenn z. B. als Folge neuer Biotechnologien die landwirtschaftliche Produktion immer mehr gesteigert werden kann, was zu einem Preisverfall und der endgültigen Konkurrenzunfähigkeit kleinerer westeuropäischer landwirtschaftlicher Betriebe führen würde, so ist im sozialpolitischen Interesse eine Politik der Strukturerhaltung mittel-und längerfristig nur um den Preis der Abkopplung vom Weltmarkt finanzierbar. Mehr als Anpassungshilfe im Sinne einer Erleichterung der Betriebsaufgabe, wie sie den Kleinstbauern in den fünfziger und sechziger Jahren gewährt wurden, scheint wenig aussichtsreich. Dem Vorteil noch niedrigerer landwirtschaftlicher Erzeugerpreise stünde der Nachteil einer neuen Welle des Bauernsterbens und eines Trends zum industriellen Farmbetrieb gegenüber. Der von Umwelt-schützern favorisierte biologisch-dynamische Anbau wird darin kaum mehr als eine alternative Nische darstellen können. Staatliche Strukturpolitik steht hier vor dem Problem geringer Steuer-kapazität einerseits und den Widersprüchen politischer Ziele andererseits. Wenn also grundsätzlich eher unkritisch auf die positiven Wirkungen von neuen Technologien setzende konservative Parteien in Westeuropa im genannten Fall mittelfristig einen wichtigen Teil ihrer Wählerklientel zu verlieren drohen, geraten Hochtechnologie-euphorie und konservative gesellschaftspolitische Ziele in Widerspruch. So wie Strukturwandel letzten Endes nur bedingt plan-und lenkbar ist, so wenig löst der Markt die Probleme selbst. Da andererseits aber gerade die Hochtechnologieenthusiasten staatliche Förderung fordern, um die hohen Forschungs-und Entwicklungsaufwendungen aufbringen zu können, die für das Halten oder Gewinnen von Spitzenpositionen erforderlich sind, entsteht die Quadratur des Kreises. Staatliche Technologiepolitik in Westeuropa und insbesondere in Japan wird also um die Ungewißheiten und die Möglichkeit immenser Fehlinvestitionen nicht herumkommen, solange die direkte Subvention vorherrscht. Der amerikanische Ansatz der Administration Reagan, indirekt durch Steuersenkungen und die Verbesserung des Investitionsklimas auf Kosten des Sozialstaats zu helfen, erscheint auf den ersten Blick marktkonformer. Das wirtschaftliche Umfeld für die amerikanische Industrie ist jedoch durch einen anderen Restriktionsfaktor beeinträchtigt.
Die Reagan-Administration wollte nicht nur die Wirtschaft sanieren, indem sie staatliche Fesseln abbaute, sondern zugleich die amerikanische Machtposition in der Welt, insbesondere in der Konkurrenz mit der Sowjetunion, wiederherstellen. Ersteres Ziel bedeutete weniger Staatseinnahmen, das zweite lief auf die Erhöhung der Staatsausgaben, sprich des Verteidigungsetats, hinaus.
Bundesbudgetdefizite, die über Anleihen finanziert wurden, trieben die Zinsen und damit die Kapitalbeschaffungskosten für Unternehmer nach oben. Da militärische Überlegenheit über die Sowjetunion vermittels technologischer Überlegenheit gewonnen oder bewahrt werden sollte, wuchs mit steigenden Verteidigungsausgaben die wirtschaftliche Rolle des Department of Defense (DoD). Mit 234, 7 Mrd. US-Dollar — was einem Anteil von 26, 4% an den Bundesausgaben im Jahr 1983 entspricht — war das Pentagon der größte, nicht marktorientierte wirtschaftliche Akteur in den USA. Im gleichen Jahr wurden 53, 6 Mrd. US-Dollar für Beschaffung und 20, 6 Mrd. US-Dollar für Forschung und Entwicklung aufgewendet. Die Schätzwerte für 1984 belaufen sich auf 84, 4 Mrd. US-Dollar für Beschaffung und 25, 2 Mrd. US-Dollar für FuE Di 4% an den Bundesausgaben im Jahr 1983 entspricht — war das Pentagon der größte, nicht marktorientierte wirtschaftliche Akteur in den USA. Im gleichen Jahr wurden 53, 6 Mrd. US-Dollar für Beschaffung und 20, 6 Mrd. US-Dollar für Forschung und Entwicklung aufgewendet. Die Schätzwerte für 1984 belaufen sich auf 84, 4 Mrd. US-Dollar für Beschaffung und 25, 2 Mrd. US-Dollar für FuE 22). Die wichtige Rolle des DoD im Hochtechnologiesektor ist nicht zu übersehen; im Halbleitersektor gab das Pentagon sogar eine Zeitlang bahnbrechende Anregungen und wichtige Wachstumsimpulse 23).
Die Bewertung der wirtschaftlichen Rolle des Pentagon ist jedoch überaus schwierig. Sie reicht vom „Substitut für Industriepolitik“ 24) über „ein machtvolles Instrument zur Gewährleistung der amerikanischen Wettbewerbsfähigkeit im Bereich fortgeschrittener Technologie“ 25) bis zur Charakterisierung seiner Programme als unbeabsichtigte Industriepolitik (inadvertent industrial policy) 26).
Daß das Pentagon nicht nur als Abnehmer von Technologie, sondern auch als Auftraggeber und Anreger von Forschung auftritt, dürfte unbestritten sein. Wenn Junne dem Pentagon eine Ersatz-funktion für die von der amerikanischen Wirtschaft abgelehnte Industriepolitik zuschreibt und damit Tirmans These von der unbeabsichtigten Wirkung zur Quasi-Strategie erhebt, ruht dies auf der impliziten Annahme, es handele sich um eine aussichtsreiche Strategie oder ein „machtvolles Instrument“, wie Jacobsen schreibt Neben den „picking the winner" -Fähigkeiten des japanischen MITI müßten demnach auch solche des Pentagon stehen. Dies beinhaltet die Hypothese, daß ausreichend zivile „Spinoffs“ abfallen und sie den Vereinigten Staaten auch entsprechende Marktvorteile bescheren. Diese These läßt sich trotz ihrer großen Anhängerschaft empirisch schwer belegen. Am militär-technologischen Vorsprung der USA gegenüber Westeuropa und Japan bestehen keine Zweifel, ebensowenig daran, daß er zugenommen hat. Für die „Spinoff-Marktvorteilsannahme spricht aber nicht, daß die Bundesrepublik ziviltechnologisch aufgeholt, Japan sogar sektoral die USA überholt hat. Dieser Prozeß spräche vielmehr dafür, daß die ausgeprägte Sicherheitsorientierung weiter Bereiche der amerikanischen Hochtechnologie mitverantwortlich für Einbußen auf dem zivilen Spitzentechnologiemarkt sein könnte. In Anlehnung an die „Rüstungsbarockthese“ von Mary Kaldor wonach die extremen Leistungsanforderungen an militärische Technologien zu immer weniger Verbesserungen an militärischer Effektivität führen, wären Militärtechnologien bei immens steigenden Kosten auch immer weniger für direkte zivile „Spinoffs“ geeignet. Diese Tendenz versuchen die Beiträge in Tirmans Edition zu belegen. Die sicherheitsspezifische Auftrags-und Auswahlpraxis eines bürokratischen Akteurs wie des DoD mit seiner Vorliebe für Großunternehmen und Geheimhaltung ziehe einen nach ökonomischen Kriterien ineffizienten Einsatz der aufgewandten Finanzmittel nach sich, was der internationalen Konkurrenzfähigkeit der amerikanischen High-Tech-Industrie auf dem Zivilsektor schade. Nach dieser Logik wäre auch das SDI-Forschungsprogramm keinesfalls der große Wurf, der zusätzlich zur militärischen Deklassierung der UdSSR die wirtschaftliche der Konkurrenten Japan und Westeuropas nach sich ziehe, sondern vielmehr eine Folge der Sicherheitsfixierung, die die internationale Wohlstandsposition der USA, die auf den zivilen Märkten gewonnen werden muß, unterminiere.
Die Interpretationsspannweite von der militärisch-wirtschaftlichen Doppelstrategie über SDI als Speerspitze des High-Tech-Wettlaufs bis hin zur wirtschaftlichen Grube, die sich die USA mit ihrem Sicherheitsakzent selbst graben, läßt viel Raum für divergierende Szenarien. Wenn die Doppelstrategieannahme zuträfe, dann müßten sich Europa und Japan dringend mit möglichst hohem Einsatz am SDI-Programm beteiligen. Daran könnten die USA dann aber nur ein militärisches, kein wirtschaftliches Interesse haben, denn warum sollten sie freiwillig ihre fortgeschrittensten Technologien mit den Haupt-konkurrenten teilen? Wenn jedoch die Sicherheitsmaximierungs/Wohlfahrtsminimierungs-Hypothese richtig wäre, dann wäre die amerikanische Einladung zur Beteiligung eine Aufforderung zur traditionellen Lastenteilung, wie sie die NATO-Diskussion seit Jahren kennt. In diesem Fall wären Westeuropa und Japan gut beraten, im Interesse ihrer zivilen Weltmarkterfolge die Beteiligung möglichst niedrig zu halten; also möglichst wenig staatliche FuE-Mittel und keine staatliche Unterstützung für daran beteiligte Industrien, weil es sich — ziviltechnologisch betrachtet — um Holzwege handeln würde.
Im High-Tech-Wettlauf würde gemäß dem Szenario (keine oder geringe zivile „Spinoffs“) die Marktposition der USA untergraben werden, weil von der Entwicklungskapazität zu viel für den unproduktiven Sicherheitssektor abgezweigt würde. Zudem gerieten die amerikanischen Unternehmen unter der Kontrolle des Pentagon international in die Isolierung, was ihre Konkurrenzfähigkeit weiter unterhöhlen würde. Der Technologietransfer zwischen den Konzernen würde eingeschränkt, weil die amerikanischen Firmen ihre interessantesten Patente oder Entwicklungen nicht mehr vermarkten könnten. Die Konsequenz wäre ein weitgehend gespaltener Markt, der im zivilen Bereich von Westeuropa und Japan dominiert würde, während die USA und die Sowjetunion jeweils zu Lasten des Wohlstandsniveaus ihrer Gesellschaften „barocke“ Militärtechnologien entwickelten und aus Sicherheitsgründen unverkäufliche Produkte nur für den nationalen Markt herstellten.
V. Janusköpfige Hochtechnologie
Die Synopse der Auswirkungen der Hochtechnologien auf die drei Bereiche Sicherheit, Weltmarktkonkurrenz und Binnenwirtschaft zeigt Ambivalenzen auf. Es gibt Anhaltspunkte für Hoffnungen und für Befürchtungen gleichermaßen, und die Trendabschätzung ist deswegen je nach normativer Ausgangsposition variabel. Die Ungewißheiten sind nicht auflösbar und werden deshalb für ideologische Streitereien weiterhin genügend Anlaß und Material liefern. So wenig die neuen Technologien zum generellen Problemlösungsschlüssel geeignet sind, so wenig bieten sie auch Anlaß für Aussichten, grundsätzlich mehr Probleme zu schaffen als zu lösen.
Eine generelle Bewertung ist deswegen lediglich auf normativer Basis möglich. In Parallele zur Entwicklung der Industrialisierung und ihren Folgen lassen sich die unterschiedlichen Bewertungen der Tatsache zunehmenden Massenwohlstands und individueller Freiräume einerseits sowie zunehmender Entfremdung und Zerstörung natürlicher Lebensgrundlagen andererseits nicht letztlich wissenschaftlich gegeneinander aufrechnen. Die Bilanz kann nur wertorientiert bleiben. Wissenschaftliche Analyse kann Verhaltensoptionen aufzeigen und Verlaufsmöglichkeiten skizzieren, ohne exakte Prognosen wagen zu können.
Im militärtechnologischen Bereich wird die Überlegenheit der beiden Supermächte über mittlere und kleinere Staaten höchstwahrscheinlich weiter zunehmen. Das heißt auch, daß innerhalb der Atlantischen Allianz die militärtechnologische Asymmetrie zwischen der Führungsmacht USA und den europäischen NATO-Partnern weiter ansteigt. Die USA werden die technologische Überlegenheit über die UdSSR wohl weiter hal13 ten können, weil sie über das größere wirtschaftliche Potential und ein Innovationen begünstigendes Wirtschaftssystem verfügen. Ob mit den SDI-Programmen der Zeitvorsprung erweitert werden kann, ist nicht abzuschätzen, da unklar ist, ob die UdSSR — wie bisher — nachzieht oder SDI mit billigeren Gegenstrategien zu unterlaufen sucht. Es ist aber keinesfalls ausgemacht, sondern vielmehr offen, ob die USA diese technologische Überlegenheit direkt in Konkurrenz-vorteile auf dem Weltmarkt und in höhere Wachstumsraten für ihre Binnenwirtschaft umsetzen können. Wenngleich zivile „Spinoffs“ möglich sind, so stellen sie doch keinesfalls einen Automatismus dar. Eine ständige Verbesserung des militärtechnologischen Potentials ist demnach keine Garantie für nationales wirtschaftliches Wachstum und Weltmarkterfolge.
Es gibt vielmehr eine Reihe von Anzeichen dafür, daß die Sicherheitslastigkeit der Technologien der Supermächte ihre zivilen Erfolgschancen unterminiert. Die eindeutige Rangfolge im militärtechnologischen Bereich könnte sich daher innerhalb der westlichen Industriestaaten im Zivilbereich umgekehrt entwickeln; dies hieße: weitere Positionsgewinne für Japan und Westeuropa und Wohlstandsverluste für die Vereinigten Staaten.
Es ist aber andererseits auch nicht so, daß Sicherheitsausgaben generell auf Kosten der Wohlfahrtsseite gehen. Der Zusammenhang ist kompliziert, weil z. B. militärische Überlegenheit bzw. militärische Schutzfunktionen auch auf die Wirtschaftsbeziehungen durchschlagen können. Eine atlantische Arbeitsteilung nach dem Muster, daß die Vereinigten Staaten für die Sicherheit sorgen und dafür ihren Reichtum aufwenden, während Europa und Japan nach dem , free-rider‘-Prinzip ihren Wohlstand mehren, ist äußerst instabil und auf die Dauer kaum vorstellbar. Mit dieser Entwicklungsprämisse müßte der Lastenteilungsdruck der USA auf die Verbündeten zwangsläufig zunehmen. Neben der alten atlantischen Lastenteilungsdiskussion ist z. B.der amerikanische Druck auf Japan, die Sicherheitsausgaben zu erhöhen, mit der Zunahme des Defizits der USA im bilateralen Handel erheblich gewachsen.
Dem Sicherheitsmaximalismus und seinen Folgewirkungen für die atlantische Führungsmacht sowie den daraus resultierenden Versuchen, Kosten auf die Verbündeten abzuwälzen, kann kaum mit neuen technologischen Durchbrüchen, sondern allenfalls mit einem kostenmindernden Neuarrangement der Supermachtbeziehungen begegnet werden. Janusköpfige Hochtechnologien schaffen neue Arbeitsplätze und zerstören Arbeitsplätze, erhöhen die Sicherheit über wirksamere Aufklärung und vermindern zugleich die Sicherheit über destabilisierende offensive und defensive Waffensysteme. Eine Aufrechnung der Pro-und Kontrawirkungen ist vorab nicht möglich.
Reinhard Rode, Dr. phil., geb. 1947; wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), Frankfurt/M. Veröffentlichungen u. a.: Amerikanische Handelspolitik gegenüber Westeuropa. Von der Handelsreform zur Tokio-Runde, Frankfurt/M. 1980; (Hrsg, zusammen mit H. -D. Jacobsen) Wirtschaftskrieg oder Entspannung. Eine politische Bilanz der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen, Bonn 1984.
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