Der geschlechtsspezifische Arbeitsmarkt: Ökonomische und soziologische Erklärungsansätze
Margit Osterloh/Karin Oberholzer
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Zusammenfassung
Frauen verdienen weltweit durchschnittlich weniger als Männer. Sie sind auf den mittleren und oberen Hierarchiestufen nur selten anzutreffen und konzentrieren sich auf wenige Berufe. Im vorliegenden Beitrag wird aus ökonomischer und soziologischer Sicht untersucht, wie dies zu erklären ist. In den ökonomischen Ansätzen wird Diskriminierung unter dem Aspekt , gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit 1 betrachtet und versucht, Lohnunterschiede aus Produktivitätsunterschieden zu erklären. Doch bleiben sie letztlich die Erklärung für die Entstehung eben dieser Produktivitätsunterschiede schuldig, so daß noch weiter nach Ursachen gesucht werden muß. Dazu bietet sich die soziologische . Theorie des weiblichen Arbeitsvermögens 4 an. Sie erklärt, wie unterschiedliche Rollenbilder entstehen. An diesen Rollenbildern orientieren sich die Unternehmen bei der Zuschneidung von Männer-und Frauenarbeitsplätzen. Auf diese Weise entsteht ein Teufelskreis der Diskriminierung.
I. Vorbemerkungen
Allen Frauenförderungsmaßnahmen zum Trotz verdienen Frauen weltweit im Durchschnitt immer noch deutlich weniger als Männer. Besonders groß ist die Lohnungerechtigkeit in den Ländern Japan und Deutschland sowie in der Schweiz und in den USA, wo die Frauenlöhne nur zwischen 50 und 70 Prozent der Männerlöhne ausmachen. Geringer sind die Unterschiede nur in den Ländern Nord-europas wie Norwegen, Dänemark und Schweden. Dort liegen die Löhne der Frauen , nur‘ zwischen 15 und 10 Prozent unter denjenigen der Männer. Die andauernde Lohndifferenz erstaunt insbesondere auch deshalb, weil die Frauen bezüglich der formalen Ausbildung gegenüber den Männern stark aufgeholt haben. Einen ersten Erklärungsansatz für die Lohndifferenz liefert die Unterscheidung zwischen der vertikalen und der horizontalen Segregation, also der Verteilung von Frauen auf Hierarchiestufen und Berufe.
Frauen sind innerhalb derselben Berufe nicht auf allen Führungsebenen gleichermaßen anzutreffen. Auf den höheren Hierarchiestufen sind sie systematisch unterrepräsentiert (vertikale Segregation). Zahlen aus den USA zeigen dies sehr deutlich. Zwar ist dort 1990 aufgrund eines Anti-Diskriminierungsgesetzes der Frauenanteil im mittleren Management auf 40 Prozent angestiegen, aber im Top-Management liegt er immer noch bei 0, 5 Prozent
Neben der Ungleichverteilung innerhalb der Berufszweige gibt es auch Unterschiede in der Verteilung der Geschlechter auf die Berufe (horizontale Segretation). Einige Berufe werden fast ausschließlich von Männern ausgeübt, während in anderen Frauen in der Überzahl sind. Die Konzentration auf bestimmte Berufe ist bei den Frauen allerdings größer als bei den Männern. So arbeiten in der Bundesrepublik Deutschland 63 Prozent der Frauen in Betrieben, in denen vorwiegend oder ausschließlich Frauen beschäftigt sind Auch in der Wahl des Studienfaches äußert sich die horizontale Segregation: Der Frauenanteil unter den Studenten an deutschen Hochschulen liegt in den Fachrichtungen Psychologie, Sozialwesen, Erziehungs-und Sprachwissenschaften bei über 60 Prozent. Hingegen sind die Frauen in technischen Studienrichtungen deutlich unterrepräsentiert (vgl. Tabelle).
Die horizontale Segregation ist für die Erklärung der Einkommensunterschiede von Bedeutung, denn in den frauendominierten Berufen sind die Einkommen deutlich niedriger als in den männer-dominierten. Eine Untersuchung in den USA ergab, daß in frauendominierten Berufsklassen (mit einem Frauenanteil an den Beschäftigten von mehr als 70 Prozent) nur 57 Prozent des Einkommens von männerdominierten Berufsklassen (mit einem Männeranteil an den Beschäftigten von mehr als 90 Prozent) erzielt werden. Die Differenz von 43 Prozent zwischen den Einkommen von frauendominierten und männerdominierten Berufsklassen läßt sich zum Teil (17 Prozent) mit der vertikalen Segregation erklären; die restlichen 26 Prozent bleiben offen Zur Erklärung werden zwei Ansätze unterschieden: die Diskriminierung im und die Diskriminierung vor dem Arbeitsmarkt.
Diskriminierung im Arbeitsmarkt: Von einer Diskriminierung im Arbeitsmarkt bzw. von einer Diskriminierung im engeren Sinne wird gesprochen, wenn Frauen für gleich produktive Arbeit weniger Lohn erhalten als Männer. Das ist der Fall, wenn die Managerin auf gleicher Stufe bei gleicher Leistung weniger verdient als der Manager. Diskriminierung vor dem Arbeitsmarkt: Bei der Diskriminierung vor dem Arbeitsmarkt oder der Diskriminierung im weiteren Sinne geht es um die Frage, ob und wie Frauen daran gehindert werden, in gleicher Weise wie Männer chancenreiche Berufe zu ergreifen. Diese Form der Diskriminierung hat nichts mit der Forderung nach Lohngleichheit zu tun, sondern mit den Möglichkeiten der Berufswahl.
Unter die Diskriminierung vor dem Arbeitsmarkt fallen die folgenden Aspekte:
-Horizontale Rollenteilungen, wie die gesellschaftliche Zuweisung der Hausarbeit und Kindererziehung an die Frauen;
-Ungeeignete Infrastrukturen, wie fehlende Kindergärten und Ganztagsschulen;
-Vorurteile der Arbeitgeber, Mitarbeiter oder Kunden gegenüber Frauen;
-Angst vor Erfolg der Frauen bzw. Angst vor sozial abweichendem Verhalten
Beide Formen der Diskriminierung sind praktisch kaum zu trennen. Die Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt kann auf den Bildungsbereich rückwirken und umgekehrt. In den beiden folgenden Kapiteln werden wir die ökonomischen und sozio-logischen Erklärungsansätze im Hinblick auf ihren Beitrag zum Verständnis des geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktes genauer betrachten.
II. Ökonomische Erklärungsansätze zum Verständnis des geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktes
Abbildung 2
Abbildung: Einkommensverlauf für eine »typische* Frau und einen »typischen* Mann mit und ohne Zusatzausbildung Quelle: Vgl. Hannelore Weck-Hannemann/Bruno S. Frey, Die Frau in der Wirtschaft. Die Sicht der Nationalökonomie, in: Wirtschaft und Recht, 40 (1988) 4, S. 295.
Abbildung: Einkommensverlauf für eine »typische* Frau und einen »typischen* Mann mit und ohne Zusatzausbildung Quelle: Vgl. Hannelore Weck-Hannemann/Bruno S. Frey, Die Frau in der Wirtschaft. Die Sicht der Nationalökonomie, in: Wirtschaft und Recht, 40 (1988) 4, S. 295.
Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dann von Diskriminierung zu sprechen, wenn der Grundsatz „gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ verletzt ist. Die Gleichwertigkeit bemißt sich dabei auf der Seite des Arbeitsangebots an der Produktivität der Arbeit und auf der Seite der Arbeitsnachfrage am Nutzen der Arbeit für den Arbeitgeber. Die Nachfrageseite wird in der Diskriminierungstheorie, die Angebotsseite in der Humankapitaltheorie behandelt. Beide Aspekte werden in der Theorie der statistischen Diskriminierung zusammengefaßt. Im folgenden sollen alle drei Ansätze skizziert werden. 1. Diskriminierungstheorie Innerhalb der Diskriminierungstheorie wird unterstellt, daß Menschen eine unterschiedliche Diskriminierungsneigung haben. Damit ist die Neigung gemeint, einzelne Gruppen aufgrund ihrer Rasse, Religion, ihres Geschlechts etc. zu benach-Im Arbeitsmarkt unterscheidet teiligen.
Theorie dabei drei Gruppen:
Diskriminierung von Seiten der Unternehmen diese Haben die Unternehmen eine Präferenz zugunsten der männlichen Anbieter von Arbeit, „berechnen“ Sie den Frauen die nichtmonetären Kosten, die ihnen bei Anstellung von Frauen entstehen und sind erst bei einem geringeren Lohn als demjenigen der Männer bereit, Frauen zu beschäftigen.
Diskriminierung von Seiten der Mitarbeiter Einzelne Mitarbeiter lehnen die Zusammenarbeit mit Frauen ab. Die Unternehmen reagieren darauf, indem sie den Männern in Form eines höheren Lohnes eine „Prämie“ für ihr Unbehagen bei der Zusammenarbeit mit Frauen bezahlen. Die Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern entsteht demnach aus den Vorbehalten vieler Männer gegenüber einer Zusammenarbeit mit Frauen.
Diskriminierung von Seiten der Konsumenten Es kann vorkommen, daß eine von Frauen erbrachte Dienstleistung von Konsumenten als minderwertig eingeschätzt wird, was z. B.der Fall ist, wenn Pilotinnen als unzuverlässig angesehen werden. Die Unternehmen werden in diesem Fall ihren Arbeitnehmerinnen einen geringeren Lohn bezahlen.
In der Diskriminierungstheorie ist die Lohndiskriminierung der Frauen ein vorübergehendes Phänomen, das langfristig verschwinden wird. Sobald es nur einen einzigen Unternehmer ohne Diskriminierungsneigung gebe, werde dieser die Lohnunterschiede nutzen und mit den „billigeren“ Frauen relativ kostengünstiger produzieren. Langfristig würden diskriminierende Unternehmen aus dem Markt verdrängt, weil sie teurer produzieren. Im Gegensatz zu dieser Überlegung hat sich die Lohn-diskriminierung in der Realität als ein langandauerndes Phänomen erwiesen. 2. Humankapitaltheorie In der Humankapitaltheorie wird nicht die Nachfrage-, sondern die Angebotsseite der Arbeit betrachtet. Sie faßt Unterschiede in der Qualifikation und der Berufserfahrung der Arbeitskräfte unter dem Begriff Humankapital, womit das durch ausgebildete und hochqualifizierte Arbeitskräfte repräsentierte Leistungspotential der Bevölkerung gemeint ist, zusammen. Lohnunterschiede sind nach dieser Theorie das Ergebnis von rationalen Entscheidungen der Arbeitskräfte über Investitionen in ihre Ausbildung bzw. ihre Qualifikation, die die Höhe ihres zukünftigen Einkommens beeinflußt.
Mit Hilfe des Humankapitalansatzes können Lohn-unterschiede zwischen den Geschlechtern in eine diskriminierende und eine nichtdiskriminierende Komponente aufgeteilt werden: Einkommensunterschiede werden als nicht diskriminierend bezeichnet, wenn sie sich durch die unterschiedliche Ausstattung mit Humankapital erklären lassen. Entsteht bei einer solchen Betrachtung eine zusätzliche Differenz, ist diese als Maß der Diskriminierung zu betrachten. Der Erwerb von Human-kapital kann dabei auf zwei Arten erfolgen: erstens durch die Ausbildungsdauer, welche die vertikale Segregation beeinflußt, und zweitens durch die Berufswahl, welche die horizontale Segregation begründet. In jedem Fall wird unterstellt, daß die Individuen Kosten und Nutzen rational abwägen und freiwillig entscheiden. Sie investieren in eine bestimmte Ausbildung nur, wenn sich die Investition in Form eines höheren Lebenseinkommens auszahlt. a) Ausbildungsdauer Bei der Entscheidung über die Ausbildungsdauer betrachten Frauen und Männer bei dieser Sichtweise den künftigen Einkommensverlauf. Dieser ist in nachfolgender Abbildung für einen »typischen 4 Mann und eine typische’ Frau dargestellt: Wer nach der obligatorischen Schulpflicht keine Ausbildungsinvestitionen vornimmt, erzielt unmittelbar hach Beendigung der Schulzeit ein Einkommen. Dieses steigt jedoch im Verlauf der Jahre aufgrund der geringen Qualifikation nur wenig an und kann sogar bis zur Pensionierung leicht zurückgehen (Kurve AB). Bei einer Zusatzausbildung entstehen zunächst direkte Kosten in Form von Schulgeld und indirekte Kosten durch entgangenes Einkommen während der Ausbildungszeit. Das Anfangseinkommen ist in diesem Fall geringer als das Einkommen ohne Zusatzausbildung (Punkt C). Im weiteren Verlauf erzielt ein »typischer 4 Mann mit Zusatzausbildung dann bald durchgängig ein (zunehmend) höheres Einkommen als ohne Zusatzausbildung (Kurve CD).
Betrachten wir nun den Einkommensverlauf einer »typischen 4 Frau mit Zusatzausbildung (Kurve CE und FG in der Abbildung), die vorübergehend aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Zunächst einmal verläuft ihre Einkommenskurve wie beim Mann (Kurve CE). Beim Austritt aus dem Berufsleben bricht jedoch ihr Einkommen ab (Punkt E in der Abbildung). Bei einem späteren Wiedereinstieg muß sie sogar einen geringeren Wiedereinstiegslohn in Kauf nehmen, weil in der Zeit der Nichtbeschäftigung ein Wissensverfall eingetreten ist (Punkt F). Bei der Pensionierung liegt dann ihr Einkommen deutlich unter demjenigen des Mannes (Punkt G). Daher lohnt sich unter diesen Voraussetzungen eine Zusatzausbildung für eine Frau sehr viel weniger als für einen Mann. Mit dieser Überlegung lassen sich ca. 40 Prozent der Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern erklären 60 Prozent bleiben allerdings unerklärt und können damit als Diskriminierung gelten. b) Berufswahl Die Humankapitaltheorie erklärt auch die Berufswahl der Frauen nicht aus geschlechtstypischen Neigungen, sondern aus den erwarteten Einkommensverläufen: Grundsätzlich veraltet das in der Ausbildung erworbene Wissen, wenn es nicht ständig angewendet (und aktualisiert) wird. Damit nehmen aber auch die Einkommenserwartungen im Laufe der Zeit ab, jedoch nicht in allen Berufen in gleicher Weise. In Berufen, in denen sich die Qualifikationsanforderungen rasch ändern, ist mit einem raschen Wissensverfall zu rechnen. Dies ist regelmäßig in Berufen der Fall, die durch einen hohen technischen Fortschritt gekennzeichnet sind. Dort veraltet das erlernte Wissen besonders schnell. In der Physik veraltet es beispielsweise siebenmal schneller als in den Sprachwissenschaften und ca. doppelt so schnell wie in der Psychologie, gemessen an der Zitierhäufigkeit veröffentlichter Literatur im Zeitablauf Demzufolge ziehen Frauen sprachlich-literarische und pflegerische Berufe vor, bei denen das Wissen weniger rasch veraltet c) Kritik am Ansatz der Humankapitaltheorie Die Humankapitaltheorie liefert zwar ein klares Konzept für die Erklärung von geschlechtsspezifischen Lohndifferenzen, jedoch reicht sie zur vollständigen Erklärung der Lohnunterschiede nicht aus. Erstens wird vorausgesetzt, daß die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen die alleinige Kontrolle über ihr Humankapital haben. Dies ist jedoch in hohem Ausmaß unrealistisch: Der Einfluß des sozialen Umfeldes auf die Berufsentscheidung ist beträchtlich. So haben z. B. Mädchen aus Familien ohne älteren Bruder in der Regel bessere Berufschancen Ein anderes Beispiel ist die Angst vor beruflicher Überflügelung des Partners; sie kann sich motivationshemmend auf die berufliche Leistung auswirken. Zweitens erklärt die Humankapitaltheorie gerade 40 Prozent der Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern. Es muß also nach weiteren theoretischen Erklärungen Ausschau gehalten werden. Eine bietet die Theorie der statistischen Diskriminierung. 3. Theorie der statistischen Diskriminierung (Gruppendiskriminierung)
Die Theorie der statistischen Diskriminierung berücksichtigt, daß Unternehmen in aller Regel über die Produktivität männlicher und weiblicher Anbieter von Arbeit nur unvollkommen informiert sind. Sie können sich zwar durch Zeugnisse, Biographien oder geeignete Auswahlverfahren ein Bild machen, aber sie bleiben über die Regelmäßigkeit, mit der die Arbeitsleistung zu erwarten ist, im ungewissen. Sie weichen in diesem Fall auf die durchschnittliche Produktivität aus, die bei Frauen in der Regel niedriger ist. Die Ursachen dafür liegen in der Ausbildung und in den Berufsunterbrechungen. Im Ergebnis bewirkt dies eine statistische Diskriminierung für diejenigen Frauen, die im Beruf das gleiche leisten wie Männer. Die Folgen können sowohl eine Lohn-als auch eine Beschäftigungsdiskriminierung sein. Im ersten Fall erhalten Frauen für gleich produktive Arbeit einen geringeren Lohn als Männer. Im Fall der Beschäftigungsdiskriminierung werden Frauen für bestimmte Berufe gar nicht erst angestellt. Die Nachteile können noch verstärkt werden, wenn Rückkoppelungseffekte im Spiel sind: Bieten Unternehmen Frauen aufgrund der Gruppendiskriminierung weniger Ausbildungschancen oder unattraktive Arbeitsplätze an, so werden diese auch weniger in ihr Humankapital investieren. Die Erwartungen der Unternehmer führen so zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Genau dies führt aber für die Frauen in einen Teufelskreis 4. Theorie des segmentierten Arbeitsmarktes Die Theorie des segmentierten Arbeitsmarktes liefert eine andere Erklärung für die Diskriminierung. Es wird angenommen, daß es auf dem Arbeitsmarkt einzelne Teilmärkte oder Segmente gibt. Die Segmente bilden sich nach den Kriterien der Rasse, der Religion oder eben des Geschlechts und sind mehr oder weniger voneinander abgeschottet.
Eine wichtige Art der Segmentierung des Arbeitsmarktes ist die Aufteilung in einen internen und einen externen Arbeitsmarkt. Auf dem internen Arbeitsmarkt, der nur beim Berufseinstieg offen ist, werden die Stellen mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aus dem Unternehmen besetzt. Für die Unternehmen hat die Existenz des internen Arbeitsmarktes den Vorteil, daß die hohen Ausbildungskosten für die Arbeitskräfte nicht umsonst sind. Der Nachteil besteht in der mangelnden Flexibilität des Systems: Bei konjunkturellen Veränderungen können die Unternehmen über diese Arbeitskräfte nicht frei disponieren, ein Nachteil, der durch den externen Arbeitsmarkt ausgeglichen wird. In diesem befinden sich Arbeitsplätze ohne hohe Qualifikationsanforderungen, auf denen es aber auch keine wesentlichen Aufstiegschancen gibt. Die Löhne sind deshalb niedriger als im internen Arbeitsmarkt, und sie sind dem Wettbewerb unterworfen.
Bei der Zuweisung von Arbeitnehmergruppen zu den stabilen internen und unstabilen externen Teil-arbeitsmärkten spielt die geschilderte , statistische Diskriminierung 4 eine Rolle. Einzelne Arbeitnehmergruppen werden vom internen Arbeitsmarkt ausgeschlossen, weil die Unternehmen ihnen eine niedrigere Produktivität zuschreiben. Da hier auch kein , training on the job 4 stattfindet, führt dies in einen Teufelskreis für die Randgruppen des Arbeitsmarktes, der keineswegs nur für Frauen gilt: Ursprünglich beschäftigten sich die Vertreter des Segmentationsansatzes mit den Arbeitnehmer-gruppen, die sich aus den Bewohnern amerikanischer Großstadtghettos rekrutierten. Von den Unternehmen wurden diese vornehmlich für die unqualifizierten und unsicheren Arbeitsplätze eingestellt, und zwar auch deshalb, weil dieser Bevölke-rungsgruppe Unzuverlässigkeit und eine hohe Fluktuationsrate nachgesagt wird. Umgekehrt begünstigten diese Arbeitsmarktbedingungen wiederum genau ein solches Verhalten. Damit ist gesagt, daß die Unternehmen selbst die Arbeitskräfte den Arbeitsmarktsegmenten zuordnen. Aus der Sicht der Unternehmen ist dies durchaus rational, da sie bei einzelnen Bevölkerungsgruppen bestimmte Fähigkeiten und Verhaltensweisen vermuten. Damit erfüllen sich jedoch ihre Erwartungen selbst, entstehen doch genau diese Fähigkeiten und Verhaltensweisen oft erst , on the job‘. Die Theorie des segmentierten Arbeitsmarktes kommt insoweit zum gleichen Ergebnis wie die Theorie der statistischen Diskriminierung
Auch in bezug auf die Frauenarbeit wird auf die Segmentationstheorie zurückgegriffen. Die Frauen werden zusammen mit Jugendlichen und Rand-gruppen dem externen Arbeitsmarkt zugeordnet. Weil man mit einer geringeren Beschäftigungsdauer der Frauen rechnet, lohnt es sich für die Unternehmen nicht, in die Ausbildung der Frauen zu investieren. Damit bleiben Frauen Outsider des internen Arbeitsmarktes. Allerdings wird dieser Sicht der Segmentationstheorie entgegengehalten, daß sich Frauenarbeitsplätze grundlegend von denen der anderen , Randgruppen 4 des Arbeitsmarktes unterscheiden. Zwar ließe sich mit diesem Ansatz begründen, weshalb Frauen der Zugang zu den höheren Hierarchiestufen verwehrt bleibt. Offen bliebe aber die Frage, weshalb die Frauen-arbeitsplätze auf allen Hierarchiestufen auf bestimmte Arbeitsbereiche beschränkt sind. Die Segmentation der Arbeitsmärkte nach dem Geschlecht folgt demzufolge nicht dem bekannten Muster und verlangt nach einer zusätzlichen Erklärung.
Diese zusätzliche Erklärung ergibt sich, wenn man die Rolle der betrieblichen Arbeitsorganisation mit einbezieht. Diese ist in den ökonomischen Arbeitsmarkttheorien kein Thema. Die Existenz bestimmter Berufe und Arbeitsplatztypen wird vorausgesetzt. In der Realität ist die Arbeitsorganisation jedoch nicht vorgegeben, sondern es besteht ein beträchtlicher Spielraum für die Unternehmen, die Qualifikation der Arbeitskräfte zu nutzen. Dies zeigt nicht zuletzt die aktuelle Diskussion um neue Organisationskonzepte wie „Lean Production Die Tätigkeiten und die soziale Einbindung eines Arbeitsplatzes können von den Unternehmen so gestaltet werden, daß sie auf ein bestimmtes Qualifikationsmuster der Arbeitskräfte zugeschnitten sind. In die Definition dieser Muster gehen nun auch Geschlechtsrollentypisierungen ein. Damit wäre die Ausstattung der von den Unternehmen angebotenen Arbeitsplätze keineswegs geschlechtsneutral, wie dies die ökonomischen Arbeitsmarkttheorien annehmen. Es stellt sich deshalb die Frage, von welchen Frauen-bzw. Männerstereotypisierungen die Unternehmen bei der Zuschneidung der Arbeitsplätze ausgehen und wie diese zustande kommen. Dieser Frage wendet sich die , Theorie des weiblichen Arbeitsvermögens'zu
III. Soziologischer Erklärungsansatz: Die Theorie des , weiblichen Arbeitsvermögens
Die Theorie des , weiblichen Arbeitsvermögens'wurde von Elisabeth Beck-Gernsheim und Ilona Ostner entwickelt. Die Besonderheiten der weiblichen Arbeitskraft entstehen danach durch die geschlechtsspezifische Persönlichkeitsentwicklung im Sozialisationsprozeß. Diese wird geprägt durch die gesellschaftliche Aufteilung der Arbeit in berufliche Arbeit und private Hausarbeit sowie die Zuweisung der Hausarbeit an die Frauen. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, daß Frauen mehrheitlich zur Hausfrauenarbeit und weniger zu anspruchsvoller Berufstätigkeit herangezogen werden. Das Gemeinsame der Situation der Frauen, die sich grundlegend von der der Männer unterscheidet, liegt in der widersprüchlichen Ausrichtung von Hausarbeit und Erwerbsarbeit. Die Widersprüche, denen die Frauen ausgesetzt sind, liegen in den einander oft entgegengesetzten Anforderungen an Verhaltensweisen und Motivation, welche Hausarbeit und Erwerbsarbeit darstellen: Während für die Erwerbsarbeit die Zeit-und Kosteneffizienz im Vordergrund stehen, spielt für die Hausarbeit die Beziehungspflege die maßgebende Rolle. Entscheidend für den beruflichen Erfolg sind die Fähigkeit und Bereitschaft zu Wettbewerbsverhalten und Abgrenzung zwischen Berufs-und Privatleben. Die Hausarbeit hingegen erfordert die Fähigkeit und Bereitschaft zu Geduld, Empathie, Solidarität und ständiger Verfügbarkeit. Daraus ergeben sich besondere Motivationen, Fähigkeiten und Verhaltensweisen der Frauen im Arbeitsleben. Sie sind vornehmlich an Berufen interessiert, in denen Helfen, Pflegen, soziale Kontakte und Ästhetik eine Rolle spielen, und sie sind eher zur Unterordnung bereit. Nur selten haben sie harte Konkurrenzkämpfe auszufechten. Im Zweifelsfall wählen sie einen befriedigenderen Arbeitsplatz, während Männer einer hierarchisch höheren Position den Vorzug geben. Wenn für Frauen beides unerreichbar ist, weichen sie auf die Pflege der sozialen Kontakte aus.
Allerdings kann eine dementsprechende Sozialisation der Frauen durchaus auch erst in den Unternehmen erfolgen. Ein Beispiel dazu ist die häufige Zuordnung hausarbeitskompatibler Attribute zu den Frauenarbeitsplätzen. Auch wenn diese Attribute nichts mit den tatsächlichen Neigungen und Fähigkeiten der Frauen zu tun haben, werden sie dennoch häufig von ihnen erwartet. Deshalb ist nicht auszuschließen, daß es sich bei der Berufswahl von Mädchen mehr um einen Kompromiß mit den eingeschränkten Möglichkeiten handelt als um eine tatsächliche Wahl im Sinne einer Entscheidung Die Zuschneidung der Arbeitsplätze auf die Geschlechter kann für die Unternehmen dabei durchaus rational sein. Neben den fachlichen Fähigkeiten spielen nämlich auch die sozialen Kompetenzen eine Rolle. Die Qualifikation für einen Arbeitsplatz setzt sich nicht nur aus der Fähigkeit zusammen, die geforderten Tätigkeiten auszuführen, sondern es werden auch bestimmte von der Ausbildung unabhängige Persönlichkeitsmerkmale von den Angestellten erwartet. Damit werden die Persönlichkeitsmerkmale selbst zu Produktionsfaktoren. Gelingt es einem Unternehmen, sein soziales Umfeld innerhalb des Unternehmens an die gesellschaftlichen Rollenbilder außerhalb des Unternehmens anzupassen, kann es daraus einen Produktivitätsvorteil erzielen
Soll eine Abteilung möglichst homogen zusammengesetzt sein, kann darüber hinaus auch die Gruppenzugehörigkeit als ein Produktivitätsvorteil betrachtet werden, weil innerhalb homogener Gruppen weniger Informationsaufwand zur Verständigung nötig ist Andererseits werden aber die Stellen oft schon durch ihren sozialen Kontext zu Frauen-oder Männerarbeitsplätzen. So haben Frauen oft deshalb eine höhere Belastung, weil sie zusätzlich zu der geforderten sachlichen Leistung auch noch mit ihrer sozialen Kompetenz die Reibungsverluste ausgleichen müssen, welche innerhalb der homogenen männlich geprägten Gruppe durch ihre bloße Existenz entstehen. Zusätzlich setzt für die Männer die geforderte zeitliche Flexibilität an vielen Arbeitsplätzen Partnerinnen voraus, die in der Hausarbeit die nötige Voraussetzung dazu schaffen. Verstärkt wird dies noch dadurch, daß in vielen Unternehmen männlich geprägte informelle Beziehungen gepflegt werden, um die Homogenität der Gruppen zu steigern, wie dies vor allem aus japanisch geprägten Gruppen-konzepten bekannt ist. Dadurch wird eine gleichmäßige Aufteilung der Haus-und Familienarbeit noch weiter erschwert.
IV. Fazit: Die geschlechtsspezifische Zuschneidung von Arbeitsplätzen muß neu überdacht werden
Die im vorigen Abschnitt angestellten Überlegungen lassen es dringlich erscheinen, die Rolle der Arbeitsorganisation bei der Desintegration von Frauen kritisch zu reflektieren. Leider beschränkt sich die Frauenförderung allzuoft auf Appelle an die Bewußtseinsänderung, ohne die gegebenen Restriktionen zu beseitigen: Frauen werden ermutigt, sich der Karriere stärker zu widmen, und Männer werden aufgefordert, ihre Vorurteile gegenüber Frauen abzubauen. Solange jedoch die at-traktiven Arbeitsplätze auf Männer zugeschnitten sind und die Frauen sich -durchaus rational in Kenntnis der zu erwartenden Probleme -durch Selbstselektion von diesen Arbeitsplätzen ausschließen, greifen solche Maßnahmen zu kurz. Wirkliche Frauenförderung bedeutet daher, diese Zuschneidung der anspruchsvollen Arbeitsplätze auf Männer zu ändern. Die Überlegungen, wie dies zu leisten ist, stehen allerdings noch ganz am Anfang. Ziel wäre, folgende rhetorische Frage an Männer überflüssig werden zu lassen: „Stellen Sie sich vor, Ihr Rechtsanwalt, Ihr Arzt, Ihr Priester, Rabbi oder Minister, Ihr Senator und Repräsentant, Ihr Bürgermeister, der Präsident Ihrer Institution, die meisten seiner Untergebenen, nahezu alle Fakultätsvorstände und die meisten Ihrer Kollegen wären Frauen. Wie würden Sie sich fühlen?“
Margit Osterloh, Dr. rer. pol., geb. 1943; Studium des Wirtschaftsingenieurwesens in Berlin; seit 1991 ordentliche Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Zürich. Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg. zus. mit Gertraude Krell) Personalpolitik aus der Sicht von Frauen -Frauen aus der Sicht der Personalpolitik. Was kann die Personalforschung von der Frauenforschung lernen?, München-Mering 19932; Interpretative Organisations-und Mitbestimmungsforschung, Stuttgart 1993. Karin Oberholzer, lic. oec., geb. 1963; Studium der Volkswirtschaftslehre an der Hochschule St. Gallen.
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