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Illegale Einreise und internationale Schleuserkriminalität. Hintergründe, Beispiele und Maßnahmen | APuZ 46/1997 | bpb.de

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APuZ 46/1997 Asyl für politisch Verfolgte und die Eindämmung von Asylrechtsmißbrauch Illegale Einreise und internationale Schleuserkriminalität. Hintergründe, Beispiele und Maßnahmen Probleme der Zuwanderung am Beispiel Berlins Zusammen leben: Die Integration der Migranten als zentrale kommunale Zukunftsaufgabe Was kann ein Einwanderungsgesetz bewirken?

Illegale Einreise und internationale Schleuserkriminalität. Hintergründe, Beispiele und Maßnahmen

Klaus Severin

/ 23 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Deutschland liegt im Herzen Europas, umgeben von neun Nachbarstaaten. Es ist das Ziel von Menschen aus aller Welt, die nicht nur erlaubt, sondern auch illegal einreisen wollen. Ende 1996 lebten 1 600 000 Flüchtlinge und Asylbewerber in Deutschland. International operierende Kriminelle, aber auch Einzeltäter, schleusen Menschen aus allen Teilen der Welt nach Deutschland bzw. nutzen das Land als Basis neuer Schleusungen. Die international organisierten Schleuser sagen den Menschen eine vielversprechende Zukunft voraus und lassen sich ihre „Dienste“ teuer bezahlen. Die Geschleusten werden damit abhängig, da sie teilweise die hohen Preise nicht zahlen können. Die Menschen sind im Zielland dann erpreßbar, was sehr oft in der Kriminalität endet; die Schleuser sind moderne Menschenhändler. Die großen Schleuserorganisationen operieren weltweit und skupellos. Sie sind ein Teil der Organisierten Kriminalität (OK) mit nicht kontrollierbaren Gewinnen. Die Bekämpfung der illegalen Einreise und der Schleuserkriminalität ist eine Aufgabe, die in der Bundesrepublik Deutschland nur gemeinsam durch alle im Grenzgebiet und im Inland zuständigen Behörden, insbesondere die Sicherheitsbehörden Bundesgrenzschutz, Landespolizeien und Zoll, erfolgreich wahrgenommen werden kann. Dringend nötig ist aber auch die Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften der Nachbarstaaten und den Behörden in aller Welt, um bereits im Vorfeld die illegale Zuwanderung zu stoppen und die international operierenden kriminellen Schleuserorganisationen zu zerschlagen. Diese internationale Zusammenarbeit ist eine der besonderen Herausforderungen für den Bundesgrenzschutz.

I.

1. Auf einem Autobahnparkplatz in Deutschland hält ein Lkw. Der Fahrer beseitigt die (Zoll-) Plomben, entfernt die rückseitige Plane und räumt einige Kisten beiseite. Dahinter versteckt befindet sich ein Aufenthaltsraum, einem Wohnmobil gleich, nicht ganz so komfortabel. Etliche „Reisende“ verlassen die Ladefläche, sie werden auf dem Rastplatz schon erwartet. Die Abholer mit ihren Pkws bringen sie an das gewünschte Ziel. Alles geht reibungslos, teilweise blitzschnell und vor allem unauffällig. Wer so reist, will und darf nicht auffallen -er reist illegal, d. h., er passiert die Staatsgrenzen ohne Erlaubnis, ohne das erforderliche Grenzübertrittspapier und das Visum. Ziele sind die reichen Länder Europas, insbesondere Deutschland.

Die Preise für die „Reisen“, für den erforderlichen Transit durch andere Staaten bis zur Einschleusung nach Deutschland, sind hoch. Kaum einer dieser „Reisenden“ aus Asien oder Afrika ist in der Lage, dies selbst zu organisieren. Ein Paß ist erforderlich. Korrupte Beamte müssen dazu bestochen oder ein fremder Paß muß für den „Reisenden“ passend gemacht werden -Lichtbilder austauschen, Personaldaten ändern, Paßseiten herauslösen und manipulierte einfügen. Des weiteren ist im Preis der Schleusung die „Story“ inbegriffen, zumeist die einer Verfolgung. Asyl im wohlhabenden, hilfsbereiten und zahlungswilligen Deutschland ist meistens das Ziel.

Der Preis für eine Schleusung kann daher sehr hoch sein. Er richtet sich u. a. nach dem Umfang der „Leistungen“, der Dauer der Reise und den Schwierigkeiten bei den Grenzübertritten. Besonders teuer wird es bei Organisationen, die Schleusungen mit Erfolgsgarantie anbieten: Wird der Geschleuste entdeckt und zurückgewiesen, ist die nächste Schleusung kostenfrei. Ehrbare Kaufleute also, die hier ihre Hilfe anbieten und gewähren? Mitnichten, es sind fast alle skurpellose Kriminelle, die den Wunsch nach Wohlstand gewissenlos ausnutzen. Schleusungen mit Zwischenstationen über mehrere Staaten können mehrere zehntausend Dollar kosten. Wohlstandssuche also nur für ohnehin Reiche? Wer hat in der Dritten Welt schon so viel Geld?

In der Regel werden sich die Ärmsten der Armen die Schleusungen nicht kaufen können. Aber mit einer Anzahlung und einer Verschuldung geht es auch. Die Tilgung der Schulden erfolgt dann im Zielland, u. a. durch die Leistungen unseres Sozial-systems. Abhängigkeiten entstehen, die Geschleusten werden erpreßbar und können somit zu strafbaren Handlungen gezwungen werden. Geschleuste werden zu „Sklaven“, die Schleuser sind die modernen Menschenhändler unserer Zeit. Keiner kann die Folgen abschätzen, die durch diese illegalen Einreisen und die illegalen Aufenthalte für unseren Staat und damit seine Bürger entstehen. Dies gilt für den Rechtsstaat genauso wie für den Bereich Soziales, auch Gesundheit und die Wirtschaft. Aber nicht nur die Preise in Dollar oder Mark können sehr hoch sein. Wenn auf den Etappen der Schleusung Fehler unterlaufen, kann dies auch den Menschen die Gesundheit oder sogar das Leben kosten.

Mit welcher Skrupellosigkeit Schleuserorganisationen vorgehen, wird an einem Schleusungsfall deutlich, der für 18 srilankische Staatsangehörige mit dem Tod endete. Sie waren in einem verschlossenen Lkw auf der Fahrt durch Ungarn erstickt. Die gutorganisierte Schleuserbande hatte in Gruppen Srilanker und Iraker über Rußland, die Ukraine und Moldawien nach Rumänien geschleust. Dort wurden 40 Personen in einem präparierten Lkw eingeschlossen, nachdem ihnen die Pässe abgenommen worden waren. Für die nur mit wenig Proviant und kaum Wasser versorgten Menschen endete die Fahrt bei hochsommerlichen Temperaturen in einer Katastrophe. In der Nähe von Budapest öffnete der Fahrer die von außen verschlossenen Türen der Ladefläche der Zugmaschine und ließ die dort Eingeschlossenen mit der Bemerkung frei, daß sie in Deutschland seien. Ob er anschließend den Tod der 18 Eingeschlossenen auf der Ladefläche des Anhängers feststellte und dann erst flüchtete, ist nicht bekannt. Alle dort eingeschlossenen Menschen waren erstickt. 2. Am 31. Dezember 1996 landete auf dem Flughafen in Frankfurt am Main eine Maschine der Turkmenistan Airlines. Es war ein Charterflug, aus Ashkabad/Turkmenistan kommend. Neben der Besatzung waren 89 Passagiere an Bord. Alle Passagiere suchten um Asyl nach.

Eine erste Überprüfung der Passagiere durch Beamte des Bundesgrenzschutzes ergab, daß keiner über die erforderlichen Reisedokumente für die Bundesrepublik Deutschland verfügte. Wenige Passagiere legten echte Pässe vor, aus denen Seiten herausgerissen waren, einige besaßen teilweise oder total gefälschte Pässe, die überwiegende Zahl hatte keine Papiere. Bei einem Zwischenstopp hatte der begleitende Schleuser die bis dort benutzten Pässe eingesammelt und das Flugzeug verlassen. Was sich bei der Anmeldung des Fluges wie ein normaler Charterflug darstellte, entpuppte sich als einer der weltweit organisierten Schleusungsfälle. Es war eine Reise über viele Stationen, Städte und Staaten Asiens und Europas, organisiert durch Kriminelle.

Die zuständigen Behörden des Bundesgrenzschutzes stellten Ermittlungen gegen die Schleuser und ihre Helfer an, gegen die Fluggesellschaft wurde eine Untersagungsverfügung durch die Grenzschutzdirektion erlassen. Derartige Verfügungen ermöglichen die Verhängung von Zwangsgeldern (pro Passagier 2 000 bis 5 000 DM) und zusätzlich einer Geldbuße bis zu 20 000 DM. Des weiteren wurde die Fluggesellschaft zur Zahlung einer mehrere hunderttausend DM betragenden Sicherheitsleistung aufgefordert. 3. Nach der gleichen Art und Weise sind kurze Zeit später zwei weitere Schleusungen nach Europa erfolgt: -am 15. Februar 1997 über den Londoner Flughafen mit 43 Personen nach Großbritannien; -am 16. Februar 1997 über den Flughafen Amsterdam mit 173 Personen in die Niederlande.

Die Ermittlungen haben ergeben, daß bekannte kriminelle Schleuserorganisationen der Durchführung verdächtig sind. Die Umstände des Falles von Amsterdam verdeutlichen besonders die internationalen Verflechtungen dieser Organisierten Kriminalität: Die 173 Passagiere gaben an, Srilanker tamilischer Volkszugehörigkeit zu sein. Nach Ermittlungen der Koninklijken Marechaussee, der niederländischen Grenzpolizei, müssen zumindest ein Teil von ihnen mit ge-

bzw. verfälschten singapurischen Reisepässen ausgestattet gewesen sein. Bei der Reinigung der Bordtoiletten wurden einige zerrissene Teile gefunden. Einige Personen erklärten, vom Schleuser angewiesen worden zu sein, die Pässe während des Fluges zu vernichten. Dies erfolgte auch mit den Flugtickets. Als die Grenzpolizei die Einreise verweigerte, stellten alle Passagiere einen Asylantrag. Am nächsten und übernächsten Tag wurden alle Personen in verschiedene Asylzentren eingewiesen.

Weitere Recherchen ergaben, daß die Reisenden wohl zunächst bis Ashkhabad/Turkmenistan transportiert wurden. Von dort wurde dann die gecharterte Maschine der Turkmenistan Airlines benutzt. Bis zu 21 000 niederländische Gulden (ca. 20 000 DM) wollen sie pro Person bezahlt haben. Bereits fünf Tage später wurden in Deutschland drei dieser Asylbewerber auf der Autobahn A 44 Richtung Kassel und acht auf der Autobahn bei Weil am Rhein aufgegriffen. Sie wurden unverzüglich in die Niederlande überstellt. Fünf Tage nach der Ankunft auf dem Amsterdamer Flughafen, am 21. Februar 1997, waren 160 von den 173 Asylbewerbern untergetaucht.

Kaum eine andere Schleusung zeigt besser den Umfang und die Arbeitsweise dieser weltweit operierenden Organisierten Kriminalität.

II.

„Deutschland ist aufgrund seiner geographischen Lage im Herzen Europas in besonderem Maße von der unerlaubten Zuwanderung betroffen. Illegale Einreise und Schleuserkriminalität haben sich infolge ihrer internationalen Verflechtung und einer zunehmenden Professionalisierung der later zu einem besonders gefährlichen und schwer bekämpfbaren Phänomen entwickelt ... Die tatsächliche Zahl der Ausländer, die auf ihrem Weg nach Deutschland durch Schleuser oder Schleuserorganisationen unterstützt wurden, einschließlich der Fälle, bei denen beim polizeilichen Zugriff zwar ein Schleusungsverdacht vorlag, dieser aber nicht konkretisiert werden konnte, ist als wesentlich höher anzusehen.“ 1996 wurden insgesamt 27 024 Ausländer nach einer unerlaubten Einreise festgestellt, 94 154 wurden beim Versuch der illegalen Einreise direkt an der Grenze zurückgewiesen. Des weiteren wurden 7 364 Ausländer eingeschleust, es handelte sich um 1 775 Schleusungsfälle. War 1996 ein rückläufiger Trend von unerlaubt eingereisten Ausländern zu verzeichnen, so ist die Anzahl im ersten Halbjahr 1997 deutlich gestiegen (+ 3 618 Personen, Steige-* rung ca. 30 Prozent) Der Druck der illegalen Migration nach Deutschland hält somit an bzw. verstärkt sich weiter.

Auch im Bereich der Schleuseraktivitäten im ersten Halbjahr 1997 ist dies festzustellen. Allerdings ist hier eine Entwicklung der Professionalisierung zu beobachten. Es finden mehr Schleusungen von größeren Gruppen statt. Dies ist am Anstieg der geschleusten Ausländer (+ 533 Personen, Steigerung ca. 17 Prozent) bei einem gleichzeitigen Rückgang der Schleusungsfälle (-53 Fälle, Rückgang ca. 6 Prozent) festzustellen.

Diese Feststellungen, die Auswertungen sichergestellter Unterlagen, zahlreiche Informationen anderer Behörden Prozent) 4 festzustellen.

Diese Feststellungen, die Auswertungen sichergestellter Unterlagen, zahlreiche Informationen anderer Behörden des In-und Auslandes sowie andere Quellen lassen den Schluß zu, daß zumindest die Gruppenschleusungen professionell organisiert werden. Somit wäre die Schleuserkriminalität der Organisierten Kriminalität (OK) zuzurechnen.

III.

Was ist Organisierte Kriminalität? „Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn-oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftagen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäfts-ähnlicher Strukturen, b) unter Anwendung von Gewalt oder zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder c) unter Einflußnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft Zusammenwirken.“ 5 Die deutsche Polizeiliche Kriminalstatistik weist für das Jahr 1996 845 anhängige Ermittlungsverfahren im Bereich der Organisierten Kriminalität aus (1995: 787) 6. 8 384 Tatverdächtige waren in 47 916 Einzeldelikten festgest 384 Tatverdächtige waren in 47 916 Einzeldelikten festgestellt worden. Dabei war der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger mit 62, 2 Prozent sehr hoch 7. Von den 845 Ermittlungsverfahren sind 26 Verfahren der Schleuserkriminalität zuzuordnen. „Das Betätigungsfeld der kriminellen Gruppierungen ist breit gestreut. Sie kontrollieren neben dem Rauschgifthandel die Herstellung und Vertreibung von Falschgeld und den illegalen Waffenhandel... Weitere typische Betätigungsfelder sind Schutzgelderpressungen, Menschenhandel und Prostitution sowie Schleusungskriminalität.“ 8 Diese kriminellen Organisationen arbeiten weltweit. Viele beschränken sich nicht auf ein Betätigungsfeld, sie nutzen jede Möglichkeit ihrer kriminellen Energie, um noch mehr Profit zu erzielen. So können Aussagen über weltweite Gewinne und Schäden der OK nur Schätzungen sein, die 1996 wohl weit über 100 Milliarden DM betragen haben. Die Gewinne -und die Schäden -, die von organisierten Kriminellen nur durch weltweite Schleusungen erzielt werden, liegen weitgehend im dunkeln.

Aber auch die Gewinne und Schäden, die durch nicht der OK zuzurechnenden Schleusungen erzielt bzw. verursacht wurden und werden, sind beträchtlich. Sei es durch den an der Grenze wohnenden tschechischen Schleuser, der einen rumänischen Staatsangehörigen einer Tresorknackerbande für 50 DM über die grüne Grenze bringt, sei es der „ahnungslose“ deutsche Taxifahrer, der den Geschleusten auf einem Waldweg erwartet, um ihn für 30 DM zum nächsten Bahnhof zu fahren.

Das große Geschäft wird aber durch kriminelle Schleuserorganisation gemacht. Es ist nur zu erahnen, wenn Geschleuste wahrheitsgemäß Wege, Helfer und Preise nennen. Summen bis zu 40 000 Dollar (ca. 70 000 DM) werden dann schon einmal bekannt -und viele sind daran beteiligt, machen damit ihr Geschäft. So gibt es Anzeigen in Zeitungen in Indien, in denen offen Schleusungen nach Deutschland angeboten werden. So gibt es Basare im Irak, auf denen Händler die Schleusungen anpreisen. Es geschieht also teilweise offen; die Behörden dulden es und verdienen in zahlreichen Fällen mit.

In einigen Fällen reicht die (mündliche) Versicherung, wer man sei (oder sein will), und ein neuer, ein anderer amtlicher Reisepaß wird ausgestellt. Einige Dollar beschleunigen die behördliche Prozedur. Ist kein neuer eigener Paß zu erhalten, stehen Gehilfen der Organisation bereit, total gefälschte Pässe werden hergestellt. Dies ist aber sehr riskant, wenn es schlechte Fälschungen sind. Das Erkennen dieser Fälschungen hat durch die Professionalisierung der Beamten des Bundes-grenzschutzes (BGS) zugenommen. So werden mehr und mehr echte Pässe verfälscht. Immer wieder werden welche entdeckt, in denen Lichtbilder ausgetauscht, Personaldaten geändert und gestohlene Visa eingefügt wurden. Diese Verfälschungen erfolgen inzwischen teilweise so professionell, daß es erfahrener Grenzbeamter bedarf, um sie im schnellen Strom der Reisenden erkennen zu können.

Das Herausfiltern von ge-oder verfälschten Pässen ist aber nicht das einzige Problem für die Grenzschutzbeamten. Schwieriger wird es, wenn der Reisende einen echten Paß vorlegt und als Grund einen Besuchsaufenthalt angibt. Kommen dem Beamten Zweifel, gilt es zu prüfen, ob die Angaben der Wahrheit entsprechen. Kann eine Reiseroute benannt werden? Ist genug Geld vorhanden? -das sind nur einige der zahlreichen Prüfkriterien. Aber auch auf diese Fragen haben sich die Schleuser eingestellt. Ihre „Kunden“ haben eine „Story“ parat, Vorzeigegeld ist vorhanden usw. Ist die Grenzkontrolle erfolgreich durchlaufen, warten in etlichen Fällen Gehilfen der Schleuser bereits hinter der Grenzkontrollstelle und nehmen dem Geschleusten Vorzeigegeld und Pässe ab. Diese Menschen sind nun ganz den Kriminellen ausgeliefert.

Warum wird versucht, nach Deutschland einzureisen? Warum wird nach Möglichkeit kein Asyl-antrag an der Grenze gestellt? Ist man erst im Landesinnern, kann der Aufenthaltsort selbst bestimmt werden. So kann der illegal eingereiste Ausländer am Ort seiner Wahl bei Bekannten oder Verwandten erst einmal untertauchen. Er kann auch so den Zeitpunkt seines Asylantrages „wählen“ -sei es, daß er in eine der seltenen Polizeikontrollen gerät, sei es, daß er bei einer Straftat angetroffen oder als Tatverdächtiger ermittelt wird, der illegale Aufenthalt festgestellt und die Ausweisung droht.

Es kann auch sein, daß der Asylantrag nur gestellt wird, um in den Genuß der damit verbundenen finanziellen und materiellen Unterstützungen zu gelangen. Daß gelegentlich selbst Ausländer, die sich illegal hier aufhalten, beim Empfang von Sozialhilfe vor der Abschiebung zumindest zeitweise sicher sind, wird am Beispiel Berlin deutlich. Das Nachrichtenmagazin „Focus“ berichtete kürzlich über die Weigerung von drei Bezirksbürgermeistern Berlins, Namen von illegal in Berlin* lebenden Ausländern der zentralen Ausländerbehörde zu benennen. Die Illegalen beziehen in den Bezirken Sozialhilfe und könnten bei den Besuchen der Bezirksämter durch die Ausländer-behörde überprüft und erforderlichenfalls abgeschoben werden. Focus zitiert den Berliner Innensenator Jörg Schönbohm: „An illegale Ausländer Sozialhilfe auszuzahlen und sie nicht der Ausländerbehörde zu melden, stellt eine Aufforderung dar unterzutauchen und fördert die organisierte Zuwanderung.“

Dabei handelt es sich auch um Ausländer, die nicht nur die genehmigte Zeit eines Besuches überschritten haben. Der Innensenator hat insbesondere im Auge, daß von diesem Personenkreis eine Vielzahl von Straftaten mit erheblicher krimineller Energie begangen werden. „Hier müssen wir gegensteuern. Das wichtigste Mittel ist die konsequente Abschiebung straffälliger Ausländer“, betont Schönbohm.

Welche nicht nur finanziellen Folgen auch im Gesundheitsbereich illegal hier befindliche Ausländer für die Gemeinschaft haben können, zeigt der Tod eines vermutlich an einer ansteckenden Krankheit -zunächst war das gefährliche Lassa-Fieber angenommen worden -verstorbenen Mannes aus Ghana. Wie berichtet wurde, soll der Ghanaer Polizeiangaben zufolge mit falschen Papieren über den Flughafen Düsseldorf illegal eingereist sein Nachdem sein Asylantrag im Februar 1997 rechtskräftig abgelehnt worden war, soll er untergetaucht und sich unter verschiedenen Namen in der Bundesrepublik aufgehalten haben. „Vom 9. bis zum 11. September hielt er sich in Mainz im Haus eines Pfarrers, der die ghanaische Kirchengemeinde in Wiesbaden betreut, auf“, teilte ein Polizeisprecher mit. Bei seiner Einlieferung ins Krankenhaus hatte der Ghanaer einen falschen Namen angegeben.

Die illegale Einreise, die Angabe verschiedener (falscher) Namen, das Untertauchen und der damit kaum nachvollziehbare Aufenthalt an verschiedenen Orten in der Bundesrepublik Deutschland bereiten nicht nur den Gesundheitsbehörden große Schwierigkeiten, im Krankheitsfall alle Kontaktpersonen ausfindig zu machen. Erschwerend kommt hinzu, daß sich eventuell einige von diesen selbst illegal in Deutschland aufhalten und andere, die Unterschlupf gewährt haben, kein Interesse haben, daß dies den Behörden bekannt wird. Es sind die einerseits direkten und indirekten und andererseits die bewußten und unbewußten Helfer der Schleuser, die -ob sie es wollen oder nicht -die kriminellen Aktivitäten der Schleuserorganisationen unterstützen.

Der tragische Tod des Mannes aus Ghana zeigt schlaglichtartig für die Öffentlichkeit auf, daß es bei illegaler Einreise und illegalem Aufenthalt nicht nur um die damit verbundenen -hier wäre auch Aids zu nennen -Probleme geht. Die Kriminalität der sich hier in Deutschland nur kurzfristig oder illegal aufhaltenden Ausländer ist hoch. Dies belegt die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 1996. In einem Aufsatz dazu führte der Bundesminister des Innern, Manfred Kanther, u. a. aus: . Allerdings stellten die Asylbewerber auch fast jeden vierten Tatverdächtigen bei Taschendiebstahl, fast jeden zwölften bei Handel und Schmuggel mit Rauschgiften (bei Kokain sogar jeden vierten und bei Heroin jeden siebten) sowie jeden zwölften bei Mord und Totschlag und Vergewaltigung.“

Bei der weiteren Auswertung und Kommentierung kommt Kanther zu dem Ergebnis: „Die Gruppe der sonstigen’ Nichtdeutschen, die sich vor allem aus abgelehnten, aber geduldeten Asylbewerbern, Flüchtlingen und Erwerbslosen zusammensetzt, hat deutlich um 7, 8 Prozent zugenommen und stellt fast jeden vierten (23, 0 Prozent, 1995: 22, 1 Prozent) nichtdeutschen Tatverdächtigen ... Ausländerkriminalität ist in Deutschland vor allem unter Personen zu beobachten, die sich nur für kurze Zeit oder illegal in Deutschland aufhalten.“

Daß andere Ausländer sich normalerweise strafrechtlich nicht anders als Deutsche verhalten, weist die Statistik ebenfalls aus. Ausländer, die in Deutschland seit Jahren legal leben, haben sich in der großen Anzahl integriert und verhalten sich strafrechtlich unauffällig.

Rund 82 Millionen Einwohner lebten Ende 1996 in Deutschland, wobei der Anteil der ausländischen Bevölkerung, die sich hier gemeldet und somit legal aufhält, mit nunmehr 8, 9 Prozent den bisher höchsten Stand erreicht hat. Jeder zehnte in Deutschland Lebende besitzt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. In diesen Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind naturgemäß nicht die Ausländer enthalten, die illegal nach Deutschland eingereist sind und sich auch nicht später gemeldet haben. Nach den Feststellungen des Bundesministeriums des Innern (BMI) haben sich Ende 1996 rund 1 600 000 Flüchtlinge und Asylbewerber (legal) in Deutschland aufgehalten

Die Gesamtlänge der deutschen Grenzen beträgt 6 094 km, davon sind 3 855 km Land-und 2 239 km Seegrenzen. Seit dem 26. März 1995 können die Grenzen zu den Schengener Vertragspartnern Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Spanien und Portugal kontrollfrei überschritten werden. Zu Österreich und Italien werden in den nächsten Monaten die Kontrollen eingestellt, Griechenland soll folgen.

Verbunden mit der Abschaffung der Grenzkontrollen ist ein Bündel von Sicherheitsausgleichsmaßnahmen vertraglich festgelegt. Insbesondere verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, ihre jeweiligen Außengrenzen lückenlos zu kontrollieren. Dies gilt für die Grenzübergänge genauso wie für die „grüne“ Land-und die „blaue“ Seegrenze. Besondere Bedeutung für Deutschland haben somit die Seegrenzen der Nord-und Ostsee, die Grenzen zu Polen, Tschechien, der Schweiz und zur Zeit noch zu Österreich. Folgende weitere wichtige Ausgleichsmaßnahmen wurden vereinbart, die für die Bekämpfung der illegalen Einreise oder Durchreise und der grenzüberschreitenden Kriminalität von besonderer Bedeutung sind:

Schengener Informationssystem (SIS)

Das SIS ist ein international vernetztes elektronisches Fahndungssystem. Alle nationalen Polizeibehörden der Schengener Vertragsstaaten haben auf den gesamten Fahndungsbestand Zugriff. Das System hat sich bewährt, Wartezeiten bei den Kontrollen, bedingt durch das SIS, sind an den Grenzen nicht zu verzeichnen. Der Grenzbeamte hat nunmehr auch Zugriff auf den schengenweiten Bestand; damit hat sich der Sicherheitsstandard für die Bürger dieser Staaten erhöht.

Zusammenarbeit der Polizei-und Grenzpolizeibehörden über die Grenzen hinweg Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist nach dem Wegfall der verdachtsunabhängigen Grenzkontrollen erheblich verstärkt und mit dem Schengener Regelwerk auf eine neue Basis gestellt worden. Nach über zwei Jahren Praxis kann die Zusammenarbeit der Grenzpolizeien, aber auch der Polizei mit ihrer Nachbarbehörde, insgesamt als gut bezeichnet werden.

Da naturgemäß Kriminelle -wie früher auch -die vorhandenen Grenzen passieren, haben z. B. die Niederlande und Frankreich ihre Grenzpolizeien angewiesen, den Grenzraum weiter zu überwachen. In Deutschland erfolgt dies durch den Bundesgrenzschutz. Für diesen „Sicherheitsschleier“ (im Grenzraum bis zu einer Tiefe von 30 km) sollen in Zukunft ca. 1 000 BGS-Kräfte eingesetzt werden. Gemeinsam mit anderen mit Sicherheitsaufgaben betrauten Behörden -wie u. a. Landes-polizei und Zoll -kann dadurch ein effektives Sicherheitskonzept verwirklicht werden. Diese für den Grenzraum im Inland angestrebte und in vielen Fällen bereits verwirklichte Form der Zusammenarbeit muß natürlich auch für die Zusammenarbeit mit den ausländischen Grenz-und Polizeibehörden gelten. Auch hier sind etliche Vereinbarungen getroffen worden; die Zusammenarbeit nimmt zu.

Die Polizeiliche Rechtshilfe -diese Form der polizeilichen Zusammenarbeit hat allerdings bisher ihre Wirkung noch nicht so sehr entfaltet. Hier bedarf es noch Regelungen und Vereinfachungen, da die Rechtssysteme in den Staaten zu verschieden sind. Grenzüberschreitende Observationen und Nacheilen haben sich zwischen den Staaten eingespielt, wobei die überwiegende Zahl solcher Maßnahmen von und zu den Niederlanden aufgrund der Rauschgiftproblematik stattfindet.

Aufgrund der Erfahrungen mit dem Wegfall der verdachtsunabhängigen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs durch den BGS Ende März 1995 haben zwei Länder (Bayern und Baden-Württemberg) ihre Polizeigesetze geändert, um insbesondere die Organisierte Kriminalität und Kriminelle, die die Reisefreiheit über Grenzen ausnutzen, effektiver bekämpfen zu können. Die Landespolizisten haben nunmehr die Befugnisse für die Durchführung Verdachts-und ereignisunabhängiger Personenkontrollen zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität auf Autobahnen und Durchgangsstraßen mit Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr, auf Flughäfen und Bahnhöfen sowie in sonstigen Einrichtungen des internationalen Verkehrs. Die ersten Auswertungen bestätigen die Notwendigkeit dieser neuen Möglichkeiten der Polizei, die Erfolge sind gut. Bestätigen sich weiterhin diese Erfolge der Landespolizei im Grenzraum, sollte der Bundesgrenzschutz in seinem Zuständigkeitsraum, dem 30 km breiten Grenzstreifen, ebenfalls die Möglichkeit der verdachtsunabhängigen Kontrolle auf bestimmten Straßen, Orten, Plätzen und auf Bahnhöfen erhalten.

Angleichung der Rechtssysteme und Verordnungen Die Harmonisierung der Visumpolitik, die Umsetzung der asylrechtlichen Bestimmungen, die Regelungen im Bereich Schußwaffen, der Betäubungsmittelkriminalität und der Drogenpolitik sind die weiteren großen Komplexe, die im Schengener Raum angeglichen werden.

IV.

Das Funktionieren oder aber die Wirkungslosigkeit der Kontrollen an den Außengrenzen haben unmittelbare Auswirkungen auf alle Vertragsstaaten. Nimmt ein Schengener Staat seine Grenzkontrollen nicht voll wahr, so verlagern u. a. Schleuser ihre Aktivitäten dorthin. Illegale Migranten „strömen“ durch dieses Loch in die Staatengemeinschaft. Dieser besonderen Verantwortung der Kontrolle der Außengrenze ist sich die Bundesrepublik Deutschland bewußt. Es bedarf daher eines hohen Standards der Überwachung und Sicherung ihrer für die Schengener Staaten insgesamt wichtigen Grenzen.

Brennpunkte der illegalen Einreise bilden seit Jahren die deutschen Ostgrenzen zu Polen und der Tschechischen Republik mit einer Gesamtlänge von 1 264 km. So wurden 1997 dort im ersten Halbjahr 10 932 unerlaubt Eingereiste, 3145 Geschleuste und 741 Schleuser festgestellt. Dabei ist zu beobachten, daß sich die illegale Einreise und die Schleuseraktivitäten immer mehr auf die tschechisch-deutsche Grenze verlagern. Bemerkenswert ist hier der starke Anstieg der bis Ende Juni unerlaubt eingereisten irakischen Staatsangehörigen. Waren es im gesamten Jahr 1996 noch 1 549, so sind es im ersten Halbjahr 1997 bereits 1 591 gewesen.

Die unerlaubte Einreise der Iraker wird grundsätzlich durch internationale Schleuser organisiert. Sie erfolgt auf dem Land-oder Luftweg mit ge-oder verfälschten Papieren über osteuropäische Flughäfen; sie erfolgt des weiteren aber auch über die Türkei nach Griechenland, dann mit Fähren nach Italien. Von dort wird über Frankreich, die Schweiz oder Österreich die Einschleusung nach Deutschland organisiert.

V.

Welche Vorkehrungen sind im grenzpolizeilichen Bereich getroffen worden, um die unerlaubte Einreise von Ausländern zu verhindern, insbesondere aber, um die Aufdeckung und Zerschlagung der internationalen Schleuserkriminalität zu erreichen? 1. An den Außengrenzen Deutschlands sind rund 19 600 Kräfte eingesetzt (davon BGS 11 700, Zoll/Reisendenabfertigung 5 400, Grenzpolizei 2 200, Wasserschutzpolizei Hamburg und Bremen 300); im Bereich der Landgrenzen sind es insgesamt 11 700, an den Seegrenzen 2 800 und auf den Flughäfen 5 100.

Im Brennpunkt der unerlaubten Einreise -an den Grenzen nach Tschechien und Polen -verrichten 5 800 Polizeivollzugsbeamte des BGS und 3 100 Kräfte der anderen Grenzbehörden ihren Dienst. Dies stellt die höchste Personaldichte an einer Schengener Außengrenze dar.

2. Der Einsatz von optischem und elektronischem Material unterstützt die Kräfte. Da der illegale Grenzübertritt sowie das Einschleusen hauptsächlich nachts geschieht, ermöglichen insbesondere die bereits vorhandenen 77 Wärmebildgeräte des BGS und 24 des Zolls die Kontrolle. Des weiteren stehen andere Nachtsichtgeräte in großer Zahl zur Verfügung. Detektionsgeräte zum Aufspüren von eingeschlossenen Menschen in Lastkraftwagen, Großbehältern oder Hohlräumen von Eisenbahnwagen sind erprobt und werden weiter beschafft.

Mit sieben neuen Booten des BGS und weiteren des Zolls wird auf der Oder die Grenzüberwachung verstärkt, unterstützt durch Hubschrauber des BGS, teilweise mit Wärmebildgeräten ausgerüstet. Moderne Informationstechnik, Geräte zum Erkennen ge-oder verfälschter Pässe, Visa oder Führerscheine sowie eine moderne Kraftfahrzeug-ausstattung vervollständigen die Ausrüstung. 3. Die beste technische Ausstattung kann jedoch nicht den gut ausgebildeten und erfahrenen Beamten des BGS ersetzen. Durch Aus-und Fortbildung werden alle Kräfte des BGS auf ihre Aufgaben vorbereitet, wobei es neben dem Fachwissen insbesondere auf die Fähigkeit der Flexibilität bei der Bekämpfung der Schleuserkriminalität ankommt. 4. Durch eine umfassende Neuorganisation soll der Bundesgrenzschutz den innerhalb kurzer Zeit sehr viel größer und schwieriger gewordenen grenzpolizeilichen Herausforderungen gerecht werden. Eine neue Dienststellenstruktur soll dies gewährleisten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen vor Ort, insbesondere an der Ostgrenze, als Stammkräfte ihren Dienst verrichten. Des weiteren werden zur Bekämpfung von überörtlich operierenden Straftätern schlagkräftige Fahndungs-und Ermittlungsorganisationen aufgebaut. 5. Die Grenzschutzinspektionen, die Grenzschutzämter, die Grenzschutzpräsidien und die Grenzschutzdirektion arbeiten auf der Grundlage des Schengener Vertragswerkes und bilateraler Grenzverträge mit den grenzpolizeilichen Partnern der Nachbarstaaten zusammen. Diese Zusammenarbeit kann sich aufgrund der weltweit operierenden Schleuser aber nicht nur auf die Nachbarstaaten beschränken. So hat die Bundesrepublik Deutschland mit zahlreichen Staaten Vereinbarungen über eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität getroffen. Auch hier kommt dem BGS eine besondere Bedeutung zu. Die Grenzschutzdirektion ist für den Bereich der Schleuserkriminalität der Ansprechpartner der ausländischen Grenzpolizeien -insbesondere auch dann, wenn es sich nicht um einen Nachbarstaat handelt.

Des weiteren werden durch die Grenzschutzdirektion gesteuert Polizeivollzugsbeamte befristet auf Flughäfen in aller Welt eingesetzt, um Personal von Fluggesellschaften zum Erkennen von geoder verfälschten Grenzübertrittspapieren zu schulen und Beratungen der dortigen Grenzpolizei vorzunehmen. Dies geschieht, wenn diese Flughäfen Drehscheiben der Schleusungen sind.

Ein äußerst wichtiger Baustein im Kampf gegen die zunehmende Schleuserkriminalität ist eine vertrauensvolle internationale Zusammenarbeit. Hierzu bietet sich an, Polizeivollzugsbeamte als Verbindungsbeamte auszutauschen. Dies ist bereits geschehen: BGS-Beamte verrichten Dienst in Frankreich und den Niederlanden bei den dortigen Behörden, die für Grenzkontrollen zuständig sind. Grenzpolizeiliche Verbindungsbeamte für Polen, Bulgarien, Tschechien, Österreich und Italien werden zur Zeit für ihre verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet. Diese Staaten werden ebenfalls Verbindungsbeamte zum BGS entsenden. Aus Frankreich.den Niederlanden und Norwegen verrichten bereits einige ihren Dienst bei der Grenzschutz-direktion. 6. Eine effektive Überwachung und Sicherung ihrer Grenzen ist ein Grundbedürfnis auch der nunmehr freien Staaten Mittel-und Osteuropas.

Hier leistet neben anderen Staaten der Europäischen Union die Bundesrepublik Deutschland Ausbildungs-und Ausstattungshilfen für die Polizeien und Grenzbehörden. Der BGS ist hier im Bereich des Aufbaus der Grenzpolizeien maßgeblich beteiligt. Diese Hilfen sollen dazu beitragen, die Staaten in die Lage zu versetzen, auch die grenzüberschreitende Schleuserkriminalität effektiver zu bekämpfen.

VI.

„Die Bundesregierung muß auch dem Mißbrauch des Asylrechtes, der sich als eine Form der illegalen Zuwanderung darstellt, weiterhin entgegenwirken. Dabei wird unter Mißbrauch die von vornherein ungerechtfertigte Berufung auf politische Verfolgung verstanden ... Die Bundesregierung wird ihre Anstrengung zur wirksamen Bekämpfung illegaler Praktiken bei Einreise, Aufenthalt und Beschäftigung auf nationaler und internationaler Ebene fortsetzen.“

Die Verhinderung der unerlaubten Einreise, so sie nicht bereits im Vorfeld geschieht, erfolgt durch die Grenzpolizei durch unmittelbare Zurückweisung an der Grenze. Der Ausländer darf die Bundesrepublik Deutschland nicht betreten bzw. hat den Grenzübergang unverzüglich wieder zu verlassen. Hat der Ausländer illegal die Grenze passiert, insbesondere über die Grüne Grenze, und wird er in unmittelbarem Zusammenhang damit aufgegriffen, kann er ebenfalls aufgefordert werden, unverzüglich das Land zu verlassen.

Hat sich ein Ausländer zunächst legal in Deutschland aufgehalten und erlischt dieses Recht, ist er zur Ausreise verpflichtet. Dies gilt auch für Ausländer, deren Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen sind. Folgt ein Ausländer seiner Pflicht zur Ausreise nicht, kann er abgeschoben werden. Besteht der begründete Verdacht, daß er untertauchen will, kann Abschiebehaft verhängt werden. Der Ausländer wird allerdings vorher auf seine Ausreisepflicht hingewiesen, damit er freiwillig ausreist. Diese Maßnahmen erfolgen durch die Ausländerbehörden der Bundesländer.

Die Grenzbehörde, i. d. R.der BGS, wird von den Ausländerbehörden über Abschiebungen informiert. Begleiten bei einer Abschiebung auf dem Luftweg keine Landesbedienstete den Abschübling, übernimmt der BGS diesen am Flughafen und ist nunmehr für alle weiteren Verfahrens-schritte verantwortlich. BGS-Beamte müssen festlegen, ob der Rückzuführende eine Gefahr für Passagiere, Besatzung oder Flugzeug sein könnte. Kommen sie zu dem Ergebnis, daß dies nicht der Fall ist, wird lediglich die Ausreise überwacht. Der Ausländer wird zum Flugzeug begleitet, so daß ein Verlassen des Flughafens unmöglich ist.

Wird ein Abzuschiebender von der Landespolizei bereits unter Anwendung von unmittelbarem Zwang zum Flughafen gebracht oder gilt er aufgrund von Verhaltensweisen oder Straftaten als gewaltbereit oder war er bereits gewalttätig, muß er zur Sicherheit während des Fluges durch Polizeivollzugsbeamte des BGS begleitet werden. Die BGS-Beamten haben während des Fluges keine originären Hoheitsrechte. Die Polizeigewalt übt ausschließlich der Flugkapitän aus, er kann sich hierzu der Begleitbeamten bedienen. Eine Begleitung wird von den Flugzeugführern bei gewalttätigen oder gewaltbereiten Rückzuführenden verlangt, da sie es sonst aus Sicherheitsgründen ablehnen, diese Ausländer zu befördern. Die BGS-Beamten übernehmen mit der Begleitung in jedem Einzelfall eine große Verantwortung für Passagiere, Besatzung und Maschine. 1996 sind aus der Bundesrepublik Deutschland 32 100 Ausländer abgeschoben worden, davon waren 14 484 abgelehnte Asylbewerber. Die Begleitung gewalttätiger oder gewaltbereiter Rückzuführender erfordert einen hohen Personal-und Kostenaufwand. Vergleicht man jedoch die Kosten, die durch den weiteren Aufenthalt Ausreise-pflichtiger hierzulande entstünden, sind diese Beträge im Verhältnis als weniger gravierend anzusehen.

Die Begleitung von Abzuschiebenden ist nicht immer einfach. So versuchen einige bereits beim Transport zum Flughafen, durch Widerstand oder Beschimpfungen der Landespolizisten die Rückführung zu verhindern. Das gleiche passiert nach der Übernahme beim Bundesgrenzschutz. Teilweise müssen Ausländer aufgrund ihres Widerstandes und ihrer Gewaltbereitschaft von mehreren Beamten begleitet werden, manchmal ist sogar ein Arzt erforderlich. Aber auch durch Beschuldigungen der sie zum Flughafen verbringenden Landespolizisten und der sie übernehmenden BGS-Beamten versuchen einige Rückzuführende die Rückreise zu verhindern -etwa durch die Behauptung ungerechtfertigter Anwendung von unmittelbarem Zwang. Dies wird von einigen Pressevertretern teilweise ungeprüft übernommen und verbreitet, genauso wie von einigen hiesigen „Interessenvertretungen“ der Abzuschiebenden. Dabei wird bewußt übersehen, daß es sich z. B. bei abgelehnten Asylbewerbern um rechtskräftig abgeschlossene Verfahren handelt, wobei der Rechtsweg über mehrere Instanzen, teilweise bis zum Bundesverfassungsgericht, ausgeschöpft wurde. Dies ist bei nicht wenigen Asylbewerbern ein -ebenfalls sehr kosten-und personalaufwendiges -Verfahren, die Aufenthaltsdauer in Deutschland und die damit verbundene finanzielle Unterstützung möglichst zu verlängern.

In etlichen derartigen Fällen handelt es sich auch um Rückzuführende, die direkt als Strafgefangene aus einer Vollzugsanstalt abgeschoben werden. Der objektive Betrachter kann sich bei diesen ungerechtfertigten Angriffen gegen die Landespolizisten und die Grenzschutzbeamten durch diese Medien bzw. Organisationen des Eindrucks nicht erwehren, daß ihnen offenbar die Fortsetzung des Mißbrauchs unseres großzügigen Rechts-und Sozialsystems zu unserer aller Schaden wichtiger ist als deren Schutz. Dabei gewährte Deutschland Ende 1996 nicht weniger als 1 600 000 Flüchtlingen und Asylbewerbern eine Zuflucht, davon waren allein ca. 320 000 Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina und ca. 500 000 De-facto-Flüchtlinge. Letztere sind Personen, die keinen Asyläntrag gestellt haben oder deren Asylantrag abgelehnt worden ist, denen aber aus humanitären oder politischen Gründen die Rückkehr in ihr Heimatland nicht zumutbar ist, sowie Personen, die ursprünglich aus diesen Gründen Aufnahme gefunden haben und sich noch immer im Bundesgebiet aufhalten. Des weiteren ist auf die Bilanz des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) vom 15. August 1997 hinzuweisen, in der herausgestellt wurde, daß Deutschland mit rund 750 000 Flüchtlingen auf Platz vier der Liste der aufnehmenden Staaten steht Ferner kann nicht unerwähnt bleiben, daß 52, 51 Prozent der Asylbewerber, die 1996 in die Europäische Union kamen, in der Bundesre-publik einen Asylantrag stellten. Deutschland trägt also in Europa mit großem Abstand gegenüber allen anderen Staaten die Hauptlast der entweder legal, illegal oder über Asyl zuwandernden Ausländer. Dieser Sachverhalt ist nicht zuletzt angesichts der Tatsache zu bedenken, daß sowohl unsere Ressourcen -die Finanzmittel der öffentlichen Haushalte -wie auch die Möglichkeiten einer Integration -Arbeitsplätze -nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen.

Es ist zu prüfen, ob der Bundesgrenzschutz als Spezialpolizei auch im Inland erweiterte Zuständigkeiten zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität erhalten muß. Durch eine Erweiterung seiner Befugnisse -vergleichbar denen der Landespolizeien Bayern und Baden-Württemberg -um verdachtsunabhängige Kontrollen im Grenzraum, auf Eisenbahnen und Bahnhöfen, könnte der Bundesgrenzschutz die unerlaubte Einreise und die Schleuserkriminalität -und damit auch die Organisierte Kriminalität -noch erfolgreicher bekämpfen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Jahresbericht 1996 des Bundesministeriums des Innern zur Kriminalitätslage in der Bundesrepublik Deutschland, S. 13.

  2. Vgl. Statistische Übersichten der Grenzschutzdirektion (GSD) -Feststellungen an den Grenzen -1. Halbjahr 1997.

  3. Vgl. ebd.

  4. Vgl. ebd.

  5. Vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik 1996, Bundeskriminalamt.

  6. Kurt Scheiter, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Bekämpfung des internationalen Verbrechens, in: Zeitschrift für die Innere Sicherheit in Deutschland und Europa (ZFIS), Nr. 1, Juli/August 1997, S. 8.

  7. Vgl. Letzte Warnung des Senats, in: Focus, Nr. 37 vom 8. September 1997, S. 55.

  8. Vgl. „Ein echter Verdacht“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. 9. 1997, S. 49.

  9. Manfred Kanther, Polizeiliche Kriminalstatistik 1996, in: ZFIS (Anm. 8), S. 6.

  10. Vgl. Aufzeichnung zur Ausländerpolitik und zum Ausländerrecht in der Bundesrepublik Deutschland, BMI, vom Juli 1997, S. 103.

  11. Aufzeichnungen zur Ausländerpolitik (Anm. 12), S. 7.

  12. Vgl. Zeugen und Opfer von Gewalt, in: Die Welt vom 16. 9. 1997.

Weitere Inhalte

Klaus Severin, geb. 1942; Offiziersausbildung beim Bundesgrenzschutz (BGS), verschiedene Verwendungen in den Verbänden des BGS; Ausbildung zum höheren Polizeivollzugsdienst an der Grenzschutzschule und an der Polizeiführungsakademie; Leiter des Grenzschutzamtes Aachen zur belgischen und niederländischen Grenze; Leiter des Grenzschutzamtes Frankfurt/Main Flughafen; ab Juni 1995 Direktor der Grenzschutzdirektion in Koblenz.