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Wer will was? Rechteinhaber/Verwerter

Robert Gehring Robert A. Gehring

/ 5 Minuten zu lesen

Der Sammelbegriff Rechteinhaber bezieht sich in erster Linie auf die Verwerter urheberrechtlich geschützter Werke wie Musik, Büchern, Filmen und Fachzeitschriften. Im Grunde ist aber jede oder jeder Kreative betroffen, die oder der Werke schafft, die – auf welche Weise auch immer – digital veröffentlicht werden. Im Interesse einer differenzierteren Darstellung, werden die Interessen von Urhebern und Verwertern an dieser Stelle getrennt diskutiert.

Die großen Interessenvertretungen der Rechteinhaber rekrutieren sich entsprechend aus der Musik-, Film- und Verlagsbranche, wobei man zwischen Industrieverbänden auf der einen Seite und Verbänden von kreativ Tätigen auf der anderen Seite unterscheiden kann. Die Kreativen werden in erster Linie durch die Verwertungsgesellschaften, darüber hinaus aber auch von Berufsverbänden und den Gewerkschaften, vertreten.

Die Rechteinhaber setzen sich in der Urheberrechtsdebatte ganz überwiegend dafür ein, dass Schutzfristen verlängert, Digitale Rechtemanagement-Systeme eingeführt und Schrankenbestimmungen im Urheberrecht eingegrenzt werden, also im Ergebnis für eine weitere Einschränkung von Möglichkeiten und Rechten der Nutzer. Ihre Motive sind dabei ökonomischer Natur: Sie versprechen sich höhere Einnahmen dadurch, dass sie die Werke länger und umfassender verwerten können, und wollen Einnahmenverluste durch den Tausch digitaler Kopien verringern beziehungsweise kompensieren. Mit der kostenpflichtigen Lizenzierung ihrer Waren – urheberrechtlich geschützte Werke – können sie mehr verdienen, wenn es weniger gesetzliche Ausnahmen gibt, die es gestatten, diese Werke kostenlos oder nur für eine niedrige Gebühr zu nutzen, und wenn es schwerer ist, eigene digitale Kopien der Werke zu verbreiten.

Aus diesen Motiven heraus ist der vehemente Einsatz für die Einschränkung oder gar Abschaffung der Privatkopie zu verstehen, also des eingeschränkten Rechts, für die private, nichtkommerzielle Nutzung Kopien von erworbenen Werken zu erstellen.

Zu den großen Rechteinhabern gehören vor allem Verlage, Musikunternehmen und Unternehmen aus der Filmbranche. Dabei ist zu erwähnen, dass es teilweise gravierende Unterschiede in den Positionen der unterschiedlichen Unternehmensverbände in ein und derselben Branche geben kann. Es ist daher immer nicht ganz einfach, ein stimmiges Bild der Meinungen zu zeichnen.

Die Musikindustrie ist vorrangig daran interessiert zu verhindern, dass unerlaubte digitale Kopien von Musikstücken im Internet verbreitet und CDs privat kopiert werden. Zu diesem Zweck wollen sie

  • die Nutzung von Peer-to-Peer-Tauschbörsen untersagen und unter Strafe stellen,

  • einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegen Internet-Provider einführen, um Urheberrechtsverletzungen im Internet zu bekämpfen, und

  • verstärkt technische Schutzmaßnahmen unterschiedlicher Art einsetzen und so

  • eine weit gehende Einschränkung der Privatkopie erreichen: Denn eine mit Kopierschutz versehene CD darf nach dem aktuellen Urheberrecht nicht mehr wie zuvor zum privaten Gebrauch kopiert werden.

  • Darüber hinaus macht sich die Musikindustrie für eine Verlängerung der Schutzfristen für Musikaufnahmen stark.

Der Bundesverband Musikindustrie e.V. ist die größte Interessenvertretung der Musikindustrie in Deutschland und repräsentiert nach eigener Aussage mit etwa 350 Tonträgerherstellern rund 90 Prozent des Musikmarktes. Er entstand 2007 aus dem Bundesverband der Phonographischen Wirtschaft e.V. und der Deutschen Landesgruppe der IFPI (International Federation of the Phonographic Industry). Zu ihm gehört die Deutsche Phono-Akademie als gemeinnütziges Kulturinstitut der Musikwirtschaft.

Der Verband unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten (VUT) ist der zweite wichtige Interessenvertreter. Rund 1.200 kleinere und mittelständische Unternehmen aus der Musikbranche haben sich hier organisiert. Bis vor knapp zwei Jahren war der VUT noch Mitglied der IFPI. Wegen Meinungsverschiedenheit zum Thema Digitales Rechte-Management (DRM) und Umgang mit Musikkäufern ist der VUT jedoch Ende 2005 aus der IFPI ausgeschieden.

Die Unternehmen aus der Film- und Fernsehbranche haben sehr ähnliche Interessen wie die Musikindustrie. Auch sie wollen die unerlaubte Verbreitung von Filmen im Internet und auf digitalen Datenträgern verhindern. Mit teils hochkomplexen technischen Schutzmaßnahmen für Abspielgeräte und Medien betreiben sie erheblichen Aufwand, um private Kopien von DVDs und Videos zu unterbinden.

Die wichtigste Interessenvertretung der Film- und Fernsehbranche ist die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO). Darin haben sich alle wichtigen Verbände aus der Filmbranche zusammengeschlossen, darunter der Bundesverband Audiovisuelle Medien e.V., der Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten e.V. und Verband der Filmverleiher e.V.

Das Gegenstück zur SPIO ist in der Verlagsbranche der Börsenverein des Deutschen Buchhandels (Börsenverein). Der Bundesverband des Börsenvereins setzt sich aus Landesverbänden zusammen, in denen "rund 6.500 Verlage, Buchhandlungen und Antiquariate, Zwischenbuchhändler und Verlagsvertreter" organisiert sind. Gemessen an den Umsatzzahlen ist die Verlagsbranche das Schwergewicht unter den deutschen Medienindustrien.

Der Börsenverein tritt seit Jahren dafür ein, die gesetzlichen Ausnahmebestimmungen für Kopien aus Büchern, Zeitungen und Zeitschriften einzuschränken und in der Praxis eng auszulegen. Das betraf in der jüngeren Vergangenheit neben der Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke im Intranet zu Unterrichtszwecken auch den Versand (digitaler) Kopien an Bibliotheksnutzer durch den Dokumentenlieferdienst "subito", sowie das Nutzen digitaler Kopien von Werken über Terminals und Computernetze von Bibliotheken. Nach langem Streit veröffentlichten Börsenverein und der Deutsche Bibliotheksverband e.V. im März 2007 zu diesen Punkten gemeinsam ausgehandelte Formulierungsvorschläge für den Zweiten Korb, die so genannte "Leipziger Verständigung", die in das tatsächliche Gesetz Eingang fanden. Kritiker wie das "Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" meinen, da die Verlage eine eindeutig bessere Verhandlungsposition besaßen, stellten die jetzigen Regelungen eine deutliche Verschlechterung für Bildung und Forschung dar: Die Informationsversorgung werde teurer, die öffentliche Hand werde mehrfach "zur Kasse gebeten".*

Außerdem bemüht sich der Börsenverein darum, die Interessen von traditionellen Fachverlagen wissenschaftlicher Zeitschriften und Bücher gegenüber Forderungen nach "Open Access", also dem freien Zugang zu wissenschaftlichen Werken im Internet durch entsprechende Online-Zeitschriften und Datenbanken zu verteidigen. Insbesondere verwehrt er sich gegen "jegliche Art politischer Zwang zum Open Access", wie es in einer entsprechenden Erklärung heißt.

Die Hersteller von Software, Computer- und Videospielen bilden ein weiteres Lager von Verwertern, die sich für eine Verschärfung der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen und neue DRM-Techniken stark machen. In den vergangenen Jahren ist die Branche stark gewachsen und wird in absehbarer Zeit die Umsätze der Musikindustrie überholen. Die Interessen der Spiele-Hersteller bündelt der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU), die der großen Software-Hersteller die Business Software Alliance (BSA).

Seit jeher benutzen die Hersteller von Software und Videospielen technische Schutzmaßnahmen, etwa auf Hardware oder Software basierende Kopierschutzverfahren. In jüngerer Zeit kommen insbesondere bei den Anbietern von Online-Spielen komplexere Überwachungsmechanismen in Form von digitalem Rechte-Management zum Einsatz.

Viele Verbände aus der Film- und Software-Branche sind Mitglieder der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU). Die GVU führt eigenständig und in Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen zu Urheberrechtsverletzungen durch. Die teils sehr enge Zusammenarbeit zwischen der privatwirtschaftlichen GVU mit den staatlichen Ermittlungsbehörden in der Vergangenheit ist vor Gericht auf deutliche Kritik gestoßen.

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*Hinweis 17.03.2008: Dieser Abschnitt wurden wegen einer Veränderung der Sachlage nach Redaktionsschluss vom 17.11.2007 abgeändert.

Robert A. Gehring ist Informatiker und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich geistiges Eigentum und Open Source. Er ist Mitbegründer und Mitherausgeber des Open-Source-Jahrbuchs. Homepage: Externer Link: http://ig.cs.tu-berlin.de/ma/rg/ap/