„Es sind, einfach zu viele .. Bemerkungen zur Ausländerpolitik in der Bundesrepublik Deutschland
Karlfriedrich Eckstein
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Zusammenfassung
Der Verfasser geht unter Berücksichtigung historischer Aspekte („Ruhrpolen") auf die Entwicklung der Arbeiterwanderungen in die Bundesrepublik Deutschland seit den sechziger Jahren ein und befaßt sich mit den ausländerpolitischen Reaktionen. Nach seiner Auffassung ist durch eine nur zögerliche Bewertung und Behandlung der Frage ein „Problemstau" eingetreten, für den es Patentlösungen nicht gibt. Der Autor wertet die Entwicklung als „faktische Einwanderung" mit gewissen — auch verfassungsrechtlich gebotenen — unvermeidbaren Konsequenzen. Die aktuelle Politik muß diese „Hypothek" übernehmen und kann sie — nicht ohne außerordentliche Anstrengungen — nur abtragen, wenn das weitere Ansteigen der „Ausländerquote" verhindert wird. Für die betroffenen Ausländer ist die angestrebte „gleichberechtigende und gleichverpflichtende" Integration — wie stets in solchen Fällen — zwangsläufig mit einem gewissen Verlust ihrer mitgeführten Idendität verbunden.
„Es sind einfach zu viele, nicht auf der Baustelle und nicht in der Fabrik und nicht im Stall und nicht in der Küche, aber am Feierabend, vor allem am Sonntag sind es plötzlich zu viele. Sie fallen auf. Sie sind anders.“ Erhellender als mit dieser Bemerkung von Max Frisch wenige Zeilen nach dem bekannteren Wort von den „Menschen", die . kamen, während man doch , Arbeitskräfte" gerufen hatte, läßt sich das Problem wohl kaum kennzeichnen, das uns in der Bundesrepublik ebenso sehr beschäftigt wie unsere Nachbarn in der Schweiz, in Belgien, in Frankreich oder in jedem anderen der europäischen Industrieländer: Was einmal ökonomisch erwünscht war und durchweg noch immer erwünscht ist, beunruhigt und irritiert, wenn andere „Werte" — wirkliche oder nur eingebildete — in Rede ste-hen, und insbesondere auch wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten sichtbar werden. Und nicht nur den Ausländerfamilien, die der Arbeitsplätze wegen bei uns leben, begegnen wir mit dieser zwiespältigen Einstellung. Auch wer uns gestern noch als Mensch in Not oder Verfolgung willkommen war, den können wir heute nicht mehr davor schützen, als „Wirtschaftsflüchtling" oder „Scheinasylant" diskreditiert zu werden.
Ein optimistischer Betrachter mag glauben, daß hier vornehmlich nur Unsicherheit und Ratlosigkeit ihren Ausdruck finden. Es ist jedoch nicht zu übersehen, daß eine ernstere Entwicklung in Gang gekommen ist: Überfremdungsängste und Ausländerfeindlichkeit nehmen zu, und zwar nicht nur dort, wo sich primitive Blut-, Boden-und Rassemystik wieder an die Öffentlichkeit wagt, in Wandschmierereien, Schmäh-und Drohbriefen manifestiert oder gar — wie im Frühjahr 1980 in Lörrach und Hamburg — wieder zu erschreckenden, lebensvernichtenden Gewaltakten versteigt. Auch der der Radikalität unverdächtige und vorurteilsfrei denkende Bürger fühlt sich mehr und mehr beeinträchtigt und belastet durch die Kumulation der objektiven Schwierigkeiten, die die Anwesenheit von heute über 4, 5 Millionen Menschen fremder Nationalität und zu einem großen Teil sehr fremder kultureller Prägung unbestreitbar mit sich bringt.
Dabei kamen diese Menschen keineswegs unerwartet. Im Gegenteil: Eine nicht unbeträchtliche Zahl wurde im Hochgefühl immerwährender wirtschaftlicher Prosperität „angeworben" und planvoll unserem Arbeitsmarkt zugeführt. Unerwartet konnte es auch nicht gewesen sein, daß den Arbeitskräften Familien und Kinder folgen würden; und es wäre ein Wunder gewesen, wenn dies keine besonderen Anforderungen an die Kindergärten und Schulen gestellt hätte, wenn diese Menschen nicht auch Wohnungen gesucht und vor allem nicht auch eine Antwort auf die Frage nach ihren längerfristigen Zukunftsperspektiven erwartet hätten. Auf ein solches Wunder hatte man sich jedoch offenbar weithin und über lange Zeit verlassen.
Deshalb überrascht es nicht, wenn heute in der Schulfrage, in der Wohnsituation, in bezug auf die Lage der jugendlichen Ausländer und vor allem auch in den „athmosphärischen" Bedingungen zwischen der ausländischen und der einheimischen Bevölkerung eine mehr als beunruhigende Situation eingetreten ist, die allein mit Toleranzappellen und halbherzigen Maßnahmen nicht mehr zu überwinden ist.
Zum Abbau der Probleme gibt es freilich we-der Patentlösungen noch bislang unentdeckte Konzepte. Die Vorstellung einer groß angelegten „Repatriierung" ist ebenso illusionär wie das Wunschbild der Hinwendung zu einer „multikulturellen" Gesellschaft, was immer dies sein mag.
Eine realistische Einschätzung muß davon ausgehen, daß das allzulange Treibenlassen einer vorwiegend nur an partiellen Interessen — insbesondere des Arbeitsmarktes — orientierten Entwicklung Bedingungen gesetzt hat, die heute nicht mehr disponibel oder umzusto-ßen sind Den größten Teil der bei uns lebenden Ausländer hat man — nicht formaljuristisch aber faktisch — nicht anders denn als Einwanderer behandelt, an ihre spätere Rückkehrwilligkeit und Rückkehrfähigkeit zwar stets fest geglaubt, aber mindestens letztere untätig verkümmern und schwinden lassen. Dies hat zweifellos auch (Mit-) Verantwortlichkeit für die Überwindung der Folgen begründet. Nur, dies läßt sich für die Versäumnisse der Vergangenheit nicht durch ein schlichtes Rückdrehen der Entwicklung bewerkstelligen. Dafür ist es zu spät. Hier sind mittlerweile nicht nur soziale, humanitäre Dimensionen erwachsen; verfassungsrechtliche Bindungen treten hinzu.
Dies war Konsens des deutschen Juristentages 1980: „Für die politische Diskussion eröffnen sich neue Dimensionen durch eine verfassungsrechtliche Betrachtung", heißt es im Gutachten von Gunther Schwerdtfeger Und weiter: „Nachdem die politischen Instanzen der Gastarbeiterwelle ihren Lauf gelassen haben, greift nunmehr die Automatik des Verfassungsrechts ein. Sieht man vom politischen Status und von Einbürgerung ab, ist die bisherige Politik . kein Einwanderungsland'(erg.: für die hier lebenden Ausländer) aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr möglich. Dieses Ergebnis beruht nicht auf der ... Methode eines neuen Naturrechts, welches alles und jedes als verfassungsgeboten ansieht, was den Ausländer aus seinem Helotendasein befreit. Es drängt sich vielmehr gerade auch dann auf, wenn man methodisch dem Bundesverfassungsgericht folgt und Ansätze fortdenkt und abrundet, welche in der höchstrichterlichen Rechtsprechung enthalten sind: Mit fortschreitender Aufenthaltsdauer verlagert sich die reale Existenz des Ausländers mehr und mehr derart in die Bundesrepublik, daß sich seine Persönlichkeitsentwicklung objektiv gesehen (nicht notwendig nach den subjektiven Vorstellungen des Ausländers) schließlich wie bei einem Deutschen ohne Bruch nur noch in der Bundesrepublik weitervollziehen kann. Die Rückkehr ins Land der Staatsangehörigkeit ist eine Auswanderung aus der Bundesrepublik und trotz etwa vorhandener Kenntnisse der heimischen Sprache, Kultur und sozialen Verhaltensweisen ein personaler Neuanfang." Für die in Deutschland geborene und aufgewachsene oder im Kindesalter eingereiste junge Generation gilt dies in besonderem Maße, da sie — trotz aller integratorischen Defizite — ihre stärkste Prägung zweifellos durch die Verhältnisse in der Bundesrepublik erhalten hat Ihre Probleme können deshalb primär auch nur bei uns und nicht in der Heimat ihrer Eltern gelöst werden. Dies darf nicht hindern, über Möglichkeiten sinnvoller Rückkehrförderung dort, wo entsprechende reale Chancen erkennbar sind, neu nachzudenken. Vor übertriebenen Hoffnungen kann jedoch nur gewarnt werden Es bleibt deshalb kaum anderes übrig, als die vorhandenen Hypotheken zu übernehmen und mit aller Anstrengung abzutragen.
Erfahrungen
Integrationsprobleme sind sowohl für unser Land als auch für die europäischen Nachbarländer kein Novum der Nachkriegsgeschichte. Im Jahre 1905 gaben in Preußen 4, 2 von 37 Millionen Einwohnern eine andere Muttersprache als deutsch an, weitaus die meisten von ihnen polnisch, masurisch oder kaschubisch In Westfalen bewegte sich um die Jahrhundertwende der Anteil der Polen an der Wohnbevölkerung bei 15 v. H., in manchen Orten bei weit über 50 v. H. Die Ausweisung von 30 000 neu eingereisten Polen in den Jahren 1885/86 kommentierte Bismarck mit den Worten: „Wir wollen die fremden Polen los sein, weil wir an unseren eigenen genug haben."
Die Einstellung gegenüber diesen Menschen wich damals kaum von dem ab, was heute nicht nur an Stammtischen oder in Leserbriefen etwa in Richtung auf Türken vorgetragen wird. Die damals staatlicherseits gesetzten Bedingungen waren zudem in jedem Falle diskriminierender und integrationshemmender, als sie es heute sind. Wenn die Eingliederung hier dennoch unstreitig gelungen ist, so sicherlich nicht als Verdienst wohlabgewogener Politik oder aufgeschlossener Zuwendung der Mehrheit zur Minderheit, sondern offenbar allein als Ergebnis einer zwei bis drei Generationen übergreifenden, quasi naturgesetzlichen Entwicklung, die wohl nur in soziologischen und psychologischen Kategorien nachvollziehbar und erklärbar ist.
Diese Entwicklung sollte aber auch gegenüber den heutigen Problemen zuversichtlicher ma-chen und eigentlich ausschließen, bereits dort schon unüberwindbare „ethnische" oder sonstige Grenzen auszumachen, wo in Wahrheit vielleicht doch wiederum nur alte Vorurteile und Sentiments in neuem Aufguß geboten werden Es mag sein, daß z. B. „die andere Welt der Türken" manches erschwert, aber die Vermutung, daß sie das tolerante Miteinander mit Mitteleuropäern selbst noch für die dritte Generation ausschließen sollte, kennzeichnet m. E. einen Pessimismus, den die Geschichte jedenfalls nicht bestätigt und der vor allem auch im Hinblick auf die für unser Jahrhundert existenznotwendige Annäherung der Völker — weltweit und kontinental — anachronistisch wäre. Hier geht manchem die These von der Unwilligkeit und der Unfähigkeit zur Integration allzu leicht von den Lippen, wie auf der anderen Seite mancher wohlmeinende Ratgeber ebenso wirklichkeitsfern meint, die Probleme seien schon allein durch eine hinreichende Öffnung der Herzen des Menschen zu lösen.
Es wird sicherlich eingewandt werden können, vielfach seien die fundamentalen Religionsunterschiede eine zusätzliche schwer zu überwindende Barriere. Dies ist richtig. Am Import einer fanatischen und politischen Religionspraxis kann niemand interessiert sein. Wo dies zu befürchten ist, muß selbst unter der grundgesetzlichen Garantie der Religionsfreiheit Abwehr möglich sein, auch ernsthafte Prüfung und Kontrolle, z. B. gegenüber zweifelhaften „Koranschulen" und gegenüber Vereinigungen, die von Religion sprechen, aber Agitation meinen. Ebensowenig wie die Kreuzzugsideologie jedoch das Christentum ausmacht, läßt sich die Khomeini-Doktrin mit dem Islam gleichsetzen. Aber auch hier gilt vor allem, daß sich die zweite und dritte in un-serer säkularen Umwelt geprägte Generation mit Sicherheit — ohne Zwang zur Selbstver-leugnung — auch einer liberaleren Religionsauffassung annähern wird.
Die Erfahrungen mit den preußischen „Fremdstämmigen", wie sie die zeitgenössische Terminologie bezeichnete vermitteln freilich auch die auf der Seite der Ausländer ungern gehörte, jedoch unanfechtbare Überzeugung, daß mit einer geglückten Integration zwangsläufig eine Beeinträchtigung der vom Einwanderer aus seinem Heimatland „importierten" Identität einhergeht. Man mag dies als „Assimilationsdruck" beklagen (fast jede Ausländerorganisation tut dies, obgleich sie den Einwandererstatus ebenso nachhaltig fordert). Eine wirkliche, nicht nur utopische Alternative ist jedoch nicht erkennbar. Insoweit wirken offenkundig Mechanismen, die beim Aufeinandertreffen von Mehrheiten und Minderheiten überall auf der Welt zu beobachten sind
Wer in einer solchen Situation kompromißloser „Fremder" bleiben will, kann unter günstigen Bedingungen selbstverständlich ein Höchstmaß an Toleranz und Sicherheit erwarten, muß aber damit rechnen, daß die Mehrheit distanziert bleibt und im Konfliktfall sogar aggressiv werden kann. An solcher bislang unbeherrschbaren Gesetzmäßigkeit müssen einstweilen alle Ideale harmonischen „multikulturellen" Zusammenlebens zerbrechen. Hoffnungen in dieser Richtung — gerne immer wieder vorgetragen — bergen deshalb die Gefahr in sich, das Erreichbare aus dem Auge zu verlieren.
Dies alles hat nichts mit verordnetem Zwang zur Aufgabe der individuellen kulturellen Prägung der Zuwanderer zu tun. Eine Politik mit solchen Zielen darf es nicht geben und gibt es auch nicht. Nichts jedoch kann den „Migranten" davor bewahren, durch seine Wanderung in Konflikte und Spannungen gestürzt zu werden, die aus der Verschiedenheit seiner alten und seiner neuen Lebensumwelt zwangsläufig erwachsen. Weltoffenheit und Unvoreingenommenheit auf beiden Seiten können diese Konflikte und Spannungen mildern, aber nie ganz ausschließen. Hier sind allen Gestaltungsmöglichkeiten Grenzen gesetzt. Daß es aber gelingen kann, durch sinnvolle Förderung die uneingeschränkte „Kommunikationsfähigkeit" mit der Herkunftsnation zu erhalten — und damit auch einen hohen Grad der Rückkehrfähigkeit —, kann ernsthaft nicht in Zweifel gezogen werden.
Stationen
Abbildung 20
Ausländer in deutschen Die Städte mit der größten Ausländerdichte (Ausländer auf 1000 Einwohner) Frankfurt Offenbach Stuttgart München Köln Remscheid Mannheim Düsseldorf Ulm Duisburg (C Erich Schmidt Vertag 173 152 152 148 144 138 232 213 183 • = Großstädte mit mehr als 100 Ausländern auf 1000 Einwohner Großstädten Die Städte mit den meisten Ausländern Hamburg 151 600 68888 Berlin (West) 225 900 Köln 147 800 145 000 Stuttgart 106 700 München 223 500 Stand: 30. 9. 1981 35 380
Ausländer in deutschen Die Städte mit der größten Ausländerdichte (Ausländer auf 1000 Einwohner) Frankfurt Offenbach Stuttgart München Köln Remscheid Mannheim Düsseldorf Ulm Duisburg (C Erich Schmidt Vertag 173 152 152 148 144 138 232 213 183 • = Großstädte mit mehr als 100 Ausländern auf 1000 Einwohner Großstädten Die Städte mit den meisten Ausländern Hamburg 151 600 68888 Berlin (West) 225 900 Köln 147 800 145 000 Stuttgart 106 700 München 223 500 Stand: 30. 9. 1981 35 380
Die Wanderungsbewegungen in die Bundesrepublik, die uns heute beschäftigen, vollzogen sich in kaum zwei Jahrzehnten. Den Anstoß gab die Arbeitsmarktlage der Hochkonjunktur. Nach den Statistiken der Arbeitsämter standen z. B. 1961 mehr als einer halben Million offener Stellen nur 180 000 Arbeitssuchende gegenüber. Es lag also nahe, den Arbeitsmarkt über die nationalen Grenzen hinaus auszudehnen — und dies mit deutscher Gründlichkeit.
Während etwa nach England und Frankreich historische Bindungen die Wanderungswege vorgezeichnet hatten, organisierten die deutschen Stellen über Staatsverträge und „Kommissionen" eine beispiellose Anwerbungsaktion. Die Interessenlage der . Anwerbeländer" (u. a. Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Jugoslawien und die Türkei) traten stimulierend hinzu. Die Abwanderung entlastete sie von Arbeitslosigkeit und eröffnete ihnen durch die Überweisungen ihrer Arbeitnehmer im Ausland einen bis heute ununterbrochenen beachtlichen Zufluß an Devisen. Es ist sicherlich müßig zu spekulieren, ob ohne diese gouvernementalen (und privatwirtschaftlichen) Hilfestellungen die Entwicklung einen wesentlich anderen Verlauf genommen hätte — angesichts der außerordentlichen nationalen Disparitäten in der wirtschaftlichen Entwicklung wohl nur mit gewisser zeitlicher Verzögerung. In jedem Falle läßt sich nicht bestreiten, daß dieser einmal eingeschlagene Weg auch Mitverantwortung für die Konsequenzen begründet hat. 1963 belief sich die Zahl der ausländischen Arbeitnehmer im Bundesgebiet bereits auf fast 900 000. Zehn Jahre später (1973) waren es 2, 5 Millionen, mit Familienangehörigen rd. 4 Millionen. Der dann im November 1973 vom damaligen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Walter Arendt initiierte sog. Anwerbestopp war praktisch der erste nachhaltige Eingriff in einen Mechanismus, der bis dahin fast ausschließlich an den aktuellen Marktbedürfnissen orientiert in Gang gehalB ten worden war Mag auch diese Entscheidung, die bis heute zu Recht fortgilt und auch weiterhin unverzichtbar ist, ebenfalls primär durch (längerfristige) Arbeitsmarktüberlegungen bestimmt worden sein, so war sie aber dennoch die entscheidende Voraussetzung dafür, in die bis dato nahezu alleinige Ausländerbeschä/tigungspohtik auch gesellschaftspolitische Dimensionen einzubeziehen.
Entsprechende Ansätze fanden sich erstmals in einem von der Bundesregierung im Juni 1973 vorgelegten „Aktionsprogramm" zur Ausländerbeschäftigung. Es zielte darauf ab, den Umfang der Ausländerbeschäftigung auch von der Aufnahmefähigkeit der sozialen Infrastruktur her zu bestimmen
Die allzulange vorrangig beschäftigungspohtische Ausrichtung der . Ausländerfrage" war aber nicht allein für das rapide Anwachsen der Ausländerquote mitursächlich, sondern sie bestimmte auch weitgehend die allgemeinen ausländerpolitischen Festlegungen. Die erwünschte besondere Mobilität der ausländischen Arbeitskräfte wurde durch ein flexibles, ermessensbetontes Ausländerrecht unterstützt. Der nur temporäre Aufenthalt des Ausländers war die maßgebliche Vorstellung, wenn auch längst nicht mehr die Wirklichkeit. Die Beratung und „Betreuung" der ausländischen Arbeitnehmer — mit finanzieller Unterstützung durch Bund und Länder von den Wohlfahrtsverbänden und den Gewerkschaften organisiert — konzentrierte sich auf den Arbeitsplatz und sein Umfeld. Die arbeits-und sozialrechtliche Gleichstellung der ausländischen Arbeitnehmer mit deutschen Beschäftigten war de jure und weitgehend auch de facto gewährleistet, abgesichert durch Verträge mit den Herkunftsländern.
Eine weitere, vorsichtige Umorientierung brachten im Frühjahr 1977 die Vorschläge einer „Bund-Länder-Kommission zur Fortentwicklung einer umfassenden Konzeption der Ausländerbeschäftigungspolitik". Die ausdrücklich so bezeichneten „Grundpositionen" der Kommission bewegten sich zwischen den Postulaten der Konsolidierung, d. h. hier Einschränkung der Ausländerbeschäftigung, und der temporären Integration. Die integrativen Vorschläge zielten im wesentlichen auf Verbesserungen des Aufenthalts-und Arbeitserlaubnisrechts, aber auch auf eine intensivere Förderung der ausländischen Kinder und Jugendlichen
Die offenkundige Problematik der Position der „Bund-Länder-Kommission“ resultierte aus der Tatsache, daß sie — weiterhin geprägt durch eine arbeitsmarktbestimmte Grundeinstellung — undifferenziert eine Integration auf Zeit vertrat, während die tatsächliche Entwicklung, namentlich im Hinblick auf die zweite und dritte Ausländergeneration, dauerhafte Lösungen verlangte Diese notwendige Kritik soll nicht leugnen, daß Bund, Länder und Kommunen wie auch die gesellschaftlichen Gruppen schon seit langem vielfältige Anstrengungen unternommen haben, um den immer augenfälliger werdenden Problemen entgegenzuwirken. Daß der „ausländerbezogene" Anteil am Aufwand für die soziale Infrastruktur praktisch nicht errechenbar ist, namentlich z. B. im Schulsektor, sollte nicht zu dem voreiligen Schluß führen, er sei nicht vorhanden. Fraglich kann nur sein, was notwendig (und selbstsverständlich auch verkraftbar) ist.
Wandlungen
Abbildung 21
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Politiker und die Bürokratien standen gewiß nicht an der Spitze derjenigen, die dem Bürger die Tragweite und die Brisanz der sich aufbauenden Probleme zeitig ungeschminkt vor Augen geführt haben. Es waren eher die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände und nicht zuletzt die Ausländer selbst. Man hatte zwar zur Kenntnis genommen, daß die Schweiz einige Volksbegehren gegen die „Überfremdung" durchzustehen hatte, daß es in Frankreich ein „Algerierproblem“ und in den Niederlanden ein solches der Molukker gab, zog jedoch daraus in der Vergangenheit wenig Lehren.
Als im Herbst 1979 der damalige Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, der frühere nordrhein-westfälische Ministerpräsident Heinz Kühn — neun Monate zuvor ehrenamtlich berufen —, seine beunruhigende Analyse und seine Vorschläge für eine ausländerpolitische Weichenstellung vorlegte, war dies das erste Mal, daß die Thematik auf einer heraus-gehobeneren politischen Ebene in komplexer Weise erörtert wurde.
Zu den entscheidenden Punkten des „KühnMemorandums" gehörte die Hervorhebung der unter dem Primat der arbeitsmarktpolitischen Akzente vernachlässigten sozial-und gesellschaftspolitischen Fragen, vornehmlich im Blick auf die in der Bundesrepublik aufwachsende zweite Generation. Aufgrund seiner alarmierenden Diagnose bezeichnete Kühn das Ausländerproblem als eines der zentralen innenpolitischen Probleme der achtziger Jahre überhaupt.
Die Vorschläge des Memorandums konzentrierten sich auf eine konsequente Integrationspolitik mit folgendem Schwerpunkten: — Anerkennung der faktischen Einwanderung (bei fortdauerndem Ausschluß neuer Zuwanderung); — erhebliche Intensivierung der integrativen Maßnahmen vor allem für die Kinder und Jugendlichen, d. h. im Bereich der Vorschule, Schule und beruflichen Bildung;
— Ablösung aller segregierenden Maßnahmen, im Schulsektor z. B.der „Nationalklassen“ und ähnlicher Unterrichtsformen;
— Anspruch der Jugendlichen auf ungehinderten Zugang zu Arbeits-und Ausbildungsplätzen; — Optionsrecht der in der Bundesrepublik geborenen und aufgewachsenen Jugendlichen auf Einbürgerung;
— generelle Überprüfung des Ausländer-rechts und des Einbürgerungsverfahrens mit dem Ziel größerer Rechtssicherheit und stärkerer Berücksichtigung der legitimen besonderen Interessen der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien;
— Verstärkung ihrer politischen Rechte durch Einräumung des kommunalen (aktiven) Wahlrechts nach längerem Aufenthalt;
— Verstärkung der problemorientierten sozialen Beratung.
In Beschlüssen vom 19. März 1980 hat die Bundesregierung wesentliche Anstöße ihres Beauftragten aufgenommen ebenso die ten-denziell vergleichbaren Anregungen des „Koordinierungskreises Ausländische Arbeitnehmer", eines beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung etablierten Expertenkreises. Schließlich wurde in der Regierungserklärung vor dem 9. Deutschen Bundestag bekräftigt, daß in der neuen Legislaturperiode diesen Fragen abermals eine hohe Priorität zugemessen werden würde
t Seither hat die Thematik an Aktualität noch weiter gewonnen. Die öffentliche Diskussion nimmt stetig zu, vielfach nicht mehr frei von Emotionen. Besonders beunruhigen muß, daß inzwischen dubiose Organisationen versuchen, das Thema für ihre ebenso dubiosen Ziele politisch auszuschlachten. Die Wandschmierereien mit fremdenfeindlichen Parolen häufen sich. Menschenverachtende „Witze" über Türken machen die Runde und wekken fatale Erinnerungen. Wer ausländische Mitbürger aus besserer Einsicht oder qua Amt öffentlich in Schutz nimmt, muß mit massiven Beschimpfungen und sogar Bedrohungen le-ben. Bei Kommunal-und Landtagswahlen können Listen mit dem Ein-Punkt-Programm „Ausländerstopp" mit beachtlichen Stimmenzahlen rechnen. An anderer Stelle kann ein in Strafhaft sitzender Rechtsextremist aus der Haftanstalt verkünden: „Das Ausländerthema, das kann uns keine Gruppe wegnehmen."
Dieser Hintergrund verdeutlicht die großen Schwierigkeiten für eine nüchterne und differenzierte Betrachtung der komplexen Zusammenhänge. Die verantwortungsbewußten politischen Kräfte bemühen sich hierum gegenwärtig auf allen Ebenen. Dem Deutschen Bundestag liegen z. Zt. Entschließungsanträge aller drei Fraktionen zur Ausländerpolitik vor Trotz unterschiedlicher Akzente betonen sie gemeinsam die Verantwortung gegenüber den seit langem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden und arbeitenden Ausländern. Ähnliche Initiativen gibt es in den Landesparlamenten und auch auf gemeindlicher Ebene.
In ihrer Antwort vom 3. Mai 1982 auf eine „Große Anfrage“ der Fraktionen der SPD und FDP im Deutschen Bundestag hat die Bundesregierung eine umfassende Tatbestandsaufnahme unterbreitet Die ausländerpolitischen Grundpositionen der Bundesregierung werden dabei — entsprechend einem Kabinettsbeschluß vom 3. Februar 1982 — wie folgt formuliert: „I. Die-Ausländerpolitik der Bundesregierung ist darauf gerichtet, — die weitere Zuwanderung von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland wirksam zu begrenzen, — die Rückkehrbereitschaft zu stärken sowie
— die wirtschaftliche und soziale Integration der seit vielen Jahren in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer zu verbessern und ihr Aufenthaltsrecht zu präzisieren. II. Nur durch eine konsequente und wirksame Politik zur Begrenzung des Zuzugs aus Ländern, die nicht Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft sind, läßt sich die unverzichtbare Zustimmung der deutschen Bevölkerung zur Ausländerintegration sichern. Dies ist zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens unerläßlich. Der Anwerbestopp für Ausländer wird deshalb uneingeschränkt aufrechterhalten. Dies schließt auch die Zulassung von ausländischen Saisonarbeitnehmern aus. Veränderungen von Namens-und Geburtsdaten zum Zwecke der Einreise sind für inländische Behörden nicht bindend.
Die Wartezeiten für den Zugang von Familienangehörigen ausländischer Arbeitnehmer und von Asylbewerbern zum Arbeitsmarkt bleiben bestehen.
Der Familiennachzug von Ausländern muß sozialverantwortlich gesteuert werden. Die Bundesregierung hat dazu am 2. Dezember 1981 Beschlüsse für Sofortmaßnahmen gefaßt Die Länder sind dem im wesentlichen gefolgt Das Asylverfahren muß —unter Wahrung des Grundrechts auf Asyl — so ausgestaltet werden, daß gerade im Interesse der politisch Verfolgten diejenigen Fälle schnell entschieden werden können, in -denen der Antrag offensichtlich aus asylfremden Motiven gestellt wurde. Die Bundesregierung erwartet, daß Bundestag und Bundesrat die Beratungen zum Asylverfahrensgesetz unverzüglich zum Abschluß bringen.
Das Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung vom 15. Dezember 1981 hat die Voraussetzungen geschaffen, die illegale Einreise und die illegale Beschäftigung von Ausländern zu unterbinden. Die Bundesregierung fordert die für die Durchführung des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung zuständigen Bundesländer auf, in vollem Um-fang von den gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch zu machen.
Die Bundesregierung will in den Verhandlungen zwischen der EG und der Türkei über die endgültige Regelung der Freizügigkeit im Rahmen der bestehenden Assoziation der Türkei an die EG eine Regelung erreichen, die den weiteren Zuzug von Arbeitnehmern aus der Türkei ausschließt.
III. Die Bundesregierung bekennt sich zur Integrationspolitik hinsichtlich der dauerhaft bei uns lebenden Ausländer. Schwerpunktaufgäbe ist die Integration der zweiten und dritten Ausländergeneration. Nur ein enges Zusammenwirken der gesellschaftlichen Gruppen wird ein besseres Zusammenleben von Deutschen und Ausländern erreichbar ma-chen. Daher wendet sich die Bundesregierung gegen alle Aktivitäten, die Ausländerfeindlichkeit schüren.
Von wesentlicher Bedeutung sind Hilfen für die Eingliederung ausländischer Jugendlicher in das Berufsleben. Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Verbesserung der Beschäftigungssituation der Jugendlichen zielen deshalb auch auf die berufliche Integration junger Ausländer.
Die Länder und Gemeinden tragen für die Integrationshilfen eine besondere politische Verantwortung. Dies gilt vor allem für Bildungsmaßnahmen, die sprachliche Förderung und die Bereitstellung von Wohnungen.
Zur Verbesserung der Integration bereitet die Bundesregierung zur Gesetzgebung noch im Kalenderjahr 1982 eine Novelle des Ausländergesetzes mit dem Ziel vor, klarere Grundlagen für die Lebensplanung der Ausländer zu schaffen. Außerdem hat die Bundesregierung am 2. Dezember 1981 einen Gesetzentwurf zur Erleichterung der Einbürgerung hier geborener und aufgewachsener Ausländer beschlossen Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Einbürgerung ein wirksames Instrument der Integrationspolitik darstellen kann.“
Maßnahmen
Im Mittelpunkt der aktuellen ausländerpolitischen Entscheidungen steht neben der Begrenzung neuer Zuwanderung das Angebot der Hilfe zu einer dauerhaften Integration an diejenigen, die dies wünschen und nach einem entsprechend langen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erwarten können, daß sie hier gleichberechtigende und gleichverpflichtende Lebenschancen erhalten werden. Daß hierbei die junge Ausländergeneration im Vordergrund steht, ist keine Vernachlässigung der älteren, sondern nur Konsequenz der Tatsache, daß die Kinder und Jugendlichen unter den ungünstigsten Bedingungen, buchstäblich „zwischen den Natio-nen", aufwachsen. Dies bedeutet einen Zwang zu außerordentlichen Anstrengungen vor al-lem im Bereich der schulischen und beruflichen Bildung, aber auch die Notwendigkeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen vorbehaltlos neu zu überdenken. Der Vorschlag des damaligen Ausländerbeauftragten, dem hier geborenen und aufgewachsenen Ausländerkind ein Optionsrecht aufdie deutsche Staatsbürgerschafteinzuräumen zeigt den Weg in die richtige Richtung. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt inzwischen dem Deutschen Bundestag vor Freilich kann der Paß allein Integration nicht ersetzen.
Im Schulsektorgeht es sicherlich auch um die Unerläßlichkeit, mit Finanz-und Stellenaufwand bessere Bedingungen zu schaffen. Eine „Sonderschule" für ausländische Kinder darf es dabei unter keinen Umständen geben. Ebenso-wenig darf freilich die unverzichtbare Hereinnahme der ausländischen Kinder in die Schulgemeinschaft mit den deutschen Kindern das allgemeine Lernniveau mindern, nur weil die ausländischen Kinder mit ihren Defiziten in unserer Sprache nicht zu Rande kommen.
Im schulischen und außerschulischen Bereich gibt es heute eine Reihe von einschlägigen Hilfen und Maßnahmen wie z. B.
— Stützkurse im Fach Deutsch, — Stützkurse in Sachfächern, — Lehrbücher im Fach Deutsch als Fremdsprache für den Unterricht an Grundschulen, Hauptschulen und Berufsschulen, — Unterrichtsorganisationen mit gemeinsamem Unterricht von deutschen und ausländischen Schülern, überwiegend gemeinsamem Unterricht und überwiegend getrenntem Unterricht, — Unterricht mit zwei Unterrichtssprachen, — außerunterrichtliche Fördermaßnahmen (Hausaufgabenhilfe, Freizeitangebote), — Lehrerfortbildung, — Berufsbefähigungskurse, — Lehrmaterialien für Kindergärten, — Kinderliteratur aus den Herkunftsländern für Bibliotheken, — mobile Bibliotheksversorgung, — Weiterbildung für ausländische Erwachsene
Zum Teil sind dies freilich immer noch Modellmaßnahmen mit der stets gegebenen Gefahr, daß sie zum Alibi für Nachlässigkeit in globalen Anstrengungen werden können.
Auf der anderen Seite scheint aber auch die Frage, ob die schulischen Probleme der ausländischen Kinder zu einem guten Teil nicht auch damit Zusammenhängen, daß unsere Bildungspolitik die Akademisierung für alles und die Ausbildung der anderen menschlichen Fähigkeiten für zu gering erachtet, noch nicht zu Ende gedacht. Damit wird allerdings ein Punkt berührt, der kein spezifisch ausländerpolitisches Problem mehr ist, jedoch hier erheblich zu Buche schlägt. Es wäre wenig hilfreich, wenn allein bereits der Verdacht eines möglicherweise „verzerrten und unausgewogenen Bildungsideals" nicht eine Diskussion der Sa-che, sondern nur Proteste derer auslöst, die dieses Ideal traditionell verwalten
In einer geregelten beruflichen Ausbildung steht z. Zt. immer noch allenfalls jeder vierte der berufsschulpflichtigen ausländischen Jugendlichen. Die Arbeitslosigkeit unter den ausländischen Jugendlichen liegt nach der Beurteilung von Experten ganz erheblich über dem statistisch ausgewiesenen Umfang. Soweit die ausländischen Jugendlichen und Heranwachsenden in ein Beschäftigungsverhältnis gelangen, dürfte dies bei vier von fünf eine ungelernte, allenfalls eine angelernte Tätigkeit sein. Zudem konzentriert sich auch diese Beschäftigung auf die gleichen Wirtschaftszweige, die schon traditionell einen hohen Ausländeranteil aufweisen. Insgesamt wird deutlich, daß unter den derzeitigen Gegebenheiten nur ein kleiner Teil der ausländischen Jugendlichen auf dem Arbeitsmarkt Chancen für eine qualifiziertere und mit Aufstiegserwartungen verbundene Tätigkeit hat. Eine besondere Problemgruppe bilden dabei die Jugendlichen, die erst im fortgeschrittenen Alter in die Bundesrepublik einreisen und demnach hier nicht einmal ansatzweise eine schulische Betreuung erfahren können. Ihr Anteil ist unter den türkischen Jugendlichen besonders hoch. Gerade diese Jugendlichen werden in eine Außenseiterrolle gedrängt, die nicht nur für den einzelnen schwerste persönliche Probleme schafft, sondern auch bereits in den Kriminalstatistiken evident wird.
Im Mittelpunkt bisheriger Maßnahmen ste-hen berufsvorbereitende Lehrgänge, die gemeinsam von der Bundesanstalt für Arbeit, dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung sowie den Arbeits-und Sozialressorts der Länder finanziert werden. Sie stellen die ersten berufsvorbereitenden Maßnahmen für ausländische Jugendliche dar, die bundesweit angeboten werden. Das Programm bildet einen Schwerpunkt der Integrationspolitik der Bundesregierung. Durch Sprachvermittlung, praktische Berufsvorbereitung in mehreren Berufsfeldern und Allgemeinbildung sowie sozialpädagogischen Hilfen soll die berufliche und soziale Eingliederung der ausländischen Jugendlichen ohne Schulabschluß gefördert und vorrangig ihre Möglichkeit zu einer Aufnahme eines Ausbildungsverhältnisses verbessert werden. Diese Maßnahmen sind in der Vergangenheit in allen Bundesländern ausgebaut worden. Ihre Gesamtkapazität beträgt heute rd. 15 000 Plätze. Damit ist das Angebot seit 1979/80 verdoppelt worden. Ein weiterer Ausbau auf rd. 16 000 Plätze ist im Rahmen des Beschäftigungsprogramms der Bundesregierung ab Herbst 1982 geplant
Der Zwang zur Begrenzung neuer Zuwanderung wird im Grundsatz allseits akzeptiert. Er ist ein Schritt, der notwendig ist, um in der Ausländerproblematik nicht doch zu scheitern. Wenn er nicht gelingt, wird auch die Integrationsfähigkeit gegenüber den bisher hier lebenden ausländischen Mitbürgern gefährdet und letztlich vielleicht sogar verloren gehen. Dies würde niemandem nützen, aber allen schaden. Schwierig ist freilich die Grenzziehung. Darüber, daß illegale Einreise und illegaler Aufenthalt effektiv unterbunden werden müssen, besteht Einigkeit. Daß es insoweit noch Handlungsmöglichkeiten gibt, sollte auch nicht bestritten werden. Über die Unerläßlichkeit, strikt am Anwerbestopp festzuhalten und Umgehungstatbestände auszuschließen, besteht ebenfalls weitgehend Überein-stimmung. Entlastend wird auch eine Neugestaltung des Anerkennungsverfahrens für Asylbewerber wirken Gravierende Probleme treten jedoch auf, wenn Vorschläge zur Begrenzung des „Familiennachzugs" zur Diskussion gestellt werden. Mit guten Gründen vertreten läßt sich sicherlich eine Höchstgrenze für den Zuzug von Jugendlichen in einem Alter, in dem offenkundig das Interesse am Zugang zum Arbeitsmarkt vor dem Wunsch nach familiärem Zusammenleben rangiert. Vorstellungen jedoch, 12-oder 13jährigen oder noch jüngeren Kindern das Zusammenleben mit ihren Eltern in der Bundesrepublik zu verwehren, schaffen schwerwiegende menschliche, moralische und rechtliche Probleme, die m. E. unlösbar sind. Wenn aus einem Einreiseverbot für Kinder faktisch ein Heimreisegebot für Eltern, die mit ihren Kindern Zusammenleben möchten, wird, dann wird damit zugleich das bisher noch unstreitige Prinzip des Respekts vor der freien Entscheidung der seit langem hier lebenden und arbeitenden Ausländer in Frage gestellt. Sicherlich liegt es im Integrationsinteresse, daß die Kinder der ausländi-sehen Arbeitnehmer, die in Deutschland bleiben wollen, in einem Alter zu uns kommen, in dem Integrationsbemühungen noch erfolgs-versprechend sind. Dies sollte den ausländischen Eltern nachdrücklich und bei jeder Gelegenheit vor Augen geführt werden. Zwangsmaßnahmen jedoch eröffnen eine andere Dimension. Rückkehrförderung ist ein Schlagwort, das im Augenblick mit der Gefahr behaftet ist, Illusionen zu wecken. Wenn auch hier das Prinzip der freien Entscheidung der Betroffenen aufrechterhalten werden soll (und m. E. aufrechterhalten werden muß), wird es, solange die außerordentlichen wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Heimatländern und der Bundesrepublik Deutschland nicht weiter abgebaut werden können, über diesen Weg sicherlich zu keiner Massenrückwanderung kommen können. Denkbar ist der Abbau einiger Rückkehrhemmnisse und — in finanziell verkraftbarem Rahmen — auch u. U. die Zugabe gewisser finanzieller Anreize. Ob damit jedoch eine über das vorhandene Maß hinausgehende Mobilität erzeugt werden kann, muß bezweifelt werden. Ausländerpolitik kann eine effektive Entwicklungspolitik nicht ersetzen.
Die Wanderungsbewegungen in Europa sind, sofern es um die Wanderung aus Arbeitslosigkeit hin zu Arbeitsplätzen geht, Teil einer weltweiten Bewegung, für kritische Betrachter sogar erst der Anfang einer neuen zweiten großen Völkerwanderung. Die daraus resultierenden Probleme werden sich deshalb global nur dann lösen lassen, wenn energisch gegen die Wanderungs Ursachen angegangen wird. Auf dem Wege dorthin wird es kleinere Lösungen geben müssen, nicht immer ohne Friktionen. Noch besteht Aussicht, daß die Anforderungen einigermaßen zu bewältigen sind. Die verantwortlichen politischen Kräfte stehen sich in ihren Auffassungen zu dieser Frage glücklicherweise nicht so fern, wie es hin und wieder den Anschein hat. Kooperation im praktischen Handeln ist notwendig, aber auch möglich.
Karlfriedrich Eckstein, Dr. jur., geb. 1941, seit 1979 Mitarbeiter des Ausländerbeauftragten der Bundesregierung. Veröffentlichungen u. a.: Mitautor eines Kommentars zum Bundespersonalvertretungsgesetz; Mitarbeit am Memorandum des Ausländerbeauftragten der Bundesregierung zu „Stand und Weiterentwicklung der Integration der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familien in der Bundesrepublik Deutschland", Bonn 1979.