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Zum aktuellen Stand der Umweltpolitik im internationalen Vergleich -Tendenzen zu einer globalen Konvergenz? | APuZ 27/1997 | bpb.de

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APuZ 27/1997 Ökologische Unsicherheit: Über Möglichkeiten und Grenzen von Umweltpolitik Zum aktuellen Stand der Umweltpolitik im internationalen Vergleich -Tendenzen zu einer globalen Konvergenz? Lokale Agenda 21. Ein kommunaler Aktionsplan für die zukunftsbeständige Entwicklung der Kommune im 21. Jahrhundert Kommunale Demokratie in der Umweltpolitik Neue Beteiligungsmodelle

Zum aktuellen Stand der Umweltpolitik im internationalen Vergleich -Tendenzen zu einer globalen Konvergenz?

Martin Jänicke/Helmut Weidner

/ 21 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In den letzten 25 Jahren ist die umweltpolitische Handlungsfähigkeit. (Kapazität) der Industrie-wie auch der Entwicklungsländer bemerkenswert angestiegen. Eine insgesamt 35 Länder (davon 13 nationale Fallstudien) umfassende Untersuchung zeigt im weiteren, daß die Internationalisierung von Umweltpolitik hieran einen wesentlichen Anteil hatte. Die verbreitete Klage, Globalisierung sei ein starkes Umweltschutzhemmnis, hat empirisch nur eine schwache Basis: Viel häufiger liegt die Ursache in nationalen Unzulänglichkeiten. Umweltpolitische Erfolge beschränken sich derzeit aber vorwiegend auf die entwickelten Industrieländer und hier wiederum weitgehend auf Problembereiche, für die es profitable Standardlösungen gibt. Die größten Impulse auf die globale Diffusion von umweltpolitischen Innovationen gehen derzeit von einer Gruppe meist kleinerer Länder aus: Deutschland gehört nicht mehr, Schweden wahrscheinlich bald wieder zu diesen Pionierländern, und Südkorea ist vermutlich auf dem Weg dorthin.

I. Einleitung

Tabelle: Internationale Chronologie der Institutionalisierung im Umweltschutz Quelle: Martin Jänicke/Helmut Weidner (Hrsg.) (u. M. v. Helge Jörgens), National Environmental Policies. A Comparative Study of Capacity-Building, Heidelberg u. a. 1997, S. 316.

Seit Anfang der siebziger Jahre sind die umweltpolitischen Handlungskapazitäten der Industrieländer erheblich gewachsen. Das zeigt nicht nur die Einrichtung einer soliden rechtlich-institutionellen Basis auf nahezu allen Ebenen des politisch-administrativen Systems, sondern ebenso das akkumulierte Wissen, das erreichte technische Know-how und die Organisationsfähigkeit von Umweltinteressen im gesellschaftlichen Bereich.

Es gibt kein anderes Politikthema, das im weltweiten Ausmaß binnen so kurzer Zeit eine so expansive und dauerhafte Karriere im politischen System, in Wirtschaft und Gesellschaft gemacht hat. Zahlreiche Umweltinstitutionen wurden gegründet und haben sich international ausgebreitet (s. Tabelle) etablierte Wissenschaftsdisziplinen und gesellschaftliche Institutionen wurden „ökologisiert". In den entwickelten OECD-Ländern finden sich heute Umweltabteilungen auch in den meisten übrigen Ressorts. In den kräftig gewachsenen Umweltmarkt werden große Hoffnungen gesetzt. Umweltthemen sind zu Alltagsthemen geworden. In den Entwicklungsländern, besonders in den Schwellenländern, findet dieser Kapazitätsaufbau erst seit gut zehn Jahren durchgängig statt. Die Internationalisierung von Umweltpolitik hat hieran einen wesentlichen Anteil. Entgegen allgemeiner Meinung spielt die Globalisierung hier eine positive, den nationalen Umweltschutz stimulierende und stützende Rolle.

Umweltpolitische Erfolge beschränken sich derzeit aber vorwiegend auf die entwickelten Industrieländer, und hier wiederum auf ein Segment von Umweltproblemen, die sich -dem Risikoparadigma folgend -zum einen durch hohe Wahrnehmbarkeit, Betroffenheit und Politisierbarkeit, zum anderen durch die Verfügbarkeit über technische Optionen bzw. win-win-Konstellationen auszeichnen.

Wo hingegen Probleme des Typus der schleichenden Umweltverschlechterung mit geringer Thematisierungschance zu lösen waren, wo Boden-und Grundwasserbelastung oder der Flächenverbrauch das Thema sind, ist die Erfolgsbilanz auch der entwickelten Länder durchgängig ungünstig. Hier stellt sich das Problem des capacity-building: der Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten.

Dies sind Ergebnisse einer Mehrländerstudie für die UN-Universität, in der Entwicklungen der Umweltpolitik und ihrer Handlungsfähigkeiten in einem Zeitraum von 25 Jahren untersucht wurden. Die Untersuchung besteht aus 13 nationalen Fallstudien und einem statistischen Überblick über 35 Länder. Erfaßt wird ein breites Spektrum unterschiedlicher Ländertypen, das von fortgeschrittenen Industrieländern über Schwellenländer bis zu Entwicklungsländern reicht

II. Der Ansatz umweltpolitischer Kapazitätsbildung

Abbildung: Die wichtigsten restriktiven Verursacherbereiche in 20 Ländern (Expertenbefragung) Quelle: Forschungsstelle für Umweltpolitik 1997 an der Freien Universität Berlin.

Der umweltpolitische Diskurs war lange beherrscht von der Instrumentenfrage. Mit häufig eher naiven, mechanistischen Vorstellungen über das staatliche Steuerungspotential wurde die Instrumentenwahl zum entscheidenden Kriterium umweltpolitischen Erfolges hochstilisiert. Mißerfolge ergaben sich danach vor allem aus einer falschen Instrumentenwahl.

Wir wissen heute, daß die -einvernehmliche oder strittige -Zielbildung den Handlungserfolg ebenfalls bestimmt. Die besten Instrumente sind überdies wenig wert, wenn die Handlungsbedingungen unzureichend sind. Diese Erkenntnis führt zu einem mehr strategischen Ansatz, der den gesamten Handlungskontext und die umfassende Mobilisierung von Ressourcen betont. Neben der strategischen Zielbildung (als politischem Lernen auf breiter Basis) steht hier die strukturelle Verbesserung der Handlungsbedingungen (als Kapazitätsbildung) im Vordergrund.

Umweltpolitische Kapazität betrifft zum einen die Stärke, Kompetenz und Konfiguration der staatlichen und nichtstaatlichen Träger von Umweltbelangen, zum anderen die politisch-institutionellen, ökonomisch-technischen und kognitiv-informationellen Bedingungen, die ihre Chancenstruktur bestimmen. Umweltpolitische Kapazität bestimmt so die Erfolgsgrenze, die Träger von Umweltbelangen auch mit einem Höchstmaß an Motivation und Geschick nicht zu überwinden vermögen. Wie schon angedeutet, ist Kapazität vor allem im Hinblick auf die zu lösende Problematik zu beurteilen (die die Handlungschancen der Verursacher einschließt). Die Handlungsfähigkeit kann für bestimmte Problemlagen ausreichen, während sie für andere gesteigert werden muß.

III. Einige Ergebnisse zur Umweltpolitik im globalen und nationalen Kontext

1. Globale Politikkonvergenz Die von uns untersuchten Länder unterscheiden sich in der Tat weniger durch ihr Instrumentarium als durch die Handlungskapazität und die Politik-resultate. Ganz offenbar ist es beim Umweltschutz sogar zu einer zunehmenden Angleichung des Politikmusters gekommen. Die Institutionen, Gesetze und selbst der Politikstil der Umweltpolitik haben sich einander angeglichen. Hier kann von einer globalen Politikkonvergenz gesprochen werden. Selbst der Wandel von traditionell bürokratischen Interventionsformen hin zu einem stärker ausdifferenzierten Instrumentarium erfolgt im globalen Maßstab. China und Rußland haben beispielsweise ein umfassendes, dem OECD-Standard durchaus vergleichbares und in Detailregelungen (etwa bei Umweltqualitätsstandards) sehr anspruchsvolles rechtliches Regelwerk. Die Probleme liegen in der geringen Fähigkeit, dies umzusetzen. Ähnliches gilt bei diesen Ländern für die zahlreichen ökonomischen Instrumente wie Umweltsteuern und Abgaben: Die ökonomischen Rahmenbedingungen sind für diesen Maßnahmentypus wenig günstig. In den skandinavischen Ländern dagegen (wo Umweltabgaben eine größere Rolle als in liberalen Volkswirtschaften wie der amerikanischen oder britischen spielen) sind sie ebenso verbreitet wie wirksam.

In diesen Ländern besteht nicht nur eine signifikant höhere wirtschaftlich-technische Kapazität für das prinzipielle Funktionieren solcher Instrumente, sondern auch eine hochentwickelte politisch-institutionelle Kooperations-und Strategiefähigkeit der umweltpolitischen Akteure.

Die Strategiefähigkeit soll nicht zuletzt durch einen neuen, sich rasch verbreitenden Ansatz der Umweltpolitik erhöht werden. Gemeint ist der Ansatz der nationalen Umweltplanung. Die Niederlande sind auf diesem Gebiet Schrittmacher. Der Nationale Umweltpolitikplan des Landes wurde 1989 eingeführt. Inzwischen haben -wesentlich bedingt durch die Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro (3.-14. Juni 1992) -bereits zwei Drittel aller Industrieländer die eine oder andere Form der nationalen Umweltplanung bzw. offiziellen staatlichen Nachhaltigkeitsstrategie eingeführt (über deren Effektivität damit noch nichts ausgesagt ist). Es handelt sich hier um ein neues Modell der strategischen Umweltplanung auf breiter Basis, das nicht zuletzt die Verursachersektoren und „ihre“ politischen Ressorts (über Verhandlungslösungen) an der Problemlösung beteiligt Die globale Politikkonvergenz -bei rascher Ausbreitung umweltpolitischer Innovationen -wird am Beispiel der Ausbreitung dieses neuen strategischen Ansatzes besonders deutlich. 2. Überlegenheit kooperativer Politikmuster Umweltpolitische Strategiefähigkeit ist im internationalen Vergleich offensichtlich größer in konsensorientierten politischen Systemen mit korporatistisch geprägten Strukturen der Interessen-vermittlung, wie sie skandinavische Länder, die Alpenrepubliken, die Niederlande und Japan kennzeichnen. Findet wie hier die Zielfindung eher konsensual statt (was Konflikte in Detailfragen nicht ausschließt), ist auch die Zielerreichung wahrscheinlicher, und zwar weitgehend unabhängig vom gewählten Instrumentarium

In den USA hingegen gelten Programme und Ziele stärker als vorläufige, disponible Resultate einer bestimmten Interessen-und Kräftekonstellation, deren Veränderung im Zeitablauf von erstarkten Gruppen genutzt wird, eine Zielveränderung in ihrem Interesse herbeizuführen. Die amerikanische Umweltpolitik wird in der Studie deshalb als „Pendelpolitik“ mit großen Ausschlägen zwischen rück-und fortschrittlichen Ansätzen charakterisiert, womit auch ein kräftiger Kapazitätsabbau verbunden sein kann (wie unter Präsident Reagan). Das erklärt z. T. auch den Widerspruch zwischen flexibler, veränderungsfreudiger Umweltpolitik in den USA und ihren insgesamt relativ schwachen Problemlösungseffekten.

Insgesamt gehören die im Umweltschutz erfolgreicheren Länder, besonders die kleine Gruppe gegenwärtiger Pionierländer, eher zur Kategorie der konsensorientierten Länder. 3. Sekundäre Bedeutung der Instrumentenwahl Es läßt sich im internationalen Vergleich kaum ein Erfolgsfall finden, der ausschließlich auf ein einziges Instrument zurückgeführt werden kann, auch die eindeutige Überlegenheit eines Instrumenten-typs über andere läßt sich generell nicht nachweisen. Umweltpolitische Erfolge erweisen sich in aller Regel als das Produkt einer dynamischen

Wechselwirkung vielfältiger Einflußfaktoren. Mechanistische Vorstellungen von politischer Feinsteuerung sind demgegenüber fehl am Platze (auch wenn ökonomische Modellrechnungen weiterhin mit diesem schlichten Steuerungsmodell operieren).

In Japan haben in der Frühphase der modernen Umweltpolitik strikt regulative Maßnahmen in einem breiten Mix auch mit weicheren Instrumenten zu schnellen Erfolgen geführt. Die relativ hohe Strategiefähigkeit des Landes und die enge Vernetzung von Staat und Industrie erwiesen sich dabei ebenso als Vorteil wie die Modernisierungskoalition aus Umweltschützern und Technokraten oder die Abhängigkeit von teuren Rohstoffimporten. Diese Konstellation enthielt situative Handlungschancen, die im Zeichen billiger Rohstoff-importe und veränderter Präferenzen angesichts wirtschaftlicher Strukturprobleme nicht mehr bestehen

Auch die Niederlande, heute ein Paradebeispiel für flexible, erfolgversprechende Umweltkonzepte, begannen als „regulative Hardliner“, änderten diesen Stil jedoch grundlegend, als vor gewandelten Rahmenbedingungen dessen Erfolgs-grenzen offensichtlich wurden Alles in allem erscheint auch hier die planerische Zielbildung auf breiter Basis -bei insgesamt hoher Integrationsund Strategiefähigkeit -für die Erfolgsbilanz wichtiger als die konkrete Instrumentierung.

In der Bundesrepublik Deutschland startete der Umweltschutz (auf Bundesebene) zu Beginn der siebziger Jahr anfänglich mit großer Dynamik als weithin staatlich-bürokratische Initiative -die Umweltbewegung war vor allem das Produkt der Enttäuschung über anschließende Rückschläge dieser Politik. Dem Charakter der Startphase entsprach ein verrechtlichtes Regulierungsmuster, das für dezentrale und zivilgesellschaftliche Selbstregulierungen vor Ort zunächst wenig Raum ließ. Die Bedeutung von Lernprozessen in der Umweltpolitik, auf die besonders Paul A. Sabatier hingewiesen hat wurde hierbei unterschätzt. Dies entspricht nicht zuletzt auch einer ausgeprägten Fixierung auf die „richtige Instrumentenwahl“. Im Lichte des Kapazitätskonzepts erhält die Instrumentenfrage gerade in den entwickelten Industrieländern eine veränderte Bedeutung insofern, als „weiche“ -monetäre, informationeile, kontext-gestaltende und kommunikative -Instrumente entwickelte Handlungskapazitäten voraussetzen. Die Bildung von kooperativen Netzwerkstrukturen und die Integration von Umwelt-Innovateuren und Umweltverschmutzern in politische Lernprozesse sind für die Lösung der komplizierten Problemlagen einer entwickelten Industriegesellschaft nicht nur angemessen, sie sind eine professionelle Sozialtechnik, die hohe Ansprüche an die Wissensbasis und die Organisationsfähigkeit von Umweltpolitik stellt. „Best practice“ bieten in dieser Hinsicht seit einigen Jahren wiederum die Niederlande. Dort ist das Knüpfen von Netzwerken, die Behörden, Unternehmen und ihre Interessenorganisationen und die etablierten Umweltorganisationen in kooperative Interaktionen einbeziehen, eine Kernaufgabe staatlicher Umweltinstitutionen geworden. Auf diesem Fundament werden die vielfältigen, im globalen Strategiebildungsprozeß stark beachteten Instrumente eingesetzt: Selbstverpflichtungen von Unternehmen und Branchen (covenants), rollende, d. h.der Entwicklungsdynamik jeweils neu angepaßte Maßnahmenprogramme und der systematisch auf das Konzept der nachhaltigen Entwicklung hin ausgerichtete nationale Umweltpolitikplan, der in diesem Jahr zum zweiten Mal verlängert wird Weniger bekannt ist, daß der niederländische Umweltschutz eine einmalige Organisationsbasis besitzt: Die Umweltverbände haben mehr Mitglieder als die Gewerkschaften. Das ist mehr als das annähernde Kräftegleichgewicht in der Schweiz und viel mehr als in Deutschland oder in den USA mit einer doch ebenfalls beachtlichen Umweltbewegung. 4. Der wechselnde Reigen der Pionierländer Länder, die im Umweltschutz neue, erfolgreiche Wege beschreiten, haben erheblichen Einfluß auf den globalen Kapazitätsbildungsprozeß. Ihre fortschrittlichen Maßnahmen werden von anderen Ländern entweder unmittelbar nachgeahmt (horizontale Diffusion) oder über internationale Organisationen als Modell empfohlen (vertikale Diffusion). Sie stimulieren die fachliche wie öffentliche Diskussion und bieten den umweltpolitischen Protagonisten vor Ort argumentative Ressourcen. Sie bringen damit Innovationsdynamik in die Umweltpolitik einzelner Länder und in internationale Umweltinstitutionen. Der globale Lernprozeß im Umweltschutz bezieht hieraus seine wichtigsten Impulse.

Verglichen mit der langsamen weltweiten Ausbreitung des Sozialstaates weist die Umweltpolitik ein hohes internationales Diffusionstempo auf. Das Tempo scheint sich in den achtziger Jahren sogar beschleunigt zu haben.

Großbritannien hatte schon in den fünfziger Jahren in Reaktion auf eine katastrophale Smogperiode eine damals beispielhafte Luftreinhaltepolitik institutionalisiert. Auch beim Gewässerschutz war das Land damals relativ weit. Aber bereits in den siebziger Jahren zählte Großbritannien zu den größten transnationalen Luftverschmutzern mit deutlich rückschrittlichen Umweltschutztendenzen. Ökonomische Schwierigkeiten, eine veraltete Industriestruktur, geringe (und knapp gehaltene) institutionelle Kapazitäten und die günstige vorherrschende Windrichtung trugen dazu bei. Alsbald bekam das Land den Ruf des „dirty old man of Europe“.

Die folgenden Pionierländer des Umweltschutzes waren die USA und Schweden, in den siebziger Jahren vor allem Japan, wie zuvor schon die USA zugleich führender Exporteur von Umwelttechnik. Mit Beginn der achtziger Jahre, nach einem Regierungswechsel und dem Eintritt der Grünen in den Bundestag (mit erheblichen Wirkungen auf das Parteiensystem), spielte die Bundesrepublik Deutschland diese Rolle, zunächst auf dem Gebiet der Luftreinhaltung, später auch in der Abfallpolitik, teils auch in der Förderung erneuerbarer Energien. Unter Umweltminister Klaus Töpfer setzte überdies eine starke Aktivität auf der internationalen Ebene ein (wobei die internationale Umweltpolitik teils auch als Vehikel zur Überwindung von Blockaden im eigenen Land genutzt werden konnte). Nunmehr wurde Deutschland die Nummer eins im Umwelttechnikexport. In den neunziger Jahren -unter dem Druck der größten Wirtschaftsrezession in der Nachkriegsgeschichte, der von den Wirtschaftsverbänden betriebenen „Standortdiskussion Deutschland“ und unter der schwächeren Führung von Umweltministerin Angela Merkel -fiel Deutschland innerhalb der Gruppe progressiver Staaten zurück.

Zu neuen Schrittmachern wurden Dänemark und die Niederlande. Auch Schweden schickt sich mit einem umfassenden ökologischen Wirtschaftskonzept, der Modernisierung seiner Umweltverwaltung, einer Forcierung der Wissensbasis und einem schrittweise verschärften Umwelt-und Energie-steuersystem an, seine ehemalige Pionierposition wieder einzunehmen.Zu den Vorreiterländern sind heute auch Neuseeland (mit seinem beachtlichen Resource Management Act von 1991) und Südkorea zu rechnen. Letzteres besitzt seit 1990 eine gesetzlich verankerte Umweltplanung mit konkreten Zielvorgaben, die detailliert budgetiert und jährlich evaluiert werden. Im Zehnjahresplan von 1995 findet sich auch die bemerkenswerte Parole: „From a Model Country of Economic Growth to a Model Country of Environmental Preservation!"

Die Bedeutung von Pionierländern liegt nicht allein in ihrem Beitrag zum globalen Politiklernen, sie sind im allgemeinen auch Barrieren gegen umweltpolitische Rückschläge. Sie erschweren es den Regierungen anderer Industrieländer, zu weit hinter den Stand des Erreichten zurückzufallen. Das gilt selbst für die USA, deren umweltpolitisch-administratives System sich ansonsten wenig um Umweltpolitikentwicklungen im Ausland kümmert. Ganz offensichtlich gibt es inzwischen auch einen ausgeprägten umweltpolitischen Wettbewerb um den Status eines Vorreiterlandes. Jedenfalls verleihen sich auffälligerweise mehrere Länder selbst diesen Titel. Und die internationale Umweltberichterstattung trägt mit dazu bei, daß dies nicht nur Behauptung bleibt.

Insgesamt kann die Bedeutung von Vorreiterländern im globalen Kontext gar nicht genug hervorgehoben werden. Ihre Existenz ist ein schlagendes Gegenargument gegen die resignierende Rede von der umweltpolitischen „Globalisierungsfalle“. Dänemark hat seine bahnbrechende ökologische Steuerreform (mit einer starken Umschichtung der Steuern vom Faktor Arbeit hin zum Umweltverbrauch) 1993 sogar mitten in einer Rezession begonnen. Nationale Pionierleistungen sind nicht nur möglich, sie gelten in der Umweltpolitik einer Reihe von Ländern auch als technologische Stimulanz für die eigene Ökonomie, vorausgesetzt, die Intervention ist flexibel und berücksichtigt Anpassungserfordernisse und Innovationsspielräume der Industrie.

Es sind ausgerechnet kleine, in den Weltmarkt besonders stark integrierte Länder, die sich durch Pionierleistungen in der Umweltpolitik auszeichnen (die skandinavischen Länder, die Alpenrepubliken, die Niederlande, Südkorea, Neuseeland). Vor allem aber wird in der Vorreiterrolle vorexerziert, daß Erfolge im Umweltschutz und auf dem Arbeitsmarkt parallel zu erzielen sind (die Niederlande, Dänemark, Neuseeland). 5. Diffusionsmechanismen Zur vertikalen Diffusion umweltpolitischer Neuerungen haben -neben der unmittelbaren horizontalen Nachahmung -die internationalen Umwelt-organisationenwesentlich beigetragen. Teilweise haben sie sich auch zu eigenständigen Innovatoren entwickelt.

Das gilt besonders für Programme und Institutionen, die im Rahmen der Rio-Konferenz der Vereinten Nationen (1992) und in ihrem Gefolge entstanden sind Der mit dem Brundtland-Report (1987) begonnene, seit der Rio-Konferenz fest etablierte internationale „ökologische Diskurs“ zur nachhaltigen Entwicklung" hat wiederum selbst auf fortgeschrittene Länder wie die Niederlande, Kanada, Deutschland und die skandinavischen Länder im Innenverhältnis aktivierend zurückgewirkt. In Entwicklungs-und Schwellenländern gab er die Initialzündung zum Aufbau umweltpolitischer Basisinstitutionen. Selbst in Großbritannien kam es durch den internationalen Umweltdiskurs seit dem Brundtland-Report, verstärkt durch einen raschen Aufstieg der grünen Bewegung, zu vielfältigen institutionellen, rechtlichen und programmatischen Neuerungen, verbunden mit einer Aufwertung des Umweltministeriums. Weltweit betrachtet, hat die auf der Rio-Konferenz verabschiedete „Agenda 21“ mit ihrem an die Kommunen adressierten „Kapitel 28“ die Entwicklung lokaler Umweltkooperationen stark gefördert.

Auch die OECD als ursprünglich primär wirtschaftliche Interessenorganisation hat viel zur Ausbreitung umweltpolitischer Erfolgsrezepte beigetragen. Ebenso ist die Europäische Union (EU) seit einigen Jahren mitunter ein solcher Dynamisierungsfaktor, zumindest für schwächere Mitgliedstaaten, bisweilen aber selbst für ein Land wie Deutschland. Die EU hat aber auch Auswirkungen auf Nicht-Mitgliedsländer wie Polen, Tschechien und selbst die Schweiz, die sich z. B. wegen der angestrebten EU-Mitgliedschaft in ihrer Umweltpolitik stark an dem dortigen Regelungswerk orientieren. Mehr noch: Weltweit orientieren sich Exportländer an dem umweltpolitisch vergleichsweise intensiv regulierten europäischen Markt.

Die EU ist in ihrem Umweltpolitikstil durch Pionierländer geprägt worden War bis in die späteren achtziger Jahre hinein der deutsche Einfluß dominant, was zu einem bürokratisch-regulativen Politikstil führte, setzten sich seitdem zunehmend Länder mit einem flexibleren, kooperativen, Transparenz stärkenden Ansatz durch, wozu, neben den Niederlanden und Dänemark, überraschenderweise auch Großbritannien gehört. 6. Bedeutungszuwachs nichtstaatlicher Akteure Auffallend ist im internationalen Überblick, neben der raschen Ausweitung staatlicher Handlungskapazitäten, der Bedeutungszuwachs nichtstaatlicher Akteurgruppen und deren globale Vernetzung. In allen untersuchten Fällen ist die Zahl unabhängiger Umweltverbände gestiegen. Ihr Einfluß auf umweltrelevante Entscheidungen hat aufgrund gestiegener Fachkompetenz -in den Verbänden finden sich immer mehr qualifizierte Experten, oftmals können sie auf eigene Analyse-und Forschungseinrichtungen zurückgreifen -und Kooperationsfähigkeit auf breiter Ebene zugenommen. Sie sind nicht mehr primär nur ökologische Warner und Wächter, sondern werden zunehmend in staatliche Willensbildungsprozesse und Planungsaktivitäten einbezogen.

Im internationalen Kontext sind sie aufgrund ihrer weltweiten Vernetzung ernstgenommene „global players" geworden. Vormals exklusive internationale Organisationen, einschließlich der Weltbank, haben sich ihnen in den letzten Jahren geöffnet. Bei schwierigen internationalen Entscheidungen sind sie z. T. Partner ihrer Regierungen.

Gerade in Ländern mit ungünstigen Ausgangsbedingungen, wie Rußland, China, Chile, Südkorea und vormals Japan, waren Umweltverbände ein dynamisierender Faktor der Umweltpolitik. Läßt ihre Aktivität nach, kommt es in der Regel zu einer Stagnation im Umweltpolitikprozeß, besonders deutlich erkennbar in Japan seit Ende der siebziger Jahre. Selbst in Nigeria, wo die Militärregierung regimekritische Bewegungen aller Art massiv unterdrückt, konnten lokale Umweltgruppen mit Unterstützung des globalen Umweltorganisationsnetzwerkes zumindest die Weltöffentlichkeit mobilisieren.

Das Beispiel Nigeria verweist darauf, wie wichtig auch unter ungünstigsten politischen Bedingungen die Medienberichterstattung -als weiterer nicht-staatlicher Akteur -ist. Hier war es die Presse, die 1988 einen illegalen Sondermüllimport aufdeckte und damit das Startsignal für den Aufbau umwelt-politischer Basisinstitutionen in diesem Lande gab.

Anschließend war das Land maßgeblich an der Durchsetzung der Basler Konvention gegen Sondermüllexporte beteiligt.

Häufigkeit und Qualität der Umweltberichterstattung der Medien wirken sich insgesamt nicht nur auf aktuelle Konfliktfälle aus -etwa indem sie situative Chancen für Umweltschutz-Protagonisten schaffen sie tragen auch zur Bildung und Verstetigung eines problemangemessenen gesellschaftlichen Umweltwissens bei. Zum Kapazitätswachstum des Umweltschutzes gehört nicht nur der Ausbau der Wissensbasis, sondern auch die Verbesserung der Bedingungen des Wissenstransportes. Deshalb ist es hervorhebenswert, daß heute -nicht nur in entwickelten Industrieländern -große Zeitungen spezielle Umweltredaktionen besitzen, die über kurzlebige Sensationsmeldungen hinausgehende komplexe Hintergrund-funktionen vermitteln. Der Umweltbewegung nahestehende Informationsorgane tragen zu deren Vernetzung und damit zu ihrer Stärkung bei. In den USA gibt es aber auch den Gegentrend zur Gründung von Zeitschriften durch Gegner der Umweltbewegung, die meist den politisch konservativen „think tanks“ verbunden sind und auf hohem Niveau politische und wissenschaftliche Kritik an einem vorgeblich überzogenen Umweltschutz üben. Dies unterstreicht den Stellenwert autonomer, überregionaler 'ökologieorientierter Kommunikationsorgane.

Insgesamt gehören die Pressefreiheit und ein pluralistischer Medienmarkt zu den Basisvoraussetzungen erfolgreicher Umweltpolitik. Für demokratische Grundrechte gilt dies generell. Sie bieten die rechtliche Infrastruktur dafür, daß umweltpolitische Institutionen eine gesellschaftliche Basis haben. In den osteuropäischen Ländern (vor allem aber in der DDR) gab es solche Institutionen zum Teil bereits relativ früh, ihre Schwäche lag indes nicht zuletzt im Fehlen solcher Unterstützungsfaktoren.

Der dritte nichtstaatliche Träger von Umwelt-belangen neben den Umweltverbänden und den Medien sind seit etwa zehn Jahren umweltorientierte Unternehmen. Ihre Interessenorganisationen sind z. T. wichtige Verbündete der Umweltverbände. Der FCKW-freie Kühlschrank beispielsweise wäre ohne die enge Kooperation zwischen Greenpeace und Unternehmen der Branche nicht so schnell zu einem weltweiten Verkaufserfolg geworden Ökologische Modernisierer in der Industrie spielen mittlerweile in vielen Ländern eine erhebliche Rolle. Technische Effizienzsteigerungen, Substitutionen von Schadstoffen, umweltangepaßtere Produkte und umweltfreundliche Logistiksysteme entstehen in Innovationsprozessen, die relativ unabhängig von staatlichen Interventionen stattfinden, häufig aber umweltpolitische Entwicklungen antizipieren.Ökologische Pionierunternehmen haben nicht nur als Wettbewerbsfaktor herausragende Bedeutung, sie entwickeln auch durch ihr Nachfrage-verhalten innerhalb der Wirtschaft ein ökologisches Steuerungspotential, das staatliche Möglichkeiten manchmal übertrifft. Besonders augenfällig ist dies bei einigen großen Handelsketten (z. B. IRMA/Dänemark, Migros/Schweiz, Tengelmann/Deutschland), deren ökologisch orientierte Sortimentsgestaltung eine ganze Kette von Vorproduzenten und Zulieferern sowie gleichfalls Konsumenten beeinflußt. Die großen Versicherungsgesellschaften wiederum bewirken durch ökologische Risikoanalysen und Prämien-gestaltung ähnliche Effekte und sind im Klima-schutz ein international beachteter Akteur

Damit werden solche Unternehmen zu wichtigen Verbündeten im umweltpolitischen Innovationsprozeß und in der Auseinandersetzung mit konservativen Standortsicherungspositionen.

Ein eigenständiger nichtstaatlicher Akteur der Umweltpolitik ist in entwickelten Industrieländern auch die Wissenschaft geworden. Wurde Umweltpolitik früher in starkem Maße durch etablierte wissenschaftlich-technische Institutionen geprägt -oft als „Schweigekartelle“ und Rechtfertigungslobby -, ist im Laufe der Jahre der Einfluß „ökologischer Wissensgemeinschaften,, in Universitäten, Forschungseinrichtungen und nationalen wie internationalen Fachverbänden gestiegen. Wissenschaftliche Organisationen spielen eine wichtige Rolle in Normbildungs-und Entscheidungsprozessen. Als eigenständige Akteure innerhalb eigener nationaler und internationaler Politiknetzwerke sind sie ein wesentlicher Aktivposten in der Kapazitätsbilanz der Umweltpolitik

Je weiter der Kapazitätsaufbau fortgeschritten ist, desto mehr verändert sich das Beziehungsmuster der verschiedenen Träger von Umweltbelangen in Richtung kooperativer Verhandlungssysteme, in die auch Akteure und Organisationen aus dem Umweltbelastungsfeld (umweltpolitische Zielgruppen) einbezogen werden Die zunehmende Verpflichtung der Verursacher zu eigenständigen

Problemlösungen wurde zuerst in den Niederlanden als „Internalisierung von Verantwortung“ eingeführt. Sie ist heute ein in vielen Ländern verbreiteter Ansatz, auch in der Agenda 21

7. Über-und Unterforderung von Handlungskapazitäten Die Bildung von Kapazitäten für Umweltmanagement ist ein komplexer Entwicklungsprozeß, bei dem objektive und subjektive Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Dementsprechend findet sie nicht als linearer Prozeß statt, der sich als ständige Steigerung des Problemlösungsniveaus ergibt. Vielmehr kommt es auch zu Rückschlägen und Kapazitätsabbau, so etwa in den USA und in Großbritannien, unter Ronald Reagan bzw. Margaret Thatcher. In Deutschland gibt es -u. a. durch die „Beschleunigungsgesetze“ -eine ähnliche, wenngleich weniger ausgeprägte Entwicklung.

Es scheint jedoch, daß gerade die Globalisierung von Umweltpolitik Untergrenzen solcher Rückschritte schafft. Weltweit sind erreichte Handlungskapazitäten der Umweltpolitik jedenfalls kaum auf Dauer eingeschränkt worden.

Stetiger umweltpolitischer Erfolg ist damit allerdings noch nicht garantiert: Handlungskapazität kann überfordert wie unterfordert sein. Eigentlich vorhandene Handlungsmöglichkeiten liegen mitunter brach, weil zentrale Akteure nicht über ausreichendes „Wollen und Geschick“ (will and skill) verfügen. Ebenso können kooperationsunfähige oder aber übermäßig integrierte, konfliktscheue Umweltorganisationen hinter ihren objektiven Möglichkeiten Zurückbleiben. Deutschland bietet Beispiele für jede dieser Varianten.

Die Strategiewahl ist allerdings nicht immer einfach: Sollen beispielsweise die deutschen Umwelt-verbände in einer Zeit, in der die Umweltpolitik kräftigen Gegenwind bekommt, auf möglichst breite Kooperation mit Akteuren aus Wirtschaft und Verwaltung oder auf eine Konfliktstrategie setzen, die auf Öffentlichkeitsmobilisierung abzielt?

Eine Überforderung der nationalen Handlungskapazität von Umweltpolitik findet sich vielfach in der hier referierten Mehrländeruntersuchung. Während die Entwicklungsländer generelle Handlungsschranken bei fast allen Umweltproblemen aufweisen, beschränken sich die Erfolge der wohlhabenden Industrieländer auf einen bestimmten Typus von Umweltproblemen: Probleme mit hoher Sichtbarkeit und subjektiver wie objektiver Betroffenheit, die den reaktiven Mechanismen des parlamentarischen Systems und der Massenpublizistik angemessen sind; Probleme, für die zugleich technische Optionen (wie Filtertechnik oder Gefahrstoffsubstitution) und win-win-Lösungen verfügbar sind; oder auch Probleme, deren Verursacher über keine ausreichende Lobby-Macht verfügen.

Das bedeutet, daß die vorhandenen Kapazitäten des Umweltschutzes auch in reichen Industrieländern da nicht ausreichen, wo schleichende Umweltverschlechterungen stattfinden, die Verursacher eine starke gesellschaftliche und politische Basis haben und/oder profitable Standardlösungen fehlen. Beispiele sind der Bodenschutz, die Stabilisierung des Flächenverbrauchs, der Klimaschutz und die Abfallvermeidung. Ökologisch nachhaltige Entwicklung betrifft die Lösung eben dieser Langzeitprobleme. Hier erweist sich eine weitere Kapazitätsbildung als unerläßlich. 8. Hauptproblembereiche: Die bisher nicht überwundenen Restriktionen Mit einer zusätzlich zu der hier herangezogenen Studie durchgeführten Expertenbefragung in zwanzig Ländern der Welt (darunter den Ländern unserer Fallstudien) ist u. a. versucht worden, zu klären, wo die bisherige Umweltpolitik an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. Dabei wurden für die entwickelten OECD-Länder einerseits und die übrigen Länder andererseits erwartungsgemäß sehr verschiedene Hemmnisse im Bereich materieller und administrativer Ressourcen oder der verfügbaren Technologien hervorgehoben. Interessant ist, daß das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage und eine unzureichende Medienunterstützung durchgängig als geringstes Problem erachtet wurden. Dagegen hat es der Umweltschutz erwartungsgemäß überall dort schwer, wo er sich gegen andere Prioritäten -insbesondere ökonomische Problemlagen -behaupten muß.

Mit großer Regelmäßigkeit wurden die folgenden vier Verursacherbereiche als besonders widerständig bezeichnet: Der Energiesektor, der Straßenverkehr, die Landwirtschaft und der Bausektor (siehe Abbildung). Es sind dies die Bereiche, für deren Langzeitprobleme auch in den 13 Fallstudien am wenigsten über Problemlösungen berichtet wurde.

Die Schaffung pluralistisch kontrollierter Energie-behörden in den USA, die Liberalisierung desKohle-und Stromsektors in Großbritannien, die Schaffung eines umweltfreundlichen Verkehrsbeirates in Dänemark oder die Schwächung der Agrarlobby in Holland und Dänemark sind immerhin Beispiele, wie sich die Position der Umweltpolitik relativ verbessern läßt (in Großbritannien sogar als unintendierte Konsequenz). Das pluralistische Aufbrechen der geschlossenen Netzwerke -der Herren der Vorentscheidungen -in diesen Politikfeldern scheint hier die aussichtsreichste Marschrichtung.

IV. Umweltpolitik in der Globalisierungsfalle?

Unsere Schlußfolgerungen beschränken sich auf das populäre Argument, die ökonomische Globalisierung habe die Handlungsbedingungen national-staatlicher Umweltpolitik systematisch verschlechtert -ein Argument, das selbst Vertreter von Umweltverbänden mitunter resignieren läßt.

Beginnen wir mit dem zuletzt angeführten Punkt: Die genannten vier Verursacherbereiche zeichnen sich durch eine auffällig geringe Weltmarktabhängigkeit und eine hohe Beeinflussung durch nationalstaatliche Politik aus. Wie also kann national-staatliche Umweltpolitik hier in eine „Globalisierungsfalle“ geraten sein?

Die Frage der Ohnmacht nationaler Umweltpolitik stellt sich im Lichte unserer Studie auch in anderer Hinsicht. Schließlich zeigt sie, daß nationale Vorreiterpolitik nicht nur möglich ist, sondern auch eine eher steigende Bedeutung gewinnt. Die Vorreiter waren und sind meist kleine Länder, die in hohem Maße in den Weltmarkt integriert sind. Die Erfahrung mit diesen Ländern hat ja auch längst zu dem Argument geführt, daß eine aktive nationale Umweltpolitik -sofern sie flexibel und innovationsfreundlich angelegt ist -der nationalen Ökonomie durchaus förderlich sein kann

Und schließlich zeigen unsere Untersuchungen, daß der Nationalstaat heute von der Globalisierung der Umweltpolitik erheblich profitiert, und zwar sogar die Vorreiterländer selbst.

Der Nationalstaat ist zwar durch ökonomische Globalisierungsprozesse geschwächt, aber er ist auch weniger denn je in der Lage, sich den internationalen Tendenzen des Umweltschutzes zu widersetzen. Und diese werden heute nicht nur von Staaten und ihren Organisationen beeinflußt, sondern von einem dichten Netzwerk quasi-staatlicher und zivilgesellschaftlicher Institutionen. Das Tempo des Umweltschutzes bestimmen weniger die Nachzügler Osteuropas und der Entwicklungsländer als die hochregulierten Märkte, denen sich Exportländer anzupassen haben.

Die Rede von der Globalisierung als Umweltschutzhemmnis hat empirisch eine eher schwache Basis. Gründe, die Unzulänglichkeit der Umweltpolitik zu beklagen, gibt es viele. Aber man sollte sie zunächst einmal in den Unzulänglichkeiten des eigenen Landes suchen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Helge Jörgens. Die Institutionalisierung von Umweltpolitik im internationalen Vergleich, in: Martin Jänicke (Hrsg.), Umweltpolitik der Industrieländer. Entwicklung -Bilanz -Erfolgsbedingungen, Berlin 1996, S. 59-112.

  2. Im einzelnen handelt es sich bei den Fallstudien/Länderexperten um die USA (Richard Andrews), Schweden (Lennart Lundqvist), Japan (Hidefumi Imura), Großbritannien (Albert Weale), die Niederlande (Hans Th. Bressers/Loret A. Plettenburg), Deutschland (Martin Jänicke/Helmut Weidner), Dänemark (Mikael Skou Andersen), die Schweiz (Peter Knoepfel), Süd-Korea (Young Suck Nam), Chile (Eduardo Silva), China (Yu-shi Mao), Nigeria (Fatai Kayode Salau) und Rußland (Ivan Potravny/Ulrich Weißenburger). Das von der Universität der Vereinten Nationen finanzell geförderte Projekt wurde in Kooperation mit den genannten Umwelt-experten durchgeführt. Die Ergebnisse sind veröffentlicht in Martin Jänicke/Helmut Weidner (Hrsg, unter Mitarbeit von Helge Jörgens), National Environmental Policies. A Comparative Study of Capacity-Building, Berlin u. a. 1997. Des weiteren greifen wir auf Ergebnisse von 24 Fallstudien zu Fällen erfolgreichen Umweltschutzes in zwölf Ländern zurück, vgl. Martin Jänicke/Helmut Weidner (Hrsg.), Successful Environmental Policy. A Critical Evaluation of 24 Cases, Berlin 1995.

  3. Zum Ansatz der nationalen Umweltplanung vgl. Martin Jänicke/Helge Jörgens, National Environmental Policy Plans and Long-term Sustainable Development Strategies. Leaming from International Experiences, Forschungsstelle für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin, Berlin 1996 (FFU-report 96-5).

  4. Vgl. zu generellen Systemeigenschaften Manfred G. Schmidt, Politische Bedingungen erfolgreicher Wirtschaftspolitik, in: Journal für Sozialforschung, 26 (1986), S. 251-273; Arend Lijphart/Michael Crepaz, Corporatism and Consensus in Eighteen Countries, in: British Journal of Political Science, 21 (1991), S. 235-246. Zur Umweltpolitik vgl. Joseph L. Badaracco, Loading the Dicc. A Five-country Study of Vinyl Chloride Regulation, Boston 1985; Kristine Kern/Stefan Bratzei, Umweltpolitischer Erfolg im internationalen Vergleich: Zum Stand der Forschung, in: M. Jänicke (Anm. 1), S. 29-58 (mit zahlreichen weiterführenden Literaturhinweisen)

  5. Vgl. Helmut Weidner, Basiselemente einer erfolgreichen Umweltpolitik. Eine Analyse und Evaluation der Instrumente der japanischen Umweltpolitik, Berlin 1996, S. 505-507; Gesine Foljanty-Jost, Ökonomie und Ökologie in Japan. Politik zwischen Wachstum und Umweltschutz, Opladen 1995, S. 32.

  6. Vgl. Hans Th. A. Bressers/Loret A. Plettenburg, The Netherlands, in: M. Jänicke/H. Weidner, 1997 (Anm. 2), S. 109131.

  7. Vgl. Paul A. Sabatier/Hank Jenkins-Smith (Hrsg.), Policy Change and Learning: An Advocacy Coalition Approach, Boulder, Col. 1993.

  8. Vgl. M. Jänicke/H. Jörgens (Anm. 3).

  9. Vgl. für viele Reinhard Loske, Klimapolitik. Im Spannungsfeld von Kurzzeitinteressen und Langzeiterfordernissen, Marburg 1996, S. 241-307.

  10. Vgl. Maarten A. Hajer, The Politics of Environmental Discourse. Ecological Modernisation and the Policy Process, Oxford 1995.

  11. Vgl. Adrienne Heritier/Susanne Mingers/Christoph Knill/Martina Becka, Die Veränderung von Staatlichkeit in Europa, Opladen 1994, S. 386-395.

  12. Vgl. Jobst Conrad, Greenfreeze: Environmental Success by Accident and Strategie Action, in: M. Jänicke/H. Weidner, 1995 (Anm. 2), S. 364-378.

  13. Vgl. Andrew J. Hoffmann, The Environmental Transformation of American Industry: An Institutional Account of Environmental Strategies in the Chemical and Petroleum Industries, Ms., Sloan School of Management, Department of Civil and Environmental Engineering, MIT, Cambridge, Mass. 1994.

  14. Vgl. Peter M. Haas, Introduction: Epistemic Communities and International Policy Coordination, in: International Organisation, 46 (1992), S. 1-36.

  15. Vgl. Peter Knoepfel (Hrsg.), Lösung von Umwelt-konflikten durch Verhandlung. Beispiele aus dem In-und Ausland, Basel -Frankfurt am Main 1995, S. 283-319; Sonja Wälti, Mediationserfahrungen in der nuklearen Entsorgungspolitik der Schweiz, Schriften zu Mediationsverfahren im Umweltschutz, Nr. 13, discussion paper des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung FS II 94-306, Berlin 1995.

  16. Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu auch den Beitrag von Monika Zimmermann in diesem Heft.

  17. Vgl. Michael E. Porter/Claas van der Linde, Green and Competitive. Ending the Stalemate, in: Harvard Business Review, September-October 1995, S. 120-134; David Wallace, Environmental Policy and Industrial Innovation, London 1995.

Weitere Inhalte

Martin Jänicke, Dr. phil., geb. 1937; Professor für Politische Wissenschaft und Leiter der Forschungsstelle für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin; 1974-1976 externer Berater der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes; 1981-1983 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Veröffenlichungen u. a.: State Failure. The Impotence of Politics in Industrial Society, Cambridge 1990; (zus. mit Helmut Weidner) Successful Environmental Policy -A Critical Evaluation of 24 Cases, Berlin 1995; (Hrsg.) Umweltpolitik der Industrieländer. Entwicklung -Bilanz -Erfolgsbedingungen, Berlin 1996; (Hrsg. zus. mit Helmut Weidner u. M. von Helge Jörgens) National Environmental Policies: A Comparartive Study of Capacity-Building, Berlin -Heidelberg -New York 1997. Helmut Weidner, Dr. phil., geb. 1948; wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozial-forschung (Abteilung Normbildung und Umwelt). Veröffentlichungen u. a.: Von der Schadstoffbeseitigung zur Risikoverhinderung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 44/77; (zus. mit P. Knoepfel) Luftreinhaltepolitik im internationalen Vergleich, 6 Bde., Berlin 1985; Basiselemente einer erfolgreichen Umweltpolitik, Berlin 1996.