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Lokale Agenda 21. Ein kommunaler Aktionsplan für die zukunftsbeständige Entwicklung der Kommune im 21. Jahrhundert | APuZ 27/1997 | bpb.de

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APuZ 27/1997 Ökologische Unsicherheit: Über Möglichkeiten und Grenzen von Umweltpolitik Zum aktuellen Stand der Umweltpolitik im internationalen Vergleich -Tendenzen zu einer globalen Konvergenz? Lokale Agenda 21. Ein kommunaler Aktionsplan für die zukunftsbeständige Entwicklung der Kommune im 21. Jahrhundert Kommunale Demokratie in der Umweltpolitik Neue Beteiligungsmodelle

Lokale Agenda 21. Ein kommunaler Aktionsplan für die zukunftsbeständige Entwicklung der Kommune im 21. Jahrhundert

Monika Zimmermann

/ 32 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Agenda 21, die als Abschlußdokument der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro verabschiedet wurde, stellt den Kommunen die Aufgabe, bis zu einem definierten Zeitpunkt mit allen Interessengruppen ihrer Bürgerschaft in einen Konsultationsprozeß einzutreten mit dem Ziel, einen Konsens über eine Lokale Agenda 21 zu erzielen. Eine Lokale Agenda 21 ist ein langfristiger, kommunaler Aktionsplan für die zukunftsbeständige Entwicklung der Kommune im 21. Jahrhundert, aufgestellt in einem partizipativen Verfahren. Dieser Aktionsplan soll die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ebenso einbeziehen wie die Erhaltung und Pflege ihrer natürlichen Ressourcen. Er setzt meßbare Ziele, ordnet sie umweltpolitischen Instrumenten und Programmen zu ihrer Erreichung zu und enthält ein Maßnahmenprogramm zur Umsetzung der Ziele. Weltweit haben bisher über 1 800 Kommunen diesen Auftrag angenommen und umgesetzt. Sie setzen dabei je nach ihrer örtlichen Situation ganz unterschiedliche Schwerpunkte und verstehen sich doch als Teil eines globalen Prozesses. Initiativen zum Start eines solchen Prozesses kommen nicht selten aus Bürgergruppen, auch die Erwachsenenbildung spielt mancher-orts eine wichtige Rolle.

I. Vorbemerkungen

Tabelle: Die drei Dimensionen einer Lokalen Agenda Quelle: ICLEI 1997.

Die Agenda 21, die als Abschlußdokument der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) 1992 in Rio de Janeiro verabschiedet wurde betont in ihrem Kapitel 28 die wichtige Rolle der Kommunen bei der Erzielung globaler Erfolge in Richtung einer „nachhaltigen, zukunftsbeständigen Entwicklung“ (sustainable development) Sie gibt den Kommunen die Aufgabe, bis zu einem definierten Zeitpunkt (ursprünglich 1996) mit allen Interessensgruppen ihrer Bürgerschaft in einen Konsultationsprozeß einzutreten mit dem Ziel, einen Konsens über eine Lokale Agenda 21 zu erzielen.

Neu und wirklich faszinierend an der Agenda 21 und an der aus ihr abgeleiteten Lokalen Agenda 21 ist die Gesamtsicht ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte, die langfristige und globale Sicht von Problemen sowie die Ausrichtung von Entscheidungen an der Zukunftsbeständigkeit. Inwiefern beeinflussen Handlungen und Entscheidungen heute und hier das Leben und Wirtschaften von Menschen zu späteren Zeitpunken und an anderen Orten? Eine Agenda 21 verlangt, den Denkhorizont in mehrfacher Hinsicht zu erweitern. Weltweit haben bisher über 1800 Kommunen diesen Auftrag angenommen und umgesetzt. Sie setzen dabei je nach ihrer örtlichen Situation ganz unterschiedliche Schwerpunkte und verstehen sich doch als Teil eines globalen Prozesses.

Auch in Deutschland wächst die Zahl der Kommunen, die einen Lokalen Agenda 21-Prozeß starten. Ihr Vorgehen unterscheidet sich deutlich voneinander; längerfristige Erfahrungen liegen jedoch noch kaum vor. Initiativen zum Start eines solchen Prozesses kommen nicht selten aus Bürgergruppen, auch die Erwachsenenbildung spielt mancher-orts eine wichtige Rolle.

Der folgende Beitrag soll den schwierigen Begriff der Lokalen Agenda 21 transparenter machen und konkrete Hilfen geben, wie eine Lokale Agenda sinnvollerweise angepackt werden kann.

II. Ein weltweiter Auftrag an Kommunen

Abbildung 1: Zukunftsbeständigkeit. Was soll aufrechterhalten werden? Quelle: ICLEI 1997.

Die bei der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro versammelten Staats-und Regierungschefs verabschiedeten eine „Agenda 21“, ein langfristiges Handlungsprogramm für die Staatengemeinschaft an der Schwelle zum 21. Jahrhundert.

Die sehr umfangreiche „Agenda 21“ umfaßt vier Teile mit 40 Kapiteln:

Teil I: Soziale und wirtschaftliche Dimension (Kapitel 1-8)

Teil II: Erhaltung und Bewirtschaftung der Ressourcen für die Entwicklung (Kapitel 9-13)

Teil III: Stärkung der Rolle wichtiger Gruppen (Kapitel 23-32; darunter Kommunalkapitel 28) Teil IV: Möglichkeiten der Umsetzung (Kapitel 33-40)

Angesprochen werden hauptsächlich Probleme in ihrer globalen Dimension, darunter Wüstenbildung, Erosion, Klimaänderung, Entwaldung, Meeresschutz, Abfälle, aber auch alltägliche Rahmenbedingungen der Entscheidungsfindung und der Umsetzung.

Viele gesellschaftliche Akteure, allen voran jedoch die Nationalstaaten selbst, werden als Handlungs träger für eine Entwicklung beschrieben, die die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen (Umweltschutz) mit der Förderung der sozialen und ökonomischen Lebensgrundlagen (Entwicklung) verbindet. Dies schließt die Bewältigung weltweiter ökologischer Risiken, wie etwa zunehmende Verwüstung, Entwaldung, Erosion und Verschmutzung, ebenso ein wie soziale Gerechtigkeit, Armutsbekämpfung und Gesundheitsschutz. Dies zusammen wird seither als sustainable development zum Leitsatz internationaler Entwicklung definiert.

Aus der Erkenntnis heraus, daß eine Kommune die der Bevölkerung am nächsten liegende Einheit ist, wurde der Internationale Rat für Kommunale Umweltinitiativen (ICLEI) vom UNCED-Sekretariat im Zuge der Konferenzvorbereitungen gebeten, den möglichen Beitrag der Städte und Gemeinden zu einer zukunftsbeständigen Entwicklung zu beschreiben. Sein Entwurf prägte das inzwischen vielzitierte Kapitel 28 der Agenda 21. „Jede Kommunalverwaltung soll in einen Dialog mit ihren Bürgern, örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft eintreten und eine „kommunale Agenda 21“ beschließen. Durch Konsultation und Herstellung eines Konsenses würden die Kommunen von ihren Bürgern und von örtlichen Organisationen, von Bürger-, Gemeinde-, Wirtschaftsund Gewerbeorganisationen lernen und fiir die Formulierung der am besten geeigneten Strategien die erforderlichen Informationen erlangen.“ (Agenda 21, Kapitel 28. 3)

Das Kapitel 28 fordert darüber hinaus die Kommunalverbände auf, den Informations-und Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen zu intensivieren, eine Aufgabe, die auch in Deutschland ernst genommen wird.

Von Anfang an war es klar, daß die Aufstellung einer Lokalen Agenda 21 in Lateinamerika andere Themenschwerpunkte umfassen wird als diejenige in Südafrika, Asien oder in einer europäischen Kommune. Steht zum Beispiel im Mittelpunkt der Bemühungen einiger lateinamerikanischer Städte der Aufbau bürgerschaftlichen Engagements als Basis jeder Zukunftsdiskussion, so bilden die Themen Gewalt und Gerechtigkeit die zentralen Anliegen der Agenda-Modellkommunen in Südafrika. Ein weltweit bekanntes Beispiel: Cajamarca, Peru Die Provinz Cajamarca gehört zu den ärmsten Gegenden der Welt. 1993 lag die Kindersterblichkeit um 82 Prozent höher als im peruanischen Durchschnitt und 30 Prozent höher als der Durchschnitt der armen Länder. Der wichtigste Fluß der Provinz war durch Bergwerksaktivitäten und unbehandelte Abfälle verseucht. Landwirtschaft auf den steilen Andenhängen, Überweidung und Abholzung der Wälder für Brennholz hatten zu schlimmer Bodenerosion geführt. 1993 war auch das Jahr, in welchem der Bürgermeister von Cajamarca einen weitreichenden Lokale Agenda-Prozeß startete. Diese Bemühungen bestanden aus zwei zentralen Komponenten: zunächst einer drastischen Dezentralisierung der Provinzregierung, um zu erreichen, daß die Entscheidungen der kommunalen Gremien wirklich den Bedürfnissen der vielen kleinen und abgelegenen Gemeinden entsprechen. Cajamarca Stadt wurde in 12 Bezirke, das Umland in 64 „weniger besiedelte Gebiete“ geteilt, jeweils mit einem eigenen gewählten Bürgermeister und Gemeinderat. Gleichzeitig wurde der Regionalrat umgebildet, er besteht nun aus 48 Bürgermeistern der weniger besiedelten Gebiete, 12 Bürgermeistern der Stadt Cajamarca, den 12 Bezirksbürgermeistern und dem Provinzbürgermeister.

Das zweite Element der Initiative war die Aufstellung eines Planes zur zukunftsbeständigen Entwicklung auf Provinzebene. Ein Forum wurde eingerichtet mit dem Ziel, einen größtmöglichen Konsens zu erreichen. In ihm sind Vertreter verschiedener Regierungsstellen, von Verbänden, der Privatwirtschaft und von Gerichten. Sechs Arbeitsgruppen hat dieses Forum eingerichtet, um Aktionspläne in den folgenden Bereichen aufzustellen: Bildung, Natürliche Ressourcen und Landwirtschaft, Produktion und Beschäftigung, kulturelles Erbe und Tourismus, städtische Umwelt sowie Frauenfragen, Familien und Bevölkerung. Diese Arbeitsgruppen bekamen die Aufgabe, für ihr Thema einen Aktionsplan aufzustellen. Um tatsächlich örtliches Wissen nutzen zu können, wurden Trainingsworkshops in den neuen Gemeinden abgehalten, auch bekamen die Bürgermeister Handreichungen, um Ideen und Vorschläge mit ihren Räten zu erörtern.

Alle Einzelpläne aus den Arbeitsgruppen wurden im Entwicklungsplan der Provinz zusammengefaßt und im August 1994 dem Provinzrat vorgelegt. Von dort abgesegnet, und nach einer Reihe von öffentlichen Workshops über den Plan bekam dieser schließlich öffentliche Zustimmung durch ein Bürger-Referendum. Seit dieser Zeit haben die Arbeitsgruppen ihr Werk fortgesetzt, Geldquellen erschlossen und Partnerschaften gestiftet, um den Plan umzusetzen. Konkrete Projekte beinhalten beispielsweise die Bereitstellung von Trinkwasser, Abwasserinstallationen, Umwelterziehung und Elektrifizierung ländlicher Gebiete. Insgesamt hat dieser vorbildliche Lokale Agenda 21-Prozeß seit 1993 mehr als 21 Mio. US-$für eine zukunftsbeständige Entwicklung dieser Region erschlossen.

Cajamarcas Provinzbürgermeister steht inzwischen an der Spitze des peruanischen Städteverbandes. Er hat in seinem Land nicht nur eine Aufwertung der kommunalen Selbstverwaltung erreicht, sondern auch vielen Kollegen ein Beispiel gegeben, wie Lokale Agenda-Prozesse erfolgreich gegen Armut und Umweltverschmutzung wirken können.

Entnommen und übersetzt aus Local Agenda 21 Survey

Mehrere internationale Programme dienen der Umsetzung der Lokalen Agenda 21 weltweit, insbesondere das „Sustainable Cities Programme“ von UNCHS und UNEP Projekte von UNDP die „Local Agenda 21 Initiative“ von ICLEI, sowie Aktivitäten von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit wie der gtz und UTDA Ebenso fördern regionale und nationale Kampagnen die kommunalen Bemühungen. Erste Wirkungsanalysen werden in Kapitel neun beschrieben.

III. Die drei Elemente einer Lokalen Agenda 21: Ziel, politische Kultur und Weg

Abbildung 2: Initiativen für eine Lokale Agenda

Inhaltlich stellt eine Lokale Agenda 21 im wesentlichen einen langfristigen kommunalen Aktionsplan mit dem Ziel der nachhaltigen, zukunftsbeständigen Entwicklung der Kommune im 21. Jahrhundert dar. Der Inhalt dieses Aktionsplans ist nichts anderes als die Übertragung der Agenda 21 auf die jeweils spezielle kommunale Situation. Die Agenda 21 stellt dabei sozusagen das übergeordnete Leitbild dar, entlang dem jede Kommune ihr eigenes Leitbild formuliert. Durch die Umsetzung von vielen auf diesen Leitbildern basierenden Plänen entstehen kumulative kommunale Effekte mit globalen Auswirkungen. Eine Lokale Agenda 21 entwickeln heißt daher, Teilnehmer, ja Bestandteil einer konzertierten, multi-lokalen Aktion zu werden und lokale Beiträge zu einer globalen Verbesserung zu leisten.

So unterschiedlich die Prozesse weltweit laufen, so ist doch schon jetzt in faszinierender Weise bemerkbar, daß örtlich angepaßte Aktivitäten in einer globalen Gemeinschaft mit ähnlichen Zielen dezentral, aber parallel an vielen Orten der Welt umgesetzt werden.

Eine Lokale Agenda 21 wird dann erfolgreich sein, wenn ihre unterschiedlichen Elemente zusammenspielen. Der inhaltliche Gegenstand der Lokalen Agenda 21 (Ziel) und die Verfahrenskultur zu dessen Erreichen (Kultur) sind unabdingbare Voraussetzungen für ein Gelingen. 1. Das Ziel: Handlungsprogramm für Zukunftsbeständigkeit der Kommune a) Zukunftsbeständigkeit Der englische Begriff sustainability (= ability to be sustained) bedeutet wörtlich „Aufrechterhaltbarkeit“. Über seine sinnvolle Übersetzung in die deutsche Sprache wurde bereits an vielen Stellen gerungen. Zunächst weit verbreitet war im Deutschen „nachhaltig und umweltgerecht“ sowie „dauerhaft“. Zwischenzeitlich hat die Übersetzung mit „zukunftsfähig“ großen Anklang gefunden, ebenso wie die Weiterentwicklung in „zukunftsbeständig“. Diese Übersetzung in der Charta von Aalborg (s. u.) ist Basis vieler kommunaler Dokumente geworden. Wichtig erscheint der Hinweis, daß die Begriffe „sustainable“ und „sustainability“ im englischen Sprachraum eine deutliche Abflachung erfahren haben und oft nicht mehr als eine modische Vorsilbe darstellen, ebenso wie „Öko.. im Deutschen. Wichtig ist es daher, immer wieder auf das Grundanliegen des Begriffes zurückzugehen: die Aufrechterhaltbarkeit der sozialen und natürlichen Systeme unter den schwieriger werdenden Wechselbedingungen der Zukunft.

Im jüngsten Bericht der Bundesregierung „Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland“ heißt es zum Postulat der Nachhaltigkeit: „Ökologie, Ökonomie und soziale Sicherheit bilden eine untrennbare Einheit. Dies ist der wesentliche Kern des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung, auf das sich die Staatengemeinschaft 1992 in Rio verständigt hat. Nachhaltig ist eine Entwicklung, die diese drei Aspekte zusammenführt: die Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lebensbedingungen muß mit der langfristigen Sichtung der natürlichen Lebensgrundlagen in Einklang gebracht werden.“ b) Bewirtschaftungsregeln/Managementregeln der Zukunftsbeständigkeit Die nachhaltige Nutzung der Umwelt bedeutet die Erhaltung des natürlichen Kapitals. Was dies konkret heißt, wird aus folgenden Regeln und Prinzipien deutlich: 1. Erneuerbare Naturgüter (z. B. Wälder oder Fischbestände, Frischwasser):

Die Nutzung erneuerbarer Naturgüter darf auf Dauer nicht größer sein als ihre Neubildungsrate (Regenerationsrate). Andernfalls steht diese Ressource zukünftigen Generationen nicht (ausreichend) zur Verfügung.

2. Nichterneuerbare Naturgüter (z. B. fossile Energieträger): Nichterneuerbare Naturgüter dürfen nicht schneller verbraucht werden, als sie durch dauerhafte, erneuerbare Ressourcen ersetzt werden können. Andernfalls gingen nicht nur die Ressourcen selbst, sondern auch deren Funktionen zukünftigen Generationen verloren.

3. Emissionen (z. B. Chemikalien oder Abwärme): Die Freisetzung von Stoffen und Energie darf auf Dauer nicht größer sein als die Anpassungsfähigkeit der natürlichen Umwelt, also die Fähigkeit von Luft, Wasser und Boden, diese Schadstoffe zu binden und abzubauen.

Andernfalls werden Naturgüter und/oder die menschliche Gesundheit wegen Nicht-Anpassungsfähigkeit und Unverträglichkeit geschädigt. Diese Prinzipien kamen Anfang der neunziger Jahre in die weltweite Diskussion Sie sind inzwischen Basis zahlreicher Dokumente, darunter der „Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit“ (Charta von Aalborg) und des Berichts der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung

Die Charta von Aalborg fordert die Einhaltung eines weiteren Prinzips, welches als „stufenweises Weitervermitteln nach außen“ bezeichnet wird: 4. Eine Stadt soll ihre Probleme grundsätzlich nicht in die weitere Umgebung oder in die Zukunft „exportieren“. Alle Probleme und Ungleichgewichte sollen zunächst auf lokaler Ebene ausgeglichen werden und erst, wenn dies nicht möglich ist, auf nächst höherer Ebene aufgefangen bzw. ausgeglichen werden.

Konkret: Das Exportieren von Abfall, das Herantransportieren von Frischwasser aus fernen Gegenden, das Ablagern von Atommüll oder das Importieren von Futtermitteln aus Ländern der Dritten Welt widerspricht diesem Prinzip.

All jenes darf nicht als Selbstverständlichkeit gesehen werden, sondern verlangt zumindest Verhandeln und Ausgleichen.

Die hier genannten Ziele und Handlungsprinzipien sollen die inhaltlichen Grundlagen sein für kommunale Handlungsprogramme, also die Lokale Agenda 21. Anwendung finden sollen sie im Prinzip in allen von der Agenda 21 aufgeführten Themenfeldern. Dabei ist selbstverständlich zu berücksichtigen, daß Kommunen in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedliche Problemschwerpunkte haben. Eine Hafenstadt wird in ihre Lokale Agenda 21 Fragen der Meeresverschmutzung oder der Küstenerosion aufnehmen, während eine Hochgebirgsstadt primär mit Folgen der Luft-verschmutzung oder Entwaldung zu kämpfen hat. Eine Stadt des Südens wird Abfall als Gesundheitsproblem sehen und primär ihre Armut bekämpfen wollen, während eine Kommune des Nordens Artenvielfalt oder Klimaschutz ins Zentrum ihrer Bemühungen stellt. Und trotzdem: Ein Durchgehen aller Themenfelder der Agenda 21 mit folgenden Leitfragen sollte Teil jeder Lokalen Agenda 21 sein:

a) Welche Themenbereiche, die bisher nicht als Probleme erkannt oder diskutiert wurden, sind doch relevant genug, um in die eigene Lokale Agenda 21 aufgenommen zu werden? Beispiel für solche oft vergessene Fragen: Gibt es einen Rückgang landwirtschaftlicher Produktionsflächen durch Bodenerosion?

b) Welche heute noch kaum manifesten Probleme können solche der Zukunft werden? Beispiele:

Welche Entscheidungen heute können zu „Dürre“ morgen führen? Wird es auch in mitteleuropäischen Metropolen Slums geben?

c) Inwiefern beeinflußt das Leben und Wirtschaften in einer (meiner) Stadt das Leben und Wirtschaften von Menschen an anderen Orten?

Beispiele: LKW-Gütertransporte aus Südosteuropäischen Biiliglohnländern belasten Alpen-bewohner. Diese Fragen haben viel mit dem Lebensstil der einzelnen zu tun, aber auch mit grundsätzlichen Entscheidungen eines Gemeinwesens, einer Kommune. c) Das kommunale Leitbild Die Philosophie der Lokalen Agenda 21 besagt, daß die Aufstellung eines umfassenden kommunalen Handlungsprogrammes als einen der ersten Schritte die Formulierung eines Leitbildes erfordert. Dieses Leitbild soll die verschiedenartigen Maßnahmen der Stadtpolitik auf ein gemeinsames Ziel orientieren, in welchem sich die ökologischen, sozialen und ökonomischen Interessen wiederfinden.

Ein gemeinsames und vor allem umfassendes Leitbild soll -im Konsens vieler Beteiligter formuliert werden;

-sektorale Einzelstrategien verhindern (klassisches Beispiel: Während aus Umweltgründen ein Verzicht auf das Auto propagiert wird, entstehen neue, nur per PKW erreichbare Gewerbegebiete weit außerhalb der Stadt);

-als Richtschnur für die Überprüfung der Umsetzung geplanter Maßnahmen dienen (wobei Indikatoren, wie unten beschrieben, unterstützend wirken).

Obwohl bereits viele Kommunen einen Agenda-Prozeß gestartet haben, gibt es noch wenige Beispiele explizit formulierter Leitbilder. Und doch liegen Erfahrungen in Deutschland vor: Die For29 mulierung von Leitbildern ist stets als Aufgabe integrierter Stadtentwicklung verstanden worden, wie sie in den Jahren beispielsweise in Hannover und München praktiziert wurde. Ein Leitbild für die räumliche Entwicklung einer Kommune wird üblicherweise im Rahmen der Flächennutzung festgeschrieben. d) Indikatoren für zukunftsbeständige Entwicklung Indikatoren sind Kenngrößen, die den Zustand eines größeren, oft komplexen Systems repräsentieren sollen. Bekannt sind ökonomische Indikatoren (z. B. Bruttosozialprodukt) ebenso wie soziale (Säuglingssterblichkeit) und Umweltindikatoren (SO 2-Immissionen pro Flächeneinheit). Neu entwickelt werden derzeit Nachhaltigkeitsindikatoren. Kommunen in aller Welt bemühen sich sogar, örtliche Indikatoren für ihre Zukunftsbeständigkeit zu finden und zur Beobachtung ihrer Entwicklung einzusetzen. Noch stehen diese Bemühungen am Anfang. Es gibt noch keine generell empfehlenswerten Indikatoren-Sets, die wirklich über vorhandene Umweltindikatoren oder ein Mix verschiedenartiger Indikatoren hinausgingen. Einige Regeln für die Aufstellung von Nachhaltigkeits-Indikatoren können die dezentralen Bemühungen jedoch erleichtern

Nachhaltigkeitsindikatoren -sind niemals Selbstzweck, sondern nur (temporäre) Hilfsmittel; -sollen vorhandene Potentiale (z. B. Naturressourcen) in eine Relation zur Nutzung stellen mit dem Ziel, daß die Nutzung das Vorhandene nicht übersteigt; -können Indikatoren des Zielerreichungsgrades sein, also Meßgrößen, die Aussagen dazu liefern, wie weit ein Zustand noch von einem gewünschten Ziel entfernt ist. Beispiel: Verminderung von CO 2-Emissionen in bezug auf ein festgelegtes Reduktionsziel; -können verbindende Indikatoren sein, die die Wechselwirkung zwischen zwei Systemen darstellen. Beispiel: Flächenverbrauch pro Arbeitsplatz; -sollen bereits bei ihrer Aufstellung das Konsensfindungsprinzip reflektieren, indem ihre Auswahl und Definition in einem gemeinschaftlichen Verfahren bestimmt wird, was eine deutliche Erhöhung ihrer Akzeptanz sowie* Maßnahmen und eventuelle Sanktionen bei Nichteinhaltung von Zielen erhoffen läßt.

Beispiel:

Für die Schaffung neuer Arbeitsplätze und damit einhergehender wirtschaftlicher Entwicklung innerhalb der Kommune mag die zusätzliche Ausweisung von Gewerbeflächen für richtig erachtet werden, für die Erhaltung des Naturpotentials hingegen die Reduzierung des Flächenverbrauchs. Mit Hilfe des verbindenden Indikators „zusätzliche Gewerbefläche pro zusätzlichem Arbeitsplatz“ kann gemessen werden, ob Flächeninanspruchnahme und erstrebter Nutzen in einem akzeptablen Verhältnis zueinander stehen. Was „akzeptabel“ ist, kann Thema einer konsensorientierten Diskussion sein. 2. Die politische Kultur a) Initiativen durch die Kommunalverwaltung Das Wesen der Lokalen Agenda 21 ist gekennzeichnet durch bestimmte Anforderungen an die Verfahrenskultur. Diese verlangt von jeder einzelnen Kommune, daß sie in einen Konsultationsprozeß mit allen örtlichen Bevölkerungsgruppen mit dem Ziel der Konsensfindung eintritt. „Jede Kommunalverwaltung soll in einen Dialog mit ihren Bürgern, örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft eintreten und eine , kommunale Agenda 21 ‘ beschließen. Durch Konsultation und Herstellung eines Konsenses würden die Kommunen von ihren Bürgern und von örtlichen Organisationen, von Bürger-, Gemeinde-, Wirtschafts-und Gewerbeorganisationen lernen und für die Formulierung der am besten geeigneten Strategien die erforderlichen Informationen erlangen..." (Agenda 21, Kapitel 28. 3)

Der in Kapitel 28 der Agenda 21 formulierte Auftrag wendet sich an die Gemeinde, das heißt an die verfaßte Bürgerschaft mit ihren politischen und administrativen Organen. Das bedeutet, daß zumindest dort, wo nicht bereits Impulse von den örtlichen Gruppen ausgehen, die Initiative für die Aufstellung einer Lokalen Agenda 21 von der Kommunalverwaltung ausgehen soll. Nur wenige Kommunalverwaltungen haben ihren Anstoß direkt aus der Agenda 21 bekommen; zumeist sind es Umweltverbände oder Entwicklungshilfegruppen, die eine örtliche Agenda anregen, kirchliche Einrichtungen oder Einrichtungen der Bildung und Wissenschaft. Zumindest für Europa gilt, daß die Charta von Aalborg (s. u.) und in ihrer Folge veranstaltete Konferenzen (z. B. Rom 1995 Lis-sabon 1996 auf viele Kommunalpolitiker motivierend und anstoßend gewirkt haben.

Von der Kommunalverwaltung sollte der Prozeß weiter organisiert und koordiniert werden. Dies verlangt von den beteiligten Akteuren die Rückbesinnung auf das grundlegende Verhältnis zwischen Bürgern und Verwaltung: Die Bürger sind diejenigen, in deren Auftrag und für deren Ziele die Verwaltung Maßnahmen entwickelt und umsetzt.

Im Kontext des deutschen Kommunalverfassungsrechtes erscheint dies nicht als revolutionäre Forderung. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß in vielen Regionen der Welt (noch) keine selbstverwalteten Kommunen bekannt sind, Bürgermeister oft als Staatskommissare eingesetzt werden und keine frei gewählten Kommunalparlamente existieren, wird die Brisanz dieses Postulates von Rio deutlich.

Die Kommune erhält, wenn sie Kapitel 28 der Agenda 21 ernst nimmt, mit der Initiierung und Moderation des Lokale Agenda 21-Prozesses nicht nur eine neue Aufgabe, sie bekommt eine Doppel-rolle als Verfahrensführerin und gleichzeitig Betroffene/Beteiligte. Kommunalmitarbeiter als Moderatoren sind auf ganz neuen Feldern gefordert, für die sie selten eine Ausbildung oder bisher einen förmlichen Auftrag erhalten hätten. lernen b) Durch Konsultation von Bürgern Der Weg zu einer Lokalen Agenda 21 ist der einer Konsultation der Bürgerinnen und Bürger durch Rat und Kommunalverwaltung Ein solcher Weg der Konsultation unterstellt, daß Bürgerinteressen ernst genommen werden und daß die Befragten kompetente Ansprechpartner für die Lösung kommunaler Probleme sind und über ein „Expertenwissen“ verfügen. Er geht weiter davon aus, daß eine Entwicklung, die ohne diesen Konsultationsprozeß zustande kommt, nicht zukunftsbeständig sein wird, weil der Konsens fehlt.

Das Kapitel 28 hebt manche Bevölkerungsgruppen in besonderer Weise hervor, heißt es doch bei den Zielen, „. . . alle Kommunen in jedem einzelnen Land sollen dazu angehalten werden, Programme durchzuführen und zu überwachen, deren Ziel die Beteiligung von Frauen und Jugendlichen an Entscheidungs-, Planungsund Lmsetzungsprozessen ist. “

Eine Möglichkeit, die verschiedenartigen Interessengruppen, einschließlich derjenigen der Privat-wirtschaft, innerhalb einer Kommune zusammen-zubringen, stellt die Einladung zu einem Agenda-Forum dar. Wichtig hierbei ist es, die Zusammensetzung der Teilnehmer sorgfältig zu planen und sicherzustellen, daß alle relevanten Interessen vertreten sind. Einladungen zur aktiven Mitwirkung an einem Forum werden eher angenommen, wenn sie von hochrangiger Stelle ausgesprochen werden. -Bürgerforen sind allgemein zugängliche, oft in regelmäßigen Abständen stattfindende öffentliche Veranstaltungen, die geeignet sind, (Zwischen-)

Ergebnisse zu präsentieren und zu diskutieren. Sie eignen sich weniger zum konstruktiven Erarbeiten von Konzepten und Strategien.

-Fest eingerichtete, repräsentative Foren aus örtlichen Interessenvertretern dienen der (eher politischen) Diskussion des Leitbildes und abgeleiteter Ziele sowie der Diskussion von Arbeitsergebnissen aus fachlichen Gremien.

Sie müssen unbedingt professionell moderiert werden, wenn Frustrationen oder Patt-Situationen vermieden werden sollen.

-Arbeitsgruppen, Fachforen etc. sind meist kleinere Gruppen, in denen zu einem bestimmten Themenbereich Handlungsvorschläge erarbeitet werden, um diese danach im größeren Rahmen zu diskutieren und in die Gesamtkonzeption einfließen zu lassen. c) Konsens Ziel der Konsultation ihrer Bürgerinnen und Bürger durch die Kommunalverwaltung ist der Konsens darüber, welche Ziele sich die Kommune für ihre Entwicklung zur Zukunftsbeständigkeit setzt. Nicht eine Mehrheitsentscheidung ist es also, die festlegt, wie eine Lokale Agenda 21 letztendlich aussehen wird, sondern der Konsens: ein kontinuierlicher Diskussionsprozeß, ein Ab-und Angleichen von Interessen und schließlich der eine oder andere Kompromiß.

Ein Konsens ist ungleich schwerer herbeizuführen als eine Mehrheitsentscheidung. Er kann sich aber immer einer breiteren Basis und damit der Unterstützung durch eine größere Mehrheit und über einen längeren Zeitraum hinweg gewiß sein.

Mit welchen (Hilfs) -Mitteln ein solcher Konsens herstellbar wird, wird derzeit in vielen deutschen Kommunen getestet. Noch fehlen ausgewertete Erfahrungen, deutlich ist aber schon jetzt:

-Konsenserreichung ist mehr als Bürgerbeteiligung herkömmlichen Stils;

-es handelt sich um einen diffizilen Prozeß, der Fingerspitzengefühl und professionelle Herangehensweisen erfordert;

-Kommunalverwaltungen bedürfen nicht selten der externen Beratung; Methoden der Moderation und Mediation bieten sich als Grundlage für eine ortsspezifische Strategie an. 3. Der planerische Weg Lokale Agenda 21-Prozesse können und dürfen nicht in ein einheitliches Schema gepreßt werden. Die Erfahrung zeigt jedoch, daß bestimmte Probleme und Fragestellungen überall auftauchen. Folgende Schritte haben sich als besonders relevant erwiesen und können als Richtschnur dienen (s. Abb. 3).

IV. Das Ergebnis: Die Lokale Agenda 21

Abbildung 3: Schritte zur Lokalen Agenda

Maßstab für das Gelingen eines Lokalen Agenda 21-Prozesses ist das Ergebnis: die Lokale Agenda 21, also das Handlungskonzept für die kommunale Entwicklung ins 21. Jahrhundert.

Die Lokale Agenda 21 -enthält das übergeordnete Leitbild mit festgelegten Zielen der ökonomischen, sozialen und ökologischen Entwicklung; * -Programme und Handlungskonzepte zur Verwirklichung der prioritären Ziele;

-Vorschläge zur Umsetzung der Programme und Mechanismen zur Überprüfung der Zielerreichung (Erfolgskontrolle) mit Methoden und Zeitplänen zur Erreichung dieser Ziele und mit Nennung und (Selbst-) Verpflichtung der wesentlichen Akteure;

-sowie eine Dokumentation des gesamten Lokalen Agenda-Prozesses.

Die Lokale Agenda 21 -wird vom Agenda-Forum oder einem ähnlichen Gremium möglichst im Konsens verabschiedet und -vom zuständigen politischen Gremium (Gemeinderat) beschlossen. Hier wird auch deutlich, daß eine Lokale Agenda 21 keine Aktion sein darf, die neben dem oder gar gegen das Kommunalparlament läuft. Eine enge Verzahnung der Aktivitäten ist notwendig. Ohne Ratsbeschluß bleibt eine Lokale Agenda 21 unverbindlich und damit ziemlich wirkungslos.

Das Besondere an diesem Handlungsprogramm sind die bereits erwähnten Leitziele sowie die Langfristigkeit seines Denkens. Entwicklungsziele und Umsetzungsstrategien gehen weit über die Amtszeit derjenigen Gemeindevertreterinnen hinaus, die eine Lokale Agenda initiieren. Die Bewältigung des 21. Jahrhundert ist Erfolgsmaßstab, nicht das Wohlergehen oder der Konsumbedarf heutiger Wähler. Auch ein „Stadt X 2000“ -Projekt greift hier zu kurz. In dieser durch die Agenda 21 gegebenen Herausforderung liegt auch die eigentliche Schwierigkeit der Lokalen Agenda 21: Sie verlangt ein Denken und Handeln über die Rathausspitze hinaus, welches rund um die Welt ziemlich abhanden gekommen ist.

Jeder Prozeß zur Aufstellung einer Lokalen Agenda 21 soll von vornherein zeitlich begrenzt sein. Die Agenda 21 hat das Jahr 1996 als Ziel vorgegeben. Wir wissen heute, daß diese Frist unrealistisch kurz war, die Notwendigkeit jedoch, nicht nur einen Start anzuregen, sondern schon eine Landung, ein Ergebnis vorzubereiten, bleibt.

V. Fünf Jahre nach Rio: Wo steht die Lokale Agenda 21 heute?

1. Ein weltweiter Überblick Die UN-Sondergeneralversammlung „ 5 Jahre nach Rio“ im Juni 1997 hat sich auch mit der Bilanz kommunaler Aktivitäten befaßt. Eine weltweite Erhebung zur Lokalen Agenda 21, die ICLEI zusammen mit dem „Department for Policy Coordination and Sustainable Development“ der Vereinten Nationen Ende 1996 durchgeführt hat gibt Anlaß zur Hoffnung, daß immer mehr Kommunen zu Vorreitern der Zukunftsbeständigkeit werden.

Die Ergebnisse der Erhebungen in Kürze: -Ende November 1996 waren mehr als 1 800 Kommunen aus 64 Ländern in einen Lokalen Agenda 21-Prozeß eingetreten; 879 davon hatten den Prozeß erst vor kurzem begonnen. -Die Beteiligung ist am größten in solchen Ländern, in denen der Prozeß durch eine nationale Plattform oder Kampagne koordiniert wird.

-Zwar findet die überwiegende Zahl der Lokale Agenda 21-Prozesse in den „entwickelten“, das heißt in reichen Ländern, statt, immerhin knapp 200 Prozesse aber auch in „Entwicklungs“

-und „Schwellen“ -Ländern.

-Die Schwerpunkte der örtlichen Agenda-Prozesse sind vielfältig und ortsangepaßt. Sie spiegeln die Dualität von „Umwelt“ und „Entwicklung“ wider.

-Die hierzulande oft monierte Betonung von Umweltaspekten ist eine Eigenart der reichen Länder und spielt in den ärmeren Ländern eine untergeordnete Rolle.

-Alle 933 bereits länger laufenden, also nicht erst kürzlich gestarteten Aktivitäten beinhalten einen konsultativen Prozeß mit den Bürgern;

über 500 Kommunen haben Agenda-Foren mit allen Interessensgruppen eingerichtet.

-Unter den am weitesten fortgeschrittenen haben 237 Kommunen Bedingungen für die Erfolgskontrolle geschaffen, und über 200 nutzen lokale Indikatoren für ihre Selbstbeobachtung.

Diese Ergebnisse, so mager sie zunächst aussehen mögen, sind mehr als nur eine Ermutigung, weil es noch nie vorher auf der Welt eine Bewegung von Kommunen gab, die örtlich angepaßt, aber global denkend und vernetzt Ziele und Maßnahmen einer zukunftsbeständigen Entwicklung diskutiert und umgesetzt hat, und weil die Zahl der engagierten Kommunen exponentiell steigt, gerade auch in den nichtindustrialisierten Ländern (schon ein halbes Jahr später liegen die Zahlen deutlich höher).

Als Schlußfolgerung aus dieser Übersicht liegt es nahe, nationale Kampagnen zu stärken und künftig die finanzielle Unterstützung von Kommunen im Rahmen nationaler und internationaler Investitions- und Entwicklungsprogramme vom’ Vorliegen von Lokalen Agenda-Plänen (nicht nur Prozessen!) abhängig zu machen. 2. Lokale Agenda 21 in Europa Im Mai 1994 trafen sich in der dänischen Stadt Aalborg 600 Vertreter von Kommunen, internationalen Organisationen, Regierungen, Verbänden, wissenschaftlichen Instituten. Berater und Einzelpersonen aus 34 Staaten zur ersten „Europäischen Konferenz über zukunftsbeständige Städte und Gemeinden“. Diese Konferenz wurde von der Stadt Aalborg und der Europäischen Kommission veranstaltet und von ICLEI inhaltlich ausgerichtet. Ziel war es, die Aalborg-Konferenz zum Start einer europaweiten Lokalen Agenda-Bewegung werden zu lassen.

Als ein Ergebnis der Aalborg-Konferenz wurde die „Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit“ (Charta von Aalborg) einmütig verabschiedet. Inzwischen gehören über 300 europäische Kommunen zu den Unterzeichnern der Charta.

Mit Unterzeichnung der Charta verpflichten sich die Städte, Gemeinden und Landkreise dazu, in „Lokale Agenda 21 “ -Prozesse einzutreten und langfristige Handlungsprogramme mit dem Ziel der Zukunftsbeständigkeit aufzustellen. Gleichzeitig werden sie zu Teilnehmern der „Europäischen Kampagne zukunftsbeständiger Städte und Gemeinden“ Diese Kampagne mit Sitz in Brüssel wird vom Rat der Regionen und Gemeinden Europas (RGRE), von Eurocities, dem Gesunde-Städte-Projekt der WHO, ICLEI und dem Weltverband der Partnerstädte getragen. Unterstützung findet diese Kampagne durch die General-direktion XI (Umwelt) der Europäischen Kommission. Diese hat im Rahmen ihres „Sustainable Cities Project“ verschiedenartige Initiativen entwickelt, darunter die Errichtung der EU-Expertengruppe zur städtischen Umwelt, die den Bericht „Zukunftsbeständige Städte“ vorgelegt hat. Die Generaldirektion XI leistet damit einen Beitrag zur Umsetzung des 5. Umwelt-Aktionsprogrammes der Europäischen Kommission In diesem werden ähnliche Ziele wie in der Agenda 21 formuliert, wenn auch andere Begriffe dafür gewählt. So spricht die Europäische Kommission von „sustainable cities“, die Agenda 21 dagegen von der „Local Agenda 21“. Die oben erwähnte Städtekampagne versucht, beide Politikansätze zu verbinden. Insofern stellt sie einen wesentlichen europäischen Teil der weltweiten Lokalen Agenda-21-Kampagnen dar.

Aalborg wurde tatsächlich zum Ausgangspunkt einer europaweiten Bewegung. Dies wurde besonders deutlich anläßlich der Zweiten Europäischen Konferenz Zukunftsbeständiger Städte und Gemeinden, die im Oktober 1996 in Lissabon stattfand und rund 1 000 Teilnehmer aus 37 europäisehen Ländern versammelte. So stellt sich die Situation der Lokalen Agenda 21 in Europa derzeit dar: -Nicht alles, was „Lokale Agenda 21“ genannt wird, genügt einer strengen Definition. Und doch stehen die unterschiedlichen Ansätze unter der gemeinsamen Philosophie sustainable development. -Die Zahl der in Europa engagierten Städte, Gemeinden und Landkreise wächst rasch; in jüngster Zeit besonders in den bisher weniger aktiven Ländern, zum Beispiel in Südeuropa.

-Das Thema ist politisch: Es gelingt in ganz Europa, gerade jedoch im Süden, hochrangige Stadtrepräsentanten für die Idee der zukunftsbeständigen (Stadt-) Entwicklung zu begeistern. -Viele Kommunen stehen vor denselben Fragen, zum Beispiel denen der internen Vorbereitung der Verwaltung auf einen Agenda-Prozeß.

-Die Ziele sind klar, die Umsetzung ist das Problem. -Viele Wege führen zum Ziel: Es gibt keine Patentrezepte, jede Kommune muß ihren fachlichen und politischen Weg finden. Auch im kleinen Europa sind die Kulturen so unterschiedlich, daß alleine Begriffe wie „Bürgerbeteiligung“ und „Konsensfindung“ sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrufen.

In mehreren europäischen Ländern haben sich nationale Projekte oder Kampagnen zur Lokalen Agenda gebildet. Insbesondere in den skandinavischen Ländern haben diese Unterstützung durch die Regierungen gefunden. Somit wird deutlich, warum gerade die Städte und Gemeinden skandinavischer Länder fast flächendeckend Agenda-Prozesse gestartet haben. In Großbritannien haben die „local authorities“ mit der Lokalen Agenda 21 für die Erweiterung ihrer Kompetenzen gearbeitet. In Griechenland hat der nationale Kommunalverband Modellprojekte und eine Kampagne gestartet, in den Niederlanden läuft ähnliches seit vielen Jahren unter Einbeziehung der Verbände.

Wie weltweit, so wird auch in Europa deutlich, daß jede Kommune andere Schwerpunkte bei ihrer Lokalen Agenda 21 legt und legen muß. Diese Schwerpunkte haben viel mit der topographischen und naturräumlichen Lage zu tun, mehr jedoch mit der ökonomischen und sozialen Situation. Im Mittelmeerraum beispielsweise ist es die Verbindung von Umwelt und Tourismus, die derzeit viele Kommunen einen Agenda-Prozeß starten läßt Während dieser in Spanien beispielsweise Fragen der Touristenmenge in Relation zum Trinkwasser-angebot diskutiert, stellt sich im östlichen Mittelmeerraum mehr die Frage, inwiefern innerer und äußerer Friede eine Vorbedingung zu oder gar eine Folge von Agenda 21-Bemühungen ist. 3. Zur Situation der Lokalen Agenda 21 in Deutschland In Deutschland hat die Diskussion um die Lokale Agenda 21 erst mit einiger Verzögerung eingesetzt, sie nimmt jedoch von Monat zu Monat zu. Die Veröffentlichung des Deutschen Städtetages aus dem Jahr 1995 „Städte für eine umweltgerechte Entwicklung -Materialien für eine Lokale Agenda 21" lieferte einigen Städten und Gemeinden erste Impulse. Hierin werden verschiedene Handlungsfelder für kommunale Aktivitäten im Umweltschutz aufgelistet. Im Herbst desselben Jahres fand auf Einladung des Bezirkes Berlin-Köpenick und mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt die erste nationale Tagung zur Lokalen Agenda für deutsche Kommunen statt In ihrer Folge und auf der Basis weiterer Vorarbeiten, zum Beispiel durch das Zentrum für kommunale Entwicklungszusammenarbeit (ZKE), Agenda-Transfer, das Forum Umwelt und Entwicklung, eine Veröffentlichung des Bundesbauministeriums und das Forschungsprojekt des Umweltbundesamtes „Umweltwirksamkeit Lokaler Agenda 21-Pläne“ sind immer mehr Kommunen aktiv geworden. Sehr oft sind es die Initiativen vor Ort -seien es Umwelt-verbände, Eine-Welt-Initiativen, kirchliche oder Jugendgruppen, die ihrer Kommunalpolitik oder Kommunalverwaltung den Anstoß geben. Selten kommen die ersten Ansätze aus der Wirtschaft, öfter schon aus der Kommunalpolitik.

Warum das Thema in Deutschland zunächst nur zögernd aufgegriffen wurde, hat vielfältige Gründe. Nicht zuletzt das ausgefeilte System kommunaler Umweltplanung bzw. die lange Tradition Anlaß der Stadtentwicklungsplanung sind Ursache zu fragen, ob die Lokale Agenda 21 als neues Verfahren für Deutschland in einer Zeit ohnehin überlasteter Kommunen und knapper Kassen überhaupt Neues erbringe und nötig sei. Je mehr die eigentliche Philosophie von Rio, die nach der Integration von ökologischen, sozialen und ökonomischen Problemlösungen fragt, bekannt wird, desto deutlicher wird, daß auch deutsche Kommunen von Agenda-Prozessen profitieren können. Die Lokale Agenda 21 ist nicht nur wesentlich mehr als eine neue Form der Umweltpolitik, sie kann durchaus als eine „Generation 21“ der Stadtentwicklungsplanung verstanden werden und dieser ohnehin integrierend wirkenden Politikstrategie neue Impulse verleihen. Sie schöpft auch aus den Konzepten des „Ökologischen Stadtumbaus“

Die Anhörung der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages am 18. November 1996 hat das bundesweit wachsende Interesse an der Lokalen Agenda dokumentiert und für Bund und Länder Hinweise ergeben, wie sie die kommunalen Bemühungen unterstützen können. Tatsächlich haben einige Bundesländer, allen voran Nordrhein-Westfalen, begonnen, ihren Städten und Gemeinden durch Informationstransfer und Projektunterstützung zu helfen Nordrhein-Westfalen beispielsweise stellt per Gemeindefinanzierungsgesetz den Kommunen 0, 50 Pfennig pro Einwohner und Einwohnerin und Jahr zur Förderung kommunaler Projekte der Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung.

Die Bundestags-Anhörung, ein noch 1997 erscheinendes Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU) und verschiedene inzwischen durchgeführte Untersuchungen zeigen auch die Vielfalt der Ansätze in Deutschland. Zwar wird dem Erfahrungsaustausch zwischen Kommunen bzw. zwischen den Akteuren (z. B. Verbänden) großer Wert beigemessen, faktisch sammeln doch die meisten ihre Erfahrungen individuell.

Allein die Frage, wie viele Kommunen in Lokale Agenda 21-Prozesse eingetreten sind, ist nicht eindeutig zu klären. Umfragen, die auf Selbsteinschätzungen basieren, ergeben verständlicherweise höhere Zahlen Werden strenge inhaltliche Krite-rien (über die es keinen bundesweiten Konsens gibt) angelegt, wird deutlich, daß es noch unter 100 Städte, Gemeinden und Landkreise in Deutschland sind. Nach einer Übersicht von ICLEI im Rahmen des Forschungsprojektes des Umweltbundesamtes sind es rund 70 bis 80 deutsche Kommunen, die im engeren Sinne angefangen haben, eine örtliche Agenda 21 aufzustellen. Noch hat keine unter ihnen ein Dokument vorgelegt, welches als abgeschlossene Lokale Agenda 21 gelten könnte. Zu erwarten sind im Herbst 1997 Ergebnisse von den dann schon mehrjährigen Prozessen in Berlin-Köpenick und München, den beiden deutschen „Vorreiterstädten“ (Fallbeispiele: siehe Anhang).

Die wichtige Rolle von Verbänden und Organisationen aus dem Umwelt-, Sozial-und Entwicklungsbereich kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. In Deutschland hat das Forum Umwelt und Entwicklung die Aufgabe der Information und Vernetzung übernommen Als Koordinationsstelle für Nord-Süd-Initiativen leistet das Zentrum für kommunale Entwicklungszusammenarbeit sehr umfassende Arbeit. Anregungen und Praxisbeispiele kommen auch von Towns & Development mit seiner deutschen Kontaktstelle in Bremen

VI. Ausblick

1. Aufgaben und Rollen der politischen Bildung Jede Form der politischen Bildung hat bei der Lokalen Agenda 21 eine besondere Aufgabe, sei es als Ort des Denkens, als Kristallisationspunkt für Meinung oder schlichtweg als (neutraler) Ort für Treffen: -In der Schule kann vernetztes statt eindimensionales Denken geübt werden. Jugendgruppen können unterstützt werden, aktiv ihre Interessen in die Zukunftsdiskussion einzubringen. -Die Erwachsenenbildung bietet Foren der Diskussion und Orte des kreativen Mitgestaltens. -Diese Rolle kann eine aktive, initiierende sein (Beispiel: In München hat die VHS eine wichtige Rolle beim Start der örtlichen Agenda-Strategien gespielt), -... oder eine behutsam helfende Rolle -wenn nötig. Bürgergruppen, die Agenda-Prozesse anregen und anschieben, kommen nicht selten in eine Situation, die ihre personellen, administrativen, politischen oder finanziellen Kräfte übersteigt oder in der sie sich unvermutet in Konfliktsituationen wiederfinden. Politische Bildungseinrichtungen können diesen Gruppen durch Supervision und Training die nötige Hilfe vermitteln. -Volkshochschulen können Schwerpunktprogramme zu inhaltlichen Fragen der Zukunftsbeständigkeit aber auch zum Prozeß und den Methoden der Lokalen Agenda anbieten. Ihre Chance ist das Vorhandensein einer dauerhaften Infrastruktur, die vielen Initiativen von Bürgern fehlt. -(Partei-) politische Bildungseinrichtungen sind äußerst geeignete Orte, um Kommunalpolitikern Basiswissen und Verständnis über den Zusammenhang von Umwelt -Wirtschaft -

Soziales sowie Umwelt und Entwicklung zu vermitteln. Sie können auch Mut, Zuversicht und Motivation zum Start innovativer Prozesse weitergeben. -Kirchliche Akademien stellen ideale Foren dar für den Start einer örtlichen Debatte. -Überregional warten zahlreiche Aufgaben der Fort-und Weiterbildung für haupt-und ehrenamtliche Agenda-Aktive auf Realisierung. Ein bundesweit abgestimmtes und vernetztes Programm der Träger politischer Bildung könnte Kräfte bündeln und Finanzen schonen. 2. Erfolgsfaktoren für eine Lokale Agenda 21 Das wesentlich Neue an einer Lokalen Agenda 21 ist ihr integrativer Charakter: die Integration von gesellschaftlichen Kräften und Themenbereichen. 1. Integration von gesellschaftlichen Kräften: Die Lokale Agenda 21 ist ein Verfahren, das alle örtlichen Akteure einbezieht, sowohl bei der Zielfindung als auch bei der Durchführung von Maßnahmen. 2. Integration von Themenbereichen: Ziel ist die Abkehr von der isolierten (und daher oft konkurrierenden) Betrachtung von ökologischer Nachhaltigkeit, sozialer Gerechtigkeit, ökonomischer Effizienz und weltweiter Partnerschaft. -Am Anfang jedes Agenda-Prozesses sollte ein politischer Beschluß stehen, sei es die Unterzeichnung der Charta von Aalborg, sei es eine individuelle Selbstverpflichtung -Innerhalb der Verwaltung bedarf es einer Koordinierungs-und Anlaufstelle.

Alle von außerhalb der Verwaltung kommenden Impulse sollten als äußerst wertvoll aufgegriffen und unterstützt werden. Ohne diesen Druck und diese Innovationskraft droht die Lokale Agenda 21-Initiative schwach zu bleiben. Gleichzeitig müssen sich alle Akteure im klaren sein, daß es nicht primär um die Stärkung ihres Partikularinteresses gehen darf, sondern daß dessen Zurücktreten Voraussetzung für das Gewinnen von Mitstreitern -auch „der anderen Seite“ -sein kann. -Strukturen zur systematischen Einbindung von Interessen-und Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel Foren und Arbeitskreise, sind unabdingbare Voraussetzungen einer Lokalen Agenda 21. Diese Konsensfindungsgremien dienen nicht nur der Werte-und Prioritätendiskussion, sie haben große Bedeutung bei der Umsetzung beschlossener Ziele. -Diese Strukturen verlangen in der Regel professionelle Methoden für den Start (z. B.

Zukunftswerkstätten), das Aufrechterhalten, die Zielführung und das Beenden (Moderation, Mediation etc.). -Ob zunächst übergeordnete Fragen (Leitbild-diskussion) oder konkrete Maßnahmen (z. B.

Klimaschutzprogramm als Ergebnis eines themenbezogenen Agenda-Prozesses) erarbeitet werden, kann nur von der örtlichen Situation abhängig gemacht werden. Wichtig ist es, bei einer anfänglichen Konzentration auf das eine nie den anderen Aspekt aus den Augen zu verlieren. -Startet man „breit“, müssen rechtzeitig konkrete und erfolgreiche Maßnahmen folgen, die allen Beteiligten den Sinn ihres Engagements deutlich machen. Startet man mit Einzelthemen (z. B. örtliches Verkehrskonzept), sollen diese als Ausgangspunkte für eine Ausweitung auf andere Schwerpunktbereiche dienen. -Eine Lokale Agenda wird dann Erfolg haben, wenn ihre Werte und Ziele in breiten Bevölkerungskreisen bekannt werden. Nachhaltige Wirkung wird sie zeigen, wenn Methoden der Konsensfindung und der Konfliktregelung gesellschaftlich eingeübt werden.

Anhang: 6 Fallbeispiele Köpenick (110 000 Einwohner) ist ein Bezirk im Osten Berlins, dessen Lokale Agenda 21-Aktivitäten durch die herausragende Rolle der Kirchengemeinde im Konsultationsprozeß geprägt wurden. Eine „Projektgruppe Lokale Agenda 21“ ist seit 1993 im Umweltamt ansässig. Im März 1995 erfolgte die politische Verpflichtung zur Aufstellung einer Lokalen Agenda 21 Berlin-Köpenick bis zum Jahr 1996 durch den einstimmigen Beschluß der Bezirksverordnetenversammlung. Zur Umsetzung des Beschlusses wurde eine ämterübergreifende Arbeitsgruppe unter Beteiligung der wichtigsten planenden Ämter gegründet. Der Konsultationsprozeß mit den Bürgern erfolgt über das „Forum Umwelt und Entwicklung“ und das ökumenische Forum. Die Aufteilung des Prozesses in Verwaltung, Forum Umwelt und Entwicklung und ökumenisches Forum wurde unter der Bezeichnung „ 3-Säulen-Modell" bundesweit bekannt. Seit 1996 steht der Förderverein Lokale Agenda 21 dem Prozeß unterstützend zur Seite. Eine für die Koordination verantwortliche Leitstelle besteht aus den wichtigsten im Prozeß engagierten Akteuren sowie beratenden Expertengruppen. Mit Hilfe von Bürgerbefragungen, Aktionstagen, öffentlichen Veranstaltungen zum Thema und zielgruppenspezifischer Bildungsarbeit wird der Konsensfindungsprozeß unterstützt. In acht themenbezogenen Arbeitsgruppen werden ökologische, ökonomische und soziale Themenbereiche bearbeitet. Bisherige Ergebnisse der Arbeit sind ein 10-Punkte-Forderungsprogramm für eine Nachhaltige Entwicklung und die Formulierung von 79 Leitzielen. Einer der Schwerpunkte der Lokalen Agenda 21-Tätigkeit in Köpenick ist die Erarbeitung von Nachhaltigkeitsindikatoren.

Die Stadt Heidelberg (139 000 Einwohner) verpflichtete sich 1994 mit der Unterzeichnung der „Charta europäischer Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit“ (Charta von Aalborg) zur Aufstellung einer Lokalen Agenda 21 Heidelberg. Innerhalb der Stadtverwaltung wurde dem Umweltamt die Verantwortung zur Durchführung des Prozesses übertragen. Das jeden Monat stattfindende Diskussionsforum „Runder Tisch Nachhaltiges Heidelberg“ ermöglicht die Einbeziehung der Bürgerinteressen in den Planungsprozeß. Hierbei spielen offene Diskussionen, die von professionellen Moderatoren geleitet werden, eine zentrale Rolle. Schwerpunkte sind in Heidelberg das Verkehrsforum und die lokale Klimaschutzkampagne „Gemeinsam gegen dicke Luft", der Energietisch Heidelberg, das Projekt „Gesunde Stadt“ und das Modellprojekt „Kom-munale Naturhaushaltswirtschaft“. Der Stadtentwicklungsplan 2010 wird mit intensiver Beteiligung von Interessenvertreter/innen aus allen Bereichen erarbeitet. Ein Ergebnis der Aktivitäten Heidelbergs sind Stadtteilrahmenpläne, die mit einzelnen Bürgergruppen erarbeitet wurden. Dieser durch zahlreiche parallel ablaufende Aktivitäten geprägte Prozeß ergibt durch die Integration der Einzelthemen ein umfassendes Konzept.

Die Lokale-Agenda-Tätigkeit in Osnabrück (168 000 Einwohner) begann mit der Erarbeitung eines Konzeptes für die Kommunale Entwicklungszusammenarbeit, das 1993 vom Rat verabschiedet wurde und inhaltlich die Ziele von Rio widerspiegelt. Mit dem Projekt „Dritte Welt Bilanz Osnabrück“ faßten vier themenbezogene Arbeitsgruppen die wirtschaftlichen und interkulturellen Beziehungen der Stadt zu Ländern der Dritten Welt sowie Bewußtseinsbildung und entwicklungspolitische Verflechtungen zusammen. Mit der Unterzeichnung der Charta von Aalborg verpflichtete sich Osnabrück zur Aufstellung einer Lokalen Agenda. Die Durchführung liegt seit 1995 in den Händen des Forums „Lokale Agenda 21“, dessen Arbeitsstrukturen auf der Grundlage des Koordinationsbüros Dritte Welt Bilanz aufbauen. Das Forum setzt sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Universität und der Fachhochschule, von terre des hommes, des Aktionszentrums Dritte Welt, der Volkshochschule, der Kirche, der Stadt und bürgerschaftlicher Einrichtungen zusammen. Die Verantwortung für die Durchführung des Lokalen Agenda 21-Prozesses liegt im Kulturamt. Öffentliche Veranstaltungen, wie das Afrikanische Kultur-und Filmfestival, Zukunftswerkstätten und ein Agenda-Simulationsspiel mit Schulen der Partnerstädte fördern das Bewußtsein der Bürger/innen und unterstützen den Konsensfindungsprozeß.

Hamburg (1, 7 Millionen Einwohner) verpflichtete sich im Januar 1996 mit der Unterzeichnung der Charta von Aalborg zur Aufstellung einer Lokalen Agenda 21. Innerhalb der Verwaltung ist die Umweltbehörde für diesen Prozeß verantwortlich. Mit Hilfe öffentlicher Forumsveranstaltungen mit variierenden Themen und Arbeitsgruppen sollen Bürgerinteressen integriert werden. Vorträge von Fachreferenten und moderierte Workshops unterstützen dabei den Konsensfindungsprozeß. Auf diese Weise wurden bereits die Themen Klima-schutz,Verhaltensmuster Produzieren und Konsumieren sowie Lebensraum Stadt publik gemacht. Parallel zu dem auf der Verwaltungs-und Politik-ebene organisierten Prozeß gründete sich im Frühjahr 1996 der „Zukunftsrat Hamburg“, der sich als offene Plattform für Institutionen, Verbände und Initiativen versteht und der den Lokale Agenda-Prozeß begleitet, unter anderem durch eine Art Projektbörse. Insgesamt ist der Lokale Agenda-Prozeß in Hamburg durch reine Projektorientierung gekennzeichnet, bei der die Leitbilddiskussion eine untergeordnete Rolle spielt.

Mit der Unterzeichnung der Charta von Aalborg im Oktober 1995 begann der Lokalen Agenda 21Prozeß der Stadt Dresden. Verantwortlich für die Umsetzung der damit eingegangenen Verpflichtung zur Aufstellung einer Lokalen Agenda 21 ist das Dezernat für Umwelt und Kommunalwirtschaft der Landeshauptstadt. Von dort ging der Auftrag zur Erstellung einer Studie, auf deren Inhalt die zukunftsbeständige Entwicklung Dresdens basieren soll, an das innerhalb des Umwelt-zentrums angesiedelte Büro „Lokale Agenda 21 Dresden“; diese Studie wurde im November 1996 fertiggestellt. Danach werden Anhörungen, Vorträge und Seminare die Integration der Bürger in den Prozeß zum Ziel haben. Dresden legt Wert auf eine aktive Öffentlichkeitsarbeit, unter anderem durch öffentliche Sitzungen und Veranstaltungen, eine Agenda-Zeitung, Ausstellungen, öffentliche Medien und Werbekampagnen sowie Stadtteilzeitungen. In übergeordneten Arbeitsforen werden zu verschiedenen Themenkomplexen moderierte Workshops, Seminare und Arbeitssitzungen organisiert, fachlich unterstütz durch externe Berater. Ein Lenkungskreis und ein Agendabüro sind für die Koordination, den Ablauf sowie die Planung und Entwicklung des Prozesses zuständig. Für den konsensfindenen Prozeß ist der Agendarat zuständig, dessen Zusammensetzung die gesellschaftlichen Kräfte der Stadt widerspiegeln soll und der den Status eines Beirates nach sächsischer Gemeindeverordnung haben soll. Demnach sollen Beschlüsse des Agendarates, sofern sie in die Verantwortung der Stadt Dresden fallen, von der Stadtverwaltung und den Fraktionen aufgegriffen, in Beschlußvorlagen eingearbeitet und per Beschluß des Stadtrates oder seiner Ausschüsse in konkretes Verwaltungshandeln umgesetzt werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Deutsche Fassung: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro, Dokumente: Agenda 21, Bonn ohne Datum.

  2. Kapitel 28: Initiativen der Kommunen zur Unterstützung der Lokalen Agenda 21.

  3. ICLEI wurde 1990 unter der Schirmherrschaft des Umweltprogramms der Vereinten Nationen und des Internationalen Gemeindeverbandes (IULA) in New York gegründet. Inzwischen sind rund 260 Städte, Gemeinden, Kreise und Kommunalverbände Mitglied dieses weltweiten Verbandes. Das Weltsekretariat sitzt in Toronto, Regional-sekretariate in Freiburg, Deutschland (Europa, Nordafrika und Naher Osten), Harare (Afrika), Santiago de Chile (Lateinamerika), Tokio (Asien-Pazifik).

  4. Gut dokumentiert sind die Erfahrungen aus einem weltweiten Modellprojekt von ICLEI. 14 sehr unterschiedliche Kommunen aus allen fünf Erdteilen wurden über drei Jahre bei der Aufstellung ihrer Agenda 21 begleitet. Die dabei gewonnenen Empfehlungen flossen ein in: ICLEI/IDRC/UNEP, The Local Agenda 21 Planning Guide -An introduction to sustainable development planning, Toronto 1996.

  5. ICLEI, Local Agenda 21 Survey. A study of responses by local authorities and their national and international associations to Agenda 21, Toronto. April 1997.

  6. UNCHS: United Nations Centre for Human Settlements, Nairobi.

  7. UNEP: United Nations Environment Programme, New York.

  8. UNDP: United Nations Development Programme, New York.

  9. gtz: Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit, Eschborn.

  10. UTDA: United Towns Development Agency, Paris.

  11. Bundesumweltministerium, Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland. Bericht der Bundesregierung anläßlich der VN-Sondergeneralversammlung über Umwelt und Entwicklung 1997 in New York, Bonn, Februar 1997.

  12. Vgl. Donella H. Meadows u. a., Beyond the Limits, Vermont 1992.

  13. Die „Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit -Charta von Aalborg“ wurde 1994 auf der Konferenz zukunftsbeständiger Städte und Gemeinden in Aalborg/Dänemark verabschiedet. Der Entwurf der Aalborg-Charta wurde gemeinsam entwikkelt von ICLEI und Albrecht Hoffmann im Auftrag des Ministerium für Stadtentwicklung und Verkehr von Nordrhein-Westfalen. Sie ist erhältlich bei ICLEI oder der Kampagne.

  14. Vgl. Bundesumweltministerium (Anm. 11).

  15. Weitere Empfehlungen in: ICLEI, Themenblatt zur Lokalen Agenda 21 -Indikatoren für zukunftsbeständige Entwicklung, Freiburg 1997.

  16. Vgl. Mediterranean Local Agenda 21 Conference, Rom November 1995.

  17. Vgl. Kapitel 9. 2. Ein ausführlicher Konferenzbericht ist über die Europäische Kampagne in Brüssel erhältlich, siehe Adreßliste.

  18. Anmerkung der Redaktion: Siehe hierzu auch den Beifrag von Petra Henning Feindt in diesem Heft.

  19. Sie sind ausführlich beschrieben in ICLEIs „Local Agenda 21 Planning Guide“ und in der Veröffentlichung des Bundesbauministeriums „Lokale Agenda 21“. Vgl. Nicola Hewitt, European Local Agenda 21 Planning Guide, Freiburg 1995; Bundesministerium für Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen (Hrsg.), Lokale Agenda 21 -Stand und Perspektiven der Umsetzung von Kapitel 28 in Deutschland, Schriftenreihe Forschung, Bonn 1996.

  20. Vgl. ICLEI (Anm. 5).

  21. Vgl. Anm. 13.

  22. Weitere Informationen über die Kampagne sind erhältlich bei: European Sustainable Cities & Towns Campaign, Rue du Cornet 22, B-1040 Brüssel.

  23. EU Expert Group on the Urban Environment: European Sustainable Cities. First report (1994), Part two (1996), Brüssel 1996.

  24. Vgl. Commission of the European Communities, Towards Sustainability. A European Community Programme of Policy and Action in relation to the Environment and Sustainable Development, Brüssel 1992.

  25. So die Ergebnisse der im April 1997 in Calva, Mallorca, veranstalteten Konferenz „Zukunftsbeständige Entwicklung im Mittelmeerraum“.

  26. Deutscher Städtetag, Städte für eine umweltgerechte Entwicklung. Materialien für eine „Lokale Agenda 21“, vom Präsidium beschlossen am 15. Februar 1995, Köln 1995.

  27. Vgl. Bezirksamt Berlin-Köpenick (Hrsg.), Tagungsbericht: Lokale Agenda 21 -Ansätze und Erfahrungen in Deutschland, Berlin-Köpenick 11. -12. Oktober 1996, Berlin 1996.

  28. Vgl. Bundesministerium (Anm. 19).

  29. Dieser Begriff wurde von Ekhard Halm, Berlin, geprägt.

  30. Deutscher Bundestag, Enquete-Kommission Schutz des: Menschen und der Umwelt. Stellungnahmen der Sachverständigen zu dem Fragenkatalog (KDrs 13/3) für die öffentliche Anhörung am 18. November 1996 in Bonn zum Thema „Kommunen und nachhaltige Entwicklung -Beiträge zur Umsetzung der Agenda 21“, Kommissionsdrucksache 13/3 b, Bonn 1996.

  31. Basis dafür ist auch der Beschluß der 46. Umweltministerkonferenz vom 12. /13. Juni 1996 in Lübeck. TOP 19 „Kommunen und Umweltschutz“ benennt kommunale Umweltaktivitäten in Umsetzung der Agenda 21 als wichtig.

  32. Vgl. Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) am Alfred-Wegener-Institut, Postfach 12 01 61, 27515 Bremerhaven.

  33. Zu den interessanten statistischen Quellen gehört die jährliche Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik unter den Mitgliedern des Deutschen Städtetages.

  34. Vgl. auch: Forum Umwelt & Entwicklung, Lokale Agenda 21 -Ein Leitfaden. Bonn 1996.

  35. Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit, Bremen.

  36. Beispiele für derartige kommunale Beschlüsse sowie Literaturhinweise enthält: ICLEI, Informationspaket für Kommunalverantwortliche und engagierte Bürger zur Lokalen Agenda 21, Freiburg 1996 (ICLEI, Eschholzstr. 86, 79115 Freiburg). Zusammenstellung Bernadette Kurte, ICLEI.

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Monika Zimmermann, Dipl. -Pol., geb. 1957; Studium der Politik-und Verwaltungswissenschaften; 10 Jahre Forschung und Politikberatung im Bereich „Kommunaler Umweltschutz“; seit 1992 Leiterin der Internationalen Akademie des Internationalen Rates für kommunale Umweltinitiativen (ICLEI) und verantwortlich für verschiedene Projekte zur Lokalen Agenda 21. Veröffentlichungen u. a.: (Hrsg.) Öffentlichkeitsbeteiligung bei UVP-Verfahren, Bonn 1992; (zus. mit Cornelia Welte), Leitfaden zur Umweltfreundlichen Beschaffung, in: Serie „Umweltberatung für Kommunen“ des difu, Berlin 1993; (zus. mit Stefan Kuhn und Konrad Otto Zimmermann) Lokale Agenda 21, Schriftenreihe des Bundesbauministeriums, Bonn 1996; (zus. mit Stefan Kuhn und Konrad Otto Zimmermann) Generation 21 der Stadtentwicklung, in: Raumforschung und Raumordnung, (1996) 2/3.