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Fortschritte: ja, gleichberechtigte Teilhabe: nein – zum Stand der Integration | Deutschland | bpb.de

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Fortschritte: ja, gleichberechtigte Teilhabe: nein – zum Stand der Integration

Vera Hanewinkel

/ 14 Minuten zu lesen

Integrationspolitische Bemühungen haben dazu geführt, Teilhabechancen in der Migrationsgesellschaft zu verbessern. In vielen gesellschaftlichen Bereichen sind Eingewanderte und ihre Nachkommen dennoch bis heute benachteiligt. Ein Überblick in Graphiken.

Mai 2020: Mitarbeiter im VW-Werk Kassel in Baunatal. (© picture-alliance/dpa, Uwe Zucchi)

Ob Integrationskurse, die Einführung eines Anspruchs auf ein Interner Link: Verfahren zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufs- und Bildungsabschlüssen, Dialogforen wie die Integrationsgipfel und die Deutsche Islam Konferenz, Externer Link: Nationaler Aktionsplan Integration oder die Verabschiedung eines Externer Link: Maßnahmenkatalogs zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus – seitdem das 2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz die Förderung von Integration als Aufgabe des Bundes festgeschrieben hat, ist die Infrastruktur zur Verbesserung von Teilhabechancen deutlich ausgebaut worden. Der Migrant Integration Policy Index 2020 (MIPEX), eine Analyse der Integrationspolitik verschiedener Länder, platziert Deutschland auf Platz 15 von 52 untersuchten Staaten. Schwachstellen sieht die Studie vor allem in den Bereichen Diskriminierungsschutz, Familienzusammenführung und den Möglichkeiten, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erhalten und sich einbürgern zu lassen. Gleiche Teilhabechancen in zentralen gesellschaftlichen Bereichen haben Eingewanderte und ihre Nachkommen der Studie und anderen Untersuchungen zufolge bis heute nicht. Ein Überblick in Graphiken.

Prozentuale Verteilung des höchsten erreichten Schulabschlusses in der Bevölkerung der 18- bis 24-Jährigen mit und ohne Migrationshintergrund 2020

Prozentuale Verteilung des höchsten erreichten Schulabschlusses in der Bevölkerung der 18- bis 24-Jährigen mit und ohne Migrationshintergrund 2020 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Die Interner Link: PISA-Studie 2000 ergab, dass in keinem anderen untersuchten Land Leistungserfolge im Schulsystem so stark vom sozioökonomischen Status der Schüler:innen abhängen wie in Deutschland. Trotz Bemühungen, dem entgegenzuwirken, hat sich diese Situation seither kaum verbessert, wie nachfolgende PISA-Studien belegten. Da Kinder aus Einwandererfamilien besonders häufig aus Elternhäusern mit niedrigem Bildungsniveau und niedrigem sozioökonomischen Status kommen, sind sie in besonderem Maße betroffen. Das spiegelt sich auch in der Verteilung des höchsten erzielten Schulabschlusses unter 18- bis 24-Jährigen mit und ohne Migrationshintergrund wider. 2020 hatte in dieser Altersgruppe ein deutlich höherer Anteil junger Erwachsener mit Interner Link: Migrationshintergrund keinen Schulabschluss als in der Vergleichsgruppe ohne Migrationshintergrund. Eingewanderte und ihre Nachkommen verfügten zudem häufiger nur über einen Hauptschulabschluss, aber seltener über einen Realschulabschluss. Auch hatten sie seltener als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund das Abitur bzw. die Fachhochschulreife erreicht.

Schulabschlüsse der 15- bis unter 20-Jährigen mit und ohne Migrationshintergrund 2007, 2012 und 2017

Schulabschlüsse der 15- bis unter 20-Jährigen mit und ohne Migrationshintergrund 2007, 2012 und 2017 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Im Zeitverlauf zeigt sich im Vergleich der erzielten Schulabschlüsse der 15- bis unter 20-Jährigen eine grundlegende Tendenz: Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund verlassen die Schule häufiger ohne Abschluss oder erreichen nur einen Hauptschulabschluss im Vergleich zu solchen, die nicht aus Einwandererfamilien stammen. Sie erzielen seltener einen mittleren Abschluss oder die Fachhochschulreife bzw. das Abitur. Dennoch hatte 2017 ein deutlich höherer Anteil an Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrationsgeschichte einen mittleren oder hohen Schulabschluss erreicht als noch zehn Jahre zuvor. Gleichzeitig sank im Betrachtungszeitraum der Anteil derjenigen, die ihre schulische Ausbildung nur mit einem Hauptschulabschluss beendet hatten. Allerdings zeigt die Grafik auch eine Polarisierung bei den Schulabschlüssen, die im Zeitverlauf zugenommen hat. Denn: Dem zunehmenden Anteil der 15- bis unter 20-Jährigen aus Einwandererfamilien, die die Schule mit einem mittleren oder hohen Schulanschluss verlassen hatten, stand gleichzeitig ein wachsender Anteil an Jugendlichen und jungen Erwachsenen ohne Schulabschluss gegenüber. Inwieweit diese Entwicklung auch mit der Aufnahme einer großen Zahl an Schutzsuchenden zu tun hat, die insbesondere 2015/16 nach Deutschland eingereist sind, ist noch nicht abschließend geklärt.

Verteilung beruflicher Abschlüsse in der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund 2020

Verteilung beruflicher Abschlüsse in der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund 2020 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

In der Bevölkerung mit Migrationshintergrund war 2020 ein deutlich höherer Anteil an Personen noch in Ausbildung als in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Dies liegt in der vergleichsweise jungen Altersstruktur der Bevölkerung mit Migrationszuschreibung begründet. Unter Personen mit Migrationshintergrund, die sich nicht mehr in Ausbildung befanden, konnten etwas mehr als ein Viertel keinen berufsqualifizierenden Abschluss vorweisen, während dies in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund nur bei rund elf Prozent der Fall war. Am anderen Ende des Spektrums gab es hingegen keine großen Unterschiede zwischen der Bevölkerung mit und ohne Migrationszuschreibung: 14,7 Prozent der Bevölkerung mit Migrationshintergrund verfügten über einen akademischen Abschluss. Der Anteil an Akademiker:innen in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund lag nur rund drei Prozentpunkte höher.

Erwerbstätige mit und ohne Migrationshintergrund nach Stellung im Beruf 2020

Abbildung 4: Erwerbstätige mit und ohne Migrationshintergrund nach Stellung im Beruf 2020 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Personen mit Migrationshintergrund sind im Vergleich zu Personen ohne Migrationszuschreibung häufiger als Arbeiter:innen tätig, hingegen seltener als Angestellte oder Beamt:innen. Weniger groß sind die Unterschiede im Bereich der Selbstständigkeit. Tatsächlich ist der Anteil der Selbstständigen mit Migrationshintergrund in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Waren 2005 13 Prozent aller Selbstständigen in Deutschland Eingewanderte und ihre Nachkommen, so waren es 2019 bereits 20 Prozent und 2020 rund 23 Prozent. Am Gründungsgeschehen in Deutschland sind Migrant:innen überdurchschnittlich beteiligt. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die regelmäßig den sogenannten KfW-Gründungsmonitor veröffentlicht, führt dies einerseits darauf zurück, dass der Wunsch nach Selbstständigkeit unter Migrant:innen stärker ausgeprägt sei als in der Gesamtbevölkerung. Zudem sei ihre Risikofreude größer und sie hätten mehr unternehmerische Vorbilder. Allerdings erfolge der Schritt in die berufliche Selbstständigkeit häufiger auch aus einem Mangel an Jobalternativen aufgrund schlechterer Arbeitsmarktchancen von Zugewanderten. Zwar sind viele Migrant:innen Alleinunternehmer:innen. Dennoch schaffen von Menschen mit Migrationshintergrund gegründete Unternehmen viele Arbeitsplätze: 2018 beschäftigten sie in Deutschland rund 2,3 Millionen Menschen.

Erwerbstätige mit und ohne Migrationshintergrund nach Wirtschaftsbereich 2020

Abb 5: Erwerbstätige mit und ohne Migrationshintergrund nach Wirtschaftsbereich 2020 (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Personen mit Migrationshintergrund arbeiten etwas häufiger als Personen ohne Migrationszuschreibung im produzierenden Gewerbe/Baugewerbe und deutlich häufiger im Bereich Handel, Gastgewerbe, Verkehr. Sie sind seltener als Personen ohne Migrationshintergrund in der Land- und Forstwirtschaft sowie in den Bereichen öffentliche Verwaltung und sonstige Dienstleistungen tätig. Im öffentlichen Dienst sind sie gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung (26,7 Prozent) deutlich unterrepräsentiert. Dem 2021 veröffentlichten sechsten Bericht zum Integrationsmonitoring der Länder zufolge hatten 2019 14,5 Prozent der Erwerbstätigen im öffentlichen Dienst einen Migrationshintergrund. Den höchsten Anteil an Erwerbstätigen aus Einwandererfamilien gab es im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg (20,8 Prozent). Die niedrigste Quote wies Sachsen auf (5,5 Prozent). Setzt man den Anteil der Erwerbstätigen mit Migrationszuschreibung allerdings ins Verhältnis zum Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund an der Bevölkerung des jeweiligen Bundeslandes, ergibt sich ein anderes Bild: Dann zeigt sich, dass die Quote der Erwerbstätigen mit Migrationshintergrund in Sachsen eher dem Anteil von Eingewanderten und ihren Nachkommen an der Bevölkerung des Bundeslandes (8,5 Prozent) entsprach als dies in Baden-Württemberg der Fall war, wo 2019 33,8 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund hatten.

Konkrete Beispiele für die mangelnde Repräsentation von Eingewanderten und ihren Nachkommen im öffentlichen Dienst sind Schulen, Bundesverwaltung und Polizei. So ist zwar die Schülerschaft in vielen Schulklassen heute sehr heterogen. Diese Vielfalt spiegelt sich in den Lehrerzimmern aber nicht wider. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hatten 2017 nur acht Prozent der Lehrkräfte in allgemeinbildenden Schulen einen Migrationshintergrund. In den Bundesbehörden haben einer Externer Link: Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB) aus dem Jahr 2019 zufolge nur zwölf Prozent der Beschäftigten einen Migrationshintergrund. Sie haben zudem überdurchschnittlich häufig nur befristete Verträge, werden etwas seltener verbeamtet als ihre Kolleg:innen ohne Migrationshintergrund und gelangen seltener in Führungspositionen. Bei der Bundespolizei haben nur 3,4 Prozent der rund 46.500 Mitarbeiter:innen einen Migrationshintergrund. Das ergab eine Recherche des Mediendienstes Integration im Januar 2021.

Anteil der Führungskräfte mit Migrationshintergrund in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen (in Prozent)

Anteil der Führungskräfte mit Migrationshintergrund in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen (in Prozent) (Interner Link: Grafik als Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Menschen mit Migrationszuschreibung sind gemessen an ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung in Deutschland (2020: 26,7 Prozent) in vielen gesellschaftlichen Bereichen auch in Führungspositionen unterrepräsentiert. Das ergab eine 2020 veröffentlichte Studie, die unter anderem die öffentlich zugänglichen Lebensläufe von 2.756 Inhaber*innen von Führungspositionen analysiert hat. Demnach werden nur 9,2 Prozent der höchsten Führungspositionen in Deutschland von Menschen mit Migrationszuschreibung bekleidet. Dabei gibt es zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Bereichen große Unterschiede. Während in religiösen Institutionen der Anteil der Führungskräfte mit Migrationshintergrund in etwa dem Anteil Eingewanderter und ihrer Nachkommen in der Gesamtbevölkerung entspricht, haben beispielsweise nur 1,3 Prozent der Führungskräfte im Bereich der Rechtsprechung (Justiz) einen Migrationshintergrund. Auch in der Politik sind Eingewanderte und ihre Nachkommen in Führungspositionen stark unterrepräsentiert. Recherchen des Mediendienstes Integration zeigen, dass im 2021 gewählten Bundestag 83 Abgeordnete mit Migrationshintergrund sitzen. Damit stammen 11,3 Prozent aller 735 Parlamentarier:innen aus Einwandererfamilien. In den Bundestag können Menschen gewählt werden, die volljährig sind, die deutsche Staatsangehörigkeit und das Wahlrecht besitzen. 2021 hatten 13 Prozent der wahlberechtigten Deutschen einen Migrationshintergrund. Abgesehen von Unionsbürger:innen, die das Recht haben, Interner Link: an Kommunalwahlen teilzunehmen, sind ausländische Staatsangehörige auch dann vom Wahlrecht ausgeschlossen, wenn sie bereits seit Jahrzehnten ihren Wohnsitz und Lebensmittelpunkt in Deutschland haben. Dadurch ergeben sich für einen signifikanten Teil der Bevölkerung mit Migrationszuschreibung Defizite im Bereich der politischen Mitbestimmung in einer Demokratie, in der die (freie) Wahl der Volksvertreter:innen eine zentrale politische Partizipationsmöglichkeit darstellt. Um ausländischen Staatsangehörigen dennoch Mitgestaltungsmöglichkeiten einzuräumen, haben viele Gemeinden Ausländer- bzw. Integrationsbeiräte geschaffen. In einigen Bundesländern ist die Einrichtung solcher Gremien in den Kommunalverfassungen gesetzlich verankert. Die Beiräte haben die Aufgabe, auf kommunaler Ebene die Interessen der ausländischen Einwohner zu vertreten. Ähnliche Organe gibt es in vielen Bundesländern auch auf Landesebene. Seit 1998 besteht zudem der Externer Link: Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat, ein Zusammenschluss der Landesarbeitsgemeinschaften der kommunalen Ausländerbeiräte und Ausländervertretungen.

Armutsgefährdungsquote in der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund – allgemein und nach ausgewählten Merkmalen

Armutsgefährdungsquote in der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund – allgemein und nach ausgewählten Merkmalen (Interner Link: Grafik zum Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Als armutsgefährdet gelten in Deutschland alle Menschen, deren verfügbares Einkommen weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens beträgt. Eingewanderte und ihre Nachkommen sind mehr als doppelt so häufig armutsgefährdet wie Personen ohne Migrationshintergrund. Personen, die über einen Schulabschluss verfügen, sind in beiden Bevölkerungsgruppen deutlich weniger armutsgefährdet als Personen, die die Schule ohne Abschluss verlassen. Gleichwohl profitieren Personen mit Migrationszuschreibung weniger von einem hohen Schulabschluss als Personen, die nicht aus Einwandererfamilien stammen: denn Personen ohne Migrationshintergrund, die die Fachhochschulreife oder das Abitur haben, sind nur halb so armutsgefährdet wie Personen ohne Migrationszuschreibung, die die Schule nur mit einem Hauptschulabschluss verlassen haben. Hingegen sinkt das Armutsrisiko von Eingewanderten und ihren Nachkommen, die über die Fachhochschulreife bzw. das Abitur verfügen nur um rund sechs Prozentpunkte gegenüber solchen mit Hauptschulabschluss. Im Vergleich der Schulabschlüsse weisen Personen mit Migrationszuschreibung, die die Realschule abgeschlossen haben, die geringste Armutsgefährdungsquote auf. Diese liegt allerdings immer noch mehr als doppelt so hoch wie unter Personen ohne Migrationshintergrund, die einen Realschulabschluss erworben haben. Die Gründe für eine höhere Armutsgefährdung in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund sind vielfältig: Ein zentraler Faktor ist der höhere Anteil an Personen mit fehlenden Schul- und Berufsabschlüssen und eine häufig dadurch bedingte höhere Arbeitslosigkeit. Hinzu kommen die Entwertung von im Ausland erworbenen Bildungs- und Berufsqualifikationen, Hürden beim Arbeitsmarktzugang wie mangelnde Sprachkenntnisse oder rechtliche Barrieren bei der Aufnahme einer Beschäftigung oder dem Zugang zu Unterstützungsmaßnahmen zur beruflichen Eingliederung, niedrigere Durchschnittslöhne und befristete Anstellungsverhältnisse.

Zum Thema:
Interner Link: Armutsgefährdungsquoten von Migranten
Interner Link: Armutsgefährdungsquoten

Erwerbsquote der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund (MH) im Jahr 2020

Erwerbsquote der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund (Interner Link: Grafik als Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Die Erwerbsquote beschreibt (hier) den Anteil der Erwerbspersonen an der Bevölkerung im Alter von 15-64 Jahren. Unter die Erwerbspersonen fallen Erwerbstätige und Erwerbslose, die aber auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind und damit dem Arbeitsmarkt potenziell zur Verfügung stehen. Damit beschreibt die Erwerbsquote das Arbeitskräftepotenzial.

Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund weist eine niedrigere Erwerbsquote auf als die Bevölkerung ohne Migrationszuschreibung. Dies liegt vor allem an der vergleichsweise geringen Erwerbsquote von Frauen mit Migrationshintergrund. Männer stehen dem Arbeitsmarkt häufiger zur Verfügung als Frauen. Das gilt für beide betrachteten Bevölkerungsgruppen. Während die Erwerbsquote der männlichen Bevölkerung mit Migrationszuschreibung allerdings nur rund fünf Prozentpunkte unter der Erwerbsquote in der männlichen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund liegt, klaffen die Erwerbsquoten in der weiblichen Bevölkerung deutlich auseinander: Die Erwerbsquote in der Bevölkerungsgruppe der Frauen mit Migrationshintergrund fällt um 13,5 Prozentpunkte niedriger aus als die Erwerbsquote von Frauen ohne Migrationsgeschichte. Wie in der weiblichen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sind die Erwerbsquoten von Frauen mit Migrationszuschreibung aber in den letzten Jahren gestiegen – und zwar stärker als die Erwerbsquoten der männlichen Bevölkerung mit und ohne Migrationsgeschichte. Dennoch sieht etwa die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration mit Blick auf die Arbeitsmarktintegration von Frauen mit Migrationshintergrund "erheblichen Handlungsbedarf". Die geringere Interner Link: Erwerbsbeteiligung ist zum Teil auf Familienstrukturen zurückzuführen: Im Vergleich zu Frauen ohne Migrationshintergrund haben Migrantinnen häufiger Kinder und auch mehr Kinder. Traditionelle Muster der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern gehen damit in besonderem Maße zulasten der Frauen. Die Fachkommission Integrationsfähigkeit empfiehlt deshalb, die Kinderbetreuungsangebote zu verbessern und an die spezifischen Bedarfe anzupassen. Insgesamt sollten bei Integrationsangeboten stärker Familien und ihre Bedürfnisse mitgedacht werden als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Die Erwerbsquoten unterscheiden sich nicht nur mit Blick auf das Geschlecht, sondern auch auf die Staatsangehörigkeit. Deutsche mit Migrationshintergrund wiesen z.B. 2019 eine höhere Erwerbsquote auf (74,4 Prozent) als die ausländische Bevölkerung (71,5 Prozent). Unter ausländischen Staatsangehörigen war wiederum die Erwerbsquote von EU-Bürger:innen (82 Prozent) deutlich höher als die von Drittstaatsangehörigen (64 Prozent). Die hohe Fluchtmigration in den Jahren 2015/2016 hat die Erwerbsquoten von Drittstaatsangehörigen zwischenzeitlich sinken lassen. Erfahrungsgemäß verläuft die Interner Link: Arbeitsmarktintegration von Schutzsuchenden langsamer als die anderer Migrant:innengruppen. Zu den Gründen zählen fehlende Vorbereitungsmöglichkeiten auf ein Leben in Deutschland sowie rechtliche Hürden beim Arbeitsmarktzugang.

Welche Auswirkungen die Interner Link: Corona-Pandemie auf die Arbeitsmarktbeteiligung von Eingewanderten und ihren Nachkommen mittelfristig hat, muss sich erst noch zeigen. Untersuchungen haben ergeben, dass im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 vor allem Geflüchtete überdurchschnittlich von Beschäftigungsabbau und Kurzarbeit betroffen waren. Die Arbeitslosigkeit in dieser Gruppe nahm auch dadurch zu, dass viele Integrations- und Qualifizierungsmaßnahmen pandemiebedingt abgebrochen werden mussten. Der Wegfall von Sprachkursen, Bildungs- und Qualifizierungsangeboten könnte sich wiederum auf lange Sicht negativ auf die Möglichkeiten auswirken, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Zwar ist die Beschäftigung von Geflüchteten nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 wieder gestiegen. Allerdings fiel ihr Beschäftigungswachstum 2020 deutlich geringer aus als in den Vorjahren.

Die langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf den Verlauf von Integrationsprozessen lassen sich derzeit allerdings noch nicht absehen, sondern erst im Rückblick beurteilen.

Entwicklung des Anteils der Erwerbslosen in der Erwerbsbevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren

Entwicklung des Anteils der Erwerbslosen in der Erwerbsbevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren (Interner Link: Grafik als Download) (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de

Die Erwerbslosenquote beschreibt den Anteil der Erwerbslosen an allen Erwerbspersonen. Als Erwerbspersonen gelten hier alle Erwerbstätigen und Erwerbslosen in der 15 bis 64 Jahre alten Bevölkerung in Deutschland.

Sowohl die Bevölkerung mit als auch ohne zugeschriebenen Migrationshintergrund profitierte in den letzten Jahren vom konjunkturellen Aufschwung. Zwischen 2005 und 2019 ist die Erwerbslosenquote in beiden Bevölkerungsgruppen deutlich gesunken, wobei der Rückgang in der Bevölkerung mit Migrationshintergrund stärker ausgefallen ist. Dennoch war ihre Erwerbslosenquote 2019 immer noch mehr als doppelt so hoch wie in der Bevölkerung ohne Migrationszuschreibung. Die Gründe dafür sind vielfältig. Das Qualifikationsniveau spielt eine wichtige Rolle. So hat sich die Qualifikationsstruktur der Migrant:innen polarisiert: Seit Anfang der 2000er Jahre ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Interner Link: Liberalisierung der Arbeitsmigrationspolitik der Anteil der Einwanderer:innen mit einem Universitäts- oder Hochschulabschluss deutlich gestiegen. Er liegt inzwischen höher als der Anteil der Universitäts- und Hochschulabsolvent:innen in der bereits im Land lebenden Bevölkerung. Allerdings ist auch der Anteil der Eingewanderten ohne abgeschlossene Berufsausbildung gewachsen. Dazu hat auch die große Zahl Schutzsuchender im Jahr 2015 beigetragen. Neben den unterschiedlichen Bildungsvoraussetzungen spielen weitere Faktoren im Hinblick auf die ungünstigere Arbeitsmarktbeteiligung von Menschen mit Migrationszuschreibung eine Rolle, etwa die Entwertung der im Herkunftsland erworbenen Bildungs- und Berufsqualifikationen, unzureichende Sprachkenntnisse und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt.

Arbeit ist eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe, denn dadurch werden Einkommen und sozialer Status bestimmt. Darüber hinaus hat Erfolg auf dem Arbeitsmarkt Einfluss auf andere Faktoren – etwa die Wohnsituation, die Bildung der eigenen Kinder, kulturelle Teilhabe und die Möglichkeiten, soziale Beziehungen zu knüpfen. Migrant:innen können über eine berufliche Einbindung zudem ihre Deutschkenntnisse verbessern. Die Arbeitsmarktintegration spielt aber nicht nur für die Individuen und ihre gesellschaftlichen Teilhabemöglichkeiten eine Rolle, sondern hat auch gesamtwirtschaftliche Effekte. Je besser die Arbeitsmarktintegration von Migrant:innen und ihren Nachkommen gelingt, desto positiver ist die fiskalische Bilanz der Zuwanderung: Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist jünger als die Bevölkerung ohne Migrationszuschreibung. Ein größerer Anteil ist im erwerbsfähigen Alter. Sorgt eine gute Arbeitsmarkteinbindung dafür, dass Migrant:innen mehr Beiträge in die Sozialversicherungssystem einzahlen als sie individuelle Transferleistungen (etwa im Fall von Arbeitslosigkeit) beziehen, kann dies zur Stabilisierung des Wohlfahrtsstaats beitragen. Davon profitieren alle in Deutschland lebenden Menschen. Migration hat darüber hinaus Arbeitsmarktwirkungen für andere Bevölkerungsgruppen. Für Deutschland zeigen verschiedene Studien, dass Arbeitskräfte ohne Migrationszuschreibung von Einwanderung eher profitieren, weil sie sich bei zunehmender Migration auf Tätigkeiten spezialisieren, die in der Arbeitsmarkthierarchie höher angesiedelt sind und besser entlohnt werden. Bereits im Land lebende Migrant:innen geraten hingegen durch steigende Einwanderung stärker unter Konkurrenzdruck. Insgesamt schätzen Studien die Lohn- und Beschäftigungseffekte der Migration aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive aber als neutral oder gering ein.

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Vera Hanewinkel ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück.
E-Mail: E-Mail Link: vera.hanewinkel@uni-osnabrueck.de