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Auswanderung aus Deutschland | Deutschland | bpb.de

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Auswanderung aus Deutschland

Marcel Erlinghagen

/ 6 Minuten zu lesen

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Aber es gibt auch umfangreiche Auswanderung. Die allerdings findet nur selten Beachtung. Ein Überblick.

2023 wanderten 1,3 Millionen aus Deutschland aus. (© picture-alliance, Geisler-Fotopress | Christoph Hardt)

Wie viele Menschen wandern aus?

Im Jahr 2023 standen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 2 Millionen Einwanderungen nach Deutschland 1,3 Millionen Auswanderungen gegenüber. Seit den 1960er Jahren wandern jährlich zwischen 0,6 und 1,6 Prozent der Bevölkerung Deutschlands ins Ausland ab (Abbildung 1). Von den 1,3 Millionen Auswanderungen in 2023 entfielen gut eine Million (oder knapp 77 Prozent) auf Ausländer:innen und etwa 300.000 (oder rund 23 Prozent) auf Menschen mit deutschem Pass. Entsprechend unterscheiden sich die Auswanderungsraten von deutschen und ausländischen Staatsangehörigen erheblich (Abbildung 2): So lag die Auswanderungsrate von Deutschen 2023 bei etwa 0,4 Prozent der Bevölkerung (rechte y-Achse in Abbildung 2), bei Ausländer:innen lag dieser Anteil bei fast acht Prozent (linke y-Achse in Abbildung 2).

Während das Auswanderungsgeschehen von Ausländer:innen stärker schwankt, zeigt sich für Deutsche seit den 1990er Jahren eine langsam ansteigende Auswanderungsrate. Besonders augenfällig ist allerdings der sprunghafte Anstieg der Auswanderungsrate von Deutschen von 0,2 auf 0,4 Prozent im Jahr 2016. Hier handelt es sich vor allem um ein statistisches Artefakt: Das Statistische Bundesamt hat in jenem Jahr die Erfassung von Auslandsabwanderungen von Deutschen grundlegend verändert, mit dem Ergebnis, dass die präsentierten Zeitreihen nicht mehr ohne Weiteres über die Zeit hinweg vergleichbar sind.

Wohin wandern die Menschen aus?

Deutsche wandern vor allem in die Schweiz und nach Österreich aus. Beide Länder führten im Jahr 2022 die Rangliste der zehn beliebtesten Zielländer deutscher Ausgewanderter an (Tabelle 1). Ferner finden sich hier zudem die ‚klassischen‘ englischsprachigen Ziele wie die USA und Großbritannien. Des Weiteren sind andere europäische Nachbarländer wie Polen, die Niederlande und Frankreich, aber auch Spanien und die Türkei als Ziel von Bedeutung. Ein völlig anderes Bild zeigt sich bei den häufigsten Auswanderungszielen von Ausländer:innen: So waren im Jahr 2022 Rumänien, Bulgarien und Polen zentrale Auswanderungsziele von Menschen ohne deutschen Pass. Die in dieser Rangliste führenden Zielländer sind nicht zufällig auch die Länder, aus denen in den zurückliegenden Jahren eine hohe Zuwanderung nach Deutschland erfolgte. Das von Ausländer:innen dominierte Auswanderungsgeschehen hängt somit stark mit der Einwanderungskonjunktur zusammen. Ein erneuter Blick auf Abbildung 1 zeigt, dass die Auswanderungsrate mit einiger Verzögerung häufig dem Verlauf der Einwanderungsrate folgt. Das macht auch deutlich: Viele Menschen, die nach Deutschland kommen, bleiben nicht dauerhaft im Land, sondern kehren nach einiger Zeit in ihre Herkunftsländer zurück – oder wandern in andere Länder weiter.

Wie viele Deutsche kehren aus dem Ausland zurück?

Anders als bei der Zu- und Abwanderung von Ausländer:innen hat Deutschland bezogen auf deutsche Staatsbürger einen negativen Wanderungssaldo. Das heißt: Jedes Jahr wandern mehr Deutsche aus als aus dem Ausland nach Deutschland zurückkehren. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes verließen im Jahr 2023 etwa 80.000 Deutsche mehr das Land als im selben Zeitraum zurückkehrten. Ein solcher ‚Nettoabfluss‘ ist nicht verwunderlich, da immer eine gewisse Anzahl von Ausgewanderten dauerhaft im Ausland bleibt und nicht nach Deutschland zurückkehrt. Das ist aber keineswegs ein rein deutsches Phänomen: In Abbildung 3 sind durchschnittliche jährliche relative Salden der Zu- und Abwanderung aus verschiedenen europäischen Ländern dargestellt. Schaut man sich den anteiligen Nettoverlust (negative Werte) bzw. Nettozuwachs (positive Werte) an eigenen Staatsbürger:innen bezogen auf die Anzahl der im Land lebenden Staatsangehörigen an, zeigt sich: Nahezu alle Länder weisen negative Salden auf – d.h. einen Verlust an Bevölkerung der eigenen Staatsangehörigkeit ist der Normalfall. Jedoch fallen diese Verluste bezogen auf die jeweilige Gesamtbevölkerung sehr gering aus. Für Deutschland zeigen die Daten beispielsweise, dass von 2013 bis 2022 im Durchschnitt jährlich etwa 0,08 Prozent weniger Menschen mit deutschem Pass nach Deutschland zurückgewandert als im selben Zeitraum ausgewandert sind. Damit befindet sich Deutschland hier im europäischen Mittelfeld. Bei einer Bevölkerung von rund 72 Millionen deutschen Staatsangehörigen entspricht dies in einem Zeitraum von zehn Jahren einem Nettoverlust von durchschnittlich rund 58.000 Personen jährlich. Auch wenn es so gesehen keinen dramatischen Bevölkerungsschwund durch die Auswanderung von deutschen Staatsbürger:innen gibt, so lässt sich dennoch feststellen, dass aktuell rund 3,8 Millionen Deutsche im Alter von über 15 Jahren im Ausland leben; das entspricht in etwa 5 Prozent der in Deutschland lebenden Deutschen dieser Altersgruppe.

Wer geht, wer kommt zurück?

Bereits 2016 haben Migrationsforscher die generell schlechte Datenlage bezüglich Auswanderungen beklagt. Eine Folge ist, dass im Vergleich zu den Erkenntnissen zur Zuwanderung unser Wissen um Auswanderung, Rückwanderung in das Herkunftsland, Weiterwanderung in ein Drittland und wiederholte internationale Mobilität (zirkuläre Migration) sehr begrenzt ist. Immerhin hat in der jüngeren Vergangenheit das Interesse an diesen ‚blinden Flecken‘ in der Migrationsforschung zugenommen, sodass sich zumindest das Wissen um die Aus- und Rückwanderung deutscher Staatsangehöriger seit einigen Jahren deutlich verbessert. Mit der German Emigration and Remigration Panel Study (GERPS) liegen erstmals repräsentative Daten über international mobile Deutsche vor, die eine tiefgreifendere Analyse von Ursachen und Auswirkungen von Aus- und Rückwanderung ermöglichen.

Tabelle 2 gibt einen Überblick über zentrale Merkmale deutscher Aus- und Rückgewanderter und vergleicht diese mit den entsprechenden Verteilungen der deutschen Bevölkerung („Nicht-Mobile“). Die Daten für die Aus- und Rückwanderer:innen sind GERPS entnommen, während die Vergleichsdaten für die nicht-mobile Bevölkerung mit deutschem Pass aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) stammen. Dabei zeigt sich: Die internationale Mobilität wird von eher jüngeren Menschen dominiert. Das Durchschnittsalter der deutschen Aus- und Rückwanderer:innen liegt deutlich unter dem der nicht-mobilen Bevölkerung mit deutschem Pass. Zudem wandern ähnliche viele Männer wie Frauen aus. Ferner gehen überwiegend Akademiker:innen ins Ausland: Drei Viertel der ausgewanderten Deutschen haben eine Hochschulabschluss, wohingegen dieser Anteil in der nicht-mobilen Bevölkerung bei etwa 25 Prozent liegt. Die Furcht, damit könnte ein dauerhafter Abfluss von Hochqualifizierten verbunden sein, ist jedoch unbegründet: Auch unter den Rückwandernden sind Akademiker:innen deutlich überrepräsentiert (69 Prozent). Das entspricht der Beobachtung, dass Migrant:innen häufig im Vergleich zur Bevölkerung in den Herkunftsländern ökonomisch, sozial oder politisch besser gestellt sind bzw. ihnen gesellschaftlich mehr Möglichkeiten offenstehen. Mit Blick auf das Merkmal Bildung bedeutet das z. B.: Sie sind im Schnitt besser ausgebildet als die nicht-mobile Bevölkerung im Herkunftsland. Berücksichtigt man, dass gleichzeitig knapp zwei Drittel (62 Prozent) der deutschen Ausgewanderten mit dem Gedanken spielen, wieder nach Deutschland zurückzukehren, zeigt sich, dass Auslandsaufenthalte in den meisten Fällen ein vorübergehendes Phänomen sind. Insofern ist eher davon auszugehen, dass Deutschland durch die zirkuläre Migration insbesondere von Fachkräften von deren neuen, im Ausland gesammelten Erfahrungen profitiert. Interessant bleibt dabei, dass 37 Prozent der Rückgewanderten durchaus mit dem Gedanken spielen, erneut ins Ausland zu ziehen. Diese Ergebnisse unterstreichen eindrucksvoll die Prozesshaftigkeit von Migration und die Bedeutung zirkulärer Wanderungen für eine nicht unbeträchtlichen Teil international mobiler Menschen.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass Aus- und Rückwanderungsentscheidungen meist nicht nur einen einzigen Grund haben, sondern in der Regel ein ganzes Motivbündel existiert. Gleichwohl zeigen die Befunde in Tabelle 3, dass bei Auswanderungen vor allem berufliche Gründe eine Rolle spielen. Zudem berichten viele Ausgewanderte, dass sie mit dem Auslandsaufenthalt neue Erfahrungen sammeln wollen oder eine Lebensstilveränderung beabsichtigen. Demgegenüber ist nur für eine kleinere Minderheit von 17 Prozent die Unzufriedenheit mit ihrem Leben in Deutschland ein zentrales Auswanderungsmotiv. Dies unterstreicht: Die Auswanderung von Deutschen ist chancengetrieben und wird vielfach zur Gestaltung der Karriere genutzt. Im Hinblick auf Rückwanderung bekommen hingegen familiäre Gründe eine stärkere Bedeutung: 40 Prozent der Rückgewanderten geben an, dass familiäre Gründe für ihre Entscheidung eine wichtige Rolle gespielt haben. Ausbildungsbezogene Gründe sind für 24 Prozent der Rückwanderer:innen bei ihrer Umzugsentscheidung ausschlaggebend gewesen (Auswanderer: 20 Prozent).

Quellen / Literatur

Bonin, Holger et al. (2008): Geographic Mobility in the European Union: Optimising its Economic and Social Benefits. IZA Research Report No. 19.

Carow, Annelen et al. (2019): Bevölkerung am üblichen Aufenthaltsort und Weiterentwicklung des Schätzverfahrens zur Langzeitmigration. WISTA - Wirtschaft und Statistik, 3/2019, S. 65-81.

Constant, Amelie F. (2021): Return, Circular, and Onward Migration Decisions in a Knowledge Society. In: Karima Kourtit et al. (Hg.): The Economic Geography of Cross-Border Migration, Cham: Springer, S. 133-156.

Erlinghagen, Marcel et al. (2021): Between Origin and Destination: German Migrants and the Individual Consequences of Their Global Lives. In: Marcel Erlinghagen et al. (Hg.): The Global Lives of German Migrants. Consequences of International Migration Across the Life Course. IMISCOE Research Series. Cham: Springer, S. 3-20.

Ette, Andreas/Erlinghagen, Marcel (2021): Structures of German Emigration and Remigration: Historical Developments and Demographic Patterns. In: Marcel Erlinghagen et al. (Hg.): The Global Lives of German Migrants. Consequences of International Migration Across the Life Course. IMISCOE Research Series. Cham: Springer, S. 41-62.

Ette, Andreas et al. (2019): German Emigration and Remigration Panel Study (GERPS). Neue GERPS-Daten über deutsche Aus- und Rückwandernde. Bevölkerungsforschung Aktuell 6/2019, S. 3-7.

Ette, Andreas et al. (2021): Surveying Across Borders. The Experiences of the German Emigration and Remigration Panel Study. In: Marcel Erlinghagen et al. (Hg.): The Global Lives of German Migrants. Consequences of International Migration Across the Life Course. IMISCOE Research Series. Cham: Springer, S. 21-39.

Ette, Andreas/Witte, Nils (2021): Brain Drain or Brain Circulation? Economic and Non-Economic Factors Driving the International Migration of German Citizens. In: Marcel Erlinghagen et al. (Hg.): The Global Lives of German Migrants. Consequences of International Migration Across the Life Course. IMISCOE Research Series. Cham: Springer, S. 65-84.

Goebel, Jan et al. (2019): The German Socio-economic Panel (SOEP). Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Jg. 239, Nr. 2, S. 345–360.

Ichou, Mathieu/Wallace, Matthew (2019): The Healthy Immigrant Effect. The Role of Educational Selectivity in the Good Health of Migrants. Demographic Research, Jg. 4, S. 61-94.

Statistisches Bundesamt (2021): Wanderungen (Binnenwanderung, Außenwanderung, Gesamtwanderung). Qualitätsbericht 2019. Wiesbaden: destatis.

Willekens, Frans et al. (2016): International Migration under the Microscope. Fragmented Research and Limited Data Must Be Addressed. Science, Jg. 352, Nr. 6288, S. 897-899.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Statistisches Bundesamt (2021), S. 8ff.

  2. Abbildung 3 basiert auf entsprechend europäischer Richtlinien harmonisierter Daten aus unterschiedlichen nationalen Quellen. Zum methodischen Vorgehen bei der Bereitstellung der harmonisierten Daten für Deutschland vgl. Carow et al. (2019).

  3. Erlinghagen et al. (2021), S. 10.

  4. Willekens et al. (2016).

  5. Constant (2021).

  6. Ette et al. (2021).

  7. Das SOEP ist eine seit 1984 bestehende repräsentative Studie von Individuen und Haushalten in Deutschland (vgl. Goebel et al. 2019).

  8. Vgl. z.B. Bonin et al. (2008); Ichou/Wallace (2019).

  9. Ette/Witte (2021).

Lizenz

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ist Professor für empirische Sozialstrukturanalyse am Institut für Soziologie der Universität Duisburg-Essen. Er forscht unter anderem zur Auswanderung aus Deutschland. marcel.erlinghagen@uni-due.de