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Steuerung des politischen Nachwuchses durch die Parteiführungen. Personalrekrutierung unter den Bedingungen gegenwärtiger Erfordernisse politischer Steuerung | APuZ 34-35/1992 | bpb.de

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APuZ 34-35/1992 Volksparteien im Abstieg. Nachruf auf eine zwiespältige Erfolgsgeschichte Die Krise der Politik Das Bild der Parteien im vereinten Deutschland. Für welche Bevölkerungsgruppen setzen sie sich ein? Inner-und zwischenparteiliche Interessenverflechtungen Steuerung des politischen Nachwuchses durch die Parteiführungen. Personalrekrutierung unter den Bedingungen gegenwärtiger Erfordernisse politischer Steuerung

Steuerung des politischen Nachwuchses durch die Parteiführungen. Personalrekrutierung unter den Bedingungen gegenwärtiger Erfordernisse politischer Steuerung

Hilke Rebenstorf

/ 27 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag setzt sich kritisch mit Vorwürfen auseinander, denen die Politische Klasse in der aktuellen Diskussion um mangelnde Problemlösungskompetenz ausgesetzt ist. Im Zentrum der Kritik steht die Praxis der Personalauswahl für politische Spitzenämter, die allzu häufig nicht sachlichen Kriterien folge, sondern der Loyalitätsmaßstäbe gegenüber der Partei zugrunde lägen. Parteiführungen haben jedoch kaum Einflußmöglichkeiten auf die Personalauswahl bzw. auf die Förderung individueller politischer Karrieren: Die Rekrutierung in hohe politische Ämter erfolgt in der Regel aus dem Bundestag heraus. Die Nominierung von Kandidaten für Bundestagswahlen ist hingegen eine Angelegenheit lokaler Parteigliederungen. Der Eindruck mangelnder Problemlösungskompetenz wird durch zwei weitere Momente verstärkt: Erstens durch die politische Repräsentation, die zu den Standardaufgaben der Parlamente gehört, in Parteienstaaten jedoch u. a. aufgrund der ideologischen Unterscheidbarkeit der Parteien und aufgrund von Interessen-koalitionen auch zum Problem für Regierungen wird. Zweitens durch die politische Steuerung, die zu den neuen Aufgaben moderner, in vielfache internationale Kooperationen eingebundener Staaten gehört. Politische Steuerung kann nicht dirigistisch erfolgen, sondern bedarf der Zusammenarbeit der verschiedenen Interessenorganisationen und damit auch der Zusammenarbeit der Parteien; damit kollidert jedoch der Repräsentationsgedanke, sofern er als Repräsentation pluralistischer Interessen verstanden wird. Für die adäquate Wahrnehmung dieser beiden fundamentalen Staatsaufgaben wäre gegebenenfalls eine zentrale Personalplanung wünschenswert. Die faktische Struktur des politischen Systems läßt dies jedoch nicht zu, woraus das „Dilemma der Politik“ entsteht: Der Parteienwettkampf verbietet sowohl die Verweigerung der Zusammenarbeit als auch die Kooperation. Eine Lösung kann eigentlich nur in einer Kombination von veränderten Personalselektionsmustern und einer Neustrukturierung politischer Verwaltung bestehen, wobei zwei Elemente besonders hervorzuheben sind: 1. das Parteienmonopol bei der Besetzung politischer Ämter ist anachronistisch; 2. erhöhte Responsivität ist nur möglich bei Dezentralisierung.

I. Inhalt und Entwicklung der Politikerkritik

Die Rede vom Versagen der Parteien und der Politik, die in Partei-, Staats-und Politikverdrossenheit der Bevölkerung mündet, ist so alt wie die Parteien selbst dafür wurden immer unterschiedliche Ursachen und Konsequenzen genannt. In neuerer Zeit findet eine Problematisierung in erster Linie unter dem Aspekt der Gefährdung der Demokratie statt. Haben noch bis Ende der achtziger Jahre wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt, daß trotz abnehmender Wählerbindung an die traditionellen Parteien keine Gefahren für das politische System der Bundesrepublik bestehen, daß man nicht von einem Entzug der Unterstützung durch die Bürger sprechen könne so weisen die Ergebnisse zahlreicher Landtagswahlen der vergangenen drei Jahre bis zu den jüngsten Wahlen in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg am 5. April dieses Jahres auf drohenden Legitimationsverlust hin. Mußten bis dahin die etablierten Parteien lediglich Wahlenthaltung fürchten, die auch als Zufriedenheit interpretiert werden kann nach dem Motto: „Solange alles gut läuft, brauch’ ich mich nicht zu beteiligen“, so kann bei den massiven Stimmabgaben zugunsten rechtsextremer Parteien ein breites Unbehagen nicht mehr übersehen werden. Unabhängig davon, ob dieses Wahl-verhalten als Gefährdung des demokratischen Systems der Bundesrepublik interpretiert werden kann oder ob man die der allgemeinen Beruhigung dienende Implikation über Denkzettelwahlen teilt, über Ursachen und Konsequenzen muß nachgedacht werden.

Daß den etablierten Parteien nicht sonderlich viel Vertrauen hinsichtlich ihrer Problemlösungskompetenz entgegengebracht wird, ist keine neue Erkenntnis. Sie hat durch die jüngsten Wahlergebnisse und durch die Prognosen hinsichtlich des Ausgangs anstehender Wahlen lediglich eine erneute und auch beunruhigende Bestätigung erfahren. Wahl-und Einstellungsforschung sowie Demoskopie bemühen sich seit längerem um Erklärungen für das Phänomen nachlassender Stammwählerschaften, das sichtbar wird in der abnehmenden Bindungskraft etablierter Parteien: Auflösung traditioneller Bindungen, ökonomische Unsicherheit, Abstiegsängste, Vereinzelung, kurzum Veränderungen im sozialen Leben als Folge des allgemeinen gesellschaftlichen Wandels werden als Erklärung herangezogen.

Große Publizität hat um die Jahreswende in diesem Zusammenhang eine Studie erfahren, die im Auftrag der Wirtschaftsvereinigung der nordrhein-westfälischen CDU erstellt wurde und die zu dem Ergebnis kommt, daß es in den Parlamenten an wirtschaftlichem Sachverstand fehle. Im Bemühen um die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen geriet die Studie zu einem massiven Angriff auf die Rekrutierungspraxis in den etablierten Parteien: Die Auswahl des politischen Personals erfolge nicht aufgrund von erforderlichem Sachverstand, sondern nach sonstigen Opportunitätsgründen in Absprache der Führungen aller einflußreichen Parteien.

Die Schlußfolgerung liegt nahe: Was zur Zeit an Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien sichtbar wird, ist Folge der Auswahl des politischen Führungspersonals durch die Parteien bzw.deren Vorstände. Statt sachorientierter Auswahl, die allein die heute mehr denn je erforderliche Problemlösungskompetenz erbringen könnte, scheint nur intellektuelles und fachliches Mittelmaß eine Chance zu haben. Was Parteiführungen ungestraft seit Bestehen der Bundesrepublik hätten tun können -nämlich sich selbst bedienen (Diätenfrage) und die politische Führung Personen überlassen, die vielleicht der Partei gegenüber loyal, dafür fachlich jedoch geringer qualifiziert seien, als möglicherweise erforderlich wäre -sei unter den geänderten Rahmenbedingungen von deutscher Vereinigung, europäischer Integration sowie generell zunehmender Intemationalisierung der Politik nicht länger möglich. Defizite in der Problemlos sungs-, Steuerungs-und Führungskompetenz der Politik würden nun sichtbar. Die Selbstbedienungsmentalität fordere ihren Tribut in Form massiver Verweigerung der Unterstützung durch die Wählerschaft.

Faßt man die in wissenschaftlicher, populärwissenschaftlicher und populärer Darstellung jeweils angedeuteten Argumentationsstränge zum Verfall des Ansehens der Parteien zusammen und ordnet diese in einer Reihe, so ergibt sich folgende historische Kette: In der Gründungsphase der Bundesrepublik warb noch eine große Zahl von Parteien um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler. Die Klientele der Parteien waren aufgrund traditioneller Milieubindungen klar voneinander abgegrenzt. Fünfprozentklausel, Parteienverbote und Abrükken der beiden großen Parteien CDU (in Bayern: CSU) und SPD von früheren dogmatischen Positionen und ihre Transformation zu Volksparteien führten zu einer immer stärker werdenden Konzentration der abgegebenen Wahlstimmen auf diese Parteien bei gleichzeitiger Zunahme der Wahlbeteiligung Wirtschaftlicher Aufbau und Aufschwung wirkten als Rahmenbedingungen zusätzlich stabilisierend. Auseinandersetzungen über zunehmende Partizipationsanforderungen in den ausgehenden sechziger Jahren konnten noch vom Parteiensystem aufgefangen werden: „Mehr Demokratie wagen“ (Brandt) war nicht lediglich Lippenbekenntnis, die Beteiligungsmöglichkeiten für z. B. jüngere Politiker wurden tatsächlich ausge-weitet. Gut dreißig Jahre lang brauchten sich die etablierten Parteien keine Sorgen um ihren Führungsanspruch zu machen, bis 1983 mit dem Einzug der GRÜNEN in den Bundestag die ersten Alarmsignale hinsichtlich der nachlassenden Bindungskraft der etablierten Parteien unüberhörbar wurden In der Folgezeit griffen diese zwar Themen der Ökologiebewegung auf, Bemühungen für deren Umsetzung erschienen jedoch nur halbherzig zu erfolgen. Die Parteien gaben nicht mehr die Themen des Tages vor, sondern liefen ihnen hinterher. Sie schienen kein Gespür mehr für tatsächliche Problemlagen zu haben, sondern nur noch im eigenen Saft vor sich hinzuschmoren im „Raumschiff Bonn“. Die Quittung scheint nun geliefert zu werden in sogenannten „Denkzettelwahlen“.

Die Schuldigen sind natürlich schnell ausgemacht. In einem politischen System, einem Regierungssystem, das einzig und allein auf Parteien baut, ihnen allein das Recht der Besetzung von Parlaments-mandaten und Regierungspositionen zugesteht, ist es naheliegend, den Führungen dieser Parteien den Schwarzen Peter zuzuschieben: Das Personal, das sie mit der Aufgabe der Führung des Staates beauftragten bzw. das sie für diese Aufgabe auswählten, verfüge nicht über genügend Feingefühl, Stimmungen in der Bevölkerung zu erspüren, und nicht über genügend Sachverstand, anstehende Probleme zu lösen. Die Verdammnis der etablierten Parteien liegt also nahe, die Hinwendung zu anderen außerhalb dieses bürgerlichen Spektrums liegenden Parteien ebenfalls.

Doch wie sieht die Realität aus: Inwieweit sind es die Parteiführungen, die den Nachwuchs für Führungspositionen in der Politik auswählen und fördern? Wie ist es bestellt um Responsivitätserfordernisse einerseits und Erfordernisse der zunehmenden Internationalisierung andererseits? Inwieweit hat nicht die Ausweitung staatlicher Aufgaben zu einer Form der Arbeitsteilung geführt, die einer zentralen Koordination der Auswahl des politischen Führungspersonals bedarf? Diesen Fragen soll nachgegangen werden, indem zunächst ein Abriß über Personalrekrutierung und Karrieren in der Politik gezeichnet wird. Die Möglichkeiten der Einflußnahme von Parteiführungen auf diese Prozesse werden hierbei deutlich. Die quasi widersprüchlichen Anforderungen an die „Politische Klasse“ sind Gegenstand eines weiteren Abschnitts über die Funktionen der politischen Elite. Daran anschließend wird das Dilemma der für die Staatsführung als allein zuständig angesehenen Instanzen erläutert. In einem Schlußkapitel geht es dann um Alternativen zur bisherigen Praxis bei der Auswahl politischer Führungskräfte und politische Führung. Es wird nicht der Anspruch erhoben, mit diesem Beitrag die Dilemmata der Politik zu beheben. Es kann bestenfalls darum gehen, schon mehrfach diskutierte Möglichkeiten der Entlastung politischen Führungspersonals von seiner Allzuständigkeit erneut in die Diskussion zu bringen.

II. Politische Elitenbildung und politische Karrieren

Der populären Vorstellung der Cliquenbildung in den Parteien und des Desinteresses der Politiker an den Bedürfnissen und Problemen der Bevölkerung entspricht in der wissenschaftlichen Diskussion das von Robert Michels erstmals formulierte und seitdem stets wieder zitierte „eherne Gesetz der Oligarchie“. Hiernach bilden sich in Organisationen, deren Entstehung erst einen adäquaten Rahmen für Interessenartikulation bietet (d. h.den Kampf der „Schwachen mit den Starken“ ermöglicht), zwangsläufig in ihren Führungsgruppen Oligarchien aus, die die Organisation letztendlich zur Erreichung eigener Ziele nutzen Die vertikale Organisationsstruktur der Parteien und ihrer Untergliederungen legt ebenfalls die Vermutung nahe, daß die Vorstände derart hierarchisch organisierter Gebilde den Haupteinfluß auf die Nachwuchsförderung ausüben oder zumindest ausüben könnten. Auf Bundesebene -betrachtet man die Auswahl von Mitgliedern der Parteivorstände, von Bundes-und Landeskabinetten -scheint dies tatsächlich der Fall zu sein. Auch die Bezeichnungen „Söhne“ und „Enkel“ bekannter Alt-Politiker legen die Assoziation eines Ziehkindes nahe, das von Beginn an unter die Fittiche einer einflußreichen Person genommen wurde, die seine politische Karriere betreute und förderte.

Politische Karrieren sind jedoch in der Regel langwierigere und komplexere Prozesse, als sie sich oberflächlich darstellen. Die zu diesem Themen-komplex durchgeführten Studien datieren aus den siebziger Jahren, grundlegend hat sich jedoch kaum etwas geändert: Organisationen, und somit auch Parteien und Parlamente, sind ab einer gewissen Größe träge und verändern wesentliche konstituierende Parameter kaum oder zumindest nur über sehr lange Zeiträume.

Am umfassendsten ist die Untersuchung Dietrich Herzogs, deren Ergebnisse 1975 publiziert wurden Herzog betrachtete die Karrieren von Mitgliedern der Bundesregierung, der Parlamentselite von Geschäftsführern und Referenten sowie die der damals jungen Bundestagsabgeordneten der Geburtsjahrgänge ab 1930. 10 Ein wesentliches Ergebnis dieser Studie war die Erstellung einer Karrieretypologie. Danach machten 60 Prozent der in die Studie einbezogenen Spitzenpolitiker eine „Standard-Karriere“. Die Politik wurde erst dann zum Beruf, nachdem im privaten Beruf eine erfolgreiche Etablierung stattgefunden hatte, der politische Aufstieg erfolgte sukzessiv; die politische Karriere war mithin die zweite Karriere. Etwa zehn Prozent des Führungspersonals wechselten aus einer Spitzenposition im privaten Beruf direkt in eine gleichermaßen hohe Position in der Politik; diese Personen hatten eine „Cross-over-Karriere“. Für alle übrigen beschrieb Herzog die Laufbahn als „reine politische Karriere“. Diese beginnt frühzeitig mit besoldeten politischen Ämtern -meist in der Partei. Eine vorherige oder parallel verlaufende privat-berufliche Karriere gibt es nicht

Die Cross-over-Karrieristen ausgenommen, hatten alle Führungspersonen ihre Karrieren mit kommunalen Wahl-und/oder Parteiämtern begonnen, um schließlich ein Bundestagsmandat zu erlangen aus dem Bundestag heraus wurden sie dann für die politische Elite rekrutiert. Die Aussage Kaacks von 1971 „In der Bundesrepublik rekrutieren sich die Inhaber von Regierungspositionen nahezu ausschließlich aus dem Kreis der Parlamentarier“ wurde durch die Studie Herzogs bestätigt: Die von ihm betrachtete politische Elite umfaßte nur Leute mit Parlamentserfahrung. Kaacks Folgerung: „Eine Analyse der Führungselite auf Bundesebene muß daher von der Rekrutierung der Bundestagsabgeordneten ausgehen“ kann also nur beigepflichtet werden. Hier zeigen sich dann auch sehr schnell die Grenzen der Einflußnahme der Parteivorstände auf die Auswahl des politischen Nachwuchses.

Mitglied des Bundestages wird eine in einer Partei organisierte Person (volljährig, mit deutscher Staatsbürgerschaft), die entweder nach einem parteiinternen Nominierungsverfahren in einem Wahlkreis aufgestellt wird und diesen direkt gewinnt oder die nach einem ebenfalls parteiinternen Nominierungsverfahren auf der Landesliste ihrer Partei aufgestellt wird und über diese in das Parlament einrückt An den parteiinternen Nominierungsverfahren sind keine zentralen Parteiinstanzen beteiligt; das Nominierungsverfahren ist eines der wenigen Bereiche, in denen die föderative Struktur der Bundesrepublik noch zum Tragen kommt. Es ist zwar denkbar, daß die Parteivorstände Kriterienkataloge erstellen, die bei der Kandidatenauswahl zu berücksichtigen sind, generell liegt das Votum für die Benennung der Direkt-kandidaten jedoch bei den Wahlkreismitgliederoder Wahlkreisvertreterversammlungen, die Zu­ sammenstellung der Landesliste ist Sache der Landesvertreterversammlung; die Landeslisten dienen zu großen Teilen der Absicherung der Wahlkreis-kandidaten, so daß der Spielraum für eventuelle Einflußnahme der Landesvorstände auf die Landesvertreterversammlungen gering ist Vorstellungen von einer zentralen Fraktionsplanung mit Hilfe von Bundeslisten und eines reinen Verhältniswahlrechts haben sich nicht durchsetzen können. Wenn es auch ein hohes Maß an personeller Kontinuität in den Bundestagsfraktionen gibt, die auch Fraktionsplanung möglich macht, so sind Ausmaß und Richtung der Personalzirkulation Ergebnis der Strategien lokaler Parteiorganisationen. Von einer prinzipiellen Offenheit des Rekrutierungsprozesses kann dennoch nicht ausgegangen werden. Restriktionen ergeben sich vor allem aus der meist dünnen Personaldecke der Parteien. Kaack hat beispielhaft vorgerechnet, daß aus einem Kreisverband unter Berücksichtigung des durchschnittlichen Organisationsgrades, des durchschnittlichen Aktivitätsgrades, der Erfüllung spezifischer Anforderungen (wie Abkömmlichkeit etc.) im Durchschnitt sowieso nur vier Personen für eine Kandidatur in Frage kommen Letztendlich entscheidend für die konkrete Auswahl sind bisherige Bewährung in der Partei, Ortsverbundenheit, aber durchaus auch Vorstandsaktivitäten, die jedoch eher auf Kreisebene angesiedelt sind als in höheren Stufen der vertikalen Parteiorganisation

In der Regel muß man weniger von einem oligarchischen System ausgehen als von einem Proporz-system, in dem auf Landesebene parteiinterne Gruppierungen mit ihren je eigenen Verbindungen zu Interessenorganisationen des vorpolitischen Raumes berücksichtigt werden Diese Organisationsform bleibt auch für Parlamentsabgeordnete im Bundestag bestehen in Form von Landesgruppen, von informellen ideologischen Gruppen u. ä. Für die Auswahl des politischen Spitzenpersonals durch die Parteivorstände findet also eine Vorauswahl in den unteren Parteieinheiten statt, die das Auswahlreservoir für den Bundesvorstand ein-engt. Wie die parlamentsinteme Rekrutierung in die Spitzenpositionen erfolgt, ist empirisch noch nicht untersucht Es gibt die Hinterbänkler und die Personen in der ersten Reihe. Sozialstrukturelle Unterschiede zwischen den Führungsgruppen und den einfachen Abgeordneten sind, sofern überhaupt vorhanden, nur marginal. Daß in den Ausleseverfahren die Parteivorstände, deren Mitglieder in der Regel über langjährige Parlamentserfahrung verfügen stark beteiligt sind bzw. diese dominieren, wird immer wieder ersichtlich bei der Neubestellung von Ministern oder Veränderungen in Fraktionsvorständen. Die in letzter Zeit häufigeren Kampfabstimmungen, z. B. um den Fraktionsvorsitz der SPD und um die Nachfolge Genschers im Auswärtigen Amt, sind nicht unbedingt als Zeichen innerparteilicher bzw. innerfraktioneller Demokratisierung zu sehen, sie können ebenso aufgefaßt werden als Neuverteilungen im gültigen Proporzsystem

Diese Art des Interessenausgleichs mag auf Widerspruch stoßen. Man verträgt sich, arrangiert sich. Statt im tatsächlichen Wettbewerb der Fähigkeiten die „Elite“ gewinnen und zum Zuge kommen zu lassen, würden über dieses System von Absprachen tendenziell inkompetente, mittelmäßige Personen gefördert. Der lange Weg durch die Parteiorganisationen, die Zunahme des Berufspolitikertums führe zu Entfremdung und stärke die Selbstbedienungsmentalität.

Es soll an dieser Stelle nicht geleugnet werden, daß man gegebenenfalls von „Degenerationen“ im Parteiensystem bzw. Parteienstaat sprechen kann legt man einen normativen Maßstab zugrunde. Doch muß diese Einschätzung stets konfrontiert werden mit den Erfordernissen der Politik. Pauschale Heilserwartungen oder Verdammungsurteile, die an die Parteien als Träger von Gesetzgebung und Regierung herangetragen werden, greifen zu kurz. Sowohl die Omnipotenz-als auch die Impotenzthese sind in ihrer reinen Form nicht haltbar Wäre nicht gegebenenfalls eine zentrale Personalplanung von Vorteil, die unter Berücksichtigung der Hauptfunktionen des politischen Führungspersonals Legitimationsproblemen Vorbeugen könnte?

III. Elitefunktionen

1. Die Repräsentationsfunktion Die Kritik an Parteien und Politikern ist Symptom für das Empfinden eines Defizits. Worin können diese Defizite begründet sein, inwieweit kommen Parteien und Politiker ihren Aufgaben nicht nach oder zumindest nicht in gebührendem Maße? Kann man deren Aufgaben überhaupt noch so fest umreißen oder hat nicht der Funktionswandel von Parlamenten und Regierungen in der (europäischen) Nachkriegsentwicklung zu einer Arbeitsteilung innerhalb der politischen Elite geführt, deren eine Folge die Unsichtbarwerdung der harten Hintergrundarbeit ist? Es gibt keine Universalisten mehr, vielmehr wird der Anteil an Spezialisten in der politischen Führungsschicht immer größer; deren Tätigkeit und deren Wirken wird nur noch von denen wahrgenommen und ist nur mehr denen vermittelbar, die von diesem Spezialgebiet direkt und gegebenenfalls existenziell betroffen sind.

Hinter der Kritik steht jedoch auch das Empfinden eines tiefgreifenden Repräsentationsdefizits, das man bislang meist sozialstrukturell zu analysieren versuchte. Doch „was ist und zu welchem Ende studiert man Repräsentation?“

Diese Frage ist eng verbunden mit der Parlamentarismusforschung in westlichen Demokratien., In den bereits durch Bagehot 1867 formulierten, mittlerweile zu den fünf Standardaufgaben des Parlaments gewordenen Funktionen klingt zumindest in der Artikulationsfunktion der Repräsentationsgedanke an, dessen Essenz -wie Herzog ausführt -jedoch nicht zu klären ist, jedenfalls nicht mehr in der modernen industrialisierten Dienstleistungsgesellschaft. Soll die nach Rousseaus Meinung unteilbare „volontö gänärale“ repräsentiert bzw. artikuliert werden, oder ist nicht dieser gemeinsame Wille ein Phantom, da das Volk, wie schon Montesquieu bemerkte, eine Vielheit sei An die Stelle der drei Stände, an die Montesquieu noch dachte, ist inzwischen eine sozialstrukturell vielfach differenzierte Gesellschaft getreten, in der die individuellen Interessen nicht mehr durch die Standeszugehörigkeit determiniert zu sein brauchen. Die Literatur über sozialstrukturelle Repräsentationsdefizite im deutschen Bundestag ist umfangreich Studien zu Einstellungskongruenzen zwischen Wählern und Gewählten gibt es für Deutschland bedeutend weniger die tatsäch­ lichen Implikationen mangelnder „Repräsentativität“ sind jedoch kaum zu fassen, sie sind auch theoretisch nur schwer ableitbar

Aus gutem Grund befaßte sich die Repräsentationsforschung in erster Linie mit Parlamenten. Sie sind, sofern man es nicht mit präsidentiellen Systemen zu tun hat, verfassungsrechtlich die einzigen unmittelbar demokratisch legitimierten politischen Institutionen und aufgrund der nur ihnen zustehenden Gesetzgebungskompetenz auch die zentralen Staatsorgane in Rechtsstaaten. Verfassungswirklichkeit unterscheidet sich jedoch stets vom Geist der Verfassung. Die staatsrechtlich und ideengeschichtlich alte Konstruktion einer Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung ist faktisch nicht mehr gegeben Die Regierung bzw.der Regierungschef wird von einer Parlamentsmehrheit gewählt, die, sofern sie nicht von einer Partei allein gestellt wird, auf festen, für den Zeitraum mindestens einer Legislaturperiode angelegten Koalitionen beruht. Parteien gehen mit Spitzenkandidaten in eine Wahl. Der zukünftige Regierungschef im Falle des Wahlsieges der Partei X steht spätestens mit Beginn des Wahlkampfes fest. Neben der Gewißheit über ihn besteht ein hohes Maß an Erwartungssicherheit über zahlreiche weitere Mitglieder des zukünftigen Kabinetts, sei es als Fortschreibung des bisherigen, sei es als Schattenkabinett der Opposition.

Wahlen werden zu Recht als Wahl der Regierung gesehen und auch von Regierungspolitikern und Oppositionsführern als Bestätigung oder Ablehnung ihrer Politik interpretiert. Repräsentationsdefizite sind also nicht nur ein Problem für Parlamente, sondern in ebenso starkem Maße auch für Regierungen. Für Regierungen erfährt die Problematik der Repräsentation sogar eine Doppelung, da die (klassische) Klientel der die Regierung stellenden Partei(en) natürlich eine spezielle Berücksichtigung erwartet. Je größer also die Zustimmung zu einer Regierung, um so vielgestaltiger und letztendlich auch höher die Ansprüche. Um so größer dann auch Enttäuschung und Verdrossenheit. Parlament und Regierung sind auf vielfältige Weise miteinander verknüpft: Regierungen werden über Parlamentswahlen bestimmt, die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sind dabei Ergebnis einer überzeugenden Regierungs-oder Oppositionspolitik, die wiederum im Meinungsbild der Bevölkerung in hohem Maße mit dem Führungspersonal, also einzelnen identifizierbaren Personen, verknüpft ist. Somit sind auch Parteien in dieses Netz verwoben. Partei-und Fraktionsführung sowie Regierungsmitgliedschaft bzw. Designation für ein Schattenkabinett sind personell verflochten. Hierin erkennbar sind sowohl ein Indiz als auch eine Ursache der Rekrutierung des politischen Nachwuchses für Führungspositionen aus dem Parlament und durch die ParteiVorstände. Das Indiz ist die in der Regel mehrjährige Parlamentszugehörigkeit vor Erreichen einer parlamentarischen, gouvernementalen oder parteiinternen Führungsposition Ursache ist die herausragende Stellung des Parlaments im repräsentativen System der Bundesrepublik.

2. Die Steuerungsfunktion

Neben der Repräsentation, die für das Vertretenheitsgefühl und daraus resultierend für die Legitimation politischer Führungsgruppen von Bedeutung ist, kommt dem politischen Führungspersonal die Steuerung gesellschaftlicher Prozesse zu. Diese Funktion ist relativ neu und ein Ergebnis des generellen Funktions-und Strukturwandels moderner Staaten

In sogenannten wohlfahrtsstaatlichen Systemen greift der Staat regulierend in nahezu alle Lebensbereiche der Bevölkerung ein. Jede staatliche Maßnahme -in der Regel Erlaß von Gesetzen, Verordnungen und entsprechenden Ausführungsvorschriften -berührt unzählige Interessen, deren Repräsentation wiederum Aufgabe staatlicher Institutionen ist. „Mit der internen Differenzierung des politischen Systems und mit der zunehmenden Interpenetration von Staat und Gesellschaft hat sich ein immer dichteres Geflecht von Abhängigkeiten entwickelt, das hierarchisch-autoritäre Entscheidungen ebenso erschwert wie den Rückzug des Staates aus einmal übernommener Verantwortung.“ Inwiefern der Staat überhaupt in der Lage ist, steuernd in die gesellschaftliche Entwicklung einzugreifen, ist nicht nur in der öffentlichen Diskussion um das Versagen der Politik problematisiert worden, sondern auch in der Wissenschaft Tatsächlich erfordert der Gedanke der Steuerung, der intentionalen Handlungskoordination, eine Abkehr vom Gedanken des omnipotenten Staates, der aufgrund struktureller Vorteile (z. B. Gesetzgebungskompetenz und Gewaltmonopol) am grünen Tisch planen und Geplantes anschließend umsetzen kann. Handlungskoordination bedeutet eben gerade, von diesem Monopol nicht beständig Gebrauch zu machen, sondern im Diskurs mit anderen Betroffenen zu möglichst konsensualen Lösungen zu gelangen.

Spannungen zwischen divergierenden gesellschaftlichen Interessen sind nach wie vor strukturiert entlang alter Konfliktlinien (Cleavages), wie Arbeit versus Kapital, aber auch entlang neuer Spannungslinien, die durch die Themen der sogenannten „neuen Politik (z. B. Umweltschutz, Gleichberechtigung von Mann und Frau) dominiert werden. Diese Interessen haben ihre je eigenen Organisationen im intermediären System der Bundesrepublik hervorgebracht; auch die Entstehung der Parteien ist Resultat der Bewußtwerdung und letztendlich der Kanalisierung von auf Disparitäten begründeten gesellschaftlichen Konflikten Scheinen auf den ersten Blick die gesellschaftlichen Konflikte auch zwischen antagonistischen Positionen aufgespannt zu sein, so ist doch davon auszugehen, daß es neben den konkurrierenden Interessen stets ein gemeinsames gibt, zumindest das der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Staates und der durch ihn gebotenen Rahmenbedingungen.

Für die Steuerungsfunktion des Staates, der immer durch seine Spitzenpolitiker repräsentiert wird, bedeutet dies in Anbetracht zunehmender gegenseitiger Abhängigkeit einen Zwang zur Abkehr von dirigistischen Maßnahmen hin zu Verhandlungssystemen. Scharpf hat diese analysiert In der politischen Praxis gibt es wie in der Theorie Mixed-Motive-Konstellationen -eben konkurrierende Interessen bei gleichzeitigem gemeinsamem Interesse. Ein rein konkurrenzhaftes Verhalten würde vielleicht einer Seite die Durchsetzung ihres Primärzieles ermöglichen, das gemeinsame Ziel könnte jedoch nicht erreicht werden. Kompetitives Verhalten verhindert generell auf lange Sicht die Erreichung der Ziele. Kooperative Verfahren, in denen z. B. Quoten ausgehandelt werden, nach denen mal der einen und mal der anderen Seite größere Zugeständnisse hinsichtlich ihrer Primärziele gemacht werden, bieten die Möglichkeit, die beständige Wiederholung nur suboptimaler Politik-ergebnisse zu vermeiden. Unter den Bedingungen der Parteienkonkurrenz, aber auch des" Wettbewerbs anderer Organisationen der Interessenvertretung, ist die Etablierung von Verhandlungssystemen naturgemäß schwierig. Damit diese erfolgreich wirken können, bedarf es wiederum der Spezialisierung -weniger in einem Fachgebiet als in der Politik überhaupt; es bedarf einer speziellen kommunikativen Kompetenz, die integrative Verhandlung und Subsumtion verschiedener Interessen unter ein gemeinsames ermöglicht. Es bedarf der Kenntnisse über die Positionen der diversen

Interessenvertretungen und der Erfordernisse, die die zunehmende internationale Kooperation und Abhängigkeit stellt

IV. Das Dilemma der Politik

Zusammenfassend stellt sich die Situation für das politische Führungspersonal in der Regierung wie in den daran beteiligten Parteien und in der Opposition als ein gravierendes Dilemma dar. Die Politik hat sich ein als eigenständiges gesellschaftliches Segment herausdifferenziert, dem spezifische Funktionen zukommen. Wie in anderen Berufsbereichen auch schadet es der Innovationskraft, wenn keine externen Einflüsse Beachtung finden. Die politische Elite ist eine Funktionselite, ihr kommt die Erfüllung spezifischer Aufgaben zu. Diese Aufgabenbereiche werden immer komplexer und immer schwerer zu durchschauen

Das Personal der politischen Organe soll repräsentieren, zugleich jedoch führen. Es soll dem „Gemeinwohl“ dienen, das zwar nirgendwo definiert ist, in der Eidesformel für Regierungsmitglieder jedoch enthalten ist in der Wendung „... meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, Schaden von ihm wenden ...“. Das deutsche Volk wird gesehen als mit einem einheitlichen Willen versehen, der Rousseausche Gedanke der „volonte göndrale“ ist Verfassungstext, kann jedoch aufgrund der vielgestaltigen vertikalen und horizontalen gesellschaftlichen Differenzierung niemals Verfassungswirklichkeit beanspruchen. Stattdessen gilt es, die faktische Interessenvielfalt zu berücksichtigen und in „sinnvoller“ Weise zu integrieren. Integration bedeutet dabei zwangsläufig, es niemandem mehr ganz recht machen zu können. Es müssen die verschiedenen im nationalen Rahmen artikulierten Interessen aufeinander abgestimmt und den Maßgaben internationaler Verflechtungen angepaßt werden. Diese Krisen-phänomene erscheinen als zwangsläufige Folge der Organisation des politischen Systems. Daß diese Phänomene um so stärker spürbar werden, je mehr Krisenfaktoren im Gesamtkontext hinzutreten, ist evident.

Eine Kumulation krisenhafter Erscheinungen verstärkt hingegen wieder den Zwang zur Zusammenarbeit von Regierung und Opposition zwecks Koordination der mit ihnen jeweils assoziierten Interessengruppen (z. B. Konzertierte Aktionen). Zusammenarbeit unter der Bedingung mangelhafter Transparenz läßt dann wiederum einen Mangel an Kontrolle vermuten -zum Klüngelvorwurf fehlt dann nicht mehr viel. Ein wahrhaftiges Dilemma: Die zur Problemlösung erforderliche und geforderte Kooperation wirkt als Bumerang

Wäre eine „Steuerung des politischen Nachwuchses durch die Parteiführungen“ nicht vielleicht wirklich sinnvoll? Von „oben“ müßte man doch den Überblick über die drängendsten Probleme haben und entsprechende Ausbildungsstrategien für den politischen Nachwuchs entwerfen können. Gibt es irgendwelche Möglichkeiten, dieses Dilemma zu lösen?

V. Verschiedene Denkanstöße

Scheuch schlägt als Ergebnis seiner Studie über den lokalen (Kölner) Klüngel vor, die Rekrutierungspraxis der Parteien fundamental zu ändern Nach dem bisher Ausgeführten scheint ein derartiges Vorgehen auf lokaler Ebene praktikabel und äußerst sinnvoll; auf Bundesebene geht dies jedoch am eigentlichen Problem vorbei bzw. täuscht sogar darüber hinweg. Die politische Professionalität ist ein unabdingbares Erfordernis zur Aufrechterhaltung (wenn nicht sogar zur Schaffung) der Steuerungskapazitäten nationaler Regierungen und Par-lamente im Rahmen zunehmender Intemationalisierung. Der professionalisierte Politiker zeichnet sich im wesentlichen dadurch aus, daß er eher Spezialist für Kommunikation als für ein enges Fachgebiet ist. Hierfür bedarf es externer Spezialisten und in der Verwaltung; die Politiker sollten allerdings nicht völlig fachfremd sein in dem Ressort, für das sie verantwortlich zeichnen.

Ansätze zur Lösung der Problematik mangelnder Responsivität und zur Erhöhung der Problemlösungskapazität der politischen Führungsschicht liegen weniger in den Auslesemechanismen bzw. darin, daß die falschen Leute an der Spitze stehen, als vielmehr in der Struktur der politischen Verwaltung, wozu letztendlich auch die Regierung gehört. Diese ist im wesentlichen durch zwei Momente geprägt: durch die Parteiendominanz und durch zunehmende Zentralisierung (trotz grundgesetzlich verankertem Föderalismus) „Parteien unterscheiden sich von anderen an der politischen Willensbildung beteiligten Gruppen im wesentlichen dadurch, daß sie und nur sie mit Aussicht auf Erfolg Kandidaten zu öffentlichen Wahlen oberhalb der kommunalen Ebene aufstellen.“ Dieses Monopol, das in der Entstehung der Bundesrepublik begründet ist, aufgrund des moralischen Vorsprungs der neuen Politiker gegenüber der eher belasteten politischen Verwaltung, ist überholt. Meint man es ernst mit den mündigen Bürgern, dann ist es an der Zeit, diesen Beteiligungsrechte in der Politik einzuräumen, ohne ihnen direkt die Unterwerfung unter ein mehr oder weniger „dogmatisches“ Gesamtprogramm abzuverlangen. Es ist nicht mehr angebracht, 97 Prozent der Wahlberechtigten in ihren politischen Betätigungsmöglichkeiten einzuschränken, nur weil sie sich nicht dazu entschließen können, einer Partei beizutreten. Zumindest auf kommunaler Ebene wurden bereits Versuche mit der Einrichtung von Planungszellen gemacht. Auf einer ähnlichen Philosophie basieren Einrichtungen wie Bürgerdeputierte und parlamentarische Enquete-Kommis-sionen, denen neben „richtigen“ Politikern externe Experten angehören. Das Ausmaß an Beteiligungsrechten und das politische Interesse stehen in einem engen Zusammenhang. Die häufige Klage über mangelndes Engagement der Bürger im politischen Prozeß würde sich mittelfristig erübrigen. Aber dazu bedarf es einer Rückbesinnung auf den Föderalismus, dessen Neuerweckung paradoxerweise über die zunehmende europäische Vereinigung gefördert wird.

Bereits vor Jahren hatte Rudolf Wassermann darauf hingewiesen, wie notwendig die erforderliche Sorgfalt bei der Entwicklung notwendiger neuer politischer Strukturen (nicht nur zur Rekrutierung) sei Er warnte davor, trotz der nicht mehr zu übersehenden Probleme sowohl hinsichtlich der Legitimation und Unterstützung als auch mit Blick auf mangelnde Problemlösungs-und Steuerungsfähigkeit „politics as usual“ zu machen. Genau diese Ruhe ist angebracht, heute noch mehr als vor sechs Jahren. Ein bloß suggestiver Vorwurf hinsichtlich moralischer Verfehlungen von Politikern ist zur Zeit nicht hilfreicher, als er schon immer war; die Folgen sind in Krisenzeiten allerdings noch fataler. Politiker sind keine Übermenschen, die Zeit der charismatischen omnipotenten Führer ist vorbei und sollte auch nicht wiederkehren. Entsprechend muß bei Reformen neben der Personalauswahl auch bedacht werden, wie die Bedingungen und Strukturen politischer Verwaltung sind, in denen diese Personen zu wirken haben. Beides ist nur als Einheit zu denken.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. als Überblick: Richard Stöss, Parteikritik und Partei-verdrossenheit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 21/90, S. 15-24.

  2. Vgl. Suzanne S. Schüttemeyer, Bundestag und Bürger im Spiegel der Demoskopie. Eine Sekundäranalyse zur Parlamentarismusperzeption in der Bundesrepublik, Opladen 1986; Dieter Fuchs, Die Unterstützung des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Opladen 1989.

  3. Wirtschaftsvereinigung der CDU NRW, Parteien und Politiker in der Bundesrepublik (alt) heute. Thesen zu einer strukturellen Erneuerung der politischen Führung, Düsseldorf, Dezember 1991; Erwin K. Scheuch/Ute Scheuch, Cliquen, Klüngel und Karrieren, Reinbek 1992 (s. a.den Beitrag der beiden Autoren in dieser Beilage).

  4. Die Wahlbeteiligung stieg von der ersten Bundestagswahl 1949 mit 78, 5 Prozent auf 91, 1 Prozent 1972 an, um seitdem wieder abzunehmen auf 84, 3 Prozent bei der Bundestagswahl 1987. 1949 entfielen auf die etablierten Parteien CDU, CSU, SPD und FDP erst 61, 1 Prozent der gültigen Zweitstimmen, 1972 erreichte die Stimmenkonzentration mit 99, 1 Prozent für diese vier Parteien ihren Höhepunkt. 1983, mit dem erstmaligen Einzug der GRÜNEN in den Bundestag, sank der Stimmenanteil für die vier etablierten Parteien auf 94 Prozent, 1987 gar auf 90, 4 Prozent. Dieser Stand wurde bei den Wahlen am 2. Dezember 1990 auf dem Wahlgebiet West gehalten, umgerechnet auf das gesamte Wahlgebiet betrug der Anteil der auf sie entfallenden Stimmen 88, 3 Prozent.

  5. Bei den Bundestagswahlen 1969, am Ende der Großen Koalition, erhielt die NPD 4, 3 Prozent der Stimmen, verfehlte also nur knapp den Einzug ins Bundesparlament; auf Länderebene war sie erfolgreicher. Die Wahlerfolge wurden damals als Folge der politischen Stimmung unter der Großen Koalition angesehen. Bei der Bundestagswahl 1972 war der Anteil der NPD-Stimmen wieder auf 0, 6 Prozent abgesunken.

  6. Zum Konzept der Responsivität und dessen notwendigem Maß vgl. Herbert Uppendahl, Repräsentation und Responsivität. Bausteine einer Theorie responsiver Demokratie, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 12 (1981) 1, S. 123-134.

  7. Vgl. Robert Michels, Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie. Untersuchungen über die oligarchischen Tendenzen des Gruppenlebens, Stuttgart 19894 (Erstveröffentlichung 1911); siehe auch Pierre Bourdieu, Delegation und politischer Fetischismus, in: Ästhetik und Kommunikation, 16 (1986) 61/62, S. 184-195.

  8. Vgl. Dietrich Herzog. Politische Karrieren. Selektion und Professionalisierung politischer Führungsgruppen, Opladen 1975.

  9. Zur genaueren Definition vgl. Heino Kaack, Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems, Opladen 1971, S. 681.

  10. Vgl. D. Herzog (Anm. 8), S. 53-61.

  11. Zur Zusammenfassung der Karrieretypologie vgl. Dietrich Herzog, Politik als Beruf: Max Webers Einsichten und die Bedingungen der Gegenwart, in: Hans-Dieter Klingemann/Wolfgang Luthardt (Hrsg.), Wohlfahrtsstaat, Sozialstruktur und Verfassungsanalyse, Opladen 1992 (i. E.).

  12. Für die Abgeordneten des 11. Deutschen Bundestages lassen sich ähnliche Karrierewege aufzeigen; vgl. Hilke Rebenstorf, Politische Herkunft und Politische Karriere, in: Hans-Dieter Klingemann/Richard Stöss/Bemhard Weßels (Hrsg.), Politische Klasse und politische Institutionen. Probleme und Perspektiven der Elitenforschung, Opladen 1991, S. 217-234.

  13. H. Kaack (Anm. 9), S. 565.

  14. Ebd.

  15. Parteilose wurden bisher nur von den GRÜNEN für ein Bundestagsmandat aufgestellt; in den späten fünfziger/frühen sechziger Jahren gab es noch ähnliche Verbindungen zwischen der CDU und dem BHE (Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten). Letzterer hatte nicht mehr die Möglichkeit, die Fünfprozenthürde zu überwinden, so daß einzelne seiner Kandidaten von der CDU in Wahlkreisen aufgeStellt wurden oder auf deren Landeslisten quotierte Plätze erhielten. Vgl. Bodo Zeuner, Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl 1965. Untersuchungen zur innerparteilichen Willensbildung und zur politischen Führungsauslese, Den Haag 1970.

  16. Zu den Verfahren vgl. B. Zeuner (Anm. 15); H. Kaack (Anm. 9), S. 565-637; Klemens Kremer, Der Weg ins Parlament. Kandidatur zum Bundestag, Heidelberg 19842.

  17. Eine Ausnahme bildet die CSU. In Bayern ist es für diese Partei kaum wichtig, Wahlkreiskandidaten abzusichem. Die meisten Wahlkreise werden direkt gewonnen, so daß für die Erstellung der Landesliste ganz andere Kriterien herangezogen werden können und der Landesvorstand der Partei unwidersprochen die Zusammensetzung zumindest der wichtigen ersten Plätze festlegt. Vgl. Autorenkollektiv (Ltg. Alf Mintzel), Kandidatenauslese für den Bundestag über die Landesliste. Eine Fallstudie über die Aufstellung der CSU-Landesliste zu den Bundestagswahlen 1957 und 1961, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 11 (1980) 1, S. 18-38.

  18. Vgl. H. Kaack (Anm. 9), S. 602. Die Rechnung bezog sich auf einen durchschnittlichen SPD-Kreisverband; für andere Parteien kann das Ergebnis noch „magerer“ aussehen, da die SPD die mitgliederstärkste Partei ist.

  19. Vgl. Ulrich von Alemann, Parteien und Gesellschaft in der Bundesrepublik. Rekrutierung, Konkurrenz und Responsivität, in: Alf Mintzel/Heinrich Oberreuter (Hrsg.), Parteien in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1990, S. 84-125.

  20. Vgl. B. Zeuner (Anm. 15), S. 197.

  21. Ein kürzlich erschienener Sammelband enthält neben theoretisch orientierten Artikeln einige neuere Fallbeispiele zur Rekrutierung in Parteien und Verbänden, die jedoch für eine Systematisierung zahlenmäßig zu gering sind. Einige Beiträge geben darüber hinaus Hinweise für eine wahrscheinlich erforderliche Neuorientierung bisheriger Forschungsansätze in Ost-Deutschland, wo aufgrund anderer Rahmenbedingungen in den Ländern auch die Auswahl des Spitzenpersonals auf andere Weise erfolgte. Vgl. Thomas Leif/Hans-Josef Legrand/Ansgar Klein (Hrsg.), Die politische Klasse in Deutschland. Eliten auf dem Prüfstand, Bonn 1992. Einen schematischen, international vergleichenden Überblick zur Ministerauswahl gibt Mattei Dogan, Die ungeschriebenen Regeln bei der Auswahl von Ministem in demokratischen Regimen, in: H. D. Klingemann/R. Stöss/B. Weßels (Anm. 12), S. 167-186.

  22. Vgl. Wilhelm Weege, Die Rekrutierung der politischen Klasse bei Parteien, Verbänden und sozialen Bewegungen. Forschungsdiskussion und neuere Befunde, Teil B: Die SPD-Parteielite am Beginn der neunziger Jahre. Ergebnisse einer explorativen Feldstudie, Köln: Zentralarchiv für empirische Sozialforschung, 1992 (mimeo).

  23. Es ist üblich, die verschiedenen regionalen Gruppen und Interessengruppen angemessen zu berücksichtigen. So ist beispielsweise kaum davon auszugehen, daß Volker Rühe Nachfolger Stoltenbergs im Amt des Verteidigungsministers geworden wäre, käme er nicht wie dieser aus Norddeutschland. Ein Schleswig-Holsteiner wurde durch einen Hamburger ersetzt. Die Regionalarithmetik wurde zwar leicht verzerrt, aber nicht grundsätzlich geändert.

  24. In diesem Beitrag wird beispielsweise die parteipolitische Dominanz bei der Personalauswahl in der höheren Verwaltung, in Ministerien etc. ausgespart. Der Kern des Problems ist jeweils der gleiche.

  25. Zu dieser Diskussion vgl. Alf Mintzel, Großparteien im Parteienstaat der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, Bll/89, S. 3-14.

  26. Dietrich Herzog, Was ist und zu welchem Ende studiert man Repräsentation?, in: ders. /Bernhard Weßels (Hrsg.), Konfliktpotentiale und Konsensstrategien. Beiträge zur politischen Soziologie der Bundesrepublik, Opladen 1989, S. 307-335.

  27. Vgl. auch zum folgenden D. Herzog, ebd., S. 309-311.

  28. Hess, Kaack und Müller publizieren regelmäßig zur Parlamentssoziologie. Hier seien nur einige Beiträge hervorgehoben: Adalbert Hess, Zusammensetzung und Sozialstruktur des Bundestages, in: Hans-Peter Schneider/Wolfgang Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin-New York 1989, S. 727-756; Heino Kaack, Die soziale Zusammensetzung des Deutschen Bundestages, in: Uwe Thaysen/Roger H. Davidson/Robert G. Livingstone (Hrsg.), US-Kongreß und Deutscher Bundestag. Bestandsaufnahmen im Vergleich, Opladen 1988, S. 128-151; Emil-Peter Müller, Der Bundestag ist gebildeter geworden, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 19 (1988) 2, 8. 200-219.

  29. Wesentliche Literatur zu Einstellungen in der bundesdeutschen Elite wurde im Rahmen der drei Mannheimer Elitestudien erstellt. Zu Issuekongruenz siehe Ursula Hoffmann-Lange, Kongruenzen in den politischen Einstellungen von Eliten und Bevölkerung als Indikator für politische Repräsentation, in: H. -D. Klingemann/R. Stöss/B. Weßels (Anm. 12), S. 275-289. Neuere Ergebnisse liegen vor aus einer Parallelbefragung von Abgeordneten des 11. Deut­ sehen Bundestages und einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Siehe hierzu: Dietrich Herzog/Hilke Rebenstorf/Camilla Werner/Bernhard Weßels, Abgeordnete und Bürger, Opladen 1990, insb. S. 36-59; Bernhard Weßels, Abgeordnete und Bürger: Parteien und Wahlkreiskommunikation als Faktoren politischer Repräsentation, in: H. -D. Klingemann/R. Stöss/B. Weßels (Anm. 12), S. 325-356.

  30. Es wurde immer und wird nach wie vor davon ausgegangen, daß Repräsentationsdefizite Legitimationsprobleme nach sich ziehen. Ein erster empirischer Versuch zur Abstützung dieser These für die (Alt-) Bundesrepublik liegt inzwischen vor: Hilke Rebenstorf/Bernhard Weßels, Wie wünschen sich die Wähler ihre Abgeordneten? Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage zum Problem der sozialen Repräsentativität des Deutschen Bundestages, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 20 (1989) 3, S. 408-424.

  31. Vgl. zum Verhältnis von Bundestag und Regierung die Beiträge im „Siebten Teil: Das Parlamentarische Regierungssystem“, in: H. -P. Schneider/W. Zeh (Anm. 28), S. 1297-1477. Zur Frage der Gewaltenteilung vgl. Eberhard Schütt-Wetschky, Grundtypen parlamentarischer Demokratie. Klassisch-altliberaler Typ und Gruppentyp, Freiburg-München 1984.

  32. Seit Gründung der Bundesrepublik wurden bislang nur 14 Minister ohne vorherige Mitgliedschaft im Bundestag in ihre Ämter berufen, Mitgliedschaft im Parlament erwarben sie in der Regel später. Zu den zahlreichen personellen Verbindungen zwischen Partei, Regierung und Parlament vgl. Gerhard Loewenberg, Der Bundestag -eine Bilanz nach 40 Jahre, in: Konrad Porzner/Heinrich Oberreuter/Uwe Thaysen (Hrsg.), 40 Jahre Deutscher Bundestag. Referate und Diskussionsbeiträge der Tagung der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen e. V. und der Vereinigung ehemaliger Mitglieder des Deutschen Bundestages und des Europäischen Parlaments e. V. am 8. -10. September 1989 in Bonn, Baden-Baden 1990, S. 51-64.

  33. Vgl. Fritz W. Scharpf, Die Handlungsfähigkeit des Staates am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, in: Politische Vierteljahresschrift, 32 (1991) 4, S. 621-634; Dietrich Herzog, Brauchen wir eine Politische Klasse? in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 50/91, S. 3-13.

  34. Fritz W. Scharpf, Verhandlungssysteme, Verteilungskonflikte und Pathologien der politischen Steuerung, in: Politische Vierteljahresschrift, 29 (1988), Sonderheit 19, S. 77.

  35. Als besonders vehementer Kritiker der Steuerungsfähigkeit moderner Staaten ist Luhmann hervorgetreten, vgl. Niklas Luhmann, Politische Steuerung: Ein Diskussionsbeitrag, in: Politische Vierteljahresschrift, 30 (1989) 1, S. 4-9; s. a. die Beiträge von Oberreuter, Haungs und Kühr in: Ulrich Matz (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen der repräsentativen Demokratie, Köln 1985.

  36. Vgl. Franz Urban Pappi, Konstanz und Wandel der Hauptspannungslinien in der Bundesrepublik, in: Joachim Matthes (Hrsg.), Sozialer Wandel in Westeuropa. Verhandlungen des 19. Deutschen Soziologentages 1979, Frankfurt/M. -New York 1979, S. 465-479. Zum Konzept stabilisierender Wirkungen von Cleavage-Strukturen vgl. Bernhard Weßels, Organisationsbindungen in Ost-und Westdeutschland, in: Josef Schmid (Hrsg.), Vom Zentralismus zum Pluralismus? Organisierte Interessen in den neuen Bundesländern (i. E. 1992); ders., Organisationsbindungen und Allianzen zwischen Verbänden und politischen Parteien als Bestimmungsgründe der Wahlentscheidung in den alten und neuen Bundesländern, in: Hans-Dieter Klingemann/Max Kasse (Hrsg.), Wahlen und Wähler. Analysen aus Anlaß der Bundestagswahl 1990, (i. E. 1992).

  37. Vgl. F. W. Scharpf (Anm. 34).

  38. In seinem 1991 erschienen Artikel beschreibt F. W. Scharpf (Anm. 33), daß die zunehmende Intemationalisierung (nicht nur der Märkte) die äußere Souveränität der Nationalstaaten habe anachronistisch werden lassen. Das spiel-theoretische Modell für Verhandlungssysteme muß insofern auf internationale Kontakte bzw. Kooperation ausgedehnt werden.

  39. „Das, was die in Bonn machen, könnte ich auch“ ist eine stehende Stammtischredewendung. Woher kommt diese Gewißheit, die niemand in Hinblick auf die Tätigkeit eines Ingenieurs, eines Bäckers oder Angehörigen eines sonstigen Ausbildungsberufes äußern würde?

  40. Zur Zeit erleben wir, wie stark der Druck auf die Führung der größten Oppositionspartei im Bund, die SPD, ist. Sie wird nicht nur aufgefordert, sie bietet sich auch selbst dazu an, mit der Regierung gemeinsam Konzepte zur Lösung der mit dem Aufbau Ostdeutschlands verbundenen Probleme auszuarbeiten. Realisiert sie dieses auch, so wird ihr sicherlich von weiten Teilen ein Korruptionsvorwurf gemacht werden. Unter parteistrategischen und wahlstrategischen Gesichtspunkten zahlt sich Oppositionspolitik im Zweifel sowieso mehr aus, obwohl in Deutschland Oppositionspolitik immer schwer zu betreiben und in der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln war. Vgl. zu letzterem Camilla Werner, Das Dilemma parlamentarischer Opposition, in: Dietrich Herzog/Hilke Rebenstorf/Bemhard Weßels (Hrsg.), Parlament und Gesellschaft. Zur Funktionsproblematik des Deutschen Bundestages, Opladen 1992 (i. E.).

  41. Vgl. E. K. Scheuch/U. Scheuch (Anm. 3), S. 122-124; Wirtschaftsvereinigung der CDU NRW (Anm. 3), S. 1-3.

  42. Vgl. Dietrich Herzog, Der moderne Berufspolitiker. Karrierebedingungen und Funktion in westlichen Demokratien, in: Eliten in der Bundesrepublik Deutschland, hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart 1990, S. 28-51.

  43. Es ist bemerkenswert, daß der Bundesverkehrsminister Bestimmungen über die Regelung des Freizeitverkehrs auf regionalen öffentlichen Gewässern gegen den Willen der Regionen festlegen kann, wie kürzlich in Berlin und Brandenburg geschehen.

  44. B. Zeuner (Anm. 15), S. 3.

  45. Zum Konzept vgl. Peter C. Diene), Die Planungszelle. Der Bürger plant seine Umwelt. Eine Alternative zur Establishment-Demokratie, Opladen 19912.

  46. Vgl. Rudolf Wassermann, Die Zuschauerdemdkratie,Düsseldorf-Wien 1986, S. 206.

Weitere Inhalte

Hilke Rebenstorf, Dipl. -Soz., geb. 1960; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Dietrich Herzog, Camilla Werner und Bernhard Weßels) Abgeordnete und Bürger. Ergebnisse einer Befragung der Mitglieder des 11. Deutschen Bundestages und der Bevölkerung, Opladen 1990.