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Analyse: Frauenrechte in Zeiten des Populismus | bpb.de

Analyse: Frauenrechte in Zeiten des Populismus

Małgorzata Druciarek

/ 16 Minuten zu lesen

Das Ziel, die klassische Familie zu stärken, hat für Polens Regierungspartei oberste Priorität. Dabei richten sich ihre politischen Entscheidungen konsequent gegen Frauen. Was sind die Folgen dieser Anti-Frauen-Politik und welche Verbindung besteht zum aufkeimenden Populismus in der westlichen Welt?

Am 17. Januar 2018 - dem "Schwarzen Mittwoch" - gingen in ganz Polen Frauen und Männer auf die Straße, um gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts zu protestieren. (© picture-alliance, NurPhoto)

Zusammenfassung

Das Ziel, die Familie zu stärken, steht auf der politischen Agenda der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS) ganz oben. Entscheidungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit und Maßnahmen in der Familien- und Rentenpolitik sowie weltanschauliche Einstellungen und rechtliche Regelungen gegenüber Frauen zeigen deutlich, dass diese vor allem als Mütter und Ehefrauen betrachtet werden. Zu den Folgen dieser Politik gehört die Deaktivierung der Frauen am Arbeitsmarkt, was gleichzeitig die Entlastung staatlicher Einrichtungen bei der Ausübung von Betreuungsaufgaben bedeutet. Als Bewusstseinswandel der Frauen deutet die Autorin die gesamtpolnischen Massenproteste der Frauen, die seit 2016 im Zusammenhang mit den Gesetzesinitiativen zur weiteren Verschärfung des Abtreibungsrechts auftraten. Erste Erfolge der Proteste könnten Frauen bestärken, sich auch künftig entschlossen für ihre Rechte einzusetzen.

"Déjà vu" – unter diesem Motto gingen am 17. Januar 2018 in ganz Polen Frauen und Männer auf die Straße, um gegen die Verschärfung des Abtreibungsrechts zu protestieren. Dieser "Schwarze Mittwoch" war ein weiterer Streik, der den 3. Oktober 2016 wiederholte, als es den polnischen Frauen als den Ersten seit dem Regierungswechsel im Herbst 2015 gelungen war, sich erfolgreich gegen die Absichten der konservativen Abgeordneten zu wehren (vgl. Externer Link: Polen-Analysen Nr. 191 vom 15. November 2016). Im Jahr 2016 waren zwei Entwürfe für ein neues Abtreibungsgesetz im Sejm eingereicht worden, "Abtreibungsstopp" (Stop Aborcji) und "Retten wir die Frauen" (Ratujmy Kobiety). Trotz Versicherungen der Regierung, dass kein von Bürgern eingebrachtes Gesetzesprojekt in erster Lesung abgelehnt werden würde, wurde nur der Entwurf für ein vollständiges Abtreibungsverbot in Polen zur Beratung an den parlamentarischen Ausschuss für Rechtsprechung und Menschenrechte weitergeleitet. Indem sie den Gesetzesentwurf des Komitees der Gesetzesinitiative "Retten wir die Frauen" ablehnte, zeigte die Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwość – PiS), dass sie bereit ist, den sogenannten Abtreibungskompromiss von 1993 (er erlaubt den Schwangerschaftsabbruch, wenn das Leben und die Gesundheit der Schwangeren gefährdet sind, im Falle einer schweren und irreversiblen Behinderung oder unheilbaren Krankheit des Fötus oder wenn die Schwangerschaft Folge einer Straftat ist, d. Red.) aufzukündigen. Als Antwort auf diese Entscheidung organisierten Frauen in ganz Polen den Ersten Gesamtpolnischen Frauenstreik. Der "Schwarze Montag" war die erste Massenmobilisierung der polnischen Frauen zur Verteidigung ihrer Rechte und ein klarer Erfolg der Zivilgesellschaft. Der Massenprotest hatte die Erwartungen sowohl der Organisatorinnen als auch der Regierungsvertreter übertroffen. Kaum zwei Tage nach dem Streik der Frauen stimmte der parlamentarische Ausschuss für Rechtsprechung und Menschenrechte für die gänzliche Ablehnung des Gesetzesprojekts. Die Polinnen waren sich jedoch dessen bewusst, dass eine gewonnene Schlacht noch keinen gewonnenen Krieg bedeutet – umso mehr, als gleich nach den Ereignissen des Oktober 2016 die damalige Ministerpräsidentin Beata Szydło Arbeiten an einem breit angelegten Programm zum Schutz des werdenden Lebens ankündigte.

Die Rückkehr des Themas Abtreibung auf die politische Agenda ließ ein Jahr auf sich warten. Am 10. Januar 2018 fand im Sejm die erste Lesung zweier weiterer Bürgergesetzesinitiativen statt – "Retten wir die Frauen" sowie "Stopp die Abtreibung" (Zatrzymaj aborcję). Die Geschichte liebt die Wiederholung – das Projekt, das den Zugang zum Schwangerschaftsabbruch liberalisieren sollte, wurde in erster Lesung abgelehnt, während der Entwurf, der das Abtreibungsrecht weiter verschärft, zur Beratung an den Ausschuss weitergeleitet wurde. Polinnen und Polen gingen abermals aufgebracht auf die Straße. Ihre Wut richtete sich nun vor allem gegen Abgeordnete der Oppositionsparteien, deren Abwesenheit im Sejm während der Abstimmung dazu geführt hatte, dass das Projekt "Retten wir die Frauen" abgelehnt wurde. Als Antwort auf die Frauenproteste reichte die Partei Die Moderne (Nowoczesna) ihren eigenen Gesetzesentwurf im Sejm ein, der die Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Polen vorsieht. Gleichzeitig kündigte sie an, den abgelehnten Entwurf als Abgeordnetenprojekt einzureichen. Alles weist darauf hin, dass die Abgeordneten an mehr als einem Gesetzesentwurf arbeiten werden. Zu welchem Abschluss wird es kommen? Wird der Status quo legaler Schwangerschaftsabbrüche noch einmal bewahrt? Oder wird die PiS, die von Beginn ihrer Regierungszeit eine konsequente Anti-Frauen-Politik betreibt, die Änderung des sogenannten Abtreibungskompromisses herbeiführen?

Die reproduktive Gesundheit oder wie und wann die Polinnen gebären sollen

Die Aktivitäten der PiS, die auf die Regulierung der Fortpflanzungsrechte der Polinnen gerichtet sind, beschränkten sich nicht auf die Frage des Zugangs zum Schwangerschaftsabbruch. Eine der ersten Entscheidungen der Regierung von Beata Szydło, die die Frauen betraf, war, das Programm zur Kostenübernahme bei künstlicher Befruchtung einzustellen, dank dessen über 5.000 Kinder zur Welt kamen. Am 30. Juni 2016 wurden zum letzten Mal die finanziellen Mittel überwiesen. Das "Programm zur Heilung von Unfruchtbarkeit mit der Methode der künstlichen Befruchtung" lief seit Juli 2013 und war bis Ende Juni 2016 vorgesehen; die damalige Regierung aus Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) und Polnischer Bauernpartei (Polskie Stronnictwo Ludowe – PSL) verlängerte es in ihren letzten Amtstagen bis Ende 2019. Dies gefiel jedoch der neuen Regierung nicht. Ihr damaliger Gesundheitsminister Konstanty Radziwiłł beschloss, die Verlängerung des Programms zurückzunehmen. Für viele Paare bedeutete das das Ende der Chancen auf ein eigenes Kind. Gleichzeitig wurde das "Programm eines umfassenden Schutzes der reproduktiven Gesundheit in Polen" aufgelegt, das die NaPro Technology bewirbt, das heißt die Methode der natürlichen Familienplanung. Für diese fehlen immer noch glaubwürdige Daten, die die Wirksamkeit der Methode zur Heilung von Unfruchtbarkeit bestätigen.

Es ist schwierig, alle Aspekte des oben genannten Regierungsprogramms zum Schutz des werdenden Lebens eindeutig darzustellen. Es lässt sich jedoch erschließen, dass die Entscheidung vom Februar 2017 dazugehört, den Verkauf von Hormonpräparaten zur Schwangerschaftsverhütung ausschließlich auf Rezept zuzulassen, ähnlich wie die Entscheidung, den Verkauf der sogenannten Pille danach ohne Rezept einzustellen. Diese konnte seit dem Jahr 2015 jeder ab dem 15. Lebensjahr ohne vorherigen Besuch beim Arzt kaufen. Seit dem 23. Juli 2017 ist die "Pille danach" in Polen verschreibungspflichtig, im Unterschied zu den anderen Ländern der Europäischen Union, wo die "Notfall-Verhütung" zum Standard gehört, mit Ausnahme von Ungarn und eben Polen.

Zur reproduktiven Gesundheit gehören mit Sicherheit auch die Standards der Geburtsbetreuung, deren Verbindlichkeit laut Ankündigungen der Regierung zum Ende des Jahres 2018 aufgehoben werden sollen. Das Ziel dieser Standards, die im Laufe von fast drei Jahren geschaffen wurden, ist, die Gebärenden abzusichern, indem ihre Rechte als Patientinnen gewahrt und ihre Bedürfnisse erfüllt werden. Zurzeit werden vom Gesundheitsressort neue Betreuungsstandards ausgearbeitet, die ab 2019 gelten sollen. Es gibt noch keine verlässlichen Informationen darüber, welche Änderungen das Gesundheitsministerium hier plant. In der Medienberichterstattung wird die größere Kontrolle über die Schwangere betont. Außerdem weisen Expertinnen und Experten darauf hin, dass sich die neuen Standards allein auf die Organisation der gesundheitlichen Betreuung beziehen sollen. Die konkreten medizinischen Anwendungen bleiben in der Kompetenz der jeweiligen ärztlichen Einrichtungen und ihrer Ärzte.

"Family mainstreaming" – die Re-Familiarisierung der Betreuung

Gender mainstreaming, das heißt die "Strategie, die Geschlechterperspektive in die Hauptströmung der Politik und Beschlussfassung zu integrieren, die Bedürfnisse und Möglichkeiten beider Geschlechter in allen unternommenen Aktivitäten, Projekten und Politiken zu berücksichtigen", wird von der Europäischen Kommission schon seit 1996 als verpflichtend für die Politik und die Tätigkeiten der Europäischen Union anerkannt. In Polen erfuhr diese Strategie jedoch keine eigentliche Implementierung; vielmehr wird gender von der Mehrheit der Politiker und der Entscheidungsträger als eine schädliche Ideologie betrachtet. Die PiS-Regierung führt dafür konsequent das Prinzip des familiy mainstreaming in viele ihrer politischen Entscheidungen ein. Dieser Begriff wurde im Jahr 2016 von Wojciech Kaczmarczyk, dem damaligen Regierungsbeauftragten für Gleichberechtigung und Zivilgesellschaft, in die öffentliche Debatte eingeführt. Während seines Auftritts in der Generaldebatte der 60. Sitzung der Kommission für den Status der Frauen unterstrich Minister Kaczmarczyk unter dem Motto "Familie in Mode" die Notwendigkeit, für Familienwerte zu werben. Das Ziel, die Familie zu stärken, hat nach Aussagen von Vertreterinnen und Vertretern der PiS-Regierung Priorität. Familie wird hier sehr konkret als ein Ehepaar mit Kindern verstanden. Alle anderen Familienformen – nicht formalisierte Beziehungen, sogenannte unvollständige Familien, oder nicht heteronormative Beziehungen, werden praktisch nicht oder nur zu einem sehr geringen Grad von der Familienpolitik der Regierung berücksichtigt. Gleichzeitig werden Frauen im Rahmen dieser Politik vor allem als Mütter und Ehefrauen betrachtet, die die staatlichen Einrichtungen bei der Ausübung von Betreuungsaufgaben ersetzen.

Die Reform des Rentensystems ist eine hervorragende Illustration dieser Strategie. Frauen in Polen bekommen eine deutlich niedrigere Rente als Männer und sind von Altersarmut und gesellschaftlichem Ausschluss bedroht. Die Herabsetzung des Renteneintrittsalters durch die PiS verschärft dieses Problem noch. Nach der Einführung der Reform beträgt die Rente teilweise nicht einmal 20 Prozent des letzten Verdienstes und ein bedeutender Anteil der Rentner erwirbt nicht einmal das Recht auf die Mindestrente. Frauen betrifft dieses Problem am stärksten. Zurzeit beträgt die Rentenlücke 700 Zloty (zirka 170 Euro, d. Red.); sie wird sich in Zukunft vergrößern. Nach Expertenmeinung liegt die Hauptursache dieser Situation darin, dass jegliche institutionalisierte Unterstützung bei der Betreuung älterer Menschen fehlt, sowie in der Tatsache, dass die Frauen in Polen alle betreuerischen Aufgaben übernehmen. Hier bestehe eine enge Verknüpfung zwischen der Familien- und der Rentenpolitik, wobei erstere den Menschen die Rolle aufdrängt, die sie in der Gesellschaft erfüllen sollen. Die PiS-Regierung betrachtet Frauen als Betreuungskapital und die Senkung des Renteneintrittsalters als Maßnahme, dieses Kapital zu aktivieren. In der früher angetretenen Rente betreuen Frauen ihre Enkelkinder, die keinen Platz in der Kinderkrippe bekommen haben, und ältere Menschen, für die Polen überhaupt keine Betreuungsinstitutionen bereithält außer den Einrichtungen der Sozialhilfe. Hinzu kommen "Betreuungspausen", deretwegen Frauen zeitweilig am Arbeitsmarkt ausfallen, und die Gehaltslücke, die sich negativ auf die Höhe der Rentenzahlungen auswirkt.

Wenn bereits auf die Bedeutung der Familienpolitik für die Situation der Frauen hingewiesen wurde, muss auch das Standardprogramm der PiS betrachtet werden, also das Familienförderprogramm "500 plus". Zweifellos bewirkt es einen Anstieg der Lebensqualität armer Familien, insbesondere kinderreicher. Allerdings wurde es nicht mit Blick auf die Frauen konzipiert. Von Beginn des Programms an weisen Fachleute auf sein deaktivierendes Potential hin. Neueste Berechnungen ergeben, dass sich in der zweiten Hälfte 2016 40.000 bis 55.000 Frauen aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen haben. Außerdem hat die Konstruktion des Programms zur Folge, dass viele alleinerziehende Mütter mit nur einem Kind aus dem Empfängerkreis ausgeschlossen werden; häufig sind es dieselben, die auch kein Recht auf Nutzung des Alimentefonds haben. Den Geist, der das Programm "500 plus" durchzieht, fasste die Pressesprecherin der PiS, Beata Mazurek, so zusammen: Von einem Journalisten gefragt, was eine alleinerziehende Mutter mit einem Kind machen solle, da sie kein Geld aus dem Programm erhalte, antwortete sie: "Ich werde sie dazu ermuntern, ihre familiäre Situation zu stabilisieren, mehr Kinder zu haben, um so den Unterhalt zu ergattern."

Die konsequente Politik gegen die Frauen

Eine Reihe weiterer Entscheidungen bzw. Unterlassungen verdeutlicht die Beziehung der Regierungspartei zum Schutz der Rechte, Gesundheit und Sicherheit der Frauen. Es sind Entscheidungen, die man durchaus als konsequente Politik gegen die Frauen bezeichnen kann. Die Bekämpfung der familiären Gewalt veranschaulicht dies hervorragend. Trotz der Ratifizierung des "Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt", sind die Maßnahmen seit dem Regierungswechsel nicht eingeführt worden. Zwar erklärte der Regierungsbevollmächtigte für Bürgergesellschaft und Gleichberechtigung, dass die Regierung nicht beabsichtige, eine Aufkündigung des Übereinkommens in die Wege zu leiten, tatsächlich aber unternimmt sie auch nichts, um die Maßnahmen zu implementieren. Außerdem wurden vielen Organisationen, die seit Jahren Gewaltopfern direkte Hilfe leisteten, die staatlichen finanziellen Mittel gestrichen. Diese Passivität der Regierung gegenüber dem Übereinkommen erklärte Präsident Andrzej Duda damit, dass die Vorgängerregierung zu Unrecht die Ratifikation betrieben habe und Polen keine zusätzlichen Rechtsmittel brauche, um Gewalt in der Familie wirksam zu bekämpfen. "Ich habe damals darauf hingewiesen, dass bei uns die Regelung bezüglich Gewalt sehr gut ist, funktioniert, angewendet wird, dass die Annahme weiterer Regelungen in diesem Bereich unnötig ist, weil es in Polen klappt. Daher müssen wir uns nicht zusätzlich zu etwas verpflichten." Unabhängig davon, ob Polen als Land das Übereinkommen kündigen wird oder nicht, hat Duda mit Blick auf dessen Verordnungen für alle Polen einen "guten" Rat: "Ich sage: vor allem nicht anwenden." Trotz der Versicherungen des Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki, dass der Kampf gegen Gewalt absolute Priorität habe, scheint die Implementierung der Maßnahmen des Übereinkommens außerhalb seiner politischen Agenda zu bleiben. Er kündigt die Verschärfung des unteren Strafmaßes für Vergewaltigung und brutale Gewaltakte an, wobei er gleichzeitig unterstreicht, dass "dort keine Gewalt auftritt, wo die Sorge um familiäre Bande, um ein normales Zuhause auftritt, wo Liebe herrscht." Seiner Ansicht nach "tritt Gewalt häufiger in informellen Verbindungen auf und nicht in denen, die rechtlich bestätigt sind." Mit anderen Worten, Ministerpräsident Morawiecki glaubt den statistischen Daten nicht, die zeigen, dass die Gewaltopfer innerhalb der Ehe überwiegen. Er glaubt, dass das traditionelle Familienmodell die beste Art und Weise darstellt, häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen in Polen zu verhüten.

Frauenrechte in Zeiten des Populismus

Die ungleiche Behandlung der Geschlechter ist ein verbreitetes Phänomen auf der ganzen Welt. Sogar die Länder, die sich mit dem höchsten Indikator für Gleichberechtigung schmücken können, stehen immer noch vor vielen Herausforderungen und haben noch einen langen Weg bis zur tatsächlichen Chancengleichheit für Frauen und Männer vor sich. In den letzten Jahren trat allerdings in vielen Ländern ein außerordentlich beunruhigender Trend auf, und zwar eine Anti-Frauen-Politik, die den Frauen häufig ihre Rechte nimmt und sie neuen Gefährdungen aussetzt. Aus dem neuesten Bericht der internationalen humanitären Organisation Oxfam geht deutlich hervor, dass für Frauen neue Zeiten angebrochen sind. Bestätigt wird diese Tatsache dadurch, dass innerhalb der letzten fünf Jahre die Direktzahlungen von Spendern für Frauenrechtsorganisationen um mehr als die Hälfte zurückgingen. In den USA war die Kürzung der öffentlichen finanziellen Mittel für Organisationen, die sich für die bewusste Familienplanung einsetzen, eine der ersten politischen Entscheidungen des Präsidenten Donald Trump. Sie betraf alle internationalen Nichtregierungsorganisationen, die im Rahmen ihrer Tätigkeiten für die reproduktive Gesundheit sowie die Familienplanung auch Hilfe beim Zugang zu Abtreibung anbieten. Die Vereinigten Staaten gaben jährlich zirka 600 Millionen Dollar für die internationale Unterstützung von Programmen zur Familienplanung und für reproduktive Gesundheit aus. Bezogen auf den Zugang zu Verhütungsmitteln nutzten durchschnittlich 27 Millionen Frauen weltweit die Hilfe dieser Organisationen. "Dies ist ein kritischer Moment für die Frauenrechte auf der Welt, denn der Fortschritt, für den wir seit Jahrzehnten so schwer gekämpft haben, ist bedroht", betont die Vertreterin der Organisation, Nikki van der Gaag. Die konsequente Politik gegen Frauen ist also nicht nur ein polnisches Phänomen. Was verursachte es aber, dass die Frauenrechte, die ohnehin nie zu den prioritären politischen Agenden der Länder gehörten, nun vor neuen Gefahren stehen?

In den letzten Jahren ließ sich in vielen westlichen Ländern ein Anstieg der populistischen Kräfte beobachten. In Europa ist die gesellschaftliche Unterstützung für solche Gruppierungen sowohl auf der nationalen als auch auf der europäischen Ebene mehr als doppelt so groß wie in den 1960er Jahren. Sogar in den Ländern, in denen populistische Gruppierungen keine bedeutende Rolle im Parlament spielen, sind ihre Narrative deutlich vernehmbar und wirken mit enormer Kraft auf die öffentliche Meinung, wie das Beispiel des Brexit zeigt. Welche Verbindung besteht hier zu den Frauenrechten? Die Anfälligkeit der europäischen Gesellschaften für populistischen Nationalismus ist keine schlichte Konsequenz aus der Wirtschafts- und Finanzkrise des Jahres 2008, sondern hat ausdifferenzierte gesellschaftlich-kulturelle Ursachen. Nach der These von Pippa Norris ist der gegenwärtige autoritäre Populismus eine spezifische kulturelle Konterrevolution, ein Versuch, die Entwicklungsrichtung der westlichen Gesellschaften auf der Ebene der Werte umzukehren. In diesem Paradigma ist der Populismus eine Reaktion auf Veränderungen wie die Emanzipation der Frauen, ethnischer, religiöser und auch sexueller Minderheiten. Der Wahlsieg der PiS in den Parlamentswahlen 2015 und der Anfang des sogenannten guten Wandels lassen sich unter unterschiedlichen Aspekten analysieren, wie der sozialen Ungleichheit oder der Wahlversprechen, beispielsweise in Form des Programms "500 plus". Mit Sicherheit aber spielte die Renaissance starker religiös-konservativer Tendenzen in der Gesellschaft eine Schlüsselrolle. Die Werte sind eine der Hauptachsen der Spaltung der polnischen Gesellschaft. Die Spaltung wird durch die aktive Einmischung der katholischen Kirche in das politische Leben Polens aufrechterhalten. Ihre herausragende Position im öffentlichen Leben bildete sich in den 1980er Jahre aus, als in Polen die Systemtransformation voranschritt. Die Tatsache, dass die katholische Kirche damals die einzige Institution war, die von den kommunistischen Machthabern als reale politische Kraft behandelt wurde, ließ die Politiker sie als ständigen Bestandteil der politischen Bühne betrachten. Nach der Machtübernahme durch die PiS im Herbst 2015 wurde klar, dass der Einfluss der Amtskirche auf politische Entscheidungen stärker und sichtbarer werden würde und weltanschauliche Themen auf die politische Agenda zurückkehren würden. Und dazu kam es auch.

Die hier dargestellten politischen Entscheidungen zeigen deutlich, dass die Politik der aktuellen Regierung konsequent gegen Frauen gerichtet ist. Allerdings muss unterstrichen werden, dass auch keine der Vorgängerregierungen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu den Prioritäten ihrer politischen Agenda zählte. Die Frauen in Polen werden weder im öffentlichen Leben noch im privaten Bereich gleich behandelt. Sie werden häufig auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert, sie haben keinen gleichen Zugang zum Gesundheitssystem oder zu politischen Positionen. Hinzu kommt eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in Europa. Es musste eine reale Gefahr für ihre Gesundheit und ihr Leben in Gestalt des Gesetzesentwurfs "Stopp die Abtreibung" auftreten, damit sie endlich auf die Straße gingen. Sie mussten auf die Zeiten warten, dass ihnen die Regierung aktiv ihre Rechte nimmt, um zu verstehen, dass Frauenrechte Menschenrechte sind, um die man kämpfen muss.

Der Erste Gesamtpolnische Frauenstreik war mit Sicherheit ein Ereignis in der Geschichte der polnischen Frauenbewegung, das als einer der größten Erfolge im Kampf um die Frauenrechte im Jahr 2016 wahrgenommen und bewertet wird. Seit 1989 gingen die Polinnen erstmals so zahlreich auf die Straße, was zweifellos eine Wende bedeutet, was das Ausmaß der Mobilisierung und des gemeinsamen Handelns betrifft. Immer zahlreichere Frauenproteste auf der ganzen Welt weisen auf positive Veränderungen im Bewusstsein der Frauen und der Frauenbewegung hin. In Polen scheint eine wesentliche Frage zu sein, ob der Sturm um das Abtreibungsrecht ausreicht, damit die Frauen ihren solidarischen Kampf um ihre Rechte aufrechterhalten. Mit Sicherheit ist es aktuell eine der größten Herausforderungen der feministischen Bewegung, Frauen über die Folgen konkreter politscher Regierungsentscheidungen für ihr Leben zu informieren und aufzuklären. Es scheint, als könne der kulturelle backlash vor allem mit Hilfe der Kraft derjenigen gesellschaftlichen Gruppen aufgehalten und bekämpft werden, denen die populistische Politik am meisten schadet.

Übersetzung aus dem Polnischen: Silke Plate

Małgorzata Druciarek, Soziologin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Leiterin des "Observatoriums für Geschlechtergleichheit" am Institut für Öffentliche Angelegenheiten, Warschau (Obserwatorium Równości Płci, Instytut Spraw Publicznych, Warszawa). Ihre Forschungsgebiete sind die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und Familienpolitik.