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"Die Linke" positioniert sich als Oppositionspartei | bpb.de

"Die Linke" positioniert sich als Oppositionspartei Der Programmparteitag in Erfurt vom 21.–23. Oktober 2011

Heinrich Bortfeldt

/ 19 Minuten zu lesen

"Die Linke" verabschiedete in Erfurt ihr erstes Programm. Es ist linker und radikaler als die letzte PDS-Programmatik, trägt die deutliche Handschrift Lafontaines und stellt einen Kompromiss zwischen dem radikalen linken und dem Reformflügel dar. "Die Linke" will den Systemwechsel, favorisiert Verstaatlichungen von Schlüsselbereichen und strebt den demokratischen Sozialismus an.

Zum Erfolg verdammt

Gesine Lötzsch bei ihrer Eröffnungsansprache auf dem Erfurter Parteitag. (© picture-alliance, Foto: Martin Schutt/dpa)

Um es gleich vorweg zu sagen: Das Wichtigste am Erfurter Parteitag war die Tatsache, dass "Die Linke" überhaupt ein Programm beschlossen hat, dass sie einen Kompromiss gefunden hat zwischen den unterschiedlichen Strömungen nach 18 Monaten Diskussion und bei nahezu 1.400 Änderungsanträgen. Harmonie war angesagt. Nach einem desaströsen "Superwahljahr 2011" mit verlorenen Landtagswahlen, einer Halbierung der Umfragewerte im Vergleich zur letzten Bundestagswahl, einer schwelenden Führungskrise, einer Zeit voller Selbstbeschäftigung mit einem abstrusen und weltfremden Nachdenken über "Wege zum Kommunismus", mit einem Verharren "bundesweit auf abschüssiger Bahn" musste dieser Programmparteitag einfach zum Erfolg werden. So gesehen stand er unter einem guten Stern; er war zum Erfolg verdammt. Das wussten alle Beteiligten, so hielten auch alle Kompromisse und Absprachen zwischen den sonst so zerstrittenen Flügeln.

Vorgeschichte

Das Erfurter Programm von 2011 steht in einer gewissen Kontinuität. So neu und so anders war das nicht, was da beschlossen wurde.

Im Februar 1990 gab sich die damalige PDS ihr erstes Programm. Das war ein tatsächlicher Paradigmenwechsel im Vergleich zur SED. Der Staatssozialismus war gescheitert und die PDS musste sich neu orientieren. Zum Gründungskonsens gehörte der Bruch mit dem "Stalinismus als System", die PDS wollte weder Avantgarde-, noch Weltanschauungs-, noch Klassenpartei mehr sein, wollte sich dem sozialdemokratischen Erbe öffnen und ihren neuen Platz als Oppositionspartei in einem pluralistischen System finden. Statt Planwirtschaft trat die PDS jetzt für "Marktwirtschaft mit ausgeprägter sozialer und ökologischer Zielstellung" ein. Gesellschaftliches Eigentum sollte einen "gewichtigen Platz" einnehmen.

Es war erstaunlich, wie schnell sich die ehemaligen SED-Mitglieder vom alten System verabschiedet hatten. Das war nur der damaligen Ausnahmesituation geschuldet. Die SED hatte auf allen Ebenen abgewirtschaftet. Eine kleine Gruppe intellektueller Modernisierer hatte der neuen programmatischen Orientierung den Stempel aufgedrückt. Natürlich war die Partei noch nicht im Westen angekommen, zumal sie auch noch von der längeren Existenz der DDR ausging, was entsprechende Passagen schnell veralten ließ. Aber auch im Nachhinein erstaunt, mit welcher Konsequenz man mit der DDR-Vergangenheit und der SED-Diktatur abrechnete. Die Partei war im Prozess der Selbstfindung.

Das zweite Programm wurde schon wenig später, im Januar 1993, beschlossen. Es war eine neue Situation entstanden: Die deutsche Wiedervereinigung – die die PDS nie gewollt hatte – war vollzogen und die Partei musste sich diesen neuen Realitäten stellen. Sie musste nun endgültig Abschied nehmen von der DDR und ihren Platz im bundesdeutschen Parlamentarismus einnehmen. Nach der Einheitseuphorie lagen nunmehr erste Erfahrungen eines schmerzlichen Transformationsprozesses vor. Das führte dazu, dass der Staatssozialismus in der DDR eher versöhnend und auch verklärend abgebildet wurde, währenddessen das alte Kapitalismusbild viel Bestätigung erfuhr. In dieser Zeit des Abschieds und Neubeginns formierten sich zwei große Lager: Auf der einen Seite standen reformorientierte Intellektuelle, Modernisierer, die die Partei öffnen, sie im parlamentarischen System der Bundesrepublik etablieren wollten, um so in die Gesellschaft hineinwirken zu können. Auf der anderen Seite standen Traditionalisten, vor allem um die "Kommunistische Plattform", die von ihrem alten Sozialismus- und Kapitalismusbild nicht abrücken wollten und jegliche Akzeptanz der Realitäten als Anbiederung an die SPD und an die westliche Gesellschaft verunglimpften.

Diese Blockbildung spiegelte sich im Programm, wonach in der PDS Platz war für Menschen, die der "kapitalistischen Gesellschaft Widerstand entgegensetzten und die gegebenen Verhältnisse fundamental ablehn(t)en", als auch für solche, die die Dinge "positiv verändern und schrittweise überwinden wollen". Dieses "Sowohl-als-auch", diese Lagerbildung, diese zwei Parteien in einer, zieht sich wie ein roter Faden durch die PDS bzw. "Die Linke". Erinnert sei an die Parteitage in Münster im Jahre 2000 und Gera 2002, als sich die Parteiflügel erbarmungslos bekämpft hatten.

Das nächste und auch letzte Programm der PDS wurde 2003 in Chemnitz beschlossen. Nunmehr hatte sich die Lage gründlich verändert. Die PDS stand mittlerweile in Regierungsverantwortung (Mecklenburg-Vorpommern) und Tolerierung (Sachsen-Anhalt), war also keine reine Oppositionspartei mehr. Im Vorfeld dieses Programms hatte man jahrelange Debatten darüber geführt, ob man sich an Regierungen beteiligen solle oder reine Oppositionspartei sein wolle – ein zentraler Streitpunkt, der bis in die Gegenwart wirkt. Mit Übernahme von Regierungsverantwortung wollte die PDS unter Beweis stellen, dass sie keine reine Protestpartei und im parlamentarischen System der Bundesrepublik angekommen sei und in die Gesellschaft hineinwirken wolle. Außerdem wollte sie sich gesamtdeutsch öffnen und den Geruch einer nostalgischen Ostpartei loswerden.

Diese Öffnung wurde von den Gegnern, vor allem in der "Kommunistischen Plattform" als "Anbiederung" verunglimpft, mit der man sich "hoffähig" machen wolle gegenüber der SPD und den Grünen. Beide Lager bekämpften sich; zentrale Streitpunkte waren Sozialismus, Eigentum, Unternehmertum, UNO-Einsätze, DDR-Geschichte. Gewinnstreben wurde zwar gutgeheißen, aber nur unter der Voraussetzung gesellschaftlicher Kontrolle. Der UNO wurde zugestanden, notfalls auch militärische Mittel zur Sicherung des Weltfriedens einzusetzen, gleichzeitig wurden Bundeswehreinsätze im Ausland, auch unter UN-Mandat, abgelehnt. Die NATO sollte aufgelöst werden.

So spiegelte auch dieses Programm den Widerstreit der beiden großen Lager in der Partei. Schon damals spielte Sahra Wagenknecht als Sprecherin der "Kommunistischen Plattform" eine zentrale Rolle. Sie stimmte dem Programm nicht zu; sie enthielt sich.

Der damalige Parteivorsitzende Lothar Bisky auf dem Chemnitzer Programmparteitag der PDS, 25. Oktober 2003. (© picture-alliance, Foto: Jens Büttner/ZB)

Insgesamt war das Chemnitzer Programm bei allen Kompromissen (bei 500 Änderungsanträgen) weitergehender und realistischer als das Programm von 1993. Im Großen und Ganzen hatten sich diesmal eher die Reformer durchsetzen können. Das Programm öffnete sich gegenüber den demokratischen Grundwerten, marktwirtschaftlichen Grundsätzen und begrüßte Regierungsbeteiligungen. Die Partei wollte, so der zentrale Ansatz, in die Gesellschaft hineingehen, sich einbringen und verändern. Sie wollte nicht nur Fundamentalopposition sein. Damit war sie partiell in der bundesrepublikanischen Realität angekommen.

Die beiden Lager gab es also viel früher, nicht erst seit der Fusion mit der (westdeutschen) Wahlalternative "Soziale Gerechtigkeit" (WASG). Die Auseinandersetzung ist im Grunde genommen kein bzw. nicht nur ein Ost-West-Konflikt; mit der Gründung der "Linken" hat sie sich tendenziell verstärkt und die Linken in der "Linken" stellen mittlerweile die Mehrheitsmeinung. Die zentralen Knackpunkte zwischen Reformern/Modernisierern und Traditionalisten/Orthodoxen kreisen immer wieder um dieselben Begriffe. Daran hat sich bis in die Gegenwart wenig geändert. Die Partei und deren Programmatik ist geprägt von steten Richtungskämpfen, vom permanenten Kampf um die Deutungshoheit.

Mit der Fusion von PDS und WASG 2007 verständigte sich die Linkspartei auf programmatische Eckpunkte. Die brisanten Themen wurden ausgeklammert. Die nunmehr gesamtdeutsche Partei wurde westdeutscher, linker, gewerkschaftsorientierter. Die "alte", überwiegend ostdeutsch geprägte PDS verlor zusehends an Einfluss. Vor allem durch die Dominanz Oskar Lafontaines versuchte "Die Linke", sich als Protestpartei mit Losungen wie "Hartz IV muss weg", "keine Rente mit 67" oder "Bundeswehr raus aus Afghanistan" polarisierend zu profilieren, im Grunde genommen als Partei der alten sozialen Bewegungen. Dies bedeutete zugleich eine thematische Verengung auf diese Kernthemen. "Die Linke" konnte weder nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima noch in der Finanzkrise punkten. Ihr wird schlichtweg auf diesen Feldern kaum Kompetenz zugeschrieben. Ähnliches gilt für moderne Themen und Zukunftsdebatten in einer digitalen und globalisierten Welt. Allein "Kümmererpartei" zu sein, reicht nicht mehr aus. Die stellvertretende Parteivorsitzende Halina Wawzyniak warnte davor, "Die Linke" auf das Thema "Soziale Gerechtigkeit" zu beschränken, auf eine Partei, die nur ein Thema hätte. Hinzu kommt, dass Lafontaine "Die Linke" in eine Richtung gedrängt hat, wonach sie sich ständig von der SPD und den Grünen abgrenzen müsse. In Lafontaines Sicht erscheint die SPD seit Gerhard Schröder als Verräterin an den ehernen Zielen der alten Sozialdemokratie – und er selbst als deren Gralshüter. Mit dieser Phobie, mit diesem Feindbild, hat Lafontaine "Die Linke" weiter ins politische Abseits manövriert.

Vom Programmentwurf zum Leitantrag

Nunmehr, vier Jahre nach der Fusion, gab sich "Die Linke" in Erfurt ein Programm. Dem war eine, zu Beginn zögerliche, dann aber zunehmend intensivere parteiinterne Debatte vorausgegangen. Die damaligen Parteivorsitzenden Lothar Bisky und Oskar Lafontaine hatten im März 2010 den Entwurf eines Parteiprogramms vorgestellt, das deutlich die Handschrift Lafontaines trug – und prompt von den Reformern in Teilen scharf kritisiert wurde.

In einem Grundsatzartikel befand der Berliner Linke-Chef, Klaus Lederer, eines der prominenten Mitglieder des Reformflügels, dass die Partei "programmatisch festgefahren" sei. Er argumentierte gegen die Linken in der "Linken", deren Grundannahme darin bestünde, dass "die meisten Menschen ... aus sozialen Ungerechtigkeiten ... schlussfolgern, dass der Kapitalismus schleunigst zu überwinden sei". Lederer hält diese These für "grundfalsch". Der Kapitalismus, so meint er, habe sich "meist als klüger erwiesen". Er kritisiert die "Fixierung auf eine vage 'Vergesellschaftung'" und das pauschale und undifferenzierte Stellen der Eigentumsfrage. Wer so denke, sei "Träumer einer überlebten Arbeitsgesellschaft". In dem vorliegenden Entwurf sei der "genaue Blick auf den Lebensalltag von Millionen Menschen abhanden gekommen". Lederers Verdikt schließt mit den Worten: "Ein Gesellschaftsverständnis, dass die bürgerliche Gesellschaft ignoriert, die Widersprüche ihrer kapitalistischen Verfasstheit tilgt, ja geradezu kapitalistisch-romantische Züge trägt, wo es mit der Auflösung der Eigentumsfrage kaum über den parteibürokratischen Staatskapitalismus hinausgeht, ist nicht der Stoff, aus dem eine demokratisch-sozialistische Utopie gemacht ist, ist keine Idee des guten Lebens."

Aus einer breiten Diskussion in den Basisgruppen, in der parteinahen Zeitung "Neues Deutschland", in begleitenden Veranstaltungen der Rosa-Luxemburg-Stiftung, im Mitgliederblatt "Disput", auf Regionalkonferenzen in Rostock, Erlangen, Kassel und Mainz, auf dem Programmkonvent im November 2010 in Hannover mit 800 Teilnehmern, in zahlreichen Zuschriften an die Redaktionskommission, die fein ausbalanciert war mit Gesine Lötzsch, Klaus Ernst, Katja Kipping, Matthias Höhn, Sahra Wagenknecht und Ralf Krämer, kristallisierte sich der Leitantrag des Parteivorstandes an den Erfurter Parteitag, beschlossen am 3. Juli 2011.

Im Leitantrag wurde im Vergleich zum Entwurf eine Passage zum Existenzrecht Israels und eines eigenständigen palästinensischen Staates aufgenommen – nach schwierigen innerparteilichen Debatten und Antisemitismusvorwürfen. Aussagen zum Antifaschismus wurden verstärkt, Aussagen zur Krise des sozialen Zusammenhalts ausgebaut, Aussagen zum Inhalt des Begriffs Demokratischer Sozialismus erweitert, Aussagen zur Eigentumsfrage und zur Wirtschaftsdemokratie präzisiert, die Forderung nach mehr direkter Demokratie verstärkt; wesentlich erweitert und neu formuliert wurde der Abschnitt zur Europäischen Union, verstärkt wurden die Aussagen zur Linken als konsequente Friedenspartei, neu ist ein Abschnitt zur Demokratie in der neuen, digitalen Gesellschaft, neu auch ein Absatz zur Drogenpolitik, neu auch der Passus: "Die Linke versteht sich als lernende Partei."

Heftige Diskussionen gab es um Forderungen nach sogenannten Haltelinien bei Regierungsbeteiligungen, um den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, um den Stellenabbau im öffentlichen Dienst, zum Verständnis von (Erwerbs-)Arbeit unter den heutigen Bedingungen, zur Eigentumsfrage, zum (bedingungslosen) Grundeinkommen.

Insgesamt gab es viele Postulate und Parolen, ohne konkreten Inhalt und zu wenig zukunftsoffen. Zu Europa beispielsweise gibt es wenige konkrete Antworten, man wolle einen "Neustart Europas". Statt die Potenziale des Kapitalismus zu erkennen, erfolgte eher eine pauschale Diffamierung. "Die Linke" erlag der Verführung der gegenwärtigen Krise. Der Gewerkschaftsteil reflektierte eher die Erwerbsarbeit der 1970er-Jahre, der Klassenbegriff ist überholt, die Mittelschicht findet kaum Berücksichtigung, die neue digitale Welt ist unterbelichtet. "Die Linke" will die Systemfrage stellen. Da das auch in mittelbarer Zukunft kein realistisches Thema sein wird, braucht sie sich nicht für das Hier und Jetzt, geschweige denn für die müßige Arbeit in den Parlamenten zu interessieren. Allein die lichte Zukunft zählt.

Es wird eher die schlechte Welt beschrieben, statt zukunftsorientierte Angebote zu machen. Hier und da blickt das alte Avantgardeverständnis durch: belehrender Ton. Wir sind die Einzigen. Wir erklären euch die Welt. Es wird nicht klar, welche Menschen mit dem Programm erreicht werden sollen, wen man für eine gemeinsame Politik gewinnen will. Hauptsache: Dagegen sein, antikapitalistisch sein. Je linker sich die SPD in Opposition gibt, desto radikal-linker müsse sich "Die Linke" geben. Der vom Parteivorstand beschlossene Leitantrag für den Erfurter Parteitag strahlte intellektuell kaum aus, er spricht junge Menschen mit einem anderen Lebensgefühl wenig an, die Mobilisierungsfähigkeit ist geringer geworden.

Insgesamt stellte der Leitantrag einen Kompromiss, einen Burgfrieden zwischen den Strömungen/Flügeln dar. In der Programmdebatte verteidigten die Linken in Gestalt der "Kommunistischen Plattform", der "Antikapitalistischen Linke", des "Geraer Dialogs" und der Gewerkschaftsströmung "Sozialistische Linke" mit dem Fähnlein der Prinzipienfestigkeit den (Lafontaineschen) Programmentwurf. Der Reformflügel, aus der (ostdeutschen) PDS kommend, um das "Forum Demokratischer Sozialismus" kritisierte den Entwurf an entscheidenden Stellen. Herausgekommen war dieser verbal abgerüstete Leitantrag, bei dem deutlich wurde, wie mittlerweile die Mehrheitsverhältnisse in der Partei aussehen: Es gibt eine Dominanz der Linken in der "Linken", die den Leitantrag verteidigten, in manchen Positionen sogar noch verschärfen wollten.

Der Parteitag

Das Eingangsreferat hielt Gesine Lötzsch, Ko-Vorsitzende der "Linken". Im Zentrum ihrer Rede stand der Begriff "Empörung", in Anlehnung an Stéphane Hessels Forderung "Empört euch!". Lötzsch empörte sich insgesamt 24-mal, auf der ersten Seite ihres Redemanuskripts allein siebenmal. In der Tonlage zu hoch und zu schrill sollte wohl der Eindruck des Kämpferischen entstehen. Rhetorisch und intellektuell stellte ihre Rede in der Tat keine große Herausforderung dar. Alles wirkte irgendwie gepresst und unsouverän.

Lötzsch stellte "Die Linke" in die Tradition der Empörten: Schon Martin Luther hätte sich empört, Thomas Müntzer auch, die Franzosen in ihrer Revolution von 1789, die russischen Matrosen von 1917, Karl Liebknecht, Mahatma Gandhi, Martin Luther King, die Grünen, die "Occupy!"-Bewegung – und natürlich "Die Linke". Man könnte sich über diese angemaßte Traditionslinie empören, aber unter dem macht Lötzsch es offenbar nicht. Einen hatte sie bei ihrer Aufzählung ganz vergessen: Fidel Castro.

Angesichts der turbulenten Euro-Rettungsgipfel behauptete Lötzsch allen Ernstes: "wir haben uns heute zusammengefunden, um Geschichte zu schreiben ... Unser Erfurter Programm wird dieses Land verändern, da bin ich ganz sicher." Von dieser vermeintlichen historischen Stunde hatte man nicht mal rings um die Messehalle, in der der Parteitag stattfand, etwas bemerkt. Nicht einmal die "Junge Union" protestierte, keine Opferverbände, keine Trotzkisten, keine Flugblattverteiler, wie sonst üblich, nichts. Diese "Linke", wie sie sich gegenwärtig präsentiert, ist nicht einmal in der Finanzkrise ein Aufreger.

Wenn es nach Lötzsch ginge, so würde "Die Linke" nicht nur Deutschland, sondern Europa, ja die ganze Welt retten. Man müsste sie halt nur lassen. Denn: Die Bundesregierung habe "nichts unternommen, um Griechenland zu helfen, ... sie sei ausschließlich solidarisch mit den deutschen und französischen Banken." Es gehe gar nicht um die Rettung des Euro, sondern die Banken mit "ihren willfährigen Politikern" wollten an Griechenland ein Exempel statuieren, um "Angst und Schrecken in ganz Europa" zu verbreiten. Die europäischen Regierungschefs seien "handlungsunfähig". Aber in der Krise 2008 wurden "auf Druck der Linken die größten Konjunkturprogramme in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen." Insgesamt schrecke "unser politischer Gegner ... vor nichts zurück."

"Die Linke" stehe zusammen mit "Millionen Menschen auf der ganzen Welt". Nur "Die Linke" könne eine gerechte und solidarische Gesellschaft schaffen. Und so forderte Lötzsch einen europäischen Volksentscheid über eine Finanztransaktionssteuer, eine solidarische Mindestrente, die Abschaffung des Niedriglohnsektors, eine solidarische Rentenversicherung, die Verstaatlichung von Großbanken und von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge. So nachdenkenswert und wichtig manche dieser Forderungen auch sind, die Analyse der gegenwärtigen Finanzkrise war erschreckend simpel.

Angesichts des desolaten Zustands und des Sinkfluges der Partei hatte die Parteivorsitzende nur an zwei Stellen kurze Einsprengsel hierzu: Natürlich müssten "wir uns fragen, warum Empörung über Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne und Rentenkürzungen nicht in Wählerstimmen für die Linke umschlägt? Vielleicht, weil viele Menschen uns nicht zutrauen, dass wir diese Gesellschaft wirklich ändern können. Ich sage hier: Doch das können wir! Das wollen wir und das werden wir!"

Das war's an Analyse und politischer wie strategischer Schlussfolgerung. Die permanente Führungsdiskussion bügelte Lötzsch ab mit den Worten: "Die Empörung über andere Genossen sollte in unserer Partei nie größer sein als die über die sozialen Verhältnisse."

Insgesamt war in Lötzschs Auftaktreferat nichts Inspirierendes, Mitreißendes, Mobilisierendes, kaum Anschlussfähiges für andere Parteien oder Bewegungen. Für eine Partei, die meint, die Zukunft gepachtet zu haben, war das einfach zu schlicht angesichts einer komplexen, komplizierten und globalisierten Welt, in der es keine einfachen Antworten gibt. Wichtiger als ihr Referat war wahrscheinlich der lang anhaltende, demonstrative Beifall, fast wie auf Bestellung. Auch das sagte ziemlich viel über den Zustand und das Kräfteverhältnis in der Partei aus.

Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi auf dem Erfurter Parteitag, 22. Oktober 2011. (© picture-alliance, Foto: Martin Schutt/dpa)

Demgegenüber musste es Gregor Gysi wieder einmal richten. In einem mitreißenden witzig-ernsten Vortrag redete er den Genossen ins Gewissen, redete ihnen Mut zu, mobilisierte – und das Wichtigste: Er erreichte sowohl die Linken als auch die Reformer. Gysi ist der Übervater, Mediator und die einzige namhafte Integrationsfigur der Partei. Er bezeichnet sich selbst als "Zentrist", er führt zusammen, wo andere spalten. Er ist der Brückenbauer. Rhetorisch und intellektuell bildete Gysi das Kontrastprogramm zu den Parteivorsitzenden. Allerdings hat seine Reputation, nachdem er sich zum Handlanger von Lafontaine hat machen lassen, seinen alten Parteifreund Dietmar Bartsch opferte und diese fragile, überforderte neue Führung installierte, besonders bei den Ostverbänden erheblich gelitten. Gleichwohl, Gysi ist unverzichtbar.

Er räumte ein, dass es "Die Linke" schwerer habe mit der SPD in Opposition. Die SPD sei nicht der Feind der "Linken", aber sie müsste sich ändern, wieder sozial und demokratisch werden. Auch dass die Piratenpartei ein neues Lebensgefühl verkörpere, das "Die Linke" verschlafen habe, mahnte Gysi an. "Die Linke" gelte schon als "etwas etabliert". Er forderte einen neuen Zugang zur jungen Generation. Er wünschte sich: "die Leidenschaft, die wir entwickeln, wenn wir über Themen der Vergangenheit reden, die hätte ich gern mal, wenn wir über Themen der Zukunft reden." Und wieder einmal forderte er ein Ende der Graben- bzw. Strömungskämpfe: "Zuviel Selbstbeschäftigung macht uns kaputt". Manchmal habe er das beklemmende Gefühl, dass zwei Lokomotiven aufeinanderzu führen. Er forderte gegenseitige Zurückhaltung. Vielmehr müsste sich die Partei fragen: Was bewegt die Leute? Und warum? Unter donnerndem Beifall rief Gysi in den Saal: "Wir sind verpflichtet, ab Montag mit der Selbstbeschäftigung aufzuhören!"

Nur: Zum wievielten Male tat er das eigentlich? Gleichwohl, es gab Standing Ovations. Gysis Ruf verhallte allerdings schon nach genau zwei Tagen, als erneut das Führungsduo Lötzsch/Ernst von ostdeutschen Landesvorsitzenden infrage gestellt wurde. Mittlerweile hat Lötzsch in einer einsamen Entscheidung ihre erneute Kandidatur angekündigt; Sahra Wagenknecht wurde vorerst ausgebremst: Sie wolle nicht gegen Lötzsch für den Parteivorsitz kandidieren, erklärte sie. Ihr Plan, Ko-Fraktionschefin neben Gysi werden, war nicht durchsetzbar. Stattdessen wurde für sie das Amt der 1. Stellvertreterin geschaffen. Es bleibt also (vorerst) bei einer Fraktionsspitze.

Das "Outing" Lafontaines, wonach er und Wagenknecht "eng befreundet" seinen, hat natürlich auch Einfluss auf die Machtkonstellation in der Partei, die dann noch "linker" werden könnte. Nicht zuletzt könnte der Eindruck entstehen, "Die Linke" werde zu einem "Familienunternehmen". Zumindest Sahra Wagenknecht kann noch viel werden in dieser Partei.

Die andere entscheidende Rede dauerte nur wenige Sekunden. Und sie wurde gehalten von Oskar Lafontaine. Der Parteitag steuerte am Samstag gegen 14:30 mit großer Verspätung auf einen der zentralen Knackpunkte zu, nämlich der Außen- und Sicherheitspolitik, dem Austritt aus der NATO und den Bundeswehreinsätzen im Ausland. Besonders Hamburger und Tübinger (linke) Genossen witterten "Schlupflöcher" in dem von der Antragskommission gebündeltem Vorschlag und wollten diesen nochmals aufschnüren und einzeln diskutieren. In diesem entscheidenden Moment trat Lafontaine ans Saalmikrofon mit den Worten: "Mein Name ist Oskar Lafontaine. Wir haben dieses Thema jetzt über viele Jahre beraten. Es geht darum, die Partei zu einen. Da hier befürchtet wurde, es könne Schlupflöcher geben, sage ich: Ihr könnt euch auf mich verlassen. Mit mir wird es keine Schlupflöcher geben."

Damit war ein Machtwort gesprochen und der entsprechende Antrag passierte den Parteitag. (Der angenommene Antrag sieht vor, die NATO aufzulösen und durch ein System der kollektiven Sicherheit unter Beteiligung Russlands zu schaffen. Deutschland solle aus den militärischen Strukturen der NATO austreten und die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen werden. Weiter fordert "Die Linke" ein "sofortiges Ende" aller Kampfeinsätze der Bundeswehr. Dazu gehören auch deutsche Beteiligungen an UN-mandatierten Militäreinsätzen nach Kapitel VII der UN-Charta.)

In den wenigen Sekunden offenbarte sich, wer in der Partei das Sagen hat. Lötzsch und Ernst sind von Lafontaines und Gysis Gnaden. Dieses Machtwort klang für die einen wie eine Drohung, für die anderen wie eine Verheißung. Lafontaine, lediglich Fraktionsvorsitzender im Saarland, ließ damit auch durchblicken, er könnte ja wieder zurück in die Bundespolitik kommen. Für manche reichte schon die Androhung. Lafontaine hielt auch die Schlussrede des Parteitages, die eigentlich nur dem Parteivorsitzenden zusteht. So wunderte es kaum, dass Klaus Ernsts mehrfach verschobene Rede kaum Beachtung fand. Lafontaine richtete die Genossen nochmals auf, drosch gewohnheitsmäßig auf seine Lieblingsfeinde, die "Kriegsparteien" SPD und Grüne ein, die ihre eigentlichen Gründungsziele verraten hätten. Nur "Die Linke" als einzige Friedenspartei im Deutschen Bundestag vertrete die Interessen der Mehrheit des deutschen Volkes. "Wir werden gebraucht wie niemals zuvor in der Geschichte", rief er den Delegierten zu. Ihm war es auch gelungen, ein "Willy-Brandt-Korps" zur Katastrophenbekämpfung vorzuschlagen und durchzusetzen, auch mit dem Ziel, der SPD den berühmten Namen des Friedensnobelpreisträgers streitig zu machen. Auch der Tagungsort Erfurt war bewusst gewählt. Vor genau 120 Jahren hatte dort die deutsche Sozialdemokratie ein strikt marxistisches Programm beschlossen. In seiner negativen Fixierung auf seine vormalige Partei will Lafontaine originäre sozialdemokratische Traditionsbestände besetzen.

Lafontaine, das ist auch den Reformern klar, ist der einzige in der Partei, der über anerkannte finanzpolitische Kompetenz und internationale Erfahrung verfügt. Er hatte frühzeitig auf die Gefahren eines ungezügelten Finanzkapitalismus aufmerksam gemacht, zu seiner Bändigung Vorschläge unterbreitet, die im Nachhinein weitsichtig wirkten. Er ist ein erprobter Wahlkämpfer, und die Aufmerksamkeit der Medien ist ihm sicher. Seine Rückkehr an die Macht könnte der "Linken" ein paar Prozentpunkte mehr bringen. Im gegenwärtigen Stimmungstief würde er gebraucht wie kein anderer. Die Reformer wünschen sich eigentlich keine Rückkehr Lafontaines nach Berlin, aber sie sind letztlich (noch) auf ihn angewiesen.

In welchem Dilemma sich die Reformer befanden, machte der Diskussionsbeitrag von Gerry Woop, Mitglied des Parteivorstandes aus dem Landesverband Brandenburg, überdeutlich. Er erinnerte an das "Abschlachten der Menschen in Ruanda und an die Gräuel von Srebrenica". "Sind alle UN-Einsätze falsch? Nein!", erklärte Woop: "Die Frage ist, ob wir Totalopposition betreiben wollen ..., ob wir uns damit begnügen, die Konflikte dieser Welt nur in unser fertiges Weltbild einzupassen. Oder: Ob wir uns der Mühe unterziehen, doch in konkreten Situationen angemessen zu reagieren". Er sei "nicht glücklich" über den Kompromissvorschlag des Parteivorstandes. Aber er entspreche wohl dem Stand der Mehrheitsmeinung in der Partei. Wir sollten es "mehrheitlich dabei belassen".

Besonders Ellen Brombacher von der "Kommunistischen Plattform", Claudia Haydt von der "Tübinger Informationsstelle Militarisierung", aber auch die Altaktivisten wie Diether Dehm und Wolfgang Gehrcke hatten sich vehement gegen Einzelfallprüfungen und gegen jegliche Auslandseinsätze der Bundeswehr eingesetzt. "Die Linke" müsse die Antikriegspartei sein.

Insgesamt strebt "Die Linke" einen "demokratischen Sozialismus" an, zum Staatssozialismus der DDR wolle man zwar nicht zurück, aber der Kapitalismus sei nicht das Ende der Geschichte. "Die Linke" fordert einen Systemwechsel, in dem die Eigentumsfrage eine zentrale Rolle spielt. Der öffentliche Sektor solle ausgebaut, die Großbanken, Energieversorger und "strukturbestimmende Bereiche" sollen verstaatlicht werden. Klein- und Mittelbetriebe, Volksbanken und Genossenschaften sollen erhalten bleiben, "Belegschaftsbeteiligungen" gefördert werden. Reiche sollen mit einer Millionärssteuer belegt, Erbschaften, Kapitalerträge und Konzerngewinne deutlich stärker besteuert werden. Die Daseinsvorsorge gehöre in öffentliche Hand. Es soll keinen Sozialabbau geben. Die wöchentliche Arbeitszeit soll zunächst auf 35 Stunden, längerfristig auf 30 Stunden gesenkt werden – bei vollem Lohnausgleich. Ein Mindestlohn in Höhe von 60 Prozent des nationalen Durchschnittslohns, wurde beschlossen. "Die Linke" will Hartz IV abschaffen, das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre zurückfahren und in der Gesundheitspolitik eine "solidarische Bürgerversicherung" einführen, in die alle einzahlen sollen. Das Ökothema ist aufgrund jüngster Entwicklungen erweitert worden. Die Partei fordert einen "sozial-ökologischen Umbau" der Gesellschaft. Insgesamt plädiert "Die Linke" für eine soziale Marktwirtschaft mit viel staatlicher Regulierung.

Die Regierungsbeteiligung wird erschwert auf Landesebene, auf Bundesebene fast unmöglich gemacht: "An einer Regierung, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt, die Aufrüstung und Militarisierung vorantreibt, die Privatisierungen der Daseinsvorsorge oder Sozialabbau betreibt, deren Politik die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes verschlechtert, werden wir uns nicht beteiligen." Statt Auslandseinsätzen der Bundeswehr solle ein ziviles "Willy-Brandt-Korps" humanitäre Hilfe leisten. Waffenexporte sollen verboten werden. Aus der deutschen Geschichte erwachse eine besondere Verantwortung gegenüber Israel. Das Existenzrecht Israels wird anerkannt, gleichzeitig tritt die Partei für eine Zwei-Staaten-Lösung ein.

Der frühere Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine freut sich mit seinen Nachfolgern Klaus Ernst und Gesine Lötzsch (v.l.) über die Annahme des "Linke"-Parteiprogramms, 23. Oktober 2011. (© picture-alliance, Foto: Martin Schutt/dpa)

Insgesamt passierte am Sonntagvormittag der Leitantrag des Parteivorstandes im Wesentlichen den Parteitag. Die Landesverbände hatten vorher vereinbart, den Leitantrag trotz der vielen Änderungsanträge, die oftmals gebündelt wurden oder über die im Block abgestimmt wurde, nicht wieder aufzuschnüren. Die über 500 Delegierten nahmen nach dem ermüdenden Beratungsmarathon mit fast 97 Prozent das neue Parteiprogramm an. Alle waren sichtlich erleichtert. Mit "Nein" votierten vier Delegierte. Die prominenteste der zwölf Enthaltungen kam von Halina Wawzyniak. Sie hatte, zusammen mit dem reformorientierten Schatzmeister der Partei, Raju Sharma, ein alternatives Parteiprogramm verfasst, aber es wieder zurückgezogen, um die Situation "nicht weiter zuzuspitzen". Es hätte wohl auch keine Mehrheit gefunden.

Zuvor hatten Sahra Wagenknecht, stellvertretende Parteivorsitzende und Frontfrau der Parteilinken, und Matthias Höhn, Reformer und Landesvorsitzender von Sachsen-Anhalt, beide Mitglied der Redaktionskommission, für die Annahme dieses Kompromissvorschlages geworben. "Wer hätte noch vor Monaten gedacht", so Höhn, dass er und Wagenknecht gemeinsam den Programmentwurf verteidigen würden! Wie Höhn bat auch Wagenknecht darum, das Gesamtpaket nicht noch mal aufzuschnüren. Es zeige ein klares linkes Profil der "Linken" als antineoliberale, antikapitalistische und antimilitaristische Partei.

Sahra Wagenknecht blieb auf dem Parteitag auffallend zurückhaltend. Sie befindet sich in einer Warteposition.

Vergleicht man das letzte PDS-Programm vom Chemnitzer Parteitag mit diesem Externer Link: Erfurter Programm, so ist letzteres linker und radikaler. Es bleibt hinsichtlich der Anerkennung der Realitäten, seiner Kapitalismusanalyse und der eigenen Verortung in der Gesellschaft hinter der damaligen PDS-Programmatik zurück. Nunmehr wird wieder messerscharf "die Klassenfrage" gestellt, der Kapitalismus schlichtweg für alles Übel dieser Welt verantwortlich gemacht, der "Kampf gegen das System" kultiviert, einer "Hau-drauf-Mentalität" Platz gemacht. Weil nur die "Linken" die Guten sind, pflegen sie ihr Alleinstellungsmerkmal. "Anders als alle anderen" – mit diesem Logo wurde jeder Delegierte an seinem Tisch empfangen. Nach dem Motto "Viel Feind – viel Ehr" gerät "Die Linke" immer mehr in die Isolierung. Wer will, wer kann mit ihr noch zusammengehen? Von ihrer Seite kein Zugehen auf potentielle Bündnispartner. Auch keine zündenden Ideen oder gar Visionen für eine Welt im 21. Jahrhundert. Welche Milieus sollen angesprochen werden? Wie offen ist die Linkspartei? Für die Piratenpartei etwa?

"Die Linke" etabliert sich als reine Oppositionspartei. Für die Bundestagswahl 2013 steht sie als Partnerin nicht zur Verfügung. Eine Rückkehr Lafontaines würde ein Zusammengehen mit der SPD zusätzlich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. Manche linke Strategen warten offensichtlich darauf, dass die SPD (und die Grünen) 2013 wieder Regierungsverantwortung übernehmen. Dann könnte "Die Linke" wieder ordentlich Opposition spielen.

Mit dieser Programmatik ist das Regieren der "Linken" mit der SPD im Land Brandenburg nicht einfacher geworden. Es ist die letzte Regierungsbeteiligung, nachdem die rot-rote Koalition in Berlin abgewählt worden war.

Man darf auf den nächsten Parteitag im Juni 2012 in Göttingen gespannt sein, auf dem die Führungsspitze neu gewählt werden soll. Es kann aber auch sein, dass alles beim Alten bleibt. Das entspräche dem gegenwärtigen Zustand der Partei.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Jürgen Reents, Zäsur für Links, in: Neues Deutschland, 19.9.2011.

  2. Siehe zur Entwicklung der Programmatik u.a. Heinrich Bortfeldt, Von Karl-Max-Stadt nach Chemnitz. Programmparteitag der PDS in Chemnitz am 25./26. Oktober 2003, in: DA 36 (2003) 6, S. 936ff; Gero Neugebauer, Von der SED zur PDS und Linkspartei, in: Jens Gieseke/Hermann Wentker (Hg.), Die Geschichte der SED. Eine Bestandsaufnahme. Berlin 2011, S. 239ff; Horst Dietzel, Die Grundsatzprogramm-Debatten bei SPD, Bündnis90/Die Grünen und PDS. Problemlagen und Vergleiche, in: Michael Brie/Rudolf Woderich (Hg.), Die PDS im Parteiensystem, Berlin 2000, S. 110ff.

  3. Klaus Lederer, Programmatisch festgefahren. Warum Die Linke sich ändern muss, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 56 (2011) 1, S. 81ff.

  4. Holger Schmale, Die Kraft der zwei Herzen, in; Berliner Zeitung, 14.11.2011.

Dr. phil., Historiker, Berlin.