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Deutschland und der Libyen-Konflikt: Zivilmacht ohne Zivilcourage - Essay | Arabische Zeitenwende | bpb.de

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Deutschland und der Libyen-Konflikt: Zivilmacht ohne Zivilcourage - Essay

Christian Hacke

/ 10 Minuten zu lesen

Die Bundesregierung enthielt sich bei der Abstimmung zur Resolution 1973 der Vereinten Nationen. Die Resolution sah die Errichtung einer Flugverbotszone über Libyen vor. Das Ergebnis ist ein Deutschland, das als unmoralische Zivilmacht dasteht.

Einleitung

Am 17. März 2011 verabschiedete der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Resolution 1973, um die libysche Rebellion gegen das Gaddafi-Regime zu unterstützen. Frankreich, Großbritannien und die USA forcierten die Einrichtung einer Flugverbotszone. Deutschland hingegen stand nicht nur abseits, sondern antichambrierte gegen seine engsten Verbündeten. Die Sicherheitsratsmitglieder Russland und China verzichteten - zur Überraschung Deutschlands - auf ein Veto. Berlin hatte die Durchsetzungsfähigkeit der Verbündeten ebenso unterschätzt wie die diplomatische Anpassungsfähigkeit der beiden autoritären Mächte China und Russland.

Zwar hat sich Deutschland in der Abstimmung zur Resolution 1973 enthalten. Gleichwohl hat die Bundesregierung nie einen Zweifel an der Verwerflichkeit des Gaddafi-Regimes gezeigt - anders als die Interventionsmächte Frankreich und Großbritannien oder die Vetomächte Russland und China -, weshalb sie die politische Stoßrichtung der Resolution durchaus unterstützte. Ihre Bedenken richteten sich "nur" gegen die Wahl der Mittel, das heißt gegen die Flugverbotszone und das damit verbundene militärische Eingreifen. Dennoch: Welche Auswirkungen hat Deutschlands Enthaltung für seine Rolle in Europa und in der atlantischen Welt? Leitet der deutsche Außenminister eine Absatzbewegung vom westlichen Bündnis ein? Oder ist die Enthaltung im Libyen-Konflikt lediglich ein (un-)diplomatischer Fehler? Praktizierte Berlin gar kluge Zurückhaltung, während die NATO in Libyen ihre ohnehin geschwundenen Kräfte zu überdehnen schien? Diese Fragen sind mit einem zentralen Problembündel verknüpft, das den Westen seit 20 Jahren zu überfordern droht: der humanitären Intervention.

Problem der humanitären Intervention

Auf die Zeitenwende von 1989/90 folgte eine Epoche der Kriege und Konflikte, auf welche die westliche Staatengemeinschaft mit Interventionen zu humanitären Zwecken reagierte. Bei evidenten Verbrechen gegen die Menschlichkeit soll eingegriffen werden. Doch bis heute herrscht in der Politik wie auch der Politikwissenschaft Unklarheit darüber, wie genau ein "evidentes Verbrechen gegen die Menschlichkeit" zu definieren ist. Vor allem machtpolitische und nationale Interessenvorbehalte verhinderten in der Regel die erforderliche Geschlossenheit des Sicherheitsrats als Voraussetzung für eine gemeinsame Handlungsfähigkeit. Umso überraschender war es, als diese Hemmnisse im Fall Libyens überwunden werden konnten. Erscheint mancher militärische Eingriff des Westens in der weltpolitischen Weite seit 1990 retrospektiv fragwürdig - vor allem im Hinblick auf die kostenintensiven und begrenzt erfolgreichen Interventionen von Somalia bis Afghanistan -, so war dies im Fall Libyens aus nachbarschaftspolitischen und völkerrechtlichen Gründen weniger strittig als bei früheren Anlässen.

Wer hatte nun in Libyen die Moral auf seiner Seite: die Interventionisten, die menschenrechtlich-kosmopolitisch und mit "guter Absicht" handelten, oder die Isolationisten wie die Bundesrepublik, die vor der Einmischung in innere Angelegenheiten fremder Staaten, der Anwendung von Gewalt, den Folgekosten und der unklaren Zielperspektive warnten? Zunächst schienen alle Argumente für die Isolationisten zu sprechen: Niemand wusste, wie die Rebellion in Libyen ausgehen würde, eine militärische Eskalation und der Einsatz von Bodentruppen waren nicht auszuschließen. Klare Konfliktlinien zwischen einem freiheitssehnsüchtigen Volk und dem Gaddafi-Regime fehlten ebenso wie eine Perspektive für regime change und Demokratisierung. Zu befürchten war, dass je länger der Konflikt andauern, je mehr Opfer er fordern würde, desto eher das Bündnis an die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit stoßen würde. Auch der Wiederaufbau des Landes mithilfe des Westens würde die ohnehin kostenintensive Bürde für ein weiteres nation building - nach Bosnien, Kosovo, Afghanistan und Irak - beschweren. Er würde sich weiter militärisch, finanziell und ökonomisch übernehmen.

Die Bedenken waren nicht abwegig, deshalb wurde die amtierende Bundesregierung - in der Tradition der aufgeklärten Zivilmacht - schon sehr früh zum Mahner in Libyen. Diese nicht unsympathische Einstellung korrespondierte mit der außenpolitischen Kultur der Zurückhaltung, welche die Bundesrepublik seit Jahrzehnten prägt. Im Kalten Krieg war glücklicherweise nur Kampfbereitschaft ohne militärischen Einsatz gefragt. Doch das Prinzip der Abschreckung begünstigte die Ausprägung einer sicherheitspolitischen Trittbrettfahrermentalität, ein sicherheitspolitisches "Konsumentenverhalten" ohne Verantwortungsbewusstsein. Die Balkan-Kriege zu Beginn der 1990er Jahre belegen den Anachronismus einer Kultur der Zurückhaltung angesichts von Terror, Barbarei und Krieg im Herzen Europas. Deutschland verpasste nach 1990 den Sprung vom passiven Sicherheitskonsumenten zum aktiven Sicherheitsproduzenten - um aggressive Diktatoren rechtzeitig in die Schranken weisen zu können. Diese Trittbrettfahrermentalität wandelte sich in eine "Scheckbuch-Diplomatie", die im Golf-Krieg 1990 ihre Bewährungsprobe bestand: Anstatt militärisch mitzuwirken, zahlte Deutschland ein Drittel der Kriegskosten von insgesamt zwanzig Milliarden US-Dollar und lieferte Kriegsmaterial. Ziel war es, der eigenen Bevölkerung zu suggerieren, dass die Regierung alles tat, um das Bild einer friedliebenden Zivilmacht zu bestätigen. Erst im NATO-Luftkrieg gegen Serbien im Kosovo 1998 wurden die pazifistischen Vorbehalte durch das moralische Argument außer Kraft gesetzt. Doch unter dem Eindruck der problematischen Intervention der USA im Irak und des fragwürdigen westlichen Engagements in Afghanistan drehte sich die Stimmung in Deutschland wieder: Außenpolitische Moral wird wieder isolationistisch und pazifistisch dekliniert. Sicherheitspolitische und politische Entscheidungsträger scheuten sich davor, die eigene Bevölkerung ausreichend über neue Gefahren aufzuklären. Auf diese Weise konnten weder eine angemessene außen- und sicherheitspolitische Debattenkultur noch Verständnis für Bündnissolidarität entstehen. Vielmehr vertiefte sich der Graben im politischen Westen zwischen denjenigen, die bereit waren, militärisch gegen Gräuel der Diktatoren vorzugehen, und denjenigen, die wie Deutschland wenig Neigung verspürten, die Lasten mitzutragen.

Dieser Haltung blieb Deutschland über 20 Jahre treu, so dass folgendes Verhaltensmuster entstand: Die "Drückebergerei" nahm zu, Deutschland wurde selten initiativ, handelte primär reaktiv und oft wie in Somalia zu spät und nur auf äußeren Druck der Partner. Diese postheroische Einstellung begrenzte die Effektivität aller humanitären Interventionen, da der Wunsch zu helfen nicht mit der notwendigen "Einsatzbereitschaft" korrespondierte. Wenn wie in Afghanistan der Einsatz deutscher Soldaten am Boden bündnispolitisch unumgänglich wurde, dann sollte dies möglichst ohne direkte Kampfhandlungen ablaufen. Folglich kamen deutsche Soldaten so gut wie nie an der Seite der NATO-Partner zum Einsatz. Die Bundeswehr blieb weitgehend in organisatorischer Selbstbestätigung stecken, anstatt bei humanitären Interventionen zu überzeugen. Deutschland war also für humanitäre Interventionen wie in Libyen schlecht vorbereitet.

Deutsche Rolle im Libyen-Konflikt

So erstaunt es wenig, dass Deutschland in der Libyen-Krise konsequent seine zivile Sonderwegsmentalität beibehielt, selbst als Gaddafi seine Schergen anwies, die Rebellion für Freiheit und Menschenrechte niederzuschlagen. Während die befreundeten Westmächte "kein weiteres Srebrenica" zulassen wollten und nach Wegen suchten, um das befürchtete Massaker an der libyschen Bevölkerung zu verhindern, beharrte Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle auf einer politischen Lösung. Die Bundesregierung machte aus ihrer "großen Skepsis" gegenüber der von den NATO-Partnern geforderten Flugverbotszone keinen Hehl. Hinter dieser Haltung muss auch innenpolitisches Kalkül vermutet werden: Die Regierung stand unter massivem Druck aufgrund der aufgeheizten Anti-Atom-Stimmung nach der Katastrophe in Japan im März 2011; es herrschte weitverbreitete Angst vor einem wirtschaftlichen Absturz angesichts der europäischen Schulden- und Eurokrise; in den anstehenden Wahlkämpfen wollten sich die Regierungsparteien nicht des Vorwurfs einer "kriegstreibenden Partei" aussetzen. Neben diesen taktischen Überlegungen gab es auch substanzielle politische Argumente und oben erwähnte Bedenken, die gegen ein Eingreifen sprachen. Außenminister Westerwelle wurde nicht müde, diese immerfort ins Feld zu führen - selbst bis kurz vor der Flucht Gaddafis aus Tripolis Ende August 2011.

Die westlichen Demokratien waren angesichts der drohenden Massaker zu militärischer Gegengewalt entschlossen. Wären die Verbündeten und die libyschen Rebellen Westerwelles Ratschlägen gefolgt, wären letztere heute wahrscheinlich tot und der Westen blamiert. Doch die NATO zeigte Selbstbehauptungswillen, weil die Demokratien aus dem Zweiten Weltkrieg andere Schlussfolgerungen gezogen hatten als die Deutschen. Sie handeln nicht nach der Maxime "Nie wieder Krieg", sondern "Nie wieder Beschwichtigungspolitik wie 1938". Hier liegt der historisch begründete Knackpunkt zwischen Deutschland und seinen Verbündeten. Deutschlands Scheinneutralität kam faktisch der Parteinahme für Gaddafi gleich, denn "wer sich aus dem innerlibyschen Bürgerkrieg heraushält ergreift praktisch Partei für den Despoten. Es ist das Dilemma, aus dem man durch moralische Appelle zum Gewaltverzicht nicht herauskommt."

Zur Fehleinschätzung der internationalen Konstellation gesellte sich innenpolitische Fehlkalkulation. Die Enthaltung in New York brachte keine zusätzlichen Wählerstimmen. Im Gegenteil. Endgültig zum Verhängnis wurde dem Außenminister, als er nach dem vorläufigen Sieg der Rebellen bei ihrem Einzug in Tripolis öffentlich den Eindruck zu erwecken suchte, Gaddafi wäre durch die von ihm favorisierten Sanktionen in die Knie gezwungen worden, ohne die Opfer und Leistung der Partner mit einem Wort zu erwähnen oder zu würdigen. Diese handwerklichen Fehler und Versäumnisse markieren einen bislang unbekannten Tiefpunkt deutscher (Un-)Diplomatie in der Geschichte der Bundesrepublik. Dieser Eindruck verstärkt sich mit Blick auf die vorläufigen Ergebnisse der militärischen Intervention in Libyen. So brauchte der libysche Aufstand Hilfe von außen, denn anders als die Tunesier und Ägypter konnten die Libyer ihren Tyrannen nicht aus eigener Kraft abschütteln. Im Gegenteil: Die westlichen Flugzeuge kamen in letzter Minute, bevor die Rebellion von Gaddafi zerschlagen wurde. In Libyen erschienen westliche Mächte nicht als Eindringlinge wie in Afghanistan oder im Irak, sondern als brothers in arms, die den Freiheitskampf der Rebellen auf deren ausdrückliches Verlangen hin unterstützten. Auch war die Flugverbotszone kein Angriff oder Eingriff in die Gesamtstruktur des Landes wie beim Irak-Krieg 2003, sondern eine unterstützende Maßnahme, die von den libyschen Rebellen erbeten wurde. Der bewusste Verzicht auf Bodentruppen war zwar militärisch ebenso riskant wie im Kosovo 1998, hat aber von Anfang an jeglichen Eindruck von Fremdherrschaft, wie er in Afghanistan entstand, vermieden. Auch hat der Westen endlich wieder eine "Schlacht um die Freiheit" gewonnen. Hier schlummert vielleicht die weltpolitische Bedeutung dieser couragierten Intervention. Außerdem hatte sich nach dem 11. September 2001 und dem fehlkalkulierten Angriff der USA auf den Irak in der arabischen Welt der Eindruck eines Kriegs gegen Muslime verfestigt. In Libyen hingegen ist der Westen für die Freiheit eines muslimischen Volkes in die Bresche gesprungen. "Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hat der libysche Freiheitskrieg ein Zeichen gegen den Kampf der Kulturen gesetzt."

Fehler einer Zivilmacht

Was von der Libyen-Politik Deutschlands in Erinnerung bleibt, sind Fehler und Versäumnisse einer Zivilmacht ohne Zivilcourage. In dieser Form wird Deutschland weder bei der Hilfe für bedrängte Menschen noch bei der eigenen Selbstbehauptung in einer turbulenten Welt bestehen können. Die Regierung hatte es versäumt, trotz schwerer innenpolitischer und innerparteilicher Bedingungen eine humanitäre Intervention in Libyen zu begründen und mitzutragen wie seinerzeit während des Kosovo-Kriegs. Dabei wäre das Vorgehen in Libyen sogar einfacher zu rechtfertigen gewesen, da für eine militärische Beteiligung in Libyen alle rechtlichen, politischen und moralischen Voraussetzungen gegeben waren. Statt die Lage unter bündnispolitischen Prämissen angemessen zu bewerten, überwog taktisches und wahlpolitisches Kalkül.

In der Libyen-Krise wurden die wegweisenden außenpolitischen Koordinaten für Deutschlands Kurs falsch berechnet. Die außenpolitische Priorität auf "neue Kraftzentren der Weltpolitik" irritiert. Im "ZDF heute journal" am 25. August 2011 unterstrich der Außenminister, dass er diese als neue "Gestaltungsmächte" in die internationale Verantwortung einbeziehen möchte. Aus dem Versagen in Libyen hätte aber eine andere Lehre gezogen werden müssen: Für Deutschland kommt es zu allererst darauf an, dass die bewährten Partner nicht weiter vor den Kopf gestoßen, sondern durch Taten wieder davon überzeugt werden, dass Deutschlands Platz an der Seite von verlässlichen Partnern und bewährten Institutionen ist. Die neuen und überwiegend autoritären Kraftzentren sind nicht an der Stärkung von Freiheit und Demokratie interessiert. So forderte Russland auch vier Tage nach der Einnahme von Tripolis eine Machtteilung der Rebellen mit Gaddafi. Die Kritik an der aktuellen Außenpolitik bezieht sich deshalb nicht nur auf handwerkliche Mängel oder undiplomatisches Verhalten. Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl mahnt zu Recht: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alles verspielen. Wir müssen dringend zu alter Verlässlichkeit zurückkehren, (...) deutlich machen, wo wir stehen und wo wir hin wollen, dass wir wissen, wo wir hingehören (...) und wir müssen das vor allem wieder stärker im Miteinander ausmachen, eine gemeinsame Linie finden und dann auch stehenbleiben, selbst wenn der Wind uns einmal ins Gesicht bläst. (...) Wenn man keinen Kompass hat, dann hängt man auch nicht an dem, was wir unter Kontinuität deutscher Außenpolitik verstehen, weil man keinen Sinn dafür hat." Deutschland muss für freiheitliche Werte solidarisch einstehen. Sonst bleibt es allein und ohne Freunde. Die außenpolitische Kultur der Zurückhaltung muss zwar weiterhin gelten. Aber sie darf nicht Freibrief sein für einen "moralisch überhöhten Absentismus".

Bei der Enthaltung der Bundesregierung gerieten zwei Maximen in Konflikt: Zivilmacht versus Bündnismacht. Das Ergebnis ist ein Deutschland, das als unmoralische Zivilmacht dasteht: Denn es war moralisch verwerflich, Gaddafi weiter gewähren zu lassen, statt ihn zu stoppen. Wäre Deutschland als Bündnismacht seinen zivilen Ansprüchen nachgekommen, hätte es hingegen moralisch gehandelt. Außenpolitische Zivilcourage ist bislang nicht zum Attribut der Zivilmacht Deutschland geworden. In den vergangenen 20 Jahren hat Deutschland noch jede Chance ungenutzt gelassen, um zu zeigen, dass es mit Mut für die Freiheit anderer unterdrückter Menschen einzustehen bereit ist. Doch noch nie hat es ein Deutschland gegeben, das selbstgerecht auftrumpft und wegguckt wie in Libyen. Dieser neudeutsche Provinzialismus wird auch nicht dadurch erträglicher, weil er friedfertig daher kommt. Ein Deutschland, das sich aus der Verantwortung stiehlt, ist (fast) genau so unerwünscht wie ein dominierendes. Auch diese Attribut der Zivilmacht ohne Zivilcourage ist Teil eines Exzeptionalismus, der Deutschlands Bündnisfähigkeit beeinträchtigt. Dass ausgerechnet eine schwarz-gelbe Regierung die Tradition der Westbindung aufs Spiel setzt, ist von besonderer Pikanterie - haben doch Union und FDP sich immer als transatlantische Gralshüter, solidarische Bündnispartner und Befürworter einer europäischen Sicherheitspolitik zu profilieren versucht.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Josef Braml et al. (Hrsg.), Einsatz für den Frieden, München 2010.

  2. Vgl. Sibylle Tönnies, Weltgewalt in Libyen, in: WeltTrends, (2011) 79, S. 7f.

  3. Vgl. August Pradetto, Der andere Preis der Freiheit, in: Internationale Politik (IP), (2011) 4, S. 53-59.

  4. Vgl. Hans-Ulrich Klose/Ruprecht Polenz, Wahre Werte, falsche Freunde, in: ebd., S. 20.

  5. Vgl. Christian Hacke, Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2003, S. 391ff.

  6. Regierungserklärung des Bundesaußenministers Guido Westerwelle zum Umbruch in der arabischen Welt (Mitschrift), 16.3.2011, online: www.bundesregierung.de/Content/DE/
    Regierungserklaerung/2011/2011-03-16-westerwelle-arabische-welt.html (1.9.2011).

  7. Herfried Münkler, Wer nicht eingreift, hilft Gaddafi, in: Welt am Sonntag vom 13.3.2011.

  8. Jan Ross, Der Weg ist frei, in: Die Zeit vom 25.8.2011.

  9. "Die Unterordnung langfristiger außenpolitischer Interessen unter kurzfristige innenpolitische Überlegungen hat dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik geschadet." Heinrich August Winkler, Politik ohne Projekt in: IP, (2011) 5, S. 31.

  10. Vgl. Richard Herzinger, Westerwelle ist untragbar, in: Die Welt vom 31.8.2011.

  11. Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl im Interview, in: IP, (2011) 5, S. 10-18.

  12. H.A. Winkler (Anm. 9), S. 32.

  13. Vgl. H. Münkler (Anm. 7).

Prof. em. Dr. phil., geb. 1943; Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn, Lennéstraße 25, 53113 Bonn. E-Mail Link: christian.hacke@online.de