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Zur aktuellen Lage der Weltbevölkerung | Bevölkerungsentwicklung | bpb.de

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Zur aktuellen Lage der Weltbevölkerung

Herwig Birg

/ 19 Minuten zu lesen

Gemäß Erkenntnissen aus der bisherigen Entwicklung und Zukunftsprognosen bilden die Staaten der Welt einen Geleitzug zu sinkenden Geburtsraten. An seiner Spitze stehen die EU-Länder, am Ende die Drittweltstaaten. Innerhalb Europas gibt es trotzdem große Unterschiede, wobei Deutschland eine der niedrigsten Geburtenraten vorzuweisen hat.

Den Staaten der Welt stehen Zukunftsprognosen zufolge sinkende Geburtenraten bevor. (© AP)

Einleitung

Die Länder, Regionen und Gemeinden der Welt, so unterschiedlich sie auch sind, lassen sich im Hinblick auf die demografischen Ursachen ihrer Bevölkerungsveränderungen miteinander vergleichen. Diese werden beeinflusst durch eine natürliche Komponente, die Geburtenbilanz (Geburten minus Sterbefälle auf 100 oder auf 1000 Einwohner) sowie durch die Wanderungsbilanz (Zuwanderungen minus Abwanderungen auf 100 oder auf 1000 Einwohner), die beide in ihrer Summe die Wachstumsrate der Bevölkerung ergeben.
Jedes Land und jede Stadt läßt sich einer der vier Fallgruppen zuordnen:

  • (1) positive Geburtenbilanz, positive Wanderungsbilanz,

  • (2) positive Geburtenbilanz, negative Wanderungsbilanz,

  • (3) negative Geburtenbilanz, positive Wanderungsbilanz,

  • (4) negative Geburtenbilanz, negative Wanderungsbilanz.

Die USA haben beispielsweise zu Beginn des 21. Jahrhunderts sowohl eine positive Geburten- als auch eine positive Wanderungsbilanz. In der Türkei ist die Geburtenbilanz positiv, die Wanderungsbilanz negativ, in Deutschland ist es umgekehrt. Beispiele für eine defizitäre Geburten- und Wanderungsbilanz sind Polen und Ungarn.

Deutschland gehört zur Ländergruppe mit Geburtendefiziten. Weil die Geburtendefizite in den vergangenen Jahrzehnten durch Einwanderungsüberschüsse mehr als ausgeglichen wurden, wuchs die Bevölkerungszahl beispielsweise im Jahr 2002einwanderungsbedingt immer noch leicht um ein Promille, obwohl sie eigentlich – das heißt ohne den Ausgleich des Geburtendefizits durch Einwanderungen – seit 1969 (frühere DDR) bzw. 1972 (frühere Bundesrepublik Deutschland) schrumpft.

Deutschland ist also ein Beispiel für den Fall der Verzögerung der Bevölkerungsschrumpfung durch Einwanderungsüberschüsse. Polen und andere osteuropäische Länder sind Beispiele für eine Beschleunigung der Bevölkerungsschrumpfung durch Abwanderungsüberschüsse.

Die Entwicklungsländer haben zwar wie alle anderen Staaten und die Welt als Ganzes tendenziell jeweils abnehmende Geburtenraten und -Überschüsse, aber die Kinderzahlen pro Frau liegen teilweise noch um das Doppelte und mehr über dem Bestandserhaltungsniveau. Daher wächst ihre Bevölkerung immer noch.

Die Wachstumsrate der Weltbevölkerung sinkt seit den 1970er Jahren, sie wird, wie schon erläutert, voraussichtlich um das Jahr 2070 auf Null gesunken und danach negativ sein. Im Zeitraum 2000 bis 2005 betrug sie noch 1,2 Prozent pro Jahr. Nach 2070 wird die Weltbevölkerung als Ganzes in die Phase der Bevölkerungsschrumpfung übergehen, während sich das Wachstum der Länder mit hohen Geburtenraten, vor allem der ärmeren Entwicklungsländer, weiter fortsetzen wird. Die Geburtenbilanz der Industrieländer und ihre Wachstumsrate hängt dann entscheidend vom Umfang der Einwanderungen aus den Entwicklungsländern ab.

Trends in hoch entwickelten Ländern

In den Industrieländern haben sich die Geburtenraten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von 1950-1955 bis 1995-2000 von 2,81 auf 1,55 Lebendgeborene je Frau fast halbiert. Gleichzeitig ist die Lebenserwartung stark gestiegen, sie hat sich beispielsweise in Deutschland bei den Frauen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts von rund 40 auf 82 Jahre und bei den Männern von rund 35 auf 77 Jahre mehr als verdoppelt.

Lebendgeborene je Frau in den alten Bundesländern.

In Deutschland haben sich die Geburtenzahl und die Bevölkerungszahl seit dem 19. Jahrhundert stark auseinander entwickelt. Hier bekommt seit 105 Jahren tendenziell jeder Geburtsjahrgang – mit Ausnahme der um 1932 geborenen Frauen – weniger Kinder als der jeweils vorangegangene.

Deutschland hatte in den 1980er Jahren die niedrigste Geburtenrate der Welt, in den 1990er Jahren nahmen die südeuropäischen Länder Spanien und Italien und danach die osteuropäischen Staaten diese Position ein. Bei dem Vergleich mit Spanien und Italien muss allerdings berücksichtigt werden, dass der Anteil der zugewanderten Bevölkerung in Deutschland ein Vielfaches des Anteils in Italien beträgt. Da die Geburtenzahl pro Frau (TFR – siehe Glossar) im Zeitraum 2000 bis 2005 bei den nach Deutschland zugewanderten Frauen schätzungsweise 1,9 und bei den Deutschen 1,2 bis 1,3 betrug, liegt das gewogene Mittel für Deutschland insgesamt mit 1,37 über dem Wert für die deutsche Bevölkerung und deshalb auch über den damaligen Zahlen für Spanien (1,15) und Italien (1,23). Heute (2010) ist die Geburtenzahl pro Frau in diesen Ländern etwa ebenso hoch wie in Deutschland.

Bevölkerung und Lebendgeborene in Deutschland.

Noch niedriger als in Südeuropa ist die Fertilität (siehe Glossar) in Russland und in den meisten anderen osteuropäischen Ländern. Nach Angaben der Bevölkerungsabteilung der UN gehörten im Zeitraum 2005-2010 die in der Tabelle links unten aufgeführten Länder zur Gruppe mit den weltweit niedrigsten Geburtenraten, die das Bestandserhaltungsniveau (siehe Glossar) fast um die Hälfte unterschreiten.

Die Staaten mit der niedrigsten Kinderzahl pro Frau.

Ob eine Bevölkerung ohne Wanderungen schrumpft, konstant ist oder wächst, hängt nicht nur von der Fertilität, sondern auch von der Mortalität (Niveau der Sterblichkeit) bzw. von der Lebenserwartung ab, wobei der Begriff Lebenserwartung alsdurchschnittliche Lebensdauer für ein neugeborenes Kind (Lebenserwartung im Alter Null) oder als fernere Lebenserwartung für Personen definiert ist, die ein bestimmtes Alter erreicht haben. Niedrige Geburtenraten führen zu einem Rückgang der Jahrgangsstärken, damit zu einem hohen Durchschnittsalter und als dessen Folge zu mehr Sterbefällen trotz steigender Lebenserwartung. Dadurch wird die Geburtenbilanz und die natürliche Wachstumsrate der Bevölkerung immer kleiner und schließlich negativ. Dadie nichtgeborenen Kinder 20 oder 30 Jahre später, wenn sie selbst Kinder gehabt hätten, als Eltern fehlen, setzt sich der Prozess der Bevölkerungsschrumpfung automatisch von Generation zu Generation fort. Die schon bei der Beschreibung des Bevölkerungswachstums erläuterten Faktoren wirken sich also auch bei der Schrumpfung aus, nur in entgegengesetzter Richtung: Begriffe hierfür sind "Schwung", "Trägheit" und "Eigendynamik der Bevölkerungsschrumpfung".

Die Staaten mit der höchsten Lebenserwartung bei der Geburt.

Die Intensität der Bevölkerungsschrumpfung ist um so stärker, je niedriger die Geburtenrate ist und je weiter sie unter das Bestandserhaltungsniveau sinkt. Deshalb ändert sich die Rangfolge der Länder mit der stärksten Bevölkerungsschrumpfung ständig. Nach den Vorausberechnungen der Bevölkerungsabteilung der UN gehören heute vor allem die Staaten des früheren Ostblocks zur Gruppe mit der intensivsten Bevölkerungsschrumpfung. Infolge der Trägheit der demografischen Prozesse ist diese Schrumpfung für Jahrzehnte unumkehrbar.

Wenn in Deutschland die Kinderzahl pro Frau bei der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund (Glossar) wie in den vergangenen Jahrzehnten auf dem Niveau von 1,2 bis 1,3 konstant bliebe, stiege ihr Geburtendefizit vom Zeitraum 2000-2005 bis zum Zeitraum 2045-2050 von rund 215 000 auf 720 000 Personen pro Jahr, und ihre jährliche Schrumpfungsrate nähme von -0,29 auf über ein Prozent zu. Die Schrumpfungsrate der deutschen Bevölkerung (-0,29 Prozent) ist dabei höher als die der Gesamtbevölkerung (-0,19 Prozent), weil in der Gesamtbevölkerung die wachsende Gruppe der Zugewanderten enthalten ist.

Die Staaten mit der intensivsten Bevölkerungsschrumpfung pro Jahr.

Fast alle Länder der Welt befinden sich ebenso wie die Welt als Ganzes seit einem halben Jahrhundert, die entwickelten Länder seit über einem Jahrhundert, auf dem Weg zu niedrigeren Geburtenraten. In einigen entwickelten Ländern, vor allem in Deutschland, ist die Zahl der Sterbefälle ständig größer als die der Geburten, sodass die Bevölkerung schrumpft, wenn das Geburtendefizit nicht durch Einwanderungsüberschüsse ausgeglichen wird. Die weltweite Bewegung der Länder und Kontinente in Richtung auf einen Zustand mit schließlich abnehmenden Bevölkerungszahlen gleicht einem Geleitzug von Schiffen, dessen Spitze die Länder mit den niedrigsten Geburtenraten bilden.

  • Der internationale Geleitzug wurde angeführt von Deutschland. Es ist weltweit das erste Land, das von einem jahrhundertelangen Bevölkerungswachstum in die Phase der Bevölkerungsschrumpfung überging: In den neuen Bundesländern liegt die Zahl der Sterbefälle seit 1969 über der Zahl der Geburten, in den alten Bundesländern seit 1972.

  • Seit den 1990er Jahren sind auch einige Länder der ehemaligen Sowjetunion und osteuropäische Staaten in die Phase der Bevölkerungsschrumpfung übergegangen. Zu dieser Gruppe gehören Russland, Kasachstan, Ukraine, Bulgarien, Rumänien, Polen, Ungarn (schon seit 1980-1985), Tschechien, Estland, Lettland und Litauen.

  • Südeuropäische Länder folgten seit 1995-2000, darunter Italien, Kroatien, Slowenien und Griechenland.

  • Japan hat seit 2005-2010 Geburtendefizite. In Südkorea wird dies nach den Bevölkerungsvorausberechnungen der Population Division der UN ab 2020-2025 der Fall sein.

  • Die Gruppe der entwickelten Länder wird als Ganzes nach den Vorausberechnungen der UN entweder ab 2015-2010 (untere Variante) in die Schrumpfung übergehen oder ab 2065-2070 (mittlere Variante) bzw. erst in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts (obere Variante) – je nach der Entwicklung der Geburtenrate und dem Umfang der angenommenen Einwanderungen aus den Entwicklungsländern.

  • In den Entwicklungsländern wird sich das Bevölkerungswachstum nach diesen Vorausberechnungen bis in die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts und in einigen der ärmsten Länder wahrscheinlich darüber hinaus fortsetzen.

Unter den Industrieländern sind die USA mit einer relativ hohen Geburtenrate von rund zwei Lebendgeborenen pro Frau ein Sonderfall. Dort ist deshalb im gesamten 21. Jahrhundert mit einer positiven Geburtenbilanz (und einer positiven Wanderungsbilanz) zu rechnen. Nach den Vorausberechnungen der UN wächst die Bevölkerungszahl der USA von 2010 bis 2050 von 310 auf 357 Millionen (untere Variante der Vorausberechnungen) bzw. auf 403 Millionen (mittlere Variante) und 452 Millionen (obere Variante).

Sonderfall Deutschland

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Bevölkerungsvorausberechnungen für Deutschland, koordiniert mit den 16 Statistischen Landesämtern, die analoge Vorausberechnungen für ihr jeweiliges Bundesland erstellen.

Die Koordination der Statistischen Ämter ist vor allem wegen der Wanderungen zwischen den Bundesländern (Binnenwanderungen) unerlässlich. Weil jede Zuwanderung in irgend-einem anderen Land eine Abwanderung ist, muss die Summe aller Zuwanderungen gleich der Summe aller Abwanderungen und damit die Summe aller Binnenwanderungssalden gleich Null sein.

Die letzte zwischen Bund und Ländern koordinierte Vorausberechnung des Statistischen Bundesamtes ist die zwölfte, sie stammt vom November 2009. Zusätzlich zum Statistischen Bundesamt führen das Statistische Amt der Europäischen Union in Luxemburg, die Population Division der UN in New York und einige Forschungsinstitute in Deutschland Bevölkerungsvorausberechnungen durch, darunter beispielsweise das frühere Institut für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik der Universität Bielefeld, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung in Bonn. Diese Forschungsinstitute wenden im Wesentlichen das gleiche Vorausberechnungsverfahren an. Abweichende Ergebnisse erklären sich aus den unterschiedlichen Annahmen, nicht aus den eingesetzten Rechen- bzw. Prognoseverfahren.

Die "12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung" des Statistischen Bundesamtes vom November 2009 beruht auf dem Bevölkerungsbestand am 31. Dezember 2008. Ihr Vorausschätzungszeitraum reicht bis zum Jahr 2060 mit Zwischenergebnissen für jedes Jahr. Sie bietet eine Vorausberechnung, die ein Intervall für die künftige Entwicklung absteckt (Bevölkerungsprojektion). Das Intervall umfasst ein Dutzend alternative Varianten, die sich aus der Kombination von unterschiedlichen Annahmen über die Entwicklung der Geburtenrate, der Lebenserwartung und des Wanderungssaldos ergeben. Für die Geburtenrate werden alternativ folgende Annahmen zugrunde gelegt: 1. Konstanz auf dem Niveau von 1,4 Lebendgeborenen pro Frau, 2. leichter Anstieg auf 1,6 und 3. Rückgang auf 1,2.

Deutschland: Bevölkerungsprognose bis 2060.

Bei der Lebenserwartung wird eine Zunahme bis 2060 bei den Männern von 77,3 auf 85,0 und bei den Frauen von 82,5 auf 89,2 angenommen (Basisvariante). Zusätzlich gibt es die Variante "stetiger Anstieg" auf 87,7 (Männer) bzw. 91,2 (Frauen). Schließlich wird ein jährlicher Wanderungssaldo von 100 000 bzw. 200 000 vorausgesetzt.

Das Fazit dieser Projektionsrechnungen ist: Die Bevölkerung schrumpft von 2009 bis 2060 in der mittleren Variante von 81,7 Millionen auf 64,7 Millionen (Untergrenze der mittleren Variante) bzw. auf 70,1 Millionen (Obergrenze der mittleren Variante). Bei sämtlichen Varianten steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung stark an. So erhöht sich der Altenquotient (Verhältnis der Personen im Rentenalter, z.B. 65 und mehr, auf 100 Personen im Erwerbsalter, z. B. 20 bis 64) auf das Doppelte. Der Jugendquotient (unter 20-Jährige auf 100 Personen zwischen 20 und 64) bleibt dabei relativ stabil, weil der Rückgang der unter 20-Jährigen und der Rückgang der 20 bis 64-Jährigen fast parallel verlaufen.

Die Bevölkerungsvorausberechnungen des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik der Universität Bielefeld (IBS) von 1998 sind bisher (2010) mit einem Fehler im Promillebereich eingetroffen. Sie bestehen aus 28 Varianten. Die hohe Zahl der Varianten ergibt sich daraus, dass die Berechnungen nach Deutschen und Zugewanderten sowie nach alten und neuen Bundesländern, also nach vier Bevölkerungsgruppen, untergliedert sind.

Für jede der vier Bevölkerungsgruppen wurden je sieben Varianten, insgesamt also 28 Vorausberechnungen durchgeführt, von denen hier aus Platzgründen nur die mittlere dargestellt wird. Sie entspricht weitgehend der unteren Variante der "12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung" des Statistischen Bundesamtes, die acht Jahre später durchgeführt wurde. Dabei sind die Ergebnisse für die Jahre nach 2050 als Modellrechnungen zu verstehen, nicht als Projektionen oder gar als Prognosen.

Deutschland: Bevölkerung bis 2080.

Als Fazit ergibt sich: Die Bevölkerungszahl nimmt wie in den letzten drei Jahrzehnten bis zum Anfang der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts infolge der Zuwanderungen vorübergehend noch leicht zu, danach beginnt ein langfristiger Rückgang, weil die Geburtenrate das Bestandserhaltungsniveau unterschreitet und das steigende Geburtendefizit immer weniger durch Einwanderungen ausgeglichen wird. Die schon 1998 veröffentlichten Vorausberechnungen lassen sich mit den Ist-Zahlen der Bevölkerung von 2010 vergleichen, die Differenz beträgt bis 2010 vier Promille.

Die Bevölkerungsgruppe mit deutscher Staatsangehörigkeit (zum Stichtag 31. Dezember 1998) schrumpft unter den getroffenen Annahmen ohne Berücksichtigung von Staatsbürgerschaftswechseln in den alten Bundesländern von 1998 bis 2060 um rund 25,8 Millionen Menschen, und zwar von 59,6 auf 33,8 Millionen, die deutsche Bevölkerung in den neuen Bundesländern nimmt im gleichen Zeitraum von 15,0 auf 7,9 Millionen ab.

1910, 1970, 2009, 2060: Der Altersaufbau der deutschen Bevölkerung im Vergleich.

Der Schrumpfungsprozess gewinnt bei konstanter Kinderzahl pro Frau von 2050 bis 2080 an Intensität. Im Gegensatz dazu wächst die Gruppe der zugewanderten Bevölkerung und ihrer Nachkommen von 1998 bis 2060 von 7,4 auf 20,4 Millionen, wobei der Anteil der Zugewanderten in den alten Bundesländern wesentlich höher ist als in den neuen. Dies ergibt für Deutschland insgesamt trotz des angenommenen Wanderungssaldos von jährlich 170 000 einen Rückgang der Gesamtbevölkerung von 1998 bis 2060 von 82,1 auf 62,2 Millionen, also um rund 20 Millionen oder um 24,2 Prozent.

Hinter der Bevölkerungsschrumpfung verbergen sich zwei gegensätzliche Entwicklungstendenzen: eine starke Zunahme der Zahl der über 60-Jährigen – also nicht nur ihres prozentualen Anteils – bei einer gleichzeitigen Abnahme der Zahl der 20- bis unter 60-Jährigen sowie der unter 20-Jährigen.

Durch die gegenläufige Entwicklung von Bevölkerungswachstum bei den Älteren und Bevölkerungsschrumpfung bei den Jüngeren nimmt das Durchschnittsalter zu, ein Sachverhalt, der als "demografische Alterung" bezeichnet wird. Diese wird meist durch den so genannten Altenquotienten (Zahl der über 60-Jährigen auf 100 Menschen in der Altersgruppe 20 bis 60) und durch das Medianalter (Alter, das von der Hälfte der Bevölkerung überschritten bzw. unterschritten wird) gemessen. Das Medianalter steigt von 1998 bis 2060 von 39 auf 52 Jahre. Der Altenquotient hatte 1998 einen Wert von 38,6, er nimmt bis 2060 auf 92,6 zu, also um das 2,4-fache.

Verteilung der Altersgruppen bis 2080.

Daraus ergibt sich also unter sonst gleichen Umständen – für ein konstantes Ruhestandsalter und ein konstantes Versorgungsniveau durch Leistungen der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung – die brisante Schlussfolgerung, dass der Versorgungsaufwand für die über 60-jährige und ältere Bevölkerung pro Kopf eines Menschen in der Altersgruppe 20 bis unter 60 um mehr als das Doppelte gesteigert werden müsste. Dies würde aber für die mittlere Generation eine unzumutbare Belastung bedeuten.

Um die demografische Alterung differenziert darzustellen, wird hier die Altersgruppe der über 60-Jährigen in die Teilgruppen 60-80 sowie 80 Jahre und älter untergliedert.

Die deutsche Gesamtbevölkerung nach Altersklassen bis ins Jahr 2100.

Unter den dargestellten Annahmen schrumpft die Zahl der Kinder und Jugendlichen (unter 20-Jährige) von 1998 bis 2060 um 8,6 Millionen, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sinkt von 21,6 auf 14,4 Prozent. Die Zahl der Menschen in der Altersgruppe 20 bis unter 60 schrumpft um 18,9 Millionen, gleichzeitig wächst die Zahl der 60-Jährigen und Älteren bis 2050 um 9,9 Millionen, ihr Anteil steigt von 21,8 auf 40,9 Prozent, aber danach geht die Zahl wieder bis 2060 auf 25,6 Millionen zurück. Die Zahl der 80-Jährigen und Älteren erhöht sich besonders stark, und zwar bis 2050 um drei Millionen auf zehn Millionen, ihr Anteil steigt bis 2050 von 3,7 auf 14,7 Prozent. Danach nimmt die Zahl der 80jährigen und Älteren bis 2060 wieder auf 8,3 Millionen ab. Zur Jahrhundertmitte ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen im Alter unter 20 etwa gleich groß wie die der über 80-Jährigen. Die Zahl der über 60-Jährigen ist dann drei mal so hoch wie die der unter 20-Jährigen.

Unterschiede zwischen den Ländern Europas

Länder und Regionen lassen sich durch eine Vielzahl von sozioökonomischen Kennziffern vergleichen, aber wenn man eine einzige Kennziffer mit größtmöglicher Aussagekraft auswählen müsste, wäre die Geburtenrate, gemessen durch die Kennziffer "Zahl der Lebendgeborenen pro Frau", wegen ihrer folgenreichen Auswirkungen auf die Entwicklungstendenzen von Wirtschaft und Gesellschaft wahrscheinlich die wichtigste. Zwischen den Ländern Europas gibt es große Unterschiede hinsichtlich der Geburtenrate. Dagegen hat sich die Lebenserwartung stark angeglichen.

Für einen internationalen Vergleich der Geburtenraten ist es unabdingbar, die Zahl der Lebendgeborenen pro Frau oder pro 1000 Frauen nach dem Alter der Mütter zu untergliedern. Zwar zeigt sich in allen Ländern das gleiche Muster: Die Zahl der Lebendgeborenen auf je 1000 Frauen nimmt ab dem Alter 15 zunächst bis zum Alter um 30 stark zu, um anschließend wie bei einer Glockenkurve wieder bis zum Alter 45-49 auf Null zu sinken. Aber für jede Altersgruppe bzw. jedes Altersjahr zwischen 15 und 49 bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Ländern.

Europa: Lebendgeborene auf 1000 Frauen nach dem Alter der Mütter von 2005-2010.

In Deutschland wurden beispielsweise im Zeitraum 2005-2010 von je 1000 Frauen in der Altersgruppe 15-19 durchschnittlich acht Kinder pro Jahr geboren, in Frankreich waren es beispielsweise nur sieben. Aber in der nächsten Altersgruppe 20-24 war die Zahl in Deutschland kleiner als in Frankreich (43 zu 54 Kinder). Vor allem in den beiden für das Gesamtniveau der Geburtenrate entscheidenden Altersgruppen 25-29 und 30-34, in denen mehr als zehn mal so viele Kinder zur Welt kommen als unter 20 oder Ende 30, waren die Zahlen in Frankreich wesentlich höher als in Deutschland: Je 1000 Frauen der Altersgruppe 25-29 brachten in Deutschland pro Jahr 81 und in Frankreich 133 Kinder zur Welt. ähnliche Unterschiede bestanden auch in den Altersgruppen 30-34, (88 zu 129 Kinder), 35-39 (43 zu 58 Kinder) und in der Altersgruppe 40-44 (acht zu zwölf Kinder).

Aus der Summe der Zahlen für die einzelnen Altersjahre von 0 bis 49 ergibt sich die Geburtenrate eines Landes. Sie betrug in Deutschland im Zeitraum 2005-2010 1,36 Lebendgeborene pro Frau und in Frankreich 1,97.

Westeuropa: Lebendgeborene auf 1000 Frauen nach dem Alter der Mütter.

In Europa als Ganzem waren es im Zeitraum 2005-2010 im Mittel 1,53 Lebendgeborene pro Frau, in Nordeuropa 1,83, in Westeuropa 1,63, in Südeuropa 1,43 und in Osteuropa 1,40. Der entscheidende Grund für die in Osteuropa niedrigere Geburtenrate zeigt sich bei einem Vergleich nach Altersgruppen: In Osteuropa kommen zwar in den jungen Altersgruppen 15-19 und 20-24 auf je 1000 Frauen deutlich mehr Kinder zur Welt als in den anderen europäischen Ländern, aber in den für das Gesamtniveau der Geburtenrate entscheidenden Altersgruppen 25-29 und 30-34 sind die Geburtenzahlen je 1000 Frauen wesentlich niedriger.

Deutschland: Lebendgeborene auf 1000 Frauen nach dem Alter der Mütter.

Die Geburtenrate Europas schwankte in den letzten 20 Jahren in dem relativ engen Intervall von 1,42 bis 1,57 Lebendgeborenen pro Frau, die Westeuropas zwischen 1,50 und 1,59. Hinter diesen nur geringfügigen Bewegungen verbergen sich starke Veränderungen in den verschiedenen Altersgruppen. Dabei fanden gleichzeitig zwei wichtige Verschiebungen statt: Infolge der Verlängerung der schulischen und beruflichen Ausbildungsgänge und der immer stärkeren Beteiligung der Frauen am Erwerbsleben nahm die Zahl der Lebendgeborenen pro Frau bei den unter 30-Jährigen ständig ab und jenseits des Alters 30 zu. Dies bedeutet, dass Geburten in eine spätere Phase des Lebenslaufs aufgeschoben wurden. Das mittlere Alter bei der Geburt der Frauen stieg dadurch in Deutschland auf über 30 Jahre. Da sich die beiden Veränderungen zum großen Teil ausglichen, blieb die Geburtenrate als Summe der Zahlen weitgehend konstant. Daraus erklärt sich auch die geringe Schwankungsbreite der Geburtenrate in den letzten zwei Jahrzehnten.

Der sogenannte demografische Wandel besteht aus drei gleichzeitigen, voneinander abhängigen Veränderungen – der Bevölkerungsschrumpfung, der Alterung und der Internationalisierung der Bevölkerungsentwicklung durch Einwanderungen. Vor allem die Bevölkerungsschrumpfung und die demografische Alterung werden in erster Linie durch die niedrige Geburtenrate verursacht. Da sich die Geburtenraten der europäischen Länder stark unterscheiden, sind auch deren Auswirkungen auf die Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung unterschiedlich:

  • Besonders intensiv altern die Länder mit den niedrigsten Geburtenraten, vor allem die osteuropäischen und südeuropäischen Länder sowie Deutschland. Frankreich und die nordeuropäischen Länder verzeichnen die höchsten Geburtenraten in Europa. In diesen Ländern ist die demografische Alterung in erster Linie wegen der höheren Geburtenraten und nur in geringerem Maße auch wegen der steigenden Lebenserwartung am geringsten. Die Bevölkerung wächst hier in den nächsten Jahren infolge von Geburtenüberschüssen und Einwanderungen weiter.

  • Die Einwanderung jüngerer Menschen würde den Anstieg des Altenquotienten in der EU nicht stoppen, sondern nur mildern. Wollte man die demografische Alterung beispielsweise in Deutschland durch die Einwanderung junger Menschen verhindern und den Altenquotienten auf dem Niveau von beispielsweise 1995 konstant halten, müssten nach den Berechnungen der Population Division der UN in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts rund 188 Millionen Menschen nach Deutschland bzw. 1386 Millionen nach Europa netto einwandern. Das Ergebnis dieser Berechnungen ist nur auf den ersten Blick unplausibel, denn junge Einwanderer senken zwar den Altenquotienten in den ersten Jahren, aber wenn sie beispielsweise nach 30 Jahren selbst zu den über 60-Jährigen zählen, erhöht sich der Altenquotient dann um so stärker, je mehr Junge eingewandert sind. Ihre Geburtenrate ist zwar höher als die der Menschen ohne Migrationshintergrund, aber dies dämpft den Anstieg des Altenquotienten nur geringfügig.

  • Die für die wirtschaftliche Entwicklung wichtige Altersgruppe der 15- bis 65-Jährigen hat in den Ländern mit überdurchschnittlicher Geburtenrate auch ohne Wanderungen noch bis 2005-2010 leichte und im Falle Irlands noch bis 2040-2045 relativ starke Zuwächse. Zu diesen Ländern gehören neben Irland auch Frankreich, Großbritannien, Holland, Dänemark und Finnland. Aber im Durchschnitt der EU-Länder wäre diese Altersgruppe ohne Wanderungen bereits seit Ende des 20. Jahrhunderts geschrumpft.

  • Bliebe die Geburtenrate Europas konstant, würde die Bevölkerungszahl von 2010 bis 2050 von 727 Millionen auf 672 Millionen zurückgehen und das Medianalter von 40,1 auf 48,6 Jahre steigen (Berechnungen der UN-Population Division, 2010).

Wachstumsdynamik der Dritten Welt

Mit der sogenannten Nettoreproduktionsrate (NRR), einer der wichtigsten demografischen Kennziffern, lässt sich der Einfluss sowohl der Fertilität als auch der Mortalität in einer einzigen Messziffer berücksichtigen. Der Begriff Nettoreproduktionsrate ist als Zahl der lebendgeborenen Mädchen pro Frau unter Berücksichtigung der Sterblichkeit der Frauen definiert, sie misst den sogenannten Generationenersatz. Ist die NRR größer als eins, entfallen pro Frau mehr als eine Tochter bzw. pro Paar mehr als zwei Kinder, und die Bevölkerung wächst. Ist die NRR gleich eins, bleibt die Bevölkerung konstant, ist sie kleiner als eins, schrumpft sie.

Bei Berechnungen der Nettoreproduktionsrate wird berücksichtigt, dass nicht jedes geborene Mädchen sich seinerseits fortpflanzt, weil es zum Beispiel infolge der Säuglings- und Kindersterblichkeit vorzeitig stirbt. Bleibt der Einfluss der Mortalität auf die Fertilität unberücksichtigt, ergibt sich die sogenannte Bruttoreproduktionsrate (BRR).

Die natürliche Sexualproportion (Geschlechterverteilung) bei der Geburt beträgt im Mittel 106 Jungen pro 100 Mädchen oder gerundet 1,1 Jungen pro Mädchen, bzw. 2,1 Lebendgeburten pro Frau.

Bevölkerungswachstum in alternativen Messziffern von 2005-2010.

Die Anthropologie unterscheidet Staaten, in denen bei der Eheschließung für die Frau eine Mitgift bezahlt wird (vor allem in Asien), von Ländern, in denen ein Brautpreis entrichtet wird (vor allem in Afrika). In der ersten Ländergruppe werden Jungen bevorzugt, es gilt die "Sohnespräferenz". Die vorgeburtliche Geschlechtsdiagnose mit der Abtreibung von Mädchen ist in dieser Gruppe verbreitet, sodass die Sexualproportion bei der Geburt über dem natürlichen Wert von 106 Jungen zu 100 Mädchen liegt. Zu dieser Ländergruppe gehören Indien und China. Sind die beiden ersten Kinder Mädchen, steigt die Sexualproportion bei der Geburt auf Werte von über 140:100. Eine hohe Sexualproportion bei der Geburt verringert die Geburtenzahl und dämpft das Bevölkerungswachstum. Eine ähnliche Wirkung hat zum Beispiel auch die Abwanderung junger Frauen aus den neuen Bundesländern in die alten. Dadurch wird die Sexualproportion in dem für die Geburtenzahl wichtigen Alter von 25 bis 35 stark verringert, so dass beispielsweise im Jahr 2009 bei den 20-35-jährigen Frauen in Mecklenburg-Vorpommern ein "Defizit" von 14 Prozent bestand.

In afrikanischen Ländern mit hoher Sterblichkeit ist die Differenz zwischen der Brutto- und der Nettoreproduktionsrate extrem hoch, die Mortalität reduziert die Fertilität um 30 bis 40 Prozent. In einigen Ländern Afrikas ist die Fertilität mehr als doppelt so hoch wie zur einfachen Reproduktion der Bevölkerung erforderlich, die Nettoreproduktionsrate liegt zwischen zwei und drei, für Afrika insgesamt beträgt sie für 2005 bis 2010 1,80. Die Bevölkerung Afrikas wächst also – trotz der hohen Mortalität und trotz der Aids-Epidemie – von Generation zu Generation, das heißt im Abstand von 25 bis 30 Jahren, um 80 Prozent. In den Industrieländern betrug die NRR im Zeitraum 2005 bis 2010 0,79, in den Entwicklungsländern 1,14, darunter in den am wenigsten entwickelten Ländern 1,74, und in der Welt insgesamt 1,08.

Bevölkerungsreichste Länder

Im Jahr 2010 hatten die zehn bevölkerungsreichsten Länder der Welt einen Anteil von 59 Prozent an der Weltbevölkerung (6,9 Milliarden). Zu ihnen gehörten (Bevölkerungszahl in Millionen in Klammern): China (1341), Indien (1225), die USA (310), Indonesien (240), Brasilien (195), Pakistan (174), Nigeria (158), Bangladesch (149), Russland (143) und Japan (127). Deutschland (82) liegt nach Äthiopien (83) an fünfzehnter Stelle. Bei Drucklegung der ersten Auflage dieses Heftes im Jahr 2004 war Deutschland an zwölfter Stelle.

Staaten, die den größten Bevölkerungszuwachs verzeichnen.

Die jährliche Zunahme der Weltbevölkerung betrug am Anfang des 21. Jahrhunderts (Durchschnitt im Zeitraum 2005 bis 2010) 78 Millionen. Von diesem Zuwachs entfielen 42 Prozent auf folgende fünf Länder (jährlicher Bevölkerungszuwachs 2005 bis 2010 in Millionen in Klammern): Indien (16,9), China (6,7), Nigeria (3,7), Pakistan (3,0) sowie die USA (2,7).

Indien trägt auf Grund seiner hohen Fertilität (2,73 Kinder pro Frau) am meisten zur Zunahme der Weltbevölkerung bei (22 Prozent). Der Beitrag Indiens wäre dabei noch etwas höher, wenn die Sexualproportion bei der Geburt nicht durch vorgeburtliche Abtreibungen von Mädchen beeinflusst würde. Nach den Bevölkerungsvorausberechnungen der UN nimmt die Fertilität zwar auch in Indien von 2005-2010 bis 2045-2050 von 2,73 auf 1,87 Kinder pro Frau ab (mittlere Variante), das Bevölkerungswachstum setzt sich aber auf Grund der jungen Altersstruktur (Trägheit des Wachstums) bis in die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts fort. Die Bevölkerungszahl Indiens wächst von 2010 bis 2050 von 1225 Millionen auf 1692 Millionen, sie wird die Bevölkerungszahl Chinas ab dem Jahr 2020 mit dann 1388 Millionen übertreffen, sodass Indien noch in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts zum bevölkerungsreichsten Land der Erde wird.

Chinas Bevölkerung wird um das Jahr 2025 mit 1,4 Milliarden ihren Höhepunkt erreichen und danach abnehmen (mittlere Projektionsvariante der UN). Die Zusammengefasste Geburtenrate Chinas (TFR – siehe Glossar) ist auf Grund der mit hoher Priorität verfolgten, teilweise rigorosen Bevölkerungspolitik von 1950-1955 bis 2005-2010 von 6,11 auf 1,64 Kinder je Frau gesunken. Dadurch verringerte sich die jährliche Geburtenzahl von 1965 bis 1970 von 29 auf 17 Millionen. Zu dem Rückgang der Geburtenzahlen hat auch hier die gezielte, vorgeburtliche Abtreibung von Mädchen beigetragen.

In der Rangfolge der Länder mit dem größten Beitrag zur Zunahme der Weltbevölkerung schließt sich eine zweite Gruppe von fünf Ländern mit einem Anteil am Weltbevölkerungszuwachs von 11,9 Prozent, darunter Indonesien und Brasilien, und eine dritte Gruppe mit 7,8 Prozent an, darunter Mexiko und die Türkei.

Die Bevölkerungsentwicklung der Türkei wird beispielsweise gemäß der mittleren Variantenberechnung der Population Division der UN auf Grund der jungen Altersstruktur (und trotz der Annahme eines Auswanderungsüberschusses) von 2010 bis 2050 von 72,6 auf 91,6 Millionen anwachsen. Das Wachstum setzt sich in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts fort.

Auswirkungen der Aids-Epidemie

Maria Fatima Melo, eine brasilianische Krankenschwester des staatlichen Health Care Systems, verarztet AIDS-Patienten in ihrem Haus in Rio de Janeiro, Brasilien. (© AP)

Zu den von der Aids-Epidemie stark betroffenen Gebieten der Erde zählten im Zeitraum 2005-2010 62 Länder, darunter 40 in Afrika, fünf in Asien, elf in Lateinamerika und der Karibik, vier in Europa sowie eins in Ozeanien und die USA. Für die meisten Länder wird mit einer kontinuierlichen Ausbreitung der Epidemie bis 2050 und zunehmenden Auswirkungen gerechnet. Die Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen berücksichtigt die Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung, indem sie für die am stärksten betroffenen Länder zwei Varianten der Bevölkerungsprojektion mit und ohne Aids berechnet. Ergebnis: Ohne Aids würde die Weltbevölkerungszahl von 2000 bis 2050 von 6,1 auf 9,4 Milliarden zunehmen, mit Aids wächst sie nach der mittleren Vorausberechnungsvariante auf rund 9,1 Milliarden.

Die Differenz zwischen der Bevölkerungszahl beider Varianten beträgt im Jahr 2050 480 Millionen, davon entfällt der weitaus größte Teil (320 Millionen) auf Afrika. Ohne Aids würde die Bevölkerungszahl Afrikas von 2000 bis 2050 von 796 auf 2123 Millionen zunehmen, mit Aids beträgt die Zahl 1803 Millionen. In Asien stiege die Bevölkerungszahl ohne Aids von 2000 bis 2050 von 3680 auf 5359 Millionen, mit Aids auf 5222. Für Lateinamerika und die Karibik ist die Reduktion wesentlich geringer, das gleiche gilt für die USA und Russland.

Prof. Dr. rer. pol. habil. Herwig Birg war von 1981 bis 2004 Leiter des Lehrstuhls für Bevölkerungswissenschaft und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik (IBS) der Universität Bielefeld. Seine Hauptforschungsgebiete sind Bevölkerungstheorie, Fertilitätstheorie, Migrationstheorie, Mortalitätsanalyse und Lebenserwartung, Bevölkerungsprognose- und Simulationsmodelle sowie Bevölkerungsprojektionen. Kontakt: »herwig.birg@uni-bielefeld.de« Homepage:»www.herwig-birg.de«