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Vor 75 Jahren: Ausrufung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor 75 Jahren: Ausrufung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien

Redaktion

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde unter Führung des ehemaligen Partisanenführers Josip Broz Tito das zweite Jugoslawien gegründet. Der sozialistische Vielvölkerstaat existierte bis 1991.

Josip Broz Tito während seiner Vereidigung zum ersten jugoslawischen Staatspräsidenten im Parlament in Belgrad im Januar 1953. (© picture-alliance/dpa)

Am 29. November 1945 wurde die Interner Link: "Föderative Volksrepublik Jugoslawien" ausgerufen. Der auf dem Boden des ehemaligen Königreichs Jugoslawien gegründete Staat bestand aus den sechs Teilrepubliken Serbien, Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro und Mazedonien; die zu Serbien gehörenden Provinzen Vojvodina und Kosovo erhielten einen autonomen Status. Erster Ministerpräsident wurde Josip Broz Tito, der im Zweiten Weltkrieg den Widerstand der Partisanen angeführt hatte – gegen die deutsche und italienische Besatzung in Jugoslawien sowie die lokalen Einheiten der nationalistischen Četniks und Ustaša.

Der neue Staatschef etablierte ein eigenes sozialistisches Staatsmodell – die Arbeiterselbstverwaltung: Die Wirtschaft sollte dezentralisiert und von Arbeiterräten gelenkt werden, anders beispielsweise als in der zentralistisch verwalteten Sowjetunion. Doch wirtschaftliche Probleme seit den späten 1960er Jahren und Titos Tod 1980 gaben nationalistischen Bewegungen Auftrieb und führten schließlich zum Zerfall des Vielvölkerstaats.

Der erste jugoslawische Staat

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, dem Zerfall des Interner Link: Osmanischen Reiches und der Habsburger Monarchie gab es den ersten Versuch, die südslawischen Völker in einem gemeinsamen Staat zu einen. 1918 wurde das "Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen" (sog. SHS-Staat) und damit der erste jugoslawische Staat gegründet. In dieser parlamentarische Monarchie lebten zusammen etwa 10 Millionen Menschen, darunter Serben, Kroaten, Slowenen, bosnische Muslime, Montenegriner und Makedonier. 1929 löste König Aleksandar I. Karađorđević nach schweren innenpolitischen und ethnischen Konflikten das Parlament des SHS-Staates auf und rief die "Königsdiktatur" aus. Der Staat wurde in "Königreich Jugoslawien" umbenannt.

Während des Zweiten Weltkriegs überfiel und besetzte 1941 die deutsche Wehrmacht mit Hilfe italienischer, ungarischer und bulgarischer Verbände das Königreich Jugoslawien. Im Anschluss wurde das Gebiet zwischen Deutschland, Italien, Ungarn, Bulgarien und dem neu entstandenen faschistischen Vasallenstaat Kroatien aufgeteilt.

Das "Zweite Jugoslawien" unter Tito

Es waren die Partisanen der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) unter ihrem Anführer Josip Broz Tito, die mit Unterstützung Großbritanniens die deutschen Besatzer und deren Unterstützer zurückdrängen konnten und schließlich große Teile des Landes kontrollierten. Aus Moskau hatte es bis kurz vor Kriegsende trotz wiederholter Bitten Titos keine militärische Hilfe gegeben. Im Frühjahr 1945 wurde Tito mit Zustimmung der im Exil lebenden königlichen Regierung zum Regierungsführer einer neuen jugoslawischen Regierung ernannt. Die ersten Wahlen am 11. November 1945 gewannen Titos Kommunisten – die unter der Wahlliste Volksfront angetreten waren – deutlich. Eine verfassungsgebende Versammlung rief dann am 29. November die "Föderative Volksrepublik Jugoslawien" aus. Tito wurde zum Ministerpräsidenten gewählt.

Anfang 1946 erhielt Jugoslawien eine Verfassung nach sowjetischem Vorbild. In den folgenden Jahren distanzierte sich Tito jedoch von der Sowjetunion. 1948 kam es zum Bruch mit Stalin, in dessen Folge die jugoslawische KP aus dem Kommunistischen Informationsbüro (Kominform) ausgeschlossen wurde.

Tito regierte autoritär, seine Führung galt aber als relativ moderat. Insbesondere in den ersten Jahren nach Kriegsende wurde jedoch Zehntausende tatsächliche und vermeintliche Kollaborateure der Nationalsozialisten getötet. Angehörige von deutschen, ungarischen und italienischen Minderheiten wurden vertrieben oder ermordet. 1963 wurde Tito mittels einer Verfassungsänderung zum Staatspräsidenten auf Lebenszeit bestimmt. Sein als sozialistische Marktwirtschaft bezeichnetes Modell mit selbstverwalteten Betrieben, die in wirtschaftlicher Konkurrenz zueinander standen, funktionierte in der ersten Zeit gut. Zudem gelang es Tito als einende Integrationsfigur des Staates lange Zeit, nationalistische Tendenzen zu unterbinden – das Staatscredo lautete: "Brüderlichkeit und Einheit".

Jugoslawien 1981, Siedlungsgebiete der Volksgruppen. (mr-kartographie, Gotha 2017) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

1961, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, war Jugoslawien maßgeblich an der Gründung der Bewegung der zunächst 25 Interner Link: blockfreien Staaten beteiligt. Tito war einer ihrer Wortführer, die sich für Selbstbestimmung und Entkolonialisierung einsetzten.

Der Tito-Staat in der Krise

Im Innern Jugoslawiens wurde die Lage jedoch zunehmend angespannt. Bereits Mitte der 1960er Jahre hatten wirtschaftliche Probleme und eine Schuldenkrise eingesetzt. Die regionalen Disparitäten zwischen den Republiken wurden immer größer. Auch die Verfassung von 1974, mit der u.a. die Föderalisierung des sozialistischen Jugoslawiens umgesetzt wurde, führte zu Kontroversen. Diese Verfassung übertrug den sechs Teilrepubliken weitreichende Entscheidungsbefugnisse. Zum Unmut Serbiens wurde auch der Autonomiestatus der zum serbischen Territorium gehörenden autonomen Provinzen Vojvodina und Kosovo durch die Verfassungsänderung erweitert. Sie erhielten weitgehende politische Eigenständigkeit sowie einen Sitz im achtköpfigen jugoslawischen Staatspräsidium. Zudem wurde ein Konsensprinzip eingeführt, dass den Teilrepubliken bei wichtigen Entscheidungen ein faktisches Vetorecht gab, was das gemeinsame politische Handeln erschwerte.

Der Tod Titos im Jahr 1980 sowie die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation und der Widerstand vor allem Kroatiens und Sloweniens gegen die wirtschaftliche Unterstützung der schwächeren Regionen Jugoslawiens höhlten den Staat in den 1980er Jahren aus. Zur Staatskrise trugen aber auch die nach 1945 nicht aufgearbeiteten Konflikte und Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs bei. Um das Band zwischen den Völkern Jugoslawiens nicht zu zerreißen, wurde über die gegenseitigen Verbrechen und Massaker im Zweiten Weltkrieg Stillschweigen bewahrt.

Nationalismus und Bürgerkrieg

Slobodan Milošević, seit 1987 Staatschef der Teilrepublik Serbien, setzte den Nationalismus zur Festigung seiner Macht ein. In der folgenden Zeit baute er das Gewicht der Teilrepublik Serbiens im Bund aus, in dem er unter anderem die Autonomie des Kosovo und der Vojvodina durch eine serbische Verfassungsänderung wieder drastisch einschränkte.

Die ersten freien Wahlen im Jahr 1990 brachten in den Teilrepubliken vor allem national gesinnte Politiker an die Macht, anschließende Referenden bestätigten die nationalen Abspaltungstendenzen. Mit den Unabhängigkeitserklärungen durch Slowenien und Kroatien am 25. Juni 1991 mündete der Interner Link: Staatszerfall in Gewalt und Interner Link: mehreren Kriegen: Zehn-Tage-Krieg um Slowenien (1991), Kroatien-Krieg (1991-1995), Interner Link: Bosnien-Krieg (1992-1995) und Interner Link: Kosovo-Krieg (1999).

Der Krieg hat tiefe Wunden hinterlassen

Die Zahl derjenigen, die den postjugoslawischen Kriegen zwischen 1991 und 1999 zum Opfer fielen, schwankt zwischen 150.000 und 200.000 Menschen. Zudem mussten etwa 2,5 Millionen Menschen ins Ausland fliehen, weitere 2 Millionen Menschen wurden innerhalb ihrer Herkunftsländer vertrieben. Die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen dauert an und ist von geschichtspolitischen Rivalitäten und entgegengesetzten Erinnerungskulturen geprägt.

Nachfolgestaaten Jugoslawiens heute. (mr-kartographie, Gotha 2017) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens gibt es heute sieben souveräne Staaten, darunter Kosovo, dessen Unabhängigkeit bisher von 115 Staaten – darunter Deutschland – anerkannt wurde und das weiterhin von Serbien als autonome Provinz beansprucht wird. Mehrere EU-Staaten wie Spanien erkennen das Land bis heute nicht an, um Unabhängigkeitsbestrebungen im eigenen Land keinen Aufwind zu verschaffen. Zwei der jugoslawischen Nachfolgestaaten – Kroatien und Slowenien – sind heute Mitglied der EU. Montenegro, Nordmazedonien und Serbien zählen zu den EU-Beitrittskandidaten, Bosnien-Herzegowina und Kosovo gelten als potenzielle Beitrittskandidaten.

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