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Europa der Regionen | bpb.de

Europa der Regionen

R. Hrbek

Der Begriff E. verweist heute darauf, dass Regionen (= subnationale Gebietskörperschaften, die sich in ihrem verfassungsrechtlichen Status und ihrer politischen Qualität von Staat zu Staat erheblich unterscheiden und die auch ganz unterschiedliche Bezeichnungen haben: z. B. Länder, Kantone, Regionen, Gemeinschaften) an Bedeutung gewonnen haben und sowohl national (im Rahmen des Staates) als auch international (v. a. im Rahmen der EU, aber auch durch vielfältige grenzüberschreitende Kooperationsbeziehungen) eine stärkere politische Rolle spielen, mehr Gewicht haben und deshalb auch entsprechend wahrgenommen und beachtet werden. In vielen westeurop. Staaten erfolgten seit den 1970er-Jahren Maßnahmen und Schritte in Richtung Dezentralisierung, Regionalisierung und Föderalisierung, vielfach verfassungsrechtlich verankert. Der Wunsch nach stärkerer Effizienz und größerer demokratischer Legitimation haben solche Entwicklungen ebenso gefördert wie der Wertewandel (Präferenz für kleinräumige Einheiten, Basisorientierung und Partizipation) und die Ausgestaltung der EG-Regionalpolitik. Vergleichbare Entwicklungen sind auch in den mittel- und osteurop. Transformationsstaaten zu beobachten. In der EG/EU, verstanden als Mehrebenensystem, spielt die subnationale (= regionale) Ebene seit den 1980er-Jahren und v. a. seit dem Vertrag von Maastricht (1992) eine stetig stärkere Rolle. Regionen gelten mittlerweile als etablierte Akteure im EU-System: Insbesondere in Belgien, Deutschland, Österreich und Spanien, aber auch in Großbritannien (Schottland) und Italien haben sie innerstaatliche Mitwirkungsrechte in EU-Angelegenheiten erhalten. Sie haben sich mit eigenen Vertretungen in Brüssel etabliert und betreiben dort aktives Lobbying. Mit dem Ausschuss der Regionen verfügen sie (zusammen mit den Kommunen) über eine eigene EU-Institution, die allerdings nur beratende Kompetenzen hat. Die 1985 im Rahmen des Europarates gegründete Versammlung der Regionen Europas (VRE) mit mehr als 350 Mitgliedern repräsentiert die Gesamtheit der Regionen. Eine kleinere Gruppe von Regionen mit gesetzgebenden Befugnissen hat die Gruppierung RegLeg geschaffen, um ihre speziellen Anliegen primär in der EU einzubringen. Unter dem Dach des Europarats existiert seit 1994 der »Kongress der Gemeinden und Regionen Europas«. Nicht zuletzt engagieren sich Regionen in einer Vielzahl von Projekten interregionaler und grenzüberschreitender Kooperation: bi- und multilateral, zwischen benachbarten und weit auseinanderliegenden Regionen, mit ganz unterschiedlicher Rechtsgrundlage und -form.

Literatur

  • Gemeinschaftscharta der Regionalisierung des Europäischen Parlaments v. 18.11.1988, Amtsblatt der EG C 326 v. 19.12.1988.

  • R. Hrbek/S. Weyand: Betrifft: das Europa der Regionen. Fakten, Probleme, Perspektiven, München 1994.

  • D. Pitschel: Europa mit den Regionen, Baden-Baden 2012.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: R. Hrbek

Siehe auch:

Fussnoten