Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Kleinparteien | bpb.de

Kleinparteien

Katharina Gerl

Einleitung

Auf dem Stimmzettel zur Bundestagswahl 2017 standen 34 Parteien mit Landeslisten zur Wahl. Insgesamt waren es sogar 42 Parteien. Nicht nur nach der Bundestagswahl 2017, sondern regelmäßig gelingt nur gut einer Hand voll Parteien der Einzug in die Parlamente (→Bundestag; Landtage). Auch im Scheinwerferlicht politischer Berichterstattung, sowie politikwissenschaftlicher Forschung stehen in erster Linie →Parteien, denen eine realistische Chance eingeräumt wird, bei Wahlen zu reüssieren.

Dabei zeigt sich abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit und außerhalb der Parlamente ein erstaunlich dynamisches Spektrum an Parteien. Teilweise beteiligen diese sich bereits über Jahrzehnte hinweg am politischen Wettbewerb ohne Aussicht auf nennenswerten Erfolg. Seit der ersten Bundestagswahl im Jahr 1949 ist die Anzahl der in Wahlanalysen als „Sonstige“ zusammengefassten Parteien alles in allem stetig gestiegen. Parteien, die regelmäßig in diese Kategorie fallen, werden hier als Kleinparteien verstanden.

Welche Bedeutung haben Kleinparteien für das →politische System Ds, wenn ihnen der Weg in den politischen Entscheidungsraum verwehrt bleibt? Wozu braucht es sie eigentlich? Diese Fragen leiten den Beitrag. Um sie zu beantworten werden die Entwicklungslinien der Kleinparteien auf Bundesebene zwischen 1949 und 2017 nachgezeichnet, ohne dabei auf einzelne Parteien oder Parteifamilien tiefer einzugehen (→Parteien und Parteiensystem).

Begriffsverständnis

In der Literatur finden sich diverse „Größentypologien“ von Parteien, die mit unterschiedlichen Abstufungen und Typenbezeichnungen arbeiten. Die Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Typen erfolgt in der Regel anhand des elektoralen Erfolgs und der damit verbundenen politischen Relevanz der Parteien.

Kleinparteien sind zunächst von Großparteien abzugrenzen. Darüber hinaus werden z. B. Kleinstparteien, kleinere oder kleine Partei unterschieden. Allerdings werden weder letztere Abstufungen einheitlich verwendet, noch gilt das für den Begriff der Kleinpartei an sich. Entsprechend groß ist die Bandbreite an Begriffsverständnissen. So unterscheiden einige Autoren zwischen Kleinst-, Klein-, kleineren und Großparteien, wobei Kleinparteien manchen Definitionen folgend den Sprung in ein Parlament auf Europäischer-, oder Landesebene geschafft haben, während dies den Kleinstparteien nicht gelungen ist (u. a. Niedermayer 2014).

Für Jesse (2015) zeichnen sich Kleinparteien dadurch aus, dass sie nicht im Parlament vertreten sind. Innerhalb dieser Gruppe differenziert er dann anhand der Distanz zur 5 % Hürde und nachfolgend zu der für die Wahlkampfkostenerstattung relevanten 1 % (Landesebene) bzw. 0,5 % (Bundesebene) Hürde die Gruppe der Kleinparteien weiter aus. Er unterscheidet „große Kleine“, „mittlere Kleine“, „kleine Kleinen“ und „kleinste Kleine“ (Jesse 2015, S. 238).

Autoren wie van den Boom (1999) dagegen liefern eine eher qualitative Definition. Er definiert eine Kleinpartei als:

Zitat

„ (…) eine politische Partei, die sich aufgrund der rechtlichen, finanziellen, personellen, organisatorischen und programmatischen Rahmenbedingungen ihrer Arbeit nicht derart im politischen System durchsetzt, daß [sic] sie in signifikantem Maße aktiv und gestaltend am Entscheidungsprozeß [sic] und an der Auswahl politischen Führungspersonals teilhat.“

van den Boom 1999, S. 21

Darüber hinaus können Kleinparteien anhand weiterer Merkmale differenziert und typologisiert werden wie z. B. Programmatik, Ideologie oder Repräsentationsanspruch.

Die unterschiedlichen Definitionen machen darauf aufmerksam, dass zur Einordnung einer Partei die jeweilige politische Ebene mitsamt den geltenden wahlrechtlichen Rahmenbedingungen sowie die Entwicklungsdynamiken der Parteien selbst zu beachten sind. Werden rein quantitative Kriterien zur Abgrenzung genutzt, besteht die Schwierigkeit, diese theoretisch zu begründen. Werden wie in der Definition von van den Boom Schwellenwerte vermieden, so kann das zu Abgrenzungsproblemen führen (Niedermayer 2014, S. 75).

Dieser Beitrag legt ein breites Verständnis von Kleinparteien zugrunde. Da er auf die Bundesebene gerichtet ist bedeutet das, dass als Kleinparteien solche Parteien verstanden werden, die nicht im →Bundestag vertreten sind, also regelmäßig an der 5 %-Hürde scheitern und deshalb vom politischen Entscheidungsprozess ausgeschlossen sind. Eine weitere Binnendifferenzierung innerhalb dieser Gruppe wird nicht vorgenommen.

Rolle und Funktion im Parteiensystem

Im Hinblick auf die Zielsetzung unterscheiden sich Kleinparteien von Großparteien dadurch, dass sie als primäres Ziel nicht vote- oder office-seeking betreiben, sondern eher policy-seeking. So ist der Einzug in die Parlamente mitunter nicht das dezidierte Ziel von Kleinparteien. Vielen reicht es, auf Bundesebene 0,5 % (bzw. auf Landesebene 1 %) der Stimmen auf sich zu ziehen, um von der Wahlkampfkostenerstattung profitieren zu können.

Inhaltlich vertreten Kleinparteien Ideologien, Weltanschauungen, Themen oder Wählergruppen, die sie durch die etablierten Parteien nicht im ausreichenden Maße repräsentiert sehen. Sowohl im Hinblick auf das Parteiensystem, als auch auf den Parteienwettbewerb, kommen den Kleinparteien durchaus wichtige Funktionen zu, die sich allerdings von den klassischen Funktionen politischer Parteien unterscheiden. So spricht van den Boom von „Funktionen zweiten Grades […], die nicht konstitutiv für den Erhalt des politischen Systems erforderlich sind, sondern supplementär wirken“ (1999, S. 264; H. i. O.). Das →Bundesverfassungsgericht hebt in einem Urteil aus dem Jahr 2004 zur Parteienfinanzierung die Rolle der Kleinparteien als Herausforderer im demokratischen Wettbewerb hervor. Kleinparteien bilden nicht selten neue gesellschaftliche Konflikte und Entwicklungen ab, bevor diese durch die etablierten Parteien repräsentiert werden und übermitteln so die gesellschaftliche Pluralisierung (→Pluralismus) in das Parteienspektrum. Sie fungieren gewissermaßen als „Leuchttürme“, die andere Parteien auf neue gesellschaftliche Probleme hinweisen oder „unbequeme Wahrheiten“ artikulieren (Dietsche 2004, S. 62). Sind sie damit erfolgreich, kann das zu Anpassungsreaktionen bei den anderen Parteien führen.

Kleinparteien gelten zudem als Gradmesser für das „Ausmaß der Unzufriedenheit mit den bestehenden wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen“ (Schmidt und Stöss 1985, S. 162). Als „Protestparteien“ vertreten sie Positionen, die keine der Großparteien vertritt (Dietsche 2004, S. 62). So können Kleinparteien enttäuschten Anhängern anderer Parteien eine neue Identifikationsmöglichkeit bieten und so zur Systemstabilisierung beitragen. Außerdem decken sie die Ränder des politischen Spektrums ab und ermöglichen Bürgerinnen und Bürgern extremen Positionen bei Wahlen Ausdruck zu verleihen.

Auch organisatorisch und im Hinblick auf die Mitgliedschaft unterscheiden sich Kleinparteien von Großparteien. Kleinparteien verfügen aufgrund der meist ausbleibenden staatlichen Parteienfinanzierung und einer kleinen mitgliedschaftlichen Basis über weniger personelle und finanzielle Ressourcen. Zwar ist der Organisations- und Professionalisierungsgrad der Kleinparteien geringer als bei den Großparteien (→Parteiorganisation). Das bedeutet aber nicht, dass diese Parteien nicht auf Dauer angelegt sind. Aufgrund der Vorgaben des Parteiengesetzes weisen Kleinparteien im Vergleich zu anderen Organisationen politischer Interessenvertretung bisweilen einen höheren Organisationsgrad auf, dieser reicht jedoch nicht an den der Großparteien heran.

Die strukturellen Nachteile, denen Kleinparteien im Parteienwettbewerb unterliegen, wirken sich nicht nur negativ auf die Chancengleichheit zwischen Klein- und Großparteien aus. Sie haben auch Auswirkungen auf die Erfüllung der demokratietheoretischen Funktionen von Parteien, denen Kleinparteien nur bedingt gerecht werden können. Die Mobilisierungs-, Elitenrekrutierungs- sowie die Regierungsbildungsfunktion sind dabei durch die Ressourcendefizite und den geringen Organisationsgrad sowie die mangelnde öffentliche Aufmerksamkeit eingeschränkt. Die Mitwirkung an der politischen Willensbildung sowie die Interessenartikulationsfunktion erfüllen Kleinparteien durchaus, während ihnen die Transmission von Interessen in den politischen Entscheidungsraum qua Definition verwehrt bleibt.

Entwicklung der Kleinparteien auf Bundesebene

Seit der ersten Bundestagswahl im Jahr 1949 hat sich die Anzahl der Parteien, die sich zur Wahl gestellt haben deutlich erhöht. Die Einführung der bundesweiten Sperrklausel im Jahr 1953 hat allerdings wie beabsichtigt dazu geführt, die Anzahl der im Parlament vertretenen Parteien stabil zu halten. Abb. 1 gibt Auskunft über die Diskrepanz zwischen der Anzahl der wählbaren Parteien und der Anzahl der im Parlament vertretenen Parteien für die Bundestagwahlen seit Einführung der bundesweiten Sperrklausel 1953. Es zeigt sich, dass die Differenz im Zeitverlauf deutlich angestiegen ist: Waren vor der Einführung der 5 %-Hürde in der ersten Legislaturperiode von 1949 bis 1953 noch elf Parteien (→CDU und →CSU getrennt betrachtet) im Bundestag vertreten, verringerte sich die Anzahl der Parteien in der 2. Legislaturperiode auf sieben. Neben (CDU/CSU→FDP) und →SPD gelang nur dem Gesamtdeutschen Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE), der Deutschen Partei (DP) sowie dem Zentrum der Einzug ins Parlament, wobei DP und das Zentrum über Direktmandate einzogen.

Abb. 2 zeigt den Gesamtstimmanteil der Parteien, die den Sprung über die 5 %-Hürde bei den Bundestagswahlen seit 1953 nicht geschafft haben und damit den Kreis der Kleinparteien bilden. Es zeigt sich, dass alle „Sonstigen“ auf der Bundesebene, bis auf die Phase zwischen 1972 und 1990, nahezu bei jeder Bundestagswahl zusammengenommen einen Stimmanteil von rund 5 % erzielen konnten. Die teilweise recht hohen Stimmanteile in den Anfangsjahren der BRD sowie im Jahr 2013 erklären sich aus einzelnen bzw. einigen wenigen vergleichsweise starken Kleinparteien.

So erzielte z. B. die DP bei der Bundestagswahl 1953 3,3 % der Zweitstimmen. 1957 scheiterte die bis dahin im Bundestag vertretene GB/BHE mit 4,6 % nur knapp an der Sperrklausel, die DP erzielt noch 3,4 % der Stimmen. An diese Erfolge konnten beide Parteien bei den nächsten Wahlen nicht mehr anknüpfen, was die sinkenden Gesamtstimmanteile erklärt. Bei der Wahl 1965 (2,0 %) und insbesondere 1969 (4,3 %) trägt die NPD vor allem zum Stimmanteil der Kleinparteien bei. Erst mit dem Aufkommen der →Grünen gibt es 1980 wieder eine mittelstarke Kleinpartei mit 1,5 % der Stimmen. Bereits 3 Jahre später gelingt ihnen dann der Einzug ins Parlament, was sich im sinkenden Stimmanteil der Kleinparteien ausdrückt (s. Abb. 2).

Mit der Wiedervereinigung erweitert sich das bundesdeutsche Parteienspektrum nicht nur um die PDS, sondern auch um einige Kleinparteien. Ab den 1990er-Jahren schlägt sich die „Gründungswelle“ (van den Boom 1999, S. 12) neuer Parteien in der Anzahl der zur Wahl stehenden Parteien nieder. Insbesondere die Republikaner sind bei den Wahlen 1990 bis 1998 mit rund 2 % eine große Kleinpartei. Bei den Wahlen 2002 und 2005 zeichnet sich keine der vielen Kleinparteien durch nennenswerte Erfolge aus. Das ändert sich 2009, als die NPD 1,5 % der Zweitstimmen erzielt. Hinzu kommt bei diesen Wahlen der viel beachtete Erfolg der Piratenpartei (2 %). Im Sinne der oben beschriebenen „Leuchtturmfunktion“ steht die Partei für ein Themenfeld, dass die etablierten Parteien bis zu dem Zeitpunkt nur unzureichend abgedeckt haben: die Digitalisierung. Allerdings gelang es den Piraten nicht, daraus nachhaltig politisches Kapital zu schlagen.

Der deutliche Ausschlag im Stimmanteil der Parteien unterhalb der 5 %-Hürde im Jahr 2013 ergibt sich aus dem knappen Scheitern der Alternative für Deutschland (→AfD) sowie der FDP an der Sperrklausel. Rein quantitativ betrachtet, zählt die FDP zu diesem Zeitpunkt zu den Kleinparteien auf Bundesebene, auch wenn sie zu diesem Zeitpunkt auf Länderebene in Parlamenten und in Sachsen sogar in der Regierung vertreten ist. Durch den Einzug der beiden Parteien in den Bundestag 2017, erklärt sich die Normalisierung im Hinblick auf die Stimmanteile der „Sonstigen“. Stärkste Kleinparteien waren 2017 mit jeweils 1,0 % die Freien Wähler und die satirische Partei Die Partei. Die Tierschutzpartei (0,8 %) konnte zumindest die 0,5 % Hürde nehmen und kam so in den Genuss der Wahlkampfkostenerstattung.

Betrachtet man die Entwicklung innerhalb der Landschaft der Kleinparteien so zeigt sich insbesondere seit Mitte der 1980 Jahre eine enorme Ausdifferenzierung. Höhepunkt dieser Entwicklung war die Bundestagswahl 2017, bei der sich wie eingangs erwähnt 42 (von 48 zugelassenen) Parteien zur Wahl stellten.

In der Frühphase der BRD prägten ideologisch extreme Parteien sowohl aus dem national-konservativen wie z. B. die (DP), die Deutsche Reichs-Partei (DRP) später die NPD sowie aus dem linken Spektrum wie die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) oder später die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) die Landschaft der Kleinparteien. Ergänzt werden diese durch die konservative Zentrumspartei sowie Regionalparteien wie die Bayernpartei (BP) oder der Südschleswigsche Wählerverband (SSW). Ab Ende der 1960er-Jahre formieren sich unter dem Schlagwort „Neue Linke“ weitere linke Gruppierungen (u. a. Gruppe Internationaler Marxisten/GIM, Kommunistischer Bund Westdeutschland/KBW, Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands/MLPD), die bei Wahlen jedoch keine Erfolge erzielen. Auch am ideologisch rechten Rand bilden sich im Laufe der Zeit immer wieder neue Parteien (z. B. die Deutsche Volksunion (DVU), Die Rechte, Die Republikaner, pro Deutschland sowie rechtspopulistische Parteien wie die Schill-Partei), die den Status der Kleinparteien auf Bundesebene jedoch nie verlassen.

Neue gesellschaftliche Konfliktlinien ergänzen ab den 1980er-Jahren – über die Umwelt- und Friedensbewegung mobilisiert – in Form von ökologischen Parteien wie den Grünen, der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) oder der Öko-Union/Deutsche Solidarität das Parteienspektrum (→Werte und Wertewandel). Auch Parteien, die einzelne Themen, soziale Gruppen oder Partikularinteressen vertreten wie Frauenrechte (Frauenpartei), Familien (Familien-Partei Deutschlands), Rentnerinnen und Rentner (Die Grauen; RRP/Rentnerinnen und Rentner Partei), Arbeitslose und sozial Schwache (PASS, Bündnis Grundeinkommen/BGE), Autofahrer (Autofahrer- und Bürgerinteressenpartei Deutschalnds/APD), Migranten (Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit/BIG), Vegetarier (V-Partei) oder Tierschutz (Tierschutzpartei/Mensch, Umwelt, Tierschutz) finden sich nun auf den Wahlzetteln.

Ebenso religiös-spirituelle Parteien wie die Christliche Mitte (CM), die Violetten oder die Partei der Bibeltreuen Christen (PBC). Hinzu kommen Bürgerrechtsparteien wie die Bürgerpartei oder die Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo). Darüber hinaus bilden sich Spaß- und Protestparteien wie Die Partei oder die Partei der Nichtwähler.

Fazit und Ausblick

Die Landschaft der Kleinparteien kennt Dauerbrenner und Eintagsfliegen. Es zeigt sich, dass „im Schatten der Macht“ (Rowold 1974) die Landschaft der Kleinparteien wächst und gedeiht. Hier bildet sich die gesellschaftliche Pluralität und Heterogenität ab, die in den Parlamenten noch durch die Volksparteien überdeckt wird. Dass sich immer neue Kleinparteien bilden, kann als Hinweis auf Repräsentationsdefizite angesehen werden. Diese verstärken sich dadurch, dass die überwiegende Mehrheit der bei Wahlen antretenden Parteien auf Bundesebene außerhalb der parlamentarischen Arena verbleibt. Bezieht man hier die Anzahl der nichtverwerteten Stimmen mit ein, ergibt sich z. B. für die Bundestagswahl 2017 eine Gesamtzahl von fast 7 Mio. Stimmen, die sich nicht in Mandate niederschlug; zugegebenermaßen ein besonderes drastischer Fall.

Aktuell scheint es auf Bundesebene keine Kleinpartei zu geben, die in absehbarer Zeit in der Lage wäre, den Sprung ins Parlament zu schaffen. Hier kommen die angesprochenen strukturellen Wettbewerbsnachteile zum Tragen. Insbesondere die Sperrklausel steht dabei immer wieder zur Diskussion. Rückenwind bekam diese Debatte nach der Herabsenkung der Sperrklausel für die Europawahl auf 3 % sowie zuletzt aufgrund eines weiteren Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2014, welches auch die Drei-Prozent-Hürde als verfassungswidrig einstufte. Hauptargument waren dabei die Chancengleichheit der Parteien sowie die Gleichwertigkeit der Wählerstimmen. Doch selbst die Absenkung der 5 %-Hürde auf der Bundesebene auf 3 % würde für die überwiegende Mehrheit der Kleinparteien ein unüberwindbares Hindernis darstellen. Dies wird auch als Argument gegen die aktuelle Sperrklausel auf Bundesebene angeführt.

Profitieren könnten Kleinparteien zukünftig von der gesellschaftlichen Fragmentierung sowie der sinkenden Anzahl an Stammwählerinnen und ‐wählern der großen Parteien. Vor dem Hintergrund sich verändernder Mehrheitsverhältnisse können wachsende Stimmanteile der Kleinparteien dazu führen, dass die Organisation tragfähiger Koalitionen zukünftig erschwert wird. Abhängig ist der Erfolg von Kleinparteien allerdings davon, ob es den Großparteien gelingt, diese Entwicklungen wieder einzufangen. Unabhängig davon bleiben Kleinparteien Ausdruck der gesellschaftlichen Pluralität und fungieren als belebendes Element des Parteienwettbewerbs.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Katharina Gerl

Fussnoten