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Türkische Sprachen | bpb.de

Türkische Sprachen

werden von etwa 130 Mio. Menschen in einem Gebiet gesprochen, das vom Balkan im Westen bis in die chin. Provinz Qinghai (sprich: «tschinghai») im Osten und von Sibirien im Norden bis in die iran. Provinz Fars im Süden reicht. Zu den grundlegenden, wenn auch in der Gegenwart teilweise nicht mehr immer deutlich erkennbaren Gemeinsamkeiten aller t. S. zählen Vokal- und Konsonantenharmonie, Agglutination, strikte Unterscheidung zwischen Nomen und Verb sowie das Fehlen von Präpositionen. Die Gesamtheit der heute gesprochenen t. S. kann auf Grund sprachwissenschaftlicher Kriterien in verschiedene Gruppen unterteilt werden. Eine gängige Einteilung, die sich weitgehend an die geograph. Verbreitung der einzelnen Sprachen anlehnt, konstituiert folgende Gruppen: Südwest- oder oghus. Gruppe (in Klammern ­jeweils das Verbreitungsgebiet und die Zahl der Sprecher) mit den Hauptsprachen (Türkei-)Türkisch (Türkei, mehr als 50 Mio., Westeuropa, knapp 3 Mio.), Aserbaidschanisch (Aserbaidschan und Nordwestiran, etwa 20 Mio.) und Turkmenisch (Turkmenistan, Nordostiran und Nordwestafghanistan, etwa 4 Mio.); Nord­­west- oder kiptschak. Gruppe mit den Hauptsprachen Tatarisch (Tatarstan, Baschkirien oder Baschkortostan und Russland, knapp 4 Mio.), Kasachisch (Kasachstan, Usbekistan, Xinjiang und Mongolei, etwa 10 Mio.) und Kirgisisch (Kirgisistan und Xinjiang, knapp 3 Mio.); Südost- oder uyghur. Gruppe mit den Haupt­sprachen Usbekisch (Usbekistan, Nordafghanistan, Tadschikistan, ­Kasachstan, Kirgisistan und Turkmenistan, mehr als 20 Mio.) und Uyghurisch (Xinjiang und Kasachstan, mehr als 8 Mio.); Nordost- oder sibir. Gruppe mit den Hauptsprachen Yakutisch (Sacha) (Yakutien, etwa 450 000) und Tuvinisch (Tuva, etwa 200 000). Das an der mittleren Wolga gesprochene Tschuwaschisch (etwa 1,3 Mio. Sprecher) bildet eine von den anderen vier Gruppen deutlich verschiedene, eigenständige Gruppe. Abgesehen von den jüd. Ka­raimen in Litauen, Polen und der Ukraine und den russisch-­orthodoxen Gagausen in der Ukraine, in Rumänien und Bulgarien sind alle Sprecher der den ersten drei genannten Gruppen angehörenden t. S. Muslime. Die Aserbaidschaner sind Interner Link: Schiiten, alle anderen muslim. Sprecher t. S. Interner Link: Sunniten, die ganz überwiegend der hanafit. Interner Link: Rechtsschule angehören. Die Sprecher t. S. in Sibirien sind entweder Buddhisten bzw. Lamaisten, Russisch-­Orthodoxe oder Schamanisten. Oft finden sich in der von ihnen praktizierten Religion Elemente aller drei Glaubensvorstellungen. Die Tschuwaschen sind russisch-­orthodox. Histor. belegte türk. (Schrift-)Sprachen sind Alt- oder Orkhon-­Türkisch (etwa ab dem 8. Jh. in Runenschrift in der heutigen Nordmongolei), Alt-­Uyghur. (ab Mitte 9. Jh. in uyghur. Schrift, v. a. im östlichen Teil des heutigen Xin­jiang), Karachanidisch (erste islam.-türk. Literatursprache, ab dem 11. Jh. ganz überwiegend in arab. Schrift in Ost-­Turkestan, dem heutigen Xinjiang), Khorezmisch (13. und 14. Jh. im westlichen Zentralasien), Tschaghatayisch (ab 15. bis Mitte des 19. Jh. in ganz Zentralasien) und Osman. (ab 13. bis Anfang 20. Jh. im Osman. Reich).

Literatur: Bainbridge, M.: The Turkic Peoples of the World, 1993. – Johanson, L./Csató, E. A. (Hg.): The Turkic Languages, 1998. – Menges, K. H.: The Turkic Languages and Peoples. An Introduction to Turkic Studies, 1995.

Autor/Autorinnen:Dr. Michael Friederich, Berlin, Turkologie

Quelle: Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. München: 6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2018.

Fussnoten