DTDP Audio: Vor 60 Jahren – Urteile im Auschwitz-Prozess
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heute vor 60 Jahren wurden in Frankfurt die Urteile des ersten Auschwitz-Prozesses verkündet. Damit endete das bis dahin wichtigste Verfahren in Deutschland gegen Täter/-innen des NS-Regimes. Der Prozess gilt bis heute als Meilenstein in der Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit.
Erst ab 1950, also etwa fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, gestatteten die alliierten Siegermächte deutschen Gerichten die Strafverfolgung nationalsozialistischer Verbrechen. Bis dahin hatten die Alliierten selbst die Verfahren gegen die Hauptkriegsverbrecher des NS-Regimes geführt, wie z.B. bei den Nürnberger Prozessen von 1945-1949.
Die juristische Aufarbeitung der Gräueltaten aus der Nazizeit lief nur schleppend an. Die wenigsten Deutschen wollten sich zunächst mit den Verbrechen und deren Aufarbeitung wirklich auseinandersetzen. Viele der Angeklagten beriefen sich auf den sogenannten Befehlsnotstand – also, dass ihnen Gefahr für Leib und Leben gedroht hätte, wenn sie die Befehle nicht ausgeführt hätten. Das erschwerte die Verurteilung enorm, denn um wegen Mordes verurteilt zu werden, musste den Tätern und Täterinnen eine Tat samt niederer Beweggründe, wie z. B. rassistische Motive nachgewiesen werden.
Am 20. Dezember 1963 begann der sogenannte erste Frankfurter Auschwitz-Prozess. Angeklagt waren 24 Männer – darunter Lagerärzte, Aufseher und Adjutanten der Kommandanten. Die Lagerkommandanten selbst standen nicht vor Gericht: Sie waren bereits in anderen Verfahren zum Tode verurteilt worden oder in Haft gestorben. Insgesamt wurden 359 Zeuginnen und Zeugen vernommen, zwei Drittel von ihnen ehemalige KZ-Häftlinge. Viele schilderten unter großer psychischer Belastung ihre traumatischen Erlebnisse und erzählten detailliert von der Selektion der Häftlinge, Folter, Tötungen und Misshandlungen. Ihre Erinnerungen und Schilderungen wurden teils von Richtern und Verteidigern in Frage gestellt.
Im August 1965 fielen die Urteile: Sechs Angeklagte erhielten lebenslange Haft, einige weitere Zuchthausstrafen, die sie zum Teil jedoch vorzeitig beendeten oder gar nicht erst antreten mussten. Drei wurden freigesprochen. Keiner der Angeklagten zeigte im Prozess Scham oder Reue.
Die Strafen galten vielen als zu milde. Denn: Ein staatlich organisierter Massen- und Völkermord von derart unvorstellbarem Ausmaß war mit dem einfachen Mordparagrafen juristisch nur schwer zu fassen. Erst Jahrzehnte später ging die Tendenz in der Rechtswissenschaft dahin, in solch außergewöhnlichen Fällen wie dem Holocaust auf den individuellen Tatnachweis zu verzichten und die Täter/-innen als Teil einer „Vernichtungsmaschinerie“ zu verurteilen. Dennoch gilt der Auschwitz-Prozess als historisches Signal: Zwanzig Jahre nach dem Untergang des NS-Regimes bewies ein deutsches Gericht in einem fairen, rechtsstaatlichen Verfahren die systematische Todesmaschinerie der Hitler-Diktatur. Der Prozess bewirkte einen Sinneswandel in der Öffentlichkeit: Die Deutschen erkannten, dass sie sich ihrer jüngsten Vergangenheit stellen und mit ihrer Verantwortung für das Funktionieren der Nazi-Herrschaft ernsthaft auseinandersetzen müssen.
➡️ Mehr Informationen zum Auschwitz-Prozess findest du hier: Externer Link: https://kurz.bpb.de/dtdp2872
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