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Einleitung

Rabih El-Khoury

/ 3 Minuten zu lesen

Als ich die Internationalen Filmfestspiele in Berlin im Februar 2007 zum ersten Mal besuchte, arbeitete ich für einen Verband aus dem Libanon zur Förderung des unabhängigen arabischen Kinos. Mit unseren Vorführungen auf dem Europäischen Filmmarkt wollten wir das Interesse von Verleihfirmen und Festivalmacher/-innen für das neue arabische Kino und für unsere Filme wecken.
Ein Blick in das damalige Festivalprogramm machte mich sprachlos: Keine einzige arabische Produktion hatte es in eine der Festivalsektionen geschafft , und auf der Berlinale wurden lediglich die von uns auf dem Filmmarkt beworbenen Filme gezeigt.

Neun Jahre später sah die Filmlandschaft völlig anders aus. Der tunesische Spielfilm Hedi lief im Wettbewerb. Regisseur Mohamed Ben Attia wurde mit dem Preis für den Besten Erstlingsfilm ausgezeichnet, Hauptdarsteller Majd Mastoura wurde der Silberne Bär für den Besten Darsteller von Jury-Präsidentin Meryl Streep überreicht. Im Wettbewerb um den besten Kurzfilm gewann der palästinensische Filmemacher Mahdi Fleifel den Silbernen Bären für seinen Kurzfilm A Man Returned. In der Sektion Forum wurde der ägyptische Spielfilm In the Last Days of the City von Tamer El Said mit dem Caligari-Filmpreis ausgezeichnet. Der Friedensfilmpreis ging an den Dokumentarfilm A Maid for Each von Maher Abi Samra.

Es ist kein Zufall, dass 2016 ein denkwürdiges Jahr für den arabischen Film auf der Berlinale war. In den letzten Jahren schafften es immer wieder arabische Filme auf die großen Festivals. Das internationale Interesse am arabischen Kino ist deutlich gestiegen. Doch worin liegt diese plötzliche Aufmerksamkeit begründet? Und hat die Sichtbarkeit arabischer Filme allein durch ihre Präsentation auf internationalen Festivals zugenommen? Traten in den vergangenen zehn Jahren bestimmte Themen besonders in den Vordergrund? Lassen sich neue Trends beobachten?

Bevor ich nach einer Antwort auf diese Fragen suche, möchte ich kurz erläutern, was das arabische Kino ist. Woher kommt dieser Begriff und wofür steht er? Was macht einen Film zu einem arabischen Film? Nach Angaben des Arab Film & Media Institute bezieht sich dieser Begriff "allgemein auf Filme von arabischen Filmschaffenden, die in der arabischen Welt produziert werden und/oder arabische Geschichten erzählen".

Damit kommen wir zur arabischen Welt als einem geografischen Gebiet, in dem die Menschen über ihre Muttersprache Arabisch miteinander verbunden sind. Dabei muss ein klarer Unterschied zwischen der "arabischen Welt" und dem "Nahen Osten" gemacht werden.

Die arabische Welt ist ein Gebiet, das ganz unterschiedliche Gemeinschaften mit eigenen Geschichten und verschiedenen ethnischen Minderheiten beheimatet. Und obwohl in den meisten Ländern dieser Region der Islam Staatsreligion ist, leben zahlreiche weitere Glaubensgemeinschaften in der arabischen Welt, darunter Menschen christlichen, jesidischen, drusischen sowie in geringerer Zahl auch jüdischen Glaubens, um nur einige zu nennen. Es ist daher wichtig, die arabische Welt nicht als eine geschlossene Einheit mit einer gemeinsamen Geschichte und einer Religion zu betrachten.

In diesem Artikel soll es ausschließlich um Filme arabischer Filmschaffender gehen. Einige von ihnen leben möglicherweise nicht mehr in der Region, setzen sich jedoch in ihren Filmen noch immer vor allem mit der arabischen Welt auseinander. Aus diesem Grund soll die arabische Welt in diesem Beitrag nicht als geografische Einheit betrachtet werden. Vielmehr werden Themen und Sachverhalte behandelt, die das vergangene Jahrzehnt in dieser speziellen Region stark geprägt haben. In diesem Artikel werden ausschließlich die englischen Filmtitel genannt.

Rabih El-Khoury ist als Diversity Manager im Team des DFF - Deutsches Filmmuseum & Filminstitut in Frankfurt am Main tätig. Darüber hinaus arbeitet er als Geschäftsführer am Metropolis Art Cinema sowie als Generalkoordinator des arabischen Filmfestivals The Beirut Cinema Days. Er hat über 20 arabische Filmwochen in der arabischen Welt und Europa organisiert. Seit 2014 ist er Programm-Manager von Talents Beirut und Mitglied des Verwaltungsrats der Metropolis Association. Er war außerdem Kurator des Filmpreises der Robert Bosch Stiftung.