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5. Pro-Contra-Debatte | bpb.de

5. Pro-Contra-Debatte

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Didaktische Hinweise



"Die Pro-Contra-Debatte ist eine hoch formalisierte, an strengen Regeln orientierte Methode für den Politikunterricht, die vor allem einen Beitrag zur rationalen politischen Urteilsbildung leisten soll. Ihre Grundlage ist die klassische Form der Debatte in der Tradition der angelsächsischen Debating Clubs. Ihr besonderes Arrangement und ihre Verlaufsform hat sich jedoch weitgehend aus dem Fernsehen übernommen.

Debatten unterscheiden sich von Unterrichtsgesprächen und von Diskussionen im Unterricht. Im Unterrichtsgespräch geht es vor allem um die Beantwortung von Fragen, um die Problematisierung von Sachverhalten, um das reflexive Nachdenken über das Thema. Im Unterrichtsgespräch soll die Vertrautheit mit dem Gegenstand erst hergestellt werden. Die Diskussion dagegen setzt diese Vertrautheit schon voraus, denn im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung. [...] Diskussionen sind in der Regel offen und müssen zeitlich nicht begrenzt sein.

Die Debatte ist dagegen strenger geregelt. Sie ist zeitlich befristet und kann als eine formal und methodisch zugespitzte Diskussion [...] gelten. In der Debatte geht es darum, unterschiedliche Positionen klar herauszuarbeiten, gegensätzliche Meinungen zu äußern, zu vertreten und zu begründen, sie vergleichend gegenüberzustellen und durch eine Abstimmung eine formale Entscheidung herbeizuführen. Sie hat einen eindeutigen Zweck: Es geht darum, Mehrheiten für alternative Vorschläge oder Positionen zu gewinnen. Insofern eignet sich diese Methode auch in besonderer Weise für politisches Lernen. Zwar sollte in der Debatte das "bessere" Argument ausschlaggebend sein, aber auch instrumentell-strategisches Denken und taktische Überlegungen sind legitime Mittel.

Obgleich jede Debatte in eine Entscheidung durch Abstimmung mündet, ist nicht die Entscheidung das zentrale Element, sondern deren Begründung sowie die Analyse der Argumente usw., die das Entscheidungsverhalten beeinflusst haben. Auf diese Weise kann die Debatte einen Beitrag zur politischen Urteilsbildung leisten. [...]

In der Debatte werden die zum Teil rationalen, zum Teil aber auch emotionalen Gründe als Urteilskriterien bewusst gemacht und mit anderen, ebenfalls rationalen oder emotionalen Urteilskriterien konfrontiert. [...] Sinn der Debatte im Politikunterricht ist es, Schüler mit möglichst vielen Begründungen vertraut zu machen, mit denen Urteile gerechtfertigt werden können, um zu zeigen, dass sie sich im Dialog erörtern lassen. Über diesen inhaltlichen Aspekt hinaus können Schüler und Schülerinnen lernen, genau zuzuhören, abzuwarten, Aussagen der Gesprächspartner präzise widerzugeben, sie zu kommentieren, Gegenthesen zu formulieren oder stützende Argumente zu finden. Auf der kommunikativen Ebene ist die Debatte eine gute Übung für die Praxis politischen Redens."

Quelle: Peter Massing, Pro-Contra-Debatte, in: Mickel 1999, S. 403 - 407.

Einsatzmöglichkeiten



"Es ist (...) sinnvoll, sie in der letzten Phase einer Unterrichtseinheit einzusetzen, denn sie bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung. Die Schüler und Schülerinnen müssen vorher das Problem analysiert, unterschiedliche Positionen herausgearbeitet, sich eine eigene Meinung gebildet, ein vorläufiges Urteil gefällt haben; erst dann können die Begründungen für die Urteile in einer Debatte verhandelt werden."

Quelle: Massing, a.a.O, S. 404. Aufgrund der Komplexität und "Verregelung" dieser Methode ist sie frühestens ab Klasse 10 geeignet. Die Debatte wird von einem Moderator geleitet, der auch auf die Einhaltung der Regeln achtet.

Vorbereitung in den Gruppen



1. Wählen Sie einen oder zwei Gruppensprecher - einer hält in der Debatte das Plädoyer, der andere erwidert auf das Plädoyer der anderen Gruppe.
2. Verschaffen Sie sich einen ersten Überblick über die Materialien der Infothek.
3. Gehen Sie bei der Bearbeitung arbeitsteilig vor: Teilen Sie die Materialien auf die Gruppenmitglieder auf. Jedes Gruppenmitglied wird zum Experten für ein Kriterium, indem er die Materialien zu einem Aspekt be-arbeitet. Recherchieren Sie im Internet nach aktuellen und vertiefenden Informationen!
4. Jedes Gruppenmitglied sammelt Argumente und hält sie auf Karteikarten fest.
5. Diskutieren Sie in Ihrer Arbeitsgruppe, welche Kriterien zur Stützung Ihrer Postion wichtig sind. Überlegen Sie auch denkbare Argumente der Gegenseite, um möglichst gut darauf reagieren zu können.
6. Ordnen Sie die Karteikarten / Argumente nach ihrer Wichtigkeit.
7. Erstellen Sie ein (übersichtliches!) Plakat mit den wichtigsten Argumenten. Das Plakat sollten Sie vor Be-ginn der Debatte gut sichtbar im Klassenraum aufhängen.
8. Formulieren Sie für Ihre Gruppe ein Plädoyer, indem Sie Ihre Position möglichst knapp und prägnant darle-gen
9. Nach der Bearbeitung informieren Sie sich gegenseitig!

Das Verfahren



1. Eröffnung durch den Moderator - der Moderator führt thematisch in die Debatte ein, weist nochmals auf die Regeln hin, auf deren Einhaltung er achtet.
2. Plädoyer - der Moderator erteilt den Gruppensprechern nacheinander das Wort; die Gruppensprecher hal-ten jeweils ihr Plädoyer, das nicht länger als 3 Minuten dauern sollte.
3. Kurze Zwischenbesprechung - die Gruppen ziehen sich wieder zu Beratungen zurück, um ihre Argumente und Strategie für die Erwiderung auszuarbeiten.
4. Erwiderung - die Gruppensprecher führen wieder jeweils die Erwiderung durch, um nach Möglichkeit die Argumente aus dem Plädoyer zu widerlegen.
5. Fragerunde des Plenums - das Plenum hat nun die Möglichkeit, Fragen an die Sprecher zu stellen.
6. Auswertungsgespräch - Besprechung von Aspekten, die in der Diskussion aufgefallen sind: Wie haben die SCH in ihrer Rolle verhalten? Wie haben sich die SCH in der jeweiligen Rolle gefühlt? Wie beurteilen Sie die von den Sprechern vorgetragenen Argumente hinsichtlich ihrer Qualität? Wie plausibel und überzeugend waren die Argumente


Themenwahl:



Wichtig ist es, ein echtes Pro-Contra-Thema auszuwählen, d.h. es muss eine Ja-Nein-Antwort zulassen. Das hier vorliegende Thema "Wählen schon ab 16?", das eine Herabsetzung des Wahlalters für die Bundestagswahl zur Diskussion anbietet, eignet sich für eine Debatte in hohem Maße. Wichtig ist eine gründliche inhaltliche Vorbereitung, d.h. alle Schülerinnen und Schüler sollten alle Texte kennen. Von einer arbeitsteiligen Erarbeitung der Pro-Contra-Texte ist abzuraten, da die Urteilsbildung dadurch schon im Vorfeld durch die einseitige Rezeption der Texte beeinflusst würde.

Die Rollen der Beteiligten:

- Der Moderator oder die Moderatorin führt die Abstimmungen durch und achtet darauf, dass die Spielregeln eingehalten werden.

- Die Pro-Contra-Gruppen wählen jeweils ein oder zwei Sprecherinnen oder Sprecher. Diese müssen die Argumente dem Plenum vorstellen und in der Runde der Erwiderung auf die Argumente der Gegenseite eingehen. Wichtig ist hier, dass der Moderator oder die Moderatorin darauf achtet, dass die Redner und Rednerinnen nicht in direktem Streitgespräch stehen, sondern dass die Argumente nacheinander vorgetragen werden. Diese Formalisierung dient zur Disziplinierung der Redner und Rednerinnen und erleichtert es dem Plenum auf die Stichhaltigkeit der Argumente zu achten. Gleichzeitig erhöht es den simulativen Charakter der Debatte. Sie funktioniert wie eine echte Bundestagsdebatte.

- Zuschauer: Sie fungieren als Adressaten der Debattierenden und entscheiden durch ihre Abstimmung über die Überzeugungskraft der Argumente und Redner. Es ist wichtig, dies den Schülern und Schülerinnen vorher klar zu machen. Wird die Debatte öfter eingesetzt, sollte man darauf achten, jeweils andere Schülerinnen und Schülern für die Pro-Contra-Gruppen auszuwählen, damit auch die stilleren eine Chance bekommen.

Auswertung der Debatte:

Ansatzpunkt ist der Vergleich der Abstimmungsergebnisse. Wer hat seine Meinung geändert und warum? Wer ist bei seiner Meinung geblieben und warum? Waren die Argumente überzeugend oder lag es vielleicht an der Art und Weise, wie sie vorgetragen wurden. Vertiefend kann die Frage nach den Werthaltungen hinter den Argumenten gestellt werden sowie die Frage nach der Verallgemeinerungsfähigkeit der Argumente. Was wäre, wenn alle so handelten? Ließe sich aus deiner Meinung ein allgemeines Gesetz formulieren?

Literatur



Wolfgang W. Mickel (Hrsg. ), Handbuch zur politischen Bildung, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung Band 358, Bonn 1999.

Fussnoten