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Orte der Demokratie - Orte der Macht: Institutionen erklären | bpb.de

Orte der Demokratie - Orte der Macht: Institutionen erklären Das parlamentarische Spiel

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Während eine Hälfte der Reise-Gruppe zum Thema "Orte der Demokratie – Orte der Macht" dem Bundesrat einen Besuch abstattete, besuchte die andere Hälfte das Berliner Abgeordnetenhaus. Geprägt waren beide Besuche von spannenden Gesprächen und neuen Erkenntnissen zum Thema Inklusion in der Politik.

Reise-Gruppe 4: Orte der Demokratie-Orte der Macht: Institutionen erklären. (© Swen Rudolph/bpb)

Bereits vor dem Eingang des Abgeordnetenhauses begrüßte ein Herr vom und zum Stein aus Bronzeguss die Teilnehmenden: Wie diese in der Führung lernten, handelt es sich dabei um einen verdienten Preussen, dem zu Ehren ein Denkmal vor dem Preußischen Landtag errichtet wurde. Umrundet wird der Herr von vier Figuren: der Wahrheit, der Vaterlandsliebe, der Energie und der Frömmigkeit. "Ob die Abgeordneten auch diese Eigenschaften auf sich vereinen?", fragten sich einige Teilnehmer.

Wahrheit, Vaterlandsliebe, Energie und Frömmigkeit

Auf die beschriebenen vier Kriterien wurden die anwesenden Abgeordneten aus vier von fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Fraktionen (Piratenpartei, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und CDU) im Gespräch mit der Gruppe selbstverständlich nicht geprüft. Wohl aber wurden sie kritisch zu bestimmten Themen befragt.

Nach der sehr klaren und verständlichen Vorstellung der Arbeitsweise des Berliner Parlamentes durch die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses Anja Schillhaneck (Die Grünen) entspann sich eine rege Diskussion mit dem Abgeordneten Joachim Krüger (CDU) über das "parlamentarische Spiel" zwischen Opposition und Regierung. Die Teilnehmenden erfuhren hier konkret, wie demokratische Prozesse ausgehandelt werden und dass das parlamentarische Geschehen zum Teil ganz eigenen, sehr komplexen Regeln folgt.

Viel Überzeugungsarbeit für inklusive Themen

Auch Fragen nach inklusiven Themen ließen nicht lange auf sich warten. Im Berliner Abgeordnetenhaus sei Inklusion ein "Querschnittshandeln", das heißt, Abgeordnete des Sozialausschusses würden in anderen Ausschüssen für die Beachtung dieser Themen werben und beratend bei verschiedenen Themen hinzugezogen. Dabei sei es selbstverständlich, dass alle Inklusion wollen, aber nicht immer Einigkeit darüber bestehe, wie diese sinnvoll umgesetzt werden kann, so formulierte es Joachim Krüger. Ausserdem machte er deutlich, dass inklusive Maßnahmen nicht nur von dem Wohlwollen der Parlamentarier abhängig seien, sondern außerdem viel Überzeugungsarbeit in der breiteren Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft an sich zu leisten sei. Das Bewusstsein, Geld und vor allem Zeit in inklusive Belange zu investieren, sei noch nicht überall da, so waren sich die anwesenden Abgeordneten einig.

Auch andere Hürden zwischen Politik und Bürgern (mit besonderen Bedürfnissen) wurden angesprochen. So zum Beispiel, wie das Verstehen auf beiden Seiten gefördert werden könnte. Die Leichte (oder sogar verständliche) Sprache sei in der Politik zum Beispiel noch nicht angekommen und damit würden viele von vornherein ausgeschlossen, kritisierte eine Teilnehmerin.

Auf Irrwegen zum Bundesrat

Von Anfang an war die Bildungsreise für die Gruppe, die sich zum Bundesrat aufgemacht hatte, eine spannende Sache. Was viele Menschen im Alltag erleben müssen, musste auch die Reise-Gruppe erfahren: Verspätungen lassen sich nicht immer vermeiden. Was aber ist zu tun, wenn die geplante Begegnung so wie vorgesehen nicht mehr zustande kommen kann? Scheitert die Reise? War alles vergeblich? Die Teilnehmenden stellten vor Ort fest, dass dies auf keinen Fall zutreffen sollte, denn der geplante Besuch im Bundesrat kam doch noch zustande: Die Gruppe wurde durch die Räume geführt und die Teilnehmenden erfuhren, dass der Bundesrat ein Parlament ist, in dem die Ländervertreter über wichtige Fragen der deutschen Politik (mit-) entscheiden. Von Teilnehmenden war anschließend zwar zu hören, dass mehr Zeit und mehr Informationen in einfacher Sprache wünschenswert gewesen wären. Aber dort zu sein, wo der Bundesrat arbeitet, wurde als etwas erlebt, was ihnen Politik näher bringt. Auch die etwas durcheinander geratene Reise dorthin, gemeinsam mit Personen, die ganz unterschiedliche Lebenserfahrungen und Voraussetzungen hatten, empfanden viele als ein spannendes inklusives Lernereignis.

Verstehen lernen

Zurückgekehrt aus den Institutionen diskutierten die Mitglieder beider Gruppen, wie man die Gräben zwischen Bürgerinnen und Bürgern und Politikerinnen und Politikern im Allgemeinen und im Besonderen für Menschen mit Lernschwierigkeiten auflösen könne. Darauf hatte die eine Gruppenhälfte von den Abgeordneten bereits Vorschläge erhalten: Man müsse vielfältige Möglichkeiten zum Kennenlernen und zum Kontakt schaffen. Die Teilnehmenden merkten an, dass es allerdings auch Vorbereitung auf die Treffen bedürfe, damit man sich gegenseitig verstehe. Dazu brauche es nicht nur rein sprachliche Verständlichkeit, sondern auch Wissen über die Lebenswirklichkeiten und Strukturen der jeweils anderen. Entscheidungen in der Politik würden zum Beispiel dann umso verständlicher, je mehr man darüber wüsste, unter welchen Bedingungen und vor welchen Hintergründen diese entstanden sind.

Letztendlich waren sich die Teilnehmenden der beiden Reise-Gruppen in einem einig: Den Kontakt müsse man als Bürger oder Bürgerin vor allem auch selbst suchen – mit Fragen, Ideen und konkreten Forderungen im Gepäck.

Von Nora Herrmann

Fussnoten