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Bundesländer (Länder) | bpb.de

Bundesländer (Länder)

Wichard Woyke

Kennzeichnung

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“, heißt es in Art. 20 Grundgesetz (GG). Damit ist eine Bestandsgarantie des → Föderalismus gegeben, allerdings keine über die Anzahl und die Größe der Länder. Gemäß Art. 28 GG muss die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtstaats entsprechen. Die Länder sind Gliedstaaten, der Bund ist der Zentralstaat. Art. 29 GG ermöglicht eine Neugliederung des Bundesgebiets in neue Länder; jedoch besteht kein Anspruch darauf. Art. 79 GG erklärt die bundesstaatliche Ordnung für unantastbar.

Durch die dt. Einigung hat sich die Zahl der Bundesländer von elf auf 16 erhöht, da durch das Länderneugliederungsgesetz der DDR vom 22. Juli 1990 die Wiedererrichtung der Länder BB, MV, ST, SN und TH beschlossen wurde. Mit Ausnahme von ST konnten die neuen Länder an historisch-geographische Traditionen anschließen. Dem Land BE, das in der BRD über einen Sonderstatus verfügte, wurde Ostberlin hinzugefügt. Die Länder sind auch durch unterschiedliche Verfassungskonstruktionen (Staatsziele, Verhältnis von Parlament und Regierung, Verankerung der Opposition u. a. m.) sowie verschiedene Parteienkonstellationen gekennzeichnet.

Verfassungsrechtliche Stellung der Länder

Im Bundesstaat sind die Gliedstaaten diesem zwar nachgeordnet, sie wirken aber gleichzeitig an der Willensbildung des Bundes mit. Die Gliedstaaten besitzen echten Staatscharakter. Er kommt in der Wahrnehmung eigener Kompetenzen in der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung zum Ausdruck. Die klassische horizontale Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive, Judikative) wird ergänzt durch die vertikale Gewaltenteilung zwischen Zentralstaat und Gliedstaaten. Unbestritten ist die Kompetenz der Länder zum Erlass eigener Verfassungen, wobei sie nur zu einem Mindestmaß an Homogenität mit der Bundesverfassung verpflichtet sind. Es besteht eine Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern, bei der folgende Regeln gelten: Für die Gesetzgebung ist in den meisten Bereichen der Bund zuständig; Verwaltung ist grundsätzlich Länderangelegenheit und in der Rechtsprechung besteht eine Verzahnung zwischen Bund und Ländern. Auch wenn es eine Kompetenzabgrenzung gibt, sind doch Bund und Länder eng miteinander verknüpft. Darüber hinaus sind die Länder durch den ungeschriebenen Grundsatz der Bundestreue verbunden. Allgemein bricht gemäß Art. 31 GG Bundesrecht jedoch grundsätzlich Landesrecht.

Zum Verhältnis Bund und Länder

Die Entwicklung der BRD war durch eine zunehmende Unitarisierung des parlamentarischen Systems gekennzeichnet. Durch die Aufnahme von Gemeinschaftsaufgaben in das Grundgesetz zur Zeit der ersten großen Koalition (1966–1969) erweiterte der Bund seinen Kompetenzrahmen, wie er auch durch Steuerreformen seinen Handlungsspielraum ausdehnte. Bei der Gesetzgebung hat der Bund eindeutig die Priorität. So steht ihm die ausschließliche Gesetzgebung z. B. in Auswärtigen Angelegenheiten, Verteidigung, u. a. m. zu. In verschiedenen Bereichen gibt es eine konkurrierende Gesetzgebung, wobei dem Bund allerdings Vorrang eingeräumt. In anderen Bereichen wiederum darf der Bund Rahmengesetze erlassen, Den Ländern dagegen steht die ausschließliche Gesetzgebung nur in folgenden Bereichen zu: Kulturelle Angelegenheiten, insbesondere Schul- und Bildungspolitik, Hörfunk und Fernsehen; Kommunalwesen, d. h. Organisationsrecht für Städte, Gemeinden und Landkreise sowie das Polizeirecht. Mitte 2006 kam es zu einer moderaten Föderalismusreform mit einer begrenzten Entflechtung der Kompetenzen von Bund und Ländern.

Über den Bundesrat wirken die Länder als Gliedstaaten am politischen Entscheidungsprozess des Bundesstaates mit. Der Bundesrat ist zwar ein Bundesorgan, doch setzt er sich aus den Regierungsvertretern der Länder zusammen. Entsprechend ihrer Bevölkerungszahl haben die Bundesländer im Bundesrat zwischen drei und sechs Stimmen, die nur einheitlich abgegeben werden können. Im Bundesrat soll der Wille des Landes und nicht eines einzelnen Bundesratsmitglieds zum Ausdruck kommen. Die Länder können über das Instrument des Bundesrats ihre Interessen gegenüber dem Bund unmittelbar zur Geltung bringen, wie sie auch durch den Bundesrat an der Bundesgesetzgebung beteiligt sind. Neben den verfassungsrechtlichen Bestimmungen ist für die Rolle der Länder im politischen Prozess die verfassungspolitische Realität von Bedeutung. Da das politische System nicht nur ein föderativ-parlamentarisches ist, sondern sich auch zu einer Parteiendemokratie entwickelt hat, kommt den Parteien beim Verhältnis Bund-Länder eine große Bedeutung zu. So sind die meisten Bundestagsparteien föderativ strukturiert. Sie versuchen nicht selten, bei günstiger Konstellation den Bundesrat als Instrument der Blockade zu nutzen. Dabei stehen die Landesregierungen im Mittelpunkt der politischen Konkurrenz-, Kooperations- und Koordinationsprozesse des parlamentarischen dt. Bundesstaates.

Finanzverfassung

Von besonderer Bedeutung für die Zukunft der Länder ist die Finanzverfassung Ds. Sie regelt a) die zwischen Bund und Ländern geteilte Finanzhoheit sowie die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, b) die Verteilung der Ausgabenlasten, c) die Gesetzgebungskompetenz in Steuerangelegenheiten, d) die Steuererträge und e) die Zuständigkeiten der Finanzverwaltung und Finanzgerichtsbarkeit. In der Finanzverfassung des GG wird Bund und Ländern in den Art. 104a–108 ein „gleichmäßiger Anspruch“ auf die Staatseinnahmen zugesprochen. So erhalten die Länder die Einnahmen aus der Vermögens- und Erbschaftssteuer vollständig. Die Einkommens-, Körperschaftssteuer sowie das Umsatzsteueraufkommen werden zwischen Bund und Ländern in einem bestimmten Verhältnis geteilt. Nach Übergangsbestimmungen für die neuen Länder von 1990 bis 1994 wurde diese, einschließlich BEs, zum 01.01.1995 vollständig in die unveränderte Finanzverfassung des GG und in das nur leicht angepasste bundesstaatliche Finanzausgleichsystem einbezogen. Im Jahr 2019 läuft der z. Z. geltende Länderfinanzausgleich aus, so dass spätestens dann eine Reform der Finanzen vorgenommen sein muss.

Zukunft der Länder

Die dt. Einheit hat die Diskussion um die Neugliederung der Länder aufs Neue entfacht. Es stellt sich die Frage, ob solch kleine und wirtschaftlich schwache Länder wie z. B. HB und das SL in Zukunft lebensfähig sind. Wenn der Föderalismus lebensfähig bleiben soll, d. h. dass Pluralismus, Subsidiarität und Machtteilung sinnvoll praktiziert werden, sind auch demographisch und ökonomisch in etwa gleich starke Länder erforderlich. Das Scheitern der Zusammenlegung der Länder BE und BB durch das negative Referendum im Mai 1996 hat die Länderneugliederung erst einmal auf längere Zeit verschoben. Zusätzlich bieten die Länder aber auch wichtige Bastionen für die Parteien, in denen die Politiker Aktionsfelder und Darstellungsbühnen haben, um von hier in bundesstaatliche Positionen zu wechseln, so dass auch bei diesen Akteuren wenig Neigung zu Veränderung besteht. Den Ländern droht nicht nur durch finanzielle Auszehrung Bestandsgefahr. Auch von der mit erweiterten Kompetenzen ausgestatteten EU werden inzwischen frühere Länderaufgaben wahrgenommen. Allerdings können die Länder dann zu Gewinnern der europäischen Integration werden, wenn sie ihre Chancen vor allem in der informellen Mitwirkung an der EU-Politik und weniger formalen Mitentscheidungsprozessen sehen.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Wichard Woyke

Fussnoten