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CDU – Christlich Demokratische Union Deutschlands | bpb.de

CDU – Christlich Demokratische Union Deutschlands

Josef Schmid

Historische und ideologische Wurzeln

Die CDU versteht sich als interkonfessionelle, klassenübergreifende Partei, ja, sie wird geradezu als „Prototyp einer Volkspartei“ (Haungs 1992) beschrieben. Eine ihrer wesentlichen historischen Wurzeln liegt im politischen Katholizismus des 18. und 19. Jhs. In den Auseinandersetzungen mit den Ideen der Aufklärung, den Prozessen der Nationenbildung und der (allmählichen) Demokratisierung sind im Laufe der Zeit verschiedene katholische Zirkel und Fraktionen entstanden, die sich im Jahr 1870 zur Zentrumspartei vereinigt haben. Der „Kulturkampf“, den Bismarck geführt hatte, verstärkte das sozialmoralische Milieu des Katholizismus und die davon ausgehende politische Bewegung. Sie umfasste neben der Partei auch christliche → Gewerkschaften sowie ein breites Spektrum sozialer, kultureller, wissenschaftlicher und religiöser Vereinigungen. Das Zentrum war keine klerikale Partei, sondern eine von katholischen Laien getragene Partei. Zudem bemühte sie sich schon in der Zwischenkriegszeit aus dem „Turm“ von ca. 20 % Wähleranteil auszubrechen und eine Integration breiter sozialer Schichten zu betreiben. Wichtige ideologische Impulse haben dabei die katholische Soziallehre und v. a. das darin begründete → Subsidiaritäts- und Personalitätsprinzip geliefert.

In der Gründungsphase nach 1945 sind dann politisch-soziale Elemente des Protestantismus, des Konservatismus und des (Ordo-)Liberalismus hinzugekommen. Dieses Selbstverständnis spiegelt nicht zuletzt der Name „Union“ wider, der den klassen- und konfessionsübergreifenden Charakter der CDU symbolisiert. Dabei verliefen die Integrationsbemühungen bzw. unterschiedlichen Schwerpunkte zu Beginn sehr unterschiedlich, weshalb ein Beobachter die CDU einmal als „Flickenteppich“ apostrophiert hat. Während etwa die CDU in Südbaden noch stark katholisch und durch die Zentrumstradition geprägt war, sind im Norden Ds die konservativen, protestantischen Einflüsse stärker gewesen.

Diese Traditions- und Konfliktlinien, aber ebenso die in ihrer Bedeutung für die Parteientwicklung nicht zu unterschätzenden Erfahrungen mit den Katastrophen der deutschen Geschichte, prägen auch die moderne CDU (Zolleis und Schmid 2013; Bösch 2018).

Die CDU in der Bundesrepublik Deutschland

Parteiaufbau und Apparat

Die CDU gliedert sich territorial in Orts-, Kreis- und Landesverbände. Die beiden unteren Gliederungsformen sind vorwiegend für kommunalpolitische Themen und die Nominierung von Kandidaten zuständig. Den Landesparteien kommt entgegen verbreiteter „Zentralisierungsmythen“ eine starke Stellung zu. Sie resultiert aus dem föderativen Aufbau der staatlichen Institutionen und den Möglichkeiten der Profilierung, die sich v. a. durch die Übernahme von Regierungsämtern bieten. Ferner spielt dabei die hohe sozio-ökonomische und politische Heterogenität seit der Gründungsära eine Rolle. Ein Indikator dafür bilden die Finanzen der Partei; demnach verfügen die Landesverbände mit den Kreisverbänden zusammen (bis heute) über rund zwei Drittel der Finanzmittel. Insgesamt hat die Partei über ca. 145 Mio. € an Einnahmen und gibt etwa ein knappes Drittel für Personal aus, was die Ausbildung eines hauptamtlichen Apparates und Tendenzen der Professionalisierung ermöglicht hat.

Der innerparteiliche → Föderalismus ist nicht nur ein Muster der Ressourcenverteilung, sondern besonders auch im Hinblick auf die politische und programmatische Dynamik von Bedeutung und bildet neben den Aktivitäten der Bundesgeschäftsstelle den wesentlichen Motor der Modernisierung der Partei in den 1970er-Jahren. Aus den Ländern sind in dieser Zeit wichtige innovative politische Ideen (wie neue soziale Frage, Industriepolitik, Bildungsreform) und neues Personal wie z. B. einst H. Kohl, R. Herzog, R. von Weizsäcker gekommen (Schmid 1990). Allerdings steigt die Bedeutung der Bundespartei in Zeiten der Regierung an. Zugleich hat sich seit der Jahrtausendwende dieses föderative Moment auch deswegen relativiert, weil in der „Fernsehdemokratie“ (Oberreuter) den Organisationsgliederungen weniger Bedeutung als Kommunikationskanäle zukommt.

Neben der territorialen Gliederung weist die CDU ein umfassendes System an → Sonderorganisationen auf, die v. a. sozioökonomische Interessen repräsentieren und spezielle Zielgruppen ansprechen. Im Parteistatut heißt es dementsprechend, dass die Vereinigungen „das Gedankengut der CDU in ihren Wirkungskreisen (junge Generation, Frauen, Arbeitnehmer, Kommunalpolitik, Mittelstand, Wirtschaft, Vertriebene und Flüchtlinge, ältere Generation) zu vertreten und zu verbreiten sowie die besonderen Anliegen der von ihnen repräsentierten Gruppen in der Politik der CDU zu wahren“ haben. Sie weisen eine beträchtliche organisatorische, finanzielle und politische Autonomie auf, die aber in den programmatischen Grundsätzen der Partei ihre Grenzen findet (Haungs 1992; Bösch 2018).

Hinzu kommen politikstrategische und ideologische Tendenzen, die häufig gegenübergestellt werden, wie etwa Modernisierer vs. Traditionalisten, Wirtschaftsflügel vs. Sozialausschüsse („Herz-Jesu-Sozialisten“). Die groben Relationen zwischen diesen werden wie folgt eingeschätzt:

  • Gesellschaftspolitische Liberale 17 %

  • Traditionsbewusste 26 %

  • Marktwirtschaftsorientierte 32 %

  • Christlich-Soziale 25 % (V. Neu, nach Zolleis und Schmid 2013).

Im Ganzen betrachtet bildet die CDU ein kompliziertes Geflecht voneinander abhängiger, sich gegenseitig beeinflussender und miteinander rivalisierender Subsysteme. Die Neigung zur Personalisierung von Politik und die hohe gouvernementale Orientierung, die Bedeutung von Proporzmechanismen und Kompromissformeln in der Entscheidungsfindung sowie die Koexistenz von modernisierten und traditionellen Strukturen gehören ebenfalls zu dieser innerparteilichen Vielfalt (Schmid 1990; Walter et al. 2011; Green und Turner 2013).

Nach der „friedlichen Revolution“ im Herbst 1989 haben sich die ostdeutschen Landesverbände auf dem Hamburger Parteitag (1990) formal der CDU angeschlossen; dadurch hat sie sich nach der →deutschen Einheit wie die anderen →Parteien in Ostdeutschland etabliert, allerdings nach wenigen Jahren mit erheblichen regionalen Disparitäten im Wahlerfolg und organisationsstrukturellen Defiziten. Diese äußern sich durch die geringe Zahl der Mitglieder und Rekrutierungsproblemen bei Mandatsträgern sowie durch die defizitäre Finanzlage vieler Parteigliederungen im Osten. Diese Probleme verbinden sich mit dem generellen Wandel der Volksparteien in der postindustriellen Mediengesellschaft. Inzwischen hat die CDU zudem nur noch rund 435.000 Mitglieder – gegenüber einst fast einer Million in der Blütephase. Damit ist sie auf den Organisationsgrad in den 1960er-Jahren zurückgefallen. Neben dem Rückgang an Mitgliedern ist auch eine deutliche Überalterung festzustellen; inzwischen liegt das Durchschnittsalter bei rund 60 Jahren (Bösch 2018).

Das umfangreiche System der Unter- und Vorfeldorganisationen hat ebenfalls an Bedeutung und Einfluss verloren und vermag die innerparteiliche Willensbildung kaum mehr zu strukturieren. So sind die Sozialausschüsse nach dem Ausscheiden von N. Blüm aus dem Arbeits- und Sozialministerium weitgehend bedeutungslos geworden. Hier spielt der Wandel von der Industriegesellschaft zur globalisierten Dienstleistungsökonomie ebenfalls eine Rolle. Wichtiger als die sozio-ökonomischen Gruppen werden derzeit die generationsspezifischen. So ist heute die JU die stärkste innerparteiliche Einzelgruppierung; die Seniorenunion hat ebenfalls aus demografischen Gründen ein Potenzial zu wachsendem innerparteilichem Einfluss und zur Repräsentation und Integration der entsprechenden gesellschaftlichen Interessen. Aber auch hier überlagern sich Interessen und politische Vorstellungen noch so stark, dass sich keine stabilen und machtvollen innerparteilichen Gruppierungen gebildet haben. Demgegenüber hat die Bundestagsfraktion im Machtdreieck aus Partei – Regierung – Fraktion ihre Position beibehalten, wenn nicht sogar gestärkt. Neben einer beachtlichen Ausstattung an Personal und Finanzen gewinnt dieses Element wegen der Fraktionsgemeinschaft mit der Schwesterpartei →CSU an Gewicht; nicht zuletzt, weil dies der Ort vieler Aushandlungsprozesse zwischen den Schwesterparteien ist. Schließlich gehört zu den bemerkenswerten Merkmalen der Partei, dass sie nur eine geringe Zahl an Vorsitzenden bzw. eine hohe Kontinuität des Führungspersonals aufweisen kann. H. Kohl wie A. Merkel haben sie Partei weit über 10 Jahre lang geführt, was in der deutschen Parteienlandschaft so nicht noch einmal anzutreffen ist. Ob das bei A. Kramp-Karrenbauer ebenfalls so sein wird, ist offen.

Parteipolitische Strategie und Programmatik

In den 50er- und 60er-Jahren, der Ära Adenauer, hat sich die CDU vor allem als pragmatisch orientierte „Kanzlerpartei“ verstanden und als eigenständige politische Kraft kaum eine Rolle gespielt. Dabei ist jedoch der hohe Handlungsspielraum der Landesparteien im damals noch wenig verflochtenen Föderalismus zu bedenken; auch hat die Bundestagsfraktion über einiges Mitspracherecht bei Themen der Innen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik verfügt. Erst nach dem Verlust des Regierungsamtes (1969) hat sich die CDU – nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten und Konflikte – zu einer modernen Partei entwickelt. Der Anstieg der Mitgliedschaft auf 735.000 Personen (1983) – bzw. später auf fast eine Million im Gefolge der Einheit – und der Aufbau eines schlagkräftigen Parteiapparats in Bund und Ländern sowie die Diskussion und Verabschiedung des Grundsatzprogramms auf dem Ludwigshafener Parteitag (1978) belegen dies deutlich (Zolleis und Schmid 2013).

In ihrer strategischen Orientierung in der politischen Landschaft der BRD hat die CDU bei allen Modernisierungsbestrebungen das Konzept einer „Volkspartei der Mitte“ aufrechterhalten. Programmatisch hat sich das in einer beachtlichen Kontinuität ausgedrückt, was gleichermaßen für die Leitsätze der 1980er-Jahre wie für heute gilt. Mit dem Grundsatzprogramm von 1994 „Freiheit in Verantwortung“ reagierte die CDU auf die Integrations- und Erneuerungsbedarfe im Gefolge der deutschen Einheit. Es ist auf dem Parteitag in Hamburg (1994) beschlossen worden und gibt keine Hinweise auf einen politischen Kurswechsel; freilich, wie Kritiker betonen, auch kein Zeichen des Aufbruchs. Charakteristische Stichworte sind Volkspartei, christliches Menschenbild, Familie, →Subsidiarität, Freiheit und Europa; allerdings blieben sie in der praktischen Politik weitgehend folgenlos.

Ende 2007 ist eine dritte Grundsatzdiskussion beendet worden, bei der in den Themen Familie, Umwelt und Integration eine gewisse Modernisierung erkennbar werden. Das gilt vor allem für die →Familienpolitik, wo eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie propagiert wird, ja andere Formen der Partnerschaft akzeptiert werden. Ferner will sich die Partei in der →Umweltpolitik stärker profilieren und etwa die Treibhausgasemissionen in D bis 2020 um mindestens 30 Prozent gegenüber 1990 senken. Zugleich definiert sich die CDU weiterhin als „Volkspartei der Mitte“ und bekennt sich zu ihren christlich-sozialen, liberalen und konservativen Wurzeln sowie den drei Grundwerten „Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit“. Daher fallen die Aussagen über →Bildungspolitik mit einem Bekenntnis zu vielfältig gegliederten Schulsystem oder die Betonung von Eigenverantwortung, Generationengerechtigkeit, Subsidiarität und Leistungsgerechtigkeit als Prinzipien der Sozialpolitik konventioneller aus. 2015 begann unter der neuen Generalsekretärin A. Kramp-Karrenbauer die Vorbereitung für ein neues Grundsatzprogramm. Insgesamt betrachtet haben im Grundsatzprogramm von 2007, aber auch in den weiteren programmatischen Aussagen. trotz aller Säkularisierungstendenzen die „C-Begriffe“ mit den Bezügen zu den christlichen Fundamenten zugenommen. Eine Erosion des programmatischen Kerns der CDU und der Wertebezug der Programmaussagen ist nicht zu konstatieren. Eine empirische Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass nach den Indikatoren Umfang, Platzierung und Erwähnung das Thema Wirtschaftspolitik den größten Stellenwert genießt, gefolgt von der Sozialpolitik, Aussagen zur politischen und gesellschaftlichen Ordnung sowie Außenpolitik. Was die Werte in den CDU-Wahlprogrammen angeht, dominieren Sicherheit/Frieden vor Freiheit und Verantwortung sowie Gerechtigkeit und christliches Menschenbild (Zolleis und Schmid 2013; Bösch 2018 und Hemmelmann 2017).

Kontinuität und Wandel in den programmatischen Dokumenten der CDU hängen eng mit der Rolle als Regierungs- bzw. Oppositionspartei zusammen. In der → Opposition finden eher programmatische Neuerungen statt, während in Regierungsphasen die Zwänge des → politischen Systems und des Regierens stärker wirken. Für die Ära H. Kohl galt die Parteiprogrammatik „als undeutliche Begleitmusik zu den mühsamen Kompromissen einer Koalitionsregierung“ (Haungs 1992, S. 190). Speziell die Ablösung von H. Geißler als Generalsekretär hat das Konrad-Adenauer-Haus (die CDU-Parteizentrale) stärker an den Partei- und Regierungschef angebunden und die virulente Diskussion über einen Richtungswechsel der CDU beendet. In den Augen mancher Beobachter war somit die alte „Kanzlerpartei“ ein Stück weit wiederhergestellt worden – jedoch auf einem hohen Niveau politisch-organisatorischer Kapazitäten der Partei und anderen funktionalen Elementen. Mit der erneuten Regierungsübernahme unter A. Merkel – in einer Großen, danach bürgerlichen und schließlich wieder Großen Koalition – sind die Spielräume für programmatische Impulse ebenfalls wieder enger geworden, der Pragmatismus des Machterhalts und die Bewältigung aktueller Problemlagen und Krisen dominieren. Darunter leidet das politische Profil und die Orientierungsfähigkeit über den Regierungsalltag hinaus und der präsidiale Stil Merkels reduziert die Polarisierungs- und Profilierungsoptionen der CDU (Zolleis und Schmid 2013). Andererseits sind die v. a. aus dem Regierungshandeln hervorgebrachten Reformen wie Ausstieg aus der Atomenergie, Mindestlohn, aber auch die bemerkenswerte gute Bewältigung wirtschaftlicher Krisen mit der Dominanz der Kanzlerin verbunden.

Die Strategien und die Programmatik der CDU werden in ihren Grundzügen jedoch auch von weiteren Faktoren beeinflusst. In erster Linie ist hier auf das „schwierige Bündnis“ mit der CSU hinzuweisen, das mit der Kanzlerkandidatur von F. J. Strauß (1980) einer besonderen Belastungsprobe unterzogen wurde. Ähnliches hat eine Zeit lang für die einflussreichen Landesfürsten gegolten, etwa L. Späth oder K. Biedenkopf, die auf der Basis ihrer Landespolitik auch die Bundesprogrammatik beeinflusst haben. Die Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge im Jahr 2015 hat innerhalb dieser Parteistrukturen zu nachhaltigen Konflikten geführt. Zwischen CDU und CSU kriselte es bis hin zur Drohung eine Trennung der beiden Schwesterparteien; aber auch in den ostdeutschen Landesverbänden stößt die Flüchtlingspolitik auf Widerstand. Neben den sachlichen Differenzen spielte dabei der Wahlerfolg der →AfD, aber auch das Wiedererstarken der →FDP wegen dieses Themas, eine wichtige Rolle. Dieses Problem bzw. diese politische Konstellation kostet erheblich Stimmen und gefährdet den Status des CDU als Volkspartei und die Chancen auf eine Regierungsbildung in Bund und Ländern. Zwar ist mit dem Bundestagswahlprogramm und in der politischen Praxis nachgesteuert worden. So ist etwa betont worden, dass die Zahl der Flüchtlinge dauerhaft niedrig gehalten werden soll – ohne das von der CSU geforderte Wort „Obergrenze“ zu verwenden – und, dass Doppelpassmodalitäten erschwert werden sollen. Freilich hat diese Kurskorrektur wenig gebracht; weder in Bezug auf das Wahlergebnis 2017 noch auf den innerparteilichen Frieden und die schwierige Kooperation mit der CSU.

In Bezug auf Koalitionsstrategien bevorzugt die CDU im Grundsatz eine bürgerliche Regierung mit der FDP, da vor allem in der Wirtschafts- und Steuerpolitik große Gemeinsamkeiten bestehen. Mehrfach ist es jedoch auf Bundesebene auch zu Großen →Koalitionen mit der →SPD gekommen. Inzwischen sind angesichts sinkender Zustimmung zu CDU/CSU und SPD diese Regierungsbündnisse keine übergroßen Koalitionen, sondern eher einfache parlamentarische Mehrheiten. Auf Landesebene sind inzwischen sogar schwarz-grüne Koalitionen in HH (2008–2010) bzw. Jamaika-Koalition im Sal. (2009–2012) und in S.H. (seit 2017) bzw. grün-schwarze Bündnisse in Bad.-W. (2016), Hess. (seit 2013) geschlossen worden; diese Konstellation existiert auch auf kommunaler Ebene. Sie verdanken sich v. a. den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen – aber auch einer gewissen Annäherung von →Grünen und CDU. Auf Bundesebene ist schwarz-grün derzeit noch nicht realisiert worden und die Option zusammen mit der FDP 2017 eine Jamaika-Regierung zu bilden, ist gescheitert. Ausgeschlossen sind derzeit Regierungsbündnisse mit der AfD und der Linkspartei (→Die Linke).

Historische Wendepunkte und politische Erfolge

An mehreren historischen Wendepunkten ist die CDU vor große Herausforderungen gestellt worden, die das Spannungsverhältnis von Kontinuität und Wandel sowie die Leistungsfähigkeit der Partei berührt haben. Dabei ging es jeweils nicht nur um den Erhalt bzw. die Wiedererlangung der politischen Mehrheit, sondern auch um die Fähigkeit zur Lösung der anstehenden sozialen und ökonomischen Probleme des Landes.

Hatte die CDU zu Beginn der Bundesrepublik das Land politisch geprägt, so erfolgte nach einer zunehmenden Erosion und einer Veränderung der politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen der „Machtwechsel“ (Baring) bzw. die sozialliberale Koalition im Jahr 1969. Erst nach der dreizehnjähriger Oppositionszeit erfolgte erneut die Regierungsübernahme in Bonn (1982). Dabei war es unter H. Kohl zu einer Modernisierung der Partei gekommen, zudem gelang es ihm, die präferierte bürgerliche Koalition mit der FDP zu bilden. Im Zuge der Debatten um eine neokonservative Wende traten in den 80er-Jahren zwar einige programmatische Formeln wie „freier Markt“ und „starker Staat“ verstärkt auf, doch hat sich diese politische Konzeption in der Union – zumal im internationalen Vergleich – nicht durchgesetzt. Von den großen Reformpaketen der Regierungskoalition in den 80er-Jahren (Ladenschluss, Gesundheit, Rente, Post und Steuern) waren nur diejenigen erfolgreich, die von einem breiten Konsens getragen wurden. Dies hängt nicht zuletzt mit den komplexen Parteistrukturen in der CDU bzw. den Konfliktregulierungsmechanismen dieser Volkpartei sowie den Institutionen des politischen Systems (wie Koalitionsregierung und Politikverflechtung) zusammen, die beide zu langwierigen Aushandlungsprozessen und Entscheidungsblockaden tendieren, was radikale Kurswechsel unwahrscheinlich macht (Schmid 1990; Zolleis und Schmid 2013).

Mit der deutschen Einheit (1990) erlebte die CDU ihren Höhepunkt; sie hat es vermocht, die Einheit als eigenen Erfolg zu vereinnahmen und entsprechend gut bei Wahlen abgeschnitten. Trotz der hohen, auch internationalen Anerkennung hat in den späten Jahren der Ära Kohl die Problemlösungsfähigkeit und die Attraktivität abgenommen, vom „System Kohl“ und dem „Reformstau“ war nun die Rede. Dies sowie die Affäre um die Parteispenden an H. Kohl hat zum Verlust des Regierungsamtes und erhebliche Wechsel im Führungspersonal geführt. Nach einem kurzen Intermezzo mit W. Schäuble, der ebenfalls in eine Spendenaffäre verwickelt war, folge A. Merkel im Jahr 2000 als Partei- und Fraktionsvorsitzende. Sie hatte sich in einer Reihe von „Regionalkonferenzen“ profiliert. Nach einer gewissen liberalen Ausrichtung auf dem Leipziger Parteitag 2003, wo z. B. eine Auflockerung des Kündigungsschutzes angekündigt wurde, schwenkte das Pendel aber bald wieder zurück. Unter ihrer Führung ist es der CDU gelungen, nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 wieder an die Regierung zurückzukommen, zuerst ein einer Großen, danach in einer bürgerlichen Koalition. Dies war aber eher durch den Niedergang der SPD infolge der von ihr betriebenen Reformpolitiken (v. a. Hartz 4), als durch eigene Stärke und programmatische Innovation (abgesehen von der Familienpolitik) zustande gekommen. Die Wahlergebnisse sind deutlich schwächer ausgefallen, sie betragen 2009 noch 33,8 % und liegen damit erheblich unter denen des Jahres 1990 mit 43,8 % der Stimmen. In den Ländern hat die CDU ebenfalls erhebliche Verluste hinnehmen müssen und „Stammlande“ wie R.P. oder B.W. sind inzwischen ebenfalls verloren gegangen. Freilich hat A. Merkel als Krisenmanagerin die Folgen der Eurokrise erfolgreich bewältigt, was bei der Bundestagswahl 2013 wahlpolitisch honoriert worden ist. Seit der sog. Flüchtlingskrise 2015 befindet sich die Partei in einem erheblichen Stimmungstief und liegt an der 30 % Marke. Die Kanzlerin und Parteivorsitzende erfährt starke Kritik, was auf dem Parteitag vom 07.12.2018 zu Trennung von Kanzleramt und Parteivorsitz sowie der Wahl von A. Kramp-Karrenbauer geführt hat, wo diese sich gehen J. Spahn und F. Merz durchsetzen konnte. Mit dem neuen CDU-Generalsekretär P. Ziemiak ist ein Vertreter der JU in die Parteiführung gelangt; zudem ist ein Wechsel im Amt der Fraktionsvorsitzende erfolgt und R. Brinkhaus hat V. Kauder, einen langjährigen Merkel-Vertrauten ersetzt.

Bei einer Bewertung der Erfolge bzw. der derzeit schwierigen Aussichten der CDU ist jedoch ebenfalls zu bedenken, dass sich die politische Lage und der Problemhaushalt (Banken- und Eurokrise, demografischer Wandel, Globalisierung, Flüchtlinge etc.) erheblich erschwert haben, was ein erfolgreiches, v. a. schnelles Regieren und eine politische Profilbildung behindert. Umgekehrt stellen die Europäisierung und Globalisierung von Politik auch eine Machtressource der Kanzlerin dar; ihr guter internationaler Ruf kann sich auch innenpolitisch auswirken. Schließlich wird die Schwäche der CDU nur dann zu einem wirklichen Problem für die Partei, wenn sich die konkurrierende SPD aus ihrem Stimmungstief befreien bzw. die AfD ihr Hoch fortsetzen können und sich damit das derzeitige Parteiensystem strukturell verschieben würde.

Perspektiven und Bilanz

Die bemerkenswerte Beständigkeit der politischen Ausrichtung der CDU und ihr Erfolg wird als eine Ursache der wirtschaftlich-sozialen Stabilität der BRD interpretiert (Haungs 1992). Allerdings mehren sich – unabhängig von einzelnen Wahlergebnissen – die Zeichen dafür, dass auch ein „Erfolgsmodell“ wie die CDU mit Problemen zu kämpfen hat (Walter et al. 2011; Walter 2017). Gleichwohl gibt es für Thesen eines säkularen Niedergangs dieser Parteiformation – wie in Italien – hierzulande nur wenig empirische Evidenz. Sowohl im Vergleich zur SPD als auch im Blick auf die europäische Parteienlandschaft ist die Persistenz der deutschen Christdemokraten immer noch bemerkenswert (Bösch 2018; Green und Turner 2013).

Zweifellos ist jedoch die Fähigkeit der CDU zur Mehrheitsbildung und Mitgliederbindung geschrumpft, was ihre politische Gestaltungsfähigkeit und die Dominanz schwächt. Dennoch liegt sie mit gut 10 % Punkten deutlich vor der SPD und eine Regierungsbildung ohne CDU ist im Bund schwer erreichbar. Die Partei reagiert – zum wiederholten Male – mit Bemühungen, sich zu modernisieren. Bislang konzentriert sie sich auf Fragen der Organisation, der Kommunikation und des „Politmarketings“ sowie die Entwicklung eines neuen Grundsatzprogrammes, das 2020 beschlossen werden soll. Eine Vitalisierung des „C′s“ oder eine Stärkung des politischen Profils und der Identität der Partei ist freilich kaum erreicht worden; wegen der anhaltenden Kanzlerschaft A. Merkels dominiert das Regierungshandeln in der Wahrnehmung und Beurteilung der Partei. Vorschläge einer Öffnung und neue Formen → innerparteilicher Demokratie sind bislang ebenfalls nur ansatzweise umgesetzt worden. Nur bei einigen Fällen ist es zu Mitgliederbefragungen bei der Auswahl der Spitzenkandidaten bei Landtagswahlen gekommen, was gewisse plebeszitäre Elemente in die Partei eingebracht hat (Bösch 2018; Zolleis und Schmid 2013). Die Wahlerfolge bzw. Regierungsübernahme haben den Reformdruck immer wieder verringert und den Eindruck hoher Kontinuität und Stabilität vermittelt – was jedoch zunehmend in Frage gestellt wird. Vor allem der aktuelle Zick-Zack-Kurs der Regierung stößt auf Widerstand an der Parteibasis und in der Öffentlichkeit; die politische Kommunikationsleistung der Partei und v. a. der Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin A. Merkel wird inzwischen häufig kritisiert. Dies gilt sowohl für den – unter dem Eindruck des Atomunglücks in Japan – eiligst beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie, nachdem ein Jahr zuvor noch in der Koalition die Laufzeiten verlängert wurden. Aber auch die Euro-Rettung und die Abkehr von einer harten Geldpolitik und Unabhängigkeit der Notenbank – nicht zuletzt unter dem Druck Frankreichs fallen darunter. Die Einführung des vom wirtschaftsliberalen Flügel abgelehnten Mindestlohns wird ebenfalls als weitere Sozialdemokratisierung der CDU interpretiert. Vor allem aber ist es die im Jahr 2015 ermöglichte Zuwanderung von Flüchtlingen, die Partei und Wähler kritisch betrachten und die neben heftigen innerparteilichen Konflikten zur Abwanderung erheblicher Wähleranteile zu AfD und z. T. zur FDP geführt haben. Trotz des schlechten Abschneidens bei der Bundestagswahl 2017 ist – nach schwierigen Koalitionsverhandlungen – die Partei an der Macht geblieben. Der Konflikt mit der Schwesterpartei schwelt weiter und die Landtagswahlen in Bayern und in einigen ostdeutschen Ländern bedrohen die Dominanz der CDU bzw. die Möglichkeit, die Regierung zu führen. Trotz aller – z. T. fundamentaler – Kritik an der Person und der politischen Strategie A. Merkels bleibt sie als Kanzlerin im Amt; gleichwohl unter Aufgabe des Parteivorsitzes. Mit der Nachfolgerin A. Kramp-Karrenbauer ist eine gute Kooperation erwartbar. Ab damit aber die Kanzlernachfolge ebenfalls geklärt ist, bleibt offen. Zumindest findet F. Merz namhafte Unterstützer.

Die grundsätzliche Spannungslage zwischen Modernisierung und Öffnung der CDU einerseits und der Wahrung der Tradition andererseits sowie der programmatischen Profilierung und Aktivierung der Parteiorganisation einerseits und dem langen pragmatischen „Schatten“ des Kanzleramtes andererseits wird den Weg der CDU weiterhin prägen (Zolleis und Schmid 2013). Ob die bisherige Erfolgsgeschichte, ihr politisches Profil als christdemokratische Partei bzw. ihr Markenkern weiterhin anhalten und zu Lösung künftiger Probleme beitragen können, ist nicht garantiert – aber auch nicht unwahrscheinlich. Die CDU bleibt damit zwischen „Menetekel und Modell“ (Walter 2017) – auch bei einem inzwischen geänderten Führungspersonal.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Josef Schmid

Fussnoten