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Deutsche Bundesbank/Europäisches System der Zentralbanken | bpb.de

Deutsche Bundesbank/Europäisches System der Zentralbanken

Uwe Andersen

Der Verfassungsauftrag des Artikel 88 Grundgesetz (GG), eine Währungs- und Notenbank zu errichten, ist erst 1957 im Bundesbankgesetz umgesetzt worden. Die Deutsche Bundesbank (Buba) löste das nach dem Zweiten Weltkrieg von den westlichen Siegermächten nach dem Vorbild des US Federal Reserve System begründete, noch stärker föderalistisch akzentuierte zweistufige Zentralbanksystem aus der Bank deutscher Länder und rechtlich unabhängigen Landeszentralbanken ab, indem beide Elemente in ihr verschmolzen wurden. Die Buba ist in Form einer bundesunmittelbaren juristischen Person des öffentlichen Rechts organisiert, mit Sitz in Frankfurt/M., dem Bankenzentrum Ds.

Seit dem 01.01.1999 ist im Rahmen der dritten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU → Währung/Währungsreform) mit der Einführung des Euro die geldpolitische Souveränität von der Buba auf das Europäische System der Zentralbanken (ESZB, auch offiziell als Euro-System bezeichnet) übergegangen, in das die Buba eingegliedert worden ist. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) als Zentrum des Euro-Systems ist trotz starker europäischer Konkurrenz wie schon die Vorbereitungsinstitution Europäisches Wä̈hrungsinstitut (EWI) symbolträchtig in Frankfurt/M. angesiedelt worden.

Aufgaben, Organisation und Unabhängigkeit der Buba

Bis 1999 bestand die geldpolitische Kernaufgabe der Buba darin, den Geldumlauf und die Kreditversorgung der Wirtschaft mithilfe ihrer Instrumente zu regeln mit dem Ziel, die Währung zu sichern. Die Buba fungiert weiterhin als „Hausbank“ des Staates (vor allem des Bundes) und ist auch an der national geregelten Bankenaufsicht beteiligt.

Obwohl die Buba einstufig konzipiert war, hat der föderalistische Charakter der BRD auch ihre Organisation stark beeinflusst. Dies zeigte sich vor allem an den drei Organen: dem für alle Grundentscheidungen zuständigen Zentralbankrat, dem Direktorium und den Vorständen der Landeszentralbanken (LZB).

Politisch interessant und kontrovers war die ausgeprägte Unabhängigkeit der Buba, ihre als „vierte Gewalt“ gekennzeichnete Stellung im Staatsgefüge. Die Buba sollte die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zwar unterstützen, aber nur unter Wahrung ihrer Kernaufgabe Währungssicherung. Für den Fall eines gravierenden Konfliktes war keine gesetzliche Regelung vorgesehen. Da die Unabhängigkeit der Buba nur auf einem Gesetz beruhte, hätte eine einfache Parlamentsmehrheit das Buba-Gesetz jederzeit ändern und im Grenzfall die Unabhängigkeit beseitigen können. Auch die Personalselektion – zu Recht als Achillesferse „unabhängiger“ Institutionen charakterisiert – ist im Hinblick auf das Risiko einer möglichen politischen Fernsteuerung der Buba diskutiert worden. Kritik hat sich vor allem an den Ernennungen einiger LZB- Präsidenten entzündet, bei denen die Dominanz parteipolitischer Überlegungen gegenüber dem gesetzlichen Kriterium „besondere fachliche Eignung“ angeprangert worden ist. Allerdings hat die föderalistische Struktur des Zentralbankrates sicherlich zur politischen Legitimation beigetragen. Insgesamt hat sich der Zentralbankrat bei Konflikten mit anderen Akteuren, insbesondere mit der Bundesregierung, als ein sehr selbstbewusstes, von außen nicht politisch zu steuerndes Entscheidungsgremium erwiesen, wobei die starke Rollenprägung durch die Institution („Subkultur der Zentralbanken“) und die starke personelle Kontinuität eine wichtige Rolle gespielt haben dürften.

Ein für die Buba häufiger Zielkonflikt bestand bei festen Wechselkursen zwischen den Zielen innere und äußere Währungsstabilität („importierte Inflation“). Für Wechselkursentscheidungen war ungeachtet der Mitwirkung der Buba aber die Bundesregierung zuständig. Seit dem internationalen Übergang zu flexiblen Wechselkursen 1973 wuchs zwar der Handlungsspielraum der Buba deutlich, aber einerseits blieben innerhalb des Europäischen Währungssystems (EWS) prinzipiell feste Wechselkurse erhalten, andererseits schränkte die wachsende Integration der Finanzmärkte die nationalen Steuerungsmöglichkeiten der Zentralbanken erheblich ein. Konsequenterweise hat sich die Buba an internationalen Steuerungsansätzen der wichtigsten Notenbanken im Rahmen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel und gemeinsam mit der Bundesregierung innerhalb des Internationalen Währungsfonds (IWF) und des EWS bzw. der EWWU beteiligt.

Die Buba spielte bis 1999 als geldpolitischer Akteur im wirtschaftspolitischen Orchester national wie international, v. a. in Europa, eine herausragende Rolle. Dabei konnte sie sich insbesondere auf die im internationalen Vergleich große Geldwertstabilität in D stützen. Dieser Erfolg verbunden mit einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit dürfte auch verantwortlich sein für das große Vertrauen der Bevölkerung in die Buba und ihre Wertschätzung vor allem in der meinungsbildenden Wirtschaftspublizistik, sodass ihre Unabhängigkeit politisch nie ernsthaft zur Disposition gestellt wurde. Gleichwohl ist die Geschichte der Buba begleitet worden von Kritik an ihrer Unabhängigkeit als einem Einbruch der Expertokratie in den demokratischen Verfassungsstaat, und entsprechend ist von Wissenschaftlern, aber auch Politikern, insbesondere aus der SPD und den Gewerkschaften, eine „Demokratisierung der Geldpolitik“ (so z. B. der IG-Metall-Vorsitzende Steinkühler 1992) gefordert worden. Angriffspunkte der Kritik waren dabei in erster Linie eine einseitige Orientierung am Ziel der Geldwertstabilität, die Gefahr einer Blockade der Wirtschaftspolitik bei Konflikten zwischen den Akteuren Bundesregierung und Buba („monetäre Nebenregierung“) sowie die mangelhafte demokratische Legitimation der Buba. Entsprechend wurde z. B. gefordert, die Buba auf das gesamte Zielvieleck des → Stabilitätsgesetzes zu verpflichten, eine detaillierte Rechenschaftspflicht gegenüber dem Parlament vorzusehen, weitergehend in Konfliktfällen zwischen Buba und Bundesregierung die Entscheidung durch eine von Bundestag und -rat zu schaffende „Schiedsstelle“ treffen zu lassen sowie eine stärkere Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen durch einen Beirat auch bei der Buba-Zentrale in Frankfurt zu ermöglichen. Die Unabhängigkeit der Buba ist aber auch als „Pfeiler der Demokratie“ vehement verteidigt worden, wobei besonders auf den grundrechtsähnlichen Rang der Geldwertstabilität und ihre Gefährdung im modernen Parteien- und Verbandsstaat verwiesen worden ist (von Arnim 1988, S. 61). Diese Argumentationslinien lassen sich bruchlos auf das ESZB übertragen.

Deutsche Wiedervereinigung und Folgen

Bei der innerdt. Währungsunion hat die Buba trotz anfänglicher Bedenken die politische Entscheidung der Bundesregierung loyal akzeptiert. Sie ist an den Verhandlungen über die Währungsunion indirekt stark beteiligt gewesen – v. a. in der Person des persönlichen Beauftragten des Bundeskanzlers als Verhandlungsführer,

Zitat

des früheren Staatssekretärs im Finanzministerium und für die Verhandlungen formal beurlaubten Mitgliedes des Buba-Direktoriums sowie späteren Präsidenten Tietmeyer. Die technische Durchführung der Währungsunion lag allein bei der Buba, die auch personell keine Beteiligung der früheren DDR-Staatsbank akzeptieren musste und ihre Aufgabe nach einhelligem Urteil technisch hervorragend gelöst hat. Institutionell ist die Anpassung an die dt. Vereinigung durch eine Gesetzesänderung 1992 erfolgt, in der auf Vorschlag der Mehrheit des Zentralbankrats gegen den Widerstand v. a. kleinerer Bundesländer der Grundsatz ‚ein Bundesland – eine Landeszentralbank‘ aufgegeben worden ist. Die Zahl der Ländersitze im Zentralbankrat wurde auf neun reduziert, wovon vier jeweils einem Land zustehen (NRW, BW, BY, HE), während die fünf restlichen – wie im amerikanischen Federal Reserve System – mehrere Bundesländer einbeziehen

SH/HH/MV; HB/NI/ST;BE/BB; SN/TH.; Sal./RP

Übergang zum Europäischen System der Zentralbnken

Die Einführung des Euro als europäische Gemeinschaftswährung und der Übergang zum ESZB ab 1999 ist zu Recht als währungspolitischer „Quantensprung“ charakterisiert worden. Seitdem nimmt die Buba als vormals „heimliche“ europäische Zentralbank innerhalb des ESZB in etwa die Stellung ein, wie sie bis 1957 eine Landeszentralbank gegenüber der Bank deutscher Länder besaß.

Die Konstruktion des ESZB, insbesondere hinsichtlich der formal noch weiter reichenden Unabhängigkeit, ist stark am dt. Modell orientiert. In den Verhandlungen über das Statut des ESZB hat die Buba als eine Art Speerspitze der stärker abhängigen Zentralbanken agiert und mit Unterstützung der dt. Bundesregierung eine wichtige Rolle in den Verhandlungen gespielt. Sie verfügte über eine informelle Vetoposition, da gegen ihren offenen Protest der Euro in D schwerlich durchsetzbar gewesen wäre.

Ende 2018 gehörten 19 der 28 EU-Mitgliedsländer zur Eurozone. Großbritannien, Dänemark und Schweden lehnen den Beitritt bisher ab. Griechenland ist 2001 zugelassen worden, obwohl sich im Rückblick zeigt, dass es die als Beitrittsvoraussetzung fixierten Konvergenzkriterien nur dank „kreativer Buchführung“ und statistischen Fälschungen erfüllt hat. Von den 13 neuen Mitgliedsländern sind Slowenien (2007), Malta sowie Zypern (2008), Slowakei (2009), Estland (2011), Lettland (2014) und Litauen (2015) in die Eurozone aufgenommen worden. Das ESZB ist ein zweistufiges System aus EZB und den Notenbanken der EU-Mitgliedsländer, die beide über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügen. Das Anfangskapital der EZB wird allein von den beteiligten nationalen Zentralbanken gezeichnet, und zwar nach Quoten, die je zur Hälfte anhand der Anteile am Sozialprodukt und an der Bevölkerung bestimmt werden. Die Quoten bilden auch den Maßstab für die Gewinnverteilung, nicht aber für die Machtverteilung im ESZB.

Das zentrale Entscheidungsorgan ist der Rat der EZB, dem die Mitglieder des Direktoriums (Präsident, Vizepräsident sowie vier weitere Mitglieder) und die Zentralbankpräsidenten der Euroländer angehören. Mit Ausnahme der auf das Eigenkapital bezogenen Entscheidungen besitzen alle das gleiche Stimmrecht (nur bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Präsidenten), was den technokratischen Charakter der EZB unterstreicht. Weitere Beschlussorgane der EZB sind der Erweiterte Rat – Präsident und Vizepräsident der EZB sowie die Zentralbankpräsidenten aller Mitgliedsländer der EU – und das Direktorium, das die Entscheidungen des Rates umzusetzen hat. Da Geldpolitik der Natur der Sache nach einer regionalen Differenzierung nicht fähig ist, muss sie zentral entschieden werden. Bei der Durchführung von Geschäften des Euro-Systems gilt allerdings der Grundsatz der Dezentralisierung, d. h. die nationalen Zentralbanken sollen dabei in Anspruch genommen werden, soweit das aus Sicht der EZB möglich und sachgerecht erscheint.

Bei der herausgestellten Unabhängigkeit des ESZB lassen sich analytisch funktionale, institutionelle und personelle Aspekte unterscheiden. „Das vorrangige Ziel des ESZB ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles Preisstabilität möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft …“ (Art. 105, Abs. 1 EG-Vertrag). Potentielle Einschränkungen der klar formulierten funktionalen Autonomie liegen einerseits in dem Recht des politischen EU-Organs Rat, mit qualifizierter Mehrheit allgemeine Orientierungen für die Wechselkurspolitik vorzugeben, andererseits in der staatlichen Finanzpolitik. Schutzversuche sind einmal das strenge Verbot für das ESZB, Organen der Gemeinschaft oder der Mitgliedsländer Kredite zu gewähren, darüber hinaus sanktionsbewehrte Richtwerte für die öffentliche Kreditaufnahme (bis 3 % des BIP jährlich) und die Gesamtverschuldung (60 % des BIP) der Euro-Länder (Stabilitäts- und Wachstumspakt). Ausdruck der institutionellen Unabhängigkeit ist der eigene Haushalt der EZB und die in Art. 107 EG-Vertrag fixierte Weisungsunabhängigkeit, wonach weder die EZB noch die nationalen Zentralbanken Weisungen von Organen der Gemeinschaft oder nationalen Stellen akzeptieren dürfen und auch Beeinflussungsversuche unzulässig sind. Eine begrenzte Verklammerung mit anderen EU-Organen gibt es dadurch, dass der Präsident des Rats und ein Mitglied der Kommission ohne Stimmrecht an den Beratungen des EZB-Rates teilnehmen können, wie umgekehrt der Präsident der EZB zu Beratungen des Rates über währungsrelevante Themen einzuladen ist. Die EZB hat dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission einen Jahresbericht vorzulegen, und Mitglieder des EZB-Direktoriums können vor den Ausschüssen gehört werden.

Auch bei der Personalselektion sind Autonomie stärkende Elemente eingebaut worden, insbesondere beim Direktorium der EZB: „Der Präsident, der Vizepräsident und die weiteren Mitglieder des Direktoriums werden von den Regierungen der Mitgliedsstaaten auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs auf Empfehlung des Rates, der hierzu das Europäische Parlament und den EZB-Rat anhört, aus dem Kreis der in Währungs- oder Bankfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten einvernehmlich ausgewählt und ernannt. Ihre Amtszeit beträgt acht Jahre; Wiederernennung ist nicht zulässig.“ (Art. 109a, Abs. 2b EG-Vertrag). Bei der ersten Besetzung, die sich aufgrund der erforderlichen Einstimmigkeit als schwierig erwies, ist mit dt. Unterstützung der frühere niederländische Zentralbankchef Duisenberg zum ersten Präsidenten gewählt worden. Ihm folgten 2003 der vormalige französische Zentralbankpräsident Trichet, 2011 der ehemalige italienische Zen- tralbankpräsident Draghi und 2019 als erste Frau die vormalige französische Wirtschafts- und Finanzministerin und zuletzt als Chefin des IWF tätige Christine Lagarde. Der politische Stellenwert der Wahl des EZB-Präsidenten zeigt sich auch darin, dass sie Teil der komplexen politischen Verhandlungen über die Verteilung von EU-Spitzenpositionen geworden ist.

Im Kontext der EZB-Ratsentscheidung 2011, am Sekundärmarkt Anleihen der von der Staatschuldenkrise stark betroffenen GIIPS-Länder (Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien) in großem Stil anzukaufen, sind die offensichtlich in einer klaren Minderheitsposition opponierenden dt. Repräsentanten Buba-Präsident Weber (der von dt. Seite als Trichet-Nachfolger nominiert werden sollte) und Chefvolkswirt Stark 2011 aus ihren Ämtern geschieden. Ihre von der Bundesregierung nominierten Nachfolger Weigmann als Buba-Präsident und Asmussen als Direktoriumsmitglied waren vorher politische Spitzenbeamte (wirtschaftspolischer Berater im Kanzleramt bzw. Staatssekretär im Bundesfinanzministerium) – eine unter dem Gesichtspunkt der politischen Unabhängigkeit der Zentralbank eher problematische Entscheidung. Bisher sind alle größeren Euro-Länder im EZB-Direktorium vertreten. Die Mehrheit im EZB-Rat stellen allerdings die Präsidenten der – als Vorbedingung für den Eurobeitritt ebenfalls formal unabhängigen – nationalen Zentralbanken. Sie werden aber in ihrer persönlichen Funktion berufen und sind auch gegenüber ihren nationalen Zentralbanken nicht rechenschaftspflichtig. Im dt. Binnenverhältnis wird damit die Rolle des Buba-Präsidenten und indirekt die der ihn nominierenden Bundesregierung gestärkt.

Anpassungsbedarf, Konflikte und Perspektiven

Die Eingliederung in das ESZB und der damit verbundene geldpolitische Funktionsverlust der Buba bedingten erheblichen Anpassungsbedarf sowohl in der Organisationsstruktur als auch beim Personal. Nach langer kontroverser Diskussion, insbesondere um eine stärker zentralistische oder föderalistische Struktur der Organisation und des Leitungsgremiums, ist im März 2002 von der rot-günen Bundesregierung gegen die Opposition von Union und FDP eine gesetzliche Anpassung durchgesetzt worden, die die Rolle der Bundesregierung bei der Personalselektion deutlich stärkt. Die neue Buba arbeitet seit dem 01.05.2002 mit einem achtköpfigen Vorstand als einheitlichem Leitungsgremium, der an die Stelle von Direktorium, Zentralbankrat und Vorständen der Landeszentralbanken getreten ist. Neben dem Präsidenten und Vizepräsidenten werden zwei weitere Vorstandsmitglieder auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten bestellt. Das Vorschlagsrecht für die weiteren vier Vorstandsmitglieder liegt beim Bundesrat im Einvernehmen mit der Bundesregierung. Die aufgrund seiner EZB-Rolle dominierende Position des Buba-Präsidenten zeigt sich auch darin, dass die Verteilung von Zuständigkeiten im Vorstand nicht gegen seinen Willen entschieden werden kann.

Die neun früheren Landeszentralbanken sind zu Hauptverwaltungen unter Leitung eines weisungsabhängigen Präsidenten herabgestuft worden. Die Buba hat im Rahmen eines Strukturreformprogramms ihre Präsenz in der Fläche und ihren Personalbestand deutlich reduziert, ihr 2000 geschaffenes Forschungszentrum dagegen ausgebaut. Im Rahmen der gesetzlich neu geschaffenen Allfinanzaufsichtsbehörde, zu der die früheren Aufsichtsämter für Versicherungen, Wertpapierhandel und Kreditwesen zusammengelegt worden sind, ist die Rolle der Buba bei der Bankenaufsicht gestärkt worden.

Ungeachtet der gerade in D verbreiteten Vorurteile (Euro = „Teuro“) und Kritik an ihrer Zwei-Säulen-Strategie (orientiert an Inflations- und Geldmengenentwicklung) hat die EZB das vorrangige Ziel Preisstabilität (definiert als 2 % jährlicher Anstieg des Preisindex) bisher fast punktgenau erreicht. Sie hat sich in der erfolgreichen Startphase als handlungsfähig erwiesen und auch international an Vertrauen gewonnen. Der als finanzpolitischer Flankenschutz der Geldpolitik gedachte Stabilitäts- und Wachstumspakt ist dagegen von mehreren Euro-Mitgliedsländern, insbesondere auch D, über Jahre hinweg verletzt worden und hat sich, in diesem Fall wie von den Kritikern befürchtet, als zahnloser Tiger erwiesen. Gegen den Protest der EZB und gerade auch der Buba ist er 2005 sogar weicher gefasst, 2011 im Kontext der Staatsschuldenkrise der GIIPS-Länder allerdings wieder gehärtet worden, ohne dass bei Regelverletzungen von Mitgliedsländern automatische Sanktionen durchgesetzt werden konnten. Die geldpolitisch begründete Entscheidung der EZB, am Sekundärmarkt Anleihen der Krisenstaaten zu kaufen und damit deren Finanzierungskosten erträglich zu halten, ist gerade in D als Grenzüberscheitung zur Fiskalpolitik heftig kritisiert worden. Die als regionaler Krisenfonds für die Euroländer 2010 neu geschaffene Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und ihr dauerhafter Nachfolger Europäischer Stabilisierungsmechanismus (ESM – seit 2012) sind wiederum in D besonders scharf und auch von der Buba wegen der damit verbundenen Haftungsrisiken und Fehlanreize kritisiert worden. Mehrere Versuche unterschiedlicher Akteure dagegen politisch (z. B. Mitgliederbefragung in der FDP) und juristisch (mehrere Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht) vorzugehen, sind aber im Kern gescheitert.

Sowohl in der Weltwirtschaftskrise 2008 als auch in der Hochphase der Staatsschuldenkrise einiger Euroländer 2010–11 war die EZB bei der akuten Krisenbekämpfung ein wichtiger und durchaus erfolgreicher Akteur. Ob die dabei eingesetzten geldpolitischen Instrumente mit ihrer Grenzüberschreitung zur Finanzpolitik ihre Zielpriorität und Unabhängigkeit auf Dauer gefährden, bleibt allerdings weiterhin umstritten. Ob andererseits die Absicherung der offenen Flanke Staatsverschuldung durch den gehärteten StWP und eine deutlich verstärkte Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik (Vorschläge bis hin zu einem Finanzminister der Eurozone) gelingt, bleibt abzuwarten.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Uwe Andersen

Fussnoten