Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Massenmedien | bpb.de

Massenmedien

Gerhard Vowe

In Deutschland hat sich ein strukturell sehr differenziertes und funktional sehr leistungsfähiges System aus Presse-, Rundfunk- und Online-Medien herausgebildet, das zunehmend vom Internet geprägt wird. Mittels dieser Medien bildet sich die Öffentlichkeit als Raum allgemein zugänglicher politischer Kommunikation. Die politischen Akteure setzen durch Medienpolitik den Rahmen, in dem politisch kommuniziert wird. Den Medien werden vielfältige politische Wirkungen zugeschrieben, und zwar auf die individuellen politischen Entscheidungen (Mikroebene), die politischen Organisationen (Mesoebene) und das politische System insgesamt (Makroebene).

Das deutsche Mediensystem im Überblick

Der Vergleich zwischen Staaten zeigt, dass jedes Land sein eigenes Mediensystem ausbildet. Zwar wirken Faktoren wie die weltwirtschaftliche Verflechtung oder die europäische Integration homogenisierend, aber gerade in einem Mediensystem bleiben kulturelle und politische Eigentümlichkeiten erhalten. Die deutsche Geschichte hat auch das Mediensystem geprägt – von der territorialen Zersplitterung über die Schwäche des Liberalismus bis hin zur Westintegration. Das deutsche Mediensystem ist strukturell stark differenziert und funktional sehr leistungsfähig (Beck 2018). Kennzeichen sind eine dezentrale Verteilung der Kapazitäten und eine vergleichsweise große Staatsferne. Der Einfluss auf andere Mediensysteme im deutschen Sprachraum ist groß. Der Einfluss von außen war bislang gering. Dies ändert sich durch die wachsende Bedeutung von global agierenden Plattformanbietern wie Alphabet (Google), Apple, Facebook und Twitter auch in publizistisch-politischer Hinsicht.

Die Analyse des Mediensystems bekommt erst dann Tiefenschärfe, wenn nach einzelnen Medien differenziert wird, da jeder Medienbereich seinen eigenen Entwicklungspfad aufweist. Auf die publizistisch eher peripheren Medienbereiche (Hörfunk, Film, Musik u. a. m.) und auf die medienübergreifenden Elemente des Mediensystems (Nachrichtenagenturen, Öffentlichkeitsarbeit, Ausbildungseinrichtungen, Interessenvertretungen u. a. m.) kann nicht eingegangen werden.

Presse

Die Grundstruktur der deutschen Presselandschaft hat sich in der zweiten Hälfte des 19. Jh. herausgebildet. Bei den gedruckten Tageszeitungen dominiert die regional verbreitete Abonnementzeitung mit zahlreichen unterschiedlichen Lokalausgaben in einem übergreifenden „Mantel“. Ihr politisches Profil ist schwach ausgeprägt. Weitere Typen sind die überregionale politisch profilierte Abonnementzeitung, die regionale und die überregionale Boulevardzeitung. Zeitungen finanzieren sich mittlerweile überwiegend aus Vertriebserlösen. Der deutsche Zeitungsmarkt wird von fünf Verlagsgruppen beherrscht, allen voran Axel Springer SE mit 12,7 % Marktanteil (Media Perspektiven 2019; dieser Quelle sind auch die weiteren Basisdaten entnommen). Zeitungen verlieren zusehends an Bedeutung für die Mediennutzung. Noch erreichen sie täglich 33 % der Bevölkerung, aber in jüngeren Altersgruppen wächst die Distanz zur gedruckten Zeitung, aber auch zu den Online-Angeboten der Verlage. Ihr politischer Stellenwert ist aber nach wie vor hoch, nicht nur im lokalen Bereich. Ihre publizistische Funktion besteht darin, durch Hintergrundberichterstattung und Kommentierung zur Orientierung beizutragen.

Der Bereich der Zeitschriften – periodische Druckschriften, die nicht täglich erscheinen – ist sehr unübersichtlich. Politisch sind die publizistisch profilierten Wochentitel (u. a. „Spiegel“, „Stern“, „Zeit“) von besonderer Bedeutung, vor allem durch ihre Leitfunktion für andere Journalisten.

Fernsehen

Das Fernsehen hat sich in Deutschland in den 50er- und 60er-Jahren durchgesetzt. Am Anfang stand ein von den Landesrundfunkanstalten gemeinschaftlich produziertes Fernsehprogramm (heute: „Das Erste“). Hinzu traten das ZDF als Programm einer von allen Bundesländern gegründeten zentralen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt und die dritten Fernsehprogramme einiger Landesrundfunkanstalten. Alle diese Anbieter finanzieren sich überwiegend aus den Rundfunkbeitragen der Zuhörer und Zuschauer (2019: 17,50 € pro Haushalt und Monat). Ab Mitte der 80er-Jahre durften auch privat-kommerzielle Unternehmen werbefinanzierte Fernsehprogramme anbieten. Daraus hat sich ein stabiles Duopol gebildet mit der RTL Group (Bertelsmann) und der ProSiebenSAT.1 Media SE (ehemals Kirch-Gruppe, derzeit Streubesitz), die jeweils etwa ein Viertel des deutschen Fernsehzuschauermarkts abdecken. Etwa 40 % entfällt auf die öffentlich-rechtlichen Anbieter. Die Anteile weiterer spezieller privater Anbieter wachsen. Gegenwärtig sind in einem Haushalt mit Kabel- oder Satellitenanschluss – also in fast neun von zehn Fernsehhaushalten – mehr als 30 deutschsprachige Programme zu empfangen – etliche Vollprogramme mit Mischungen aus Unterhaltungs- und Informationselementen und viele ergänzende Spartenprogramme mit eingeschränkten Inhalten. Mit der Digitalisierung dehnt sich das Programmspektrum weiter aus. Das Pay-TV hat sich lange nicht durchsetzen können, erreicht aber mittlerweile etwa 4 % der Bevölkerung. In einzelnen Ballungsräumen hat sich Fernsehen auf Dauer nicht kommerziell betreiben lassen. Für einzelne Zielgruppen sind noch weitere fremdsprachige Programme von Bedeutung. 70 % der Bevölkerung schalten Tag für Tag das Fernsehgerät ein. Durchschnittlich läuft ein Fernsehgerät ca. 3,5 Stunden täglich, wird aber über weite Strecken nebenbei genutzt. Die Fernsehnutzung durch Jüngere ist rückläufig; deren Informations- und Unterhaltungsbedarf wird stattdessen mehr und mehr über netzbasierte Dienste befriedigt, vor allem über soziale Medien. Dadurch steigt das Durchschnittsalter der Fernsehzuschauer deutlich an. Dem Fernsehen wird eine enorme publizistische Bedeutung zugeschrieben. Politische Information in Form von Nachrichtensendungen, Gesprächsrunden, Magazinen und Regionalsendungen hat einen hohen Stellenwert im Programm – nicht nur bei öffentlich-rechtlichen Anbietern. Die Verschiebung hin zu netzbasierter Nutzung von Fernsehangeboten setzt die Fernsehanbieter unter einen erheblichen Veränderungsdruck.

Internetbasierte Medien: Web 1.0, Web 2.0 und Web 3.0

Das Internet ist die Basis nicht nur für neue Formen der Individual- und Gruppenkommunikation, sondern auch für neue Formen der Massenkommunikation (Schweiger und Beck 2019). In den neunziger Jahren entwickelte sich das World Wide Web (WWW), der multimediale Teil des Internets, zum Massenmedium mit rasant steigenden Reichweiten und Nutzungszeiten. Sein publizistisch bedeutsamer Teil ist im Vergleich zu den übrigen Internetangeboten sehr klein, gewinnt aber im Vergleich zu den klassischen publizistischen Medien an Bedeutung, auch weil Journalisten und Politiker diese Angebote stark nutzen. Publizistisch relevant sind vor allem die Online-Ableger von Presse- oder Rundfunkanbietern. Durch die spezifischen Möglichkeiten des WWW (Interaktivität, Hypertextualität, Aktualität) bildet sich ein originäres publizistisches Profil heraus. Neben den Anbietern von Inhalten sind die Anbieter von Dienstleistungen rund um das Netz von Belang. Besondere Beachtung verdienen die Anbieter, die Orientierung im Internet als „Gatekeeper“ fungieren, vor allem Google als Betreiber der wichtigsten Suchmaschine. Hinzu kommen thematisch einschlägige Portale, z. B. zu Wirtschafts- oder Umweltfragen. Bisher ist es nur in geringem Maße gelungen, Nutzungsentgelte durchzusetzen. Auch mit Werbung können die publizistischen Angebote bislang nicht ausreichend re-finanziert werden. Nach dem „Web 1.0“, der überwiegend stationären Nutzung des Internets durch Abruf von Websites, entwickelte sich ab 2008 mit der Verbreitung des Smartphones das „Web 2.0“, die überwiegend mobile Nutzung vor allem von sozialen Netzmedien in einer Vielzahl von Formen. Dafür wurden spezifische Dienste entwickelt, die auch massenmedial relevant sind, z. B. die „Apps“ von etablierten Medien. Vor allem aber sind im „Web 2.0“ noch stärker als im „Web 1.0“ Möglichkeiten gegeben, dass ein Nutzer nicht nur rezipiert, sondern mit geringem Aufwand zum Kommunikator werden kann, insbesondere im Rahmen von Weblogs, Social-Networks, Videoplattformen, Microblogging (Twitter) oder Messengerdiensten (WhatsApp). Mittlerweile nutzen ca. 89 % der Deutschen ein Smartphone; Facebook wird in Deutschland von ca. 19 % der Bevölkerung täglich genutzt; auf Twitter ist täglich lediglich rund 1 % der Deutschen aktiv, darunter allerdings sehr viele Angehörige publizistisch relevanter Berufsgruppen. Vor allem die nachwachsenden Kohorten sind bis auf wenige Stunden durchgängig über das Smartphone erreichbar. Die Suche nach politischer Information spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Immerhin beziehen 32 % der Bevölkerung ihre politische Information hauptsächlich über das Internet (Hölig und Hasebrink 2019). Die Finanzierungsquelle der Plattformanbieter sind die Daten der Nutzer, die es erlauben, den Werbetreibenden präzise zugeschnittene Zielgruppen für ihre Werbung anzubieten (Micro-Targeting). Die nächste Stufe in der Veränderung der Öffentlichkeit durch Online-Medien zeichnet sich ab: Der Einsatz Künstlicher Intelligenz ermöglicht auch Dienstleistungen, die Information und Kommunikation personalisieren, also auf individuelle Präferenzen zuschneiden, über Sprachschnittstellen benutzbar sind und lernen, sich an die Präferenzen der Nutzer anzupassen. Dies kann als „Web 3.0“ bezeichnet werden. Hier sind ebenfalls die „Big Five“ führend, also Alphabet (Google), Amazon, Apple, Facebook und Microsoft.

Regulierung der Medien: Einfluss der Politik auf die Massenkommunikation

Struktur, Funktion und Entwicklung des Mediensystems werden auch durch (Medien-)Politik beeinflusst, also durch „kollektiv bindende Entscheidungen“ (Talcott Parsons) im Hinblick auf öffentliche Kommunikation. Von besonderer Bedeutung sind Subjekt, Modus und Objekt dieser Entscheidungen – im Folgenden charakterisiert als medienpolitische Akteure, Strategien und Stellschrauben (Vowe 2003).

Wer beeinflusst? Publizistische versus ökonomische Akteure

Medienpolitische Akteure versuchen, die Massenkommunikation zu steuern, und zwar zum einen deren publizistische Dimension, also mit Blick auf die Bildung → öffentlicher Meinung. Zudem nehmen sie Einfluss auf die ökonomische Dimension der Massenkommunikation, also auf das Verhältnis von Aufwand und Ertrag, z. B. durch Festlegung von Finanzierungsweisen. Medienpolitische Akteure lassen sich folglich danach unterscheiden, ob sie eher publizistisch oder eher ökonomisch orientiert sind. So ist eine Partei an Medienpolitik deshalb interessiert, weil sie dadurch zu ihren Gunsten Einfluss auf die Bedingungen für die Bildung öffentlicher Meinung nehmen kann; die ökonomischen Medienleistungen dienen ihr nur als Mittel zum (publizistischen) Zweck. Ein Medienkonzern hingegen ist deshalb an Medienpolitik interessiert, weil er damit zu seinen Gunsten Einfluss auf die Verwertungsbedingungen nehmen kann; die publizistischen Leistungen dienen ihm nur als Mittel zum (ökonomischen) Zweck. Dazwischen haben sich zahlreiche Mischformen ausgeprägt. Aus der Interaktion all dieser eigennützigen Akteure ergeben sich positive und negative Effekte im Hinblick auf das Gemeinwohl in kommunikativer Hinsicht. Zwar gewinnen seit einiger Zeit die ökonomisch orientierten medienpolitischen Akteure an Boden, aber noch wird Medienpolitik von den publizistisch interessierten Akteuren dominiert – von Parteien, Verbänden und staatlichen Instanzen. Eine besondere Bedeutung kommt für die Rundfunkpolitik dem → Bundesverfassungsgericht zu, das mit einer Reihe grundlegender Entscheidungen die Rundfunklandschaft in Deutschland geprägt hat. Die rapide Diffusion des Internets hat die traditionelle medienpolitische Akteurskonstellation grundlegend verändert. Vor allem werden nun die globalen Plattformanbieter in die Regulierung der Internetnutzung einbezogen. Die gegenwärtige Medienpolitik orientiert sich deshalb viel stärker an ökonomischen Zielen als die klassische Medienpolitik. Zugleich ist damit nach der Fernsehrichtlinie 1987 ein weiterer Schub der Europäisierung von Medienpolitik verbunden, wie die Regelungen zum Datenschutz- oder zum Leistungsschutzrecht zeigen.

Wie wird beeinflusst? Regulative, distributive und kommunikative Strategien

Mit drei Strategien beeinflussen die Akteure die Bedingungen öffentlicher Kommunikation. Eine Strategie stützt sich auf (re-)distributive Instrumente: Medienpolitisch erwünschte Leistungen werden gefördert (z. B. durch → Subventionen), unerwünschte erschwert (z. B. durch höhere Steuersätze). Die andere Strategie stützt sich auf regulative Instrumente. Durch Gebote und Verbote werden die Spielräume abgesteckt, etwa durch gesetzliche Regelungen zur Presse- oder zur Rundfunkkonzentration. In Deutschland dominiert die regulative Strategie. Durch ihren privilegierten Zugang zu hoheitlicher Regulierung können die Parteien ihre publizistischen Interessen wirkungsvoll durchsetzen. Eine kommunikative Strategie spielt insofern eine Rolle, als medienpolitische Akteure ein gewünschtes Verhalten etwa von Plattformanbietern dadurch zu erreichen versuchen, indem sie regulative Maßnahmen androhen („regulierte Selbstregulierung“).

Was wird beeinflusst? Teilnahme, Inhalt und Verfahren als medienpolitische Stellschrauben

Medienpolitische Regulierung kann an drei Stellschrauben ansetzen: Teilnahme an, Inhalte von und Verfahren bei öffentlicher Kommunikation. Hier zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den Medien (Puppis 2010).

Die Teilnahme an der Pressekommunikation ist unbeschränkt: Weder Leser noch Anbieter brauchen eine Lizenz. Bei der Förderung von Anbietern hält sich die deutsche Pressepolitik zurück.

Anders in der Rundfunkkommunikation: Hier ist um die Teilnahme als Anbieter ein enges Netz an Vorschriften gewoben. Die Bundesländer haben eine gesetzliche Grundlage geschaffen, durch die der territoriale Zuschnitt, die Aufgaben und die interne Struktur der öffentlich-rechtlichen Anstalten festgelegt wurden. Vor allem sind dadurch Aufgaben und Zusammensetzung des jeweiligen Rundfunkrats definiert worden – des Aufsichtsgremiums für jeden einzelnen Sender, dem Vertreter von Verbänden, Parteien und staatlichen Instanzen angehören. Die privaten Rundfunkanbieter werden in einem gesetzlich geregelten Frequenzvergabeverfahren ausgewählt. Vor allem dafür sind die Landesmedienanstalten gegründet worden. Diese öffentlich-rechtlichen Instanzen werden durch Gremien kontrolliert, die analog zu Rundfunkräten besetzt werden.

Die Teilnahme an internetbasierter Kommunikation ist hingegen grundsätzlich unbeschränkt. Rezeption, Produktion und Distribution von Dienstleistungen sind nicht gesondert reguliert. Allerdings wurden an die Anbieter von Mobilkommunikationsdiensten in Deutschland Lizenzen versteigert – mit weitreichenden ökonomischen Folgen.

Hinzu treten Regulierungen, mit denen der Wettbewerb zwischen Anbietern aufrecht erhalten und damit Vielfalt garantiert werden soll. Entscheidend für die rasche Durchsetzung des WWW war die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes in den 80er-Jahren. Scharfe Konkurrenz der Anbieter hat zu rapide sinkenden Kosten für die Nutzer geführt. Außerdem greifen im Online-Bereich die generellen wirtschaftsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften, die in den USA mehr Möglichkeiten bieten als in Deutschland, gegen eine marktbeherrschende Stellung eines Anbieters vorzugehen. Gegen die Monopolisierung einzelner Dienstleistungen im Web 2.0 durch Plattformanbieter wird nunmehr verstärkt kartellrechtlich vorgegangen – auf europäischer und nationaler Ebene. Im Pressebereich gelten im Vergleich zu anderen Branchen verschärfte wettbewerbsrechtliche Vorschriften. Damit wurde Mitte der 70er-Jahre die Konzentrationswelle im Zeitungsbereich abgebremst. Für den Rundfunkbereich sind eigene Konzentrationsregeln gesetzlich verankert. Sie sehen vor, dass kein Rundfunkanbieter mit allen seinen Sendern mehr als 30 % Marktanteil erreichen darf. Dadurch ist das Duopol aus RTL-Group und ProSiebenSAT.1 Media SE rechtlich abgesichert worden. Beim digitalen Fernsehen ist darauf geachtet worden, dass der Zugang für alle Anbieter-Interessenten offen bleibt.

Den Kern der Regelungen für die Inhalte bilden medienübergreifende gesetzliche Verbote, mit denen die öffentliche Ordnung, die Jugend und die persönliche Ehre geschützt werden sollen. So darf weder über Presse noch über Rundfunk oder Internet folgenlos zum bewaffneten Aufstand aufgerufen, Pornografie oder ehrverletzende Aussagen über jemanden verbreitet werden. Ebenfalls verboten ist die Leugnung des Holocaust oder das Zeigen von NS-Symbolen. Das Internet bietet aber eine Fülle von Möglichkeiten, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Durch Inpflichtnahme der Plattformanbieter wird versucht, diese Möglichkeiten einzuschränken, etwa durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Neben den Verboten wird mit Geboten reguliert. So wird der Presse und dem Rundfunk eine „öffentliche Aufgabe“ zugewiesen, nämlich die Bildung öffentlicher Meinung zu ermöglichen. Daraus folgt u. a., dass Medien nur in genau geregelten Ausnahmefällen ihre Informationsquellen gegenüber Strafverfolgungsbehörden offenlegen müssen. Im Gegenzug bedeutet das aber auch: Sie unterliegen einer Sorgfaltspflicht, dürfen also Aussagen nicht ungeprüft verbreiten. Der öffentlich-rechtliche und in abgeschwächter Form auch der private Rundfunk haben zudem die Aufgabe der „Grundversorgung“. Sie sollen flächendeckend mit einer Mischung aus aktueller Information, Bildung und Unterhaltung die Bevölkerung versorgen.

Im Vordergrund der Regeln für die Verfahren der öffentlichen Kommunikation stehen die Datensicherung und der Datenschutz, denen in der Online-Kommunikation verstärkte Aufmerksamkeit gewidmet wird. An Bedeutung hat der Schutz von Urheberrechten gewonnen, der im Musik-, Film- und Softwarebereich durch das Internet enormen Belastungen ausgesetzt ist. Die europäische Rahmenregelung hat zu heftigen Konflikten geführt, wodurch die Medienpolitik wieder mehr in den Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit gerückt ist. Von großer ökonomischer Bedeutung ist eine weitere Facette von Regulierung, und zwar die Standardisierung von Formaten der Kommunikation wie die Festlegung von Standards für Datenkompression und für die Vergabe von Doimain-Namen im Internet.

Ordnungsrahmen für die Regulierung

So wie der öffentlichen Kommunikation ein politisches Gerüst an Regeln vorgegeben wird, so steht die Regulierung selbst wiederum in einem Rahmen. Das wichtigste Element dieses Ordnungsrahmens für die Medienpolitik bilden in Deutschland die Kommunikationsfreiheiten – in der Verfassung garantierte Rechte auf Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit. In Deutschland wird das Grundrecht auf Freiheit der Medien nicht nur als ein Abwehrrecht gegenüber dem Staat gesehen, sondern als eine Verpflichtung des Staates, eine freie Bildung öffentlicher Meinung zu garantieren. Mit dieser publizistischen Verpflichtung begründet das Bundesverfassungsgericht das besonders dichte Regulierungsnetz für die Rundfunkpolitik. Ein zweites Element ist die Verteilung der Kompetenzen auf Bund, Länder, EU und nicht-staatliche Akteure. Durch den kooperativen bundesdeutschen Föderalismus mussten sich Union und SPD in der Rundfunkpolitik immer auf Kompromisse einigen. Und schließlich sichern die Prozeduren der Regulierung den beteiligten Akteuren in bestimmten Phasen des Entscheidungsprozesses unterschiedliche Möglichkeiten der Einflussnahme. Auch dadurch wird Konsens gewährleistet.

Den Hintergrund für den Ordnungsrahmen bilden wiederum die grundlegenden kulturellen Orientierungsmuster: Neben den politischen Leitwerten wie Freiheit, Gleichheit, Sicherheit bildet das vorherrschende Medienbild die tragende kognitive Grundlage bei allen Akteuren. Dadurch ist die politische Gestaltung des Mediensystems in die → politische Kultur eingebettet. Auch hier sorgt die Diffusion des Internets für Veränderungen. Der transnationale Charakter von Online-Kommunikation bringt es mit sich, dass in der medienpolitischen Regulierung unterschiedliche Ordnungsrahmen und Orientierungsmuster aufeinander stoßen, so eine sicherheitsorientierte kontinental-europäische Kultur der hoheitlichen Regulierung auf eine freiheitsorientierte US-amerikanische Kultur der marktlichen Regulierung.

Mediatisierung der Politik: Einfluss der Massenkommunikation auf die Politik

Im Zentrum des kulturell verankerten Bildes von Massenmedien steht die Vorstellung, dass starke Medien massive Wirkungen auf schwache Massen ausüben. Um die Validität dieser Vorstellung zu überprüfen, ist es sinnvoll, einzelne Ebenen politischer Medienwirkung zu unterscheiden.

Mikroebene: Wirkung auf Bürger

Politische Akteure sehen starke Medienwirkungen vor allem im Hinblick auf Individuen in deren politischen Rollen, insbesondere auf die Wahlentscheidungen der Bürger. In der Tat ist empirisch nachgewiesen, dass die Medien einen Einfluss darauf haben, wie die relative Wichtigkeit von politischen Themen, die Eigenschaften von Kandidaten und die politischen Stimmungslagen wahrgenommen werden (Brettschneider 2014). Zudem vermitteln Medien Deutungsmuster, etwa dazu, ob Migration eher als Risiko oder als Chance begriffen wird (Framing); sie verknüpfen die zugeschriebene Relevanz von Problemen mit der Einschätzung der Kompetenz verschiedener Akteure, das jeweilige Problem zu lösen (Priming); und sie geben Anstöße zum Handeln, etwa durch plastische Beispiele (Nudging). Aber wie groß der Einfluss im Vergleich zu anderen Faktoren ist, dazu sind die Befunde ausgesprochen unübersichtlich. Zum einen variiert der Zeithorizont der Wirkungsuntersuchungen: Das Spektrum reicht von unmittelbaren Effekten bis zu historischen Veränderungen. Zum anderen variiert, welche Aspekte von Rezipienten als Variablen bevorzugt modelliert werden: Das Spektrum reicht von Kognitionen (z. B. Kenntnisse des → Wahlsystems) über Emotionen (z. B. Sympathie für einen Kandidaten) bis zu Handlungsabsichten und Handlungen. Zum dritten variiert der Status, den man dem einzelnen Bürger zurechnet: Wird er eher als Objekt gesehen (Medienwirkungsansatz) oder eher als Subjekt (Mediennutzungsansatz)? Das Spektrum reicht von dezidierten Wirkungsansätzen (z. B. „Agenda-Setting“) über Ansätze, in denen mentale Aktivitäten des einzelnen Rezipienten betont werden (z. B. „Kognitive Schemata“), bis zu Ansätzen, die das soziale Umfeld des Rezipienten einbeziehen (z. B. „Schweigespirale“). Diese heterogene Forschungslage deutet auf komplexe Wechselwirkungen hin. Die politischen Wirkungen einer intensivierten Nutzung von internetbasierten Medien sind von Beginn an intensiv untersucht worden. Für die „Web 1.0“-Medien konnte nachgewiesen werden, dass sich die politische Information signifikant intensiviert, wenn Menschen Zugang zum Internet bekommen. Die Effekte auf politische Konversation und auf politische Partizipation sind moderat (Emmer et al. 2011). Für „Web 2.0“-Medien sind zahlreiche Studien zu Wirkungen durchgeführt worden. Meta-Studien zeigen einen deutlichen Anstieg der Partizipation (Boulianne 2019).

Mesoebene: Wirkung auf politische Organisationen

Dies wird durch die Annahme ergänzt: Auch die politischen Organisationen verändern sich durch die Medien. So wird z. B. mit der These einer „Amerikanisierung“ des → Wahlkampfes behauptet, die Entscheidungen in politischen Parteien über Kandidaten berücksichtigten bevorzugt medienbezogene Qualifikationen als Kriterium; oder die Strukturen der Organisationen änderten sich, indem die Schnittstellen zu den Medien an Gewicht gewönnen; oder es würden die politischen Strategien eher auf mediale Belange abgestellt und die Handlungslogiken der Medien in das Kalkül der Organisation übernommen. Dafür gibt es eine Vielzahl von empirischen Belegen (Jarren und Donges 2017). Andererseits hat die Forschung zeigen können, in welchem Maße der Journalismus durch PR-Maßnahmen der politischen Organisationen beeinflusst wird. Die politischen Organisationen bestimmen zumindest im Routinefalle Themen und Timing der Berichterstattung. Auch in diesem Zusammenhang hat die Diffusion der Online-Medien für folgenreiche Veränderungen gesorgt: So ermöglichen Online-Medien den politischen Organisationen, am Journalismus vorbei ihr Publikum zu erreichen („Disintermediation“). Diese Potenziale werden von den Organisationen in unterschiedlichem Maße genutzt. Dies wiederum führt dazu, dass gerade eher ressourcenschwache politische Organisationen an politischer Bedeutung gewinnen. Auch hier liegen also komplexe Wechselwirkungen vor.

Makroebene: Wirkung auf politische Systeme

Zum dritten wird vermutet, dass die Medien für eine Verschiebung der Gewichte im politischen System sorgen; es komme zu einer „Mediokratie“ (Thomas Meyer). Auch diese Vermutung ist durchaus erfahrungsgesättigt; einige Indikatoren deuten darauf hin, dass herkömmliche Machtträger wie Parteien und Verbände im Vergleich zu den Medienorganisationen an politischem Einfluss verlieren. Daraus erwachsen Probleme für das eingespielte System von „checks and balances“. Aber die Aktivitäten der Medienorganisationen sind in das enge Korsett von medienpolitischen Regeln gezwängt.

Also zeigt sich auch hier ein Wechselspiel von politischer Ordnung und Spielraum für Medienorganisationen. Diese vielfältigen Wechselwirkungen auf den einzelnen Ebenen, aber auch zwischen ihnen gilt es theoretisch zu modellieren.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Gerhard Vowe

Fussnoten