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Ministerium für Staatssicherheit | bpb.de

Ministerium für Staatssicherheit

Eckhard Jesse

Das MfS im politischen System der DDR

Das im Jahre 1950 gegründete Ministerium für Staatssicherheit (MfS) war die Geheimpolizei und der Inlands- und Auslandsgeheimdienst der → DDR, der über exekutive Befugnisse verfügte und im Laufe der Jahre durch ein weit verzweigtes Zuträgersystem für eine gleichsam flächendeckende Überwachung der Bevölkerung sorgte. Das Gesetz zur Bildung des MfS aus dem Jahre 1950 bestand nur aus zwei nichts sagenden Paragraphen. Die Tätigkeit des MfS war durch interne Richtlinien und Dienstanweisungen bestimmt. Das MfS, welches eng mit dem sowjetischen Geheimdienst, dem KGB, zusammenarbeitete und sich in der Tradition der Tscheka sah, der bolschewistischen Geheimpolizei der Jahre 1917–1922, verstand sich als „Schild und Schwert“ der Partei, der SED (→ Die Linke). Insofern ist die mitunter verbreitete Charakterisierung der DDR als „Stasi-Staat“ unzutreffend. Die weisungsgebundene Staatssicherheit, über deren Struktur und Arbeitsweise bis zum Zusammenbruch der DDR nur wenig bekannt war – die bundesdeutsche DDR-Forschung hat das MfS überwiegend ignoriert –, stellte ein Werkzeug der Partei dar.

Das zunächst nach Landesverwaltungen, dann nach Bezirksverwaltungen gegliederte MfS wurde von W. Zaisser (1950–1953), E. Wollweber (1953–1957) und E. Mielke (1957–1989) geleitet. Dieser gehörte bis zu seiner Entmachtung dem Politbüro an (1971–1976 als Kandidat, danach als Vollmitglied). In der DDR hatte sich ein umfassendes Spitzelwesen entwickelt. Zum MfS zählten 1989 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter und 189.000 Inoffizielle Mitarbeiter (IM) (Müller-Enbergs 1996). Wer die hohe Zahl der IMs anzweifelt (Kowalczuk 2016), wendet sich gegen die Allmacht der Staatsssicherheit, deren Wirksamkeit überschätzt werde. Von den 70er-Jahren an stieg die Zahl der IM, etwa durch zunehmende „Zersetzung“ alternativer Gruppierungen (Pingel-Schliemann 2002). Dies deutet einerseits auf eine Abschwächung des offen repressiven Charakters der DDR hin, andererseits auf deren mangelnde Legitimität. Für alle IM, für die es verschiedene Kategorien gab, bestand die Pflicht zu strikter Konspiration. Meistens musste eine schriftliche Verpflichtungserklärung unterzeichnet werden. Schwerpunkte des MfS waren die Kontrolle der Volkswirtschaft (durch die Hauptabteilung XVIII), die Spionageabwehr (Hauptabteilung II) und die Hauptabteilung XX (Staat, → Kirche, Kultur, → Opposition), die auch der Bekämpfung „politischer Untergrundtätigkeit“ und „politisch-ideologischer Diversion“ diente. Der Post- und Fernmeldeverkehr wurde systematisch überwacht, zum Teil sogar in der BRD.

Die Tätigkeit der von M. Wolf bis 1986 geleiteten „Hauptverwaltung Aufklärung“ (HVA) bezog sich auf das „feindliche Ausland“, insbesondere die BRD. Der Auslandsnachrichtendienst der DDR, der auch an der Unterdrückung der DDR-Bevölkerung beteiligt war, erwies sich durch seine zahlreichen „Kundschafter des Friedens“ als besonders funktionsfähig und galt im Westen aufgrund seiner Effizienz im „Operationsgebiet“ als gefürchtet.

Die Auflösung des MfS

Der Niedergang der entkräfteten SED zog den Niedergang des MfS nach sich. Nicht zuletzt deshalb vermochte sich die Staatssicherheit gegenüber dem drohenden Zusammenbruch nicht zu wehren. Während des Umbruchs in der DDR richtete sich der Zorn weiter Kreise in der Bevölkerung, zum Teil geschürt von der SED, maßgeblich gegen das MfS, das den Unterdrückungsapparat symbolisierte. Bei → Demonstrationen wurde die Auflösung des MfS gefordert. E. Krenz, der Nachfolger Honeckers, wollte noch im Nov. 1989 ein Gesetz über die Befugnisse des MfS erarbeiten lassen. Ministerpräsident H. Modrow ersetzte im Nov. 1989 das MfS durch ein „Amt für Nationale Sicherheit“ (unter W. Schwanitz, dem bisherigen Stellvertreter Mielkes). Diese Nachfolgeorganisation wurde auf Druck des „Runden Tisches“ durch einen Beschluss des Ministerrates im Dez. 1989 aufgelöst, wenngleich einzelne Strukturen fortbestanden – etwa bei der Beseitigung von Unterlagen. Die geplante Einrichtung eines „Verfassungsschutzes der DDR“ und eines „Nachrichtendienstes der DDR“ unterblieb nicht zuletzt aufgrund der Standhaftigkeit der Bürgerbewegungen und der Bürgerkomitees. Der Sturm auf die Zentrale des MfS in der Berliner Normannenstraße am 15.01.1990 bedeutete das faktische Ende der Staatssicherheit (Süß 1999). Bereits im Dez. waren die Bezirksstellen des MfS besetzt worden. Unter der Regierung de Maizière erfolgten weitere Maßnahmen zur Auflösung der Organe der Staatssicherheit. Als die DDR der BRD beitrat, war das MfS aufgelöst – ungeachtet des Fortwirkens entsprechender „Seilschaften“.

Die Aufarbeitung der Hinterlassenschaft des MfS

Die Hinterlassenschaft des MfS wird, zumal mit Blick auf die personenbezogenen Unterlagen, intensiv aufgearbeitet. Die Behörde des „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ (seit dem Jahr 2011 steht ihr nach Joachim Gauck und Marianne Birthler Roland Jahn vor) widmet sich dieser Aufgabe. Allerdings sind die meisten Akten der HVA vernichtet worden. Von ca. 4 Mio. Bürgern aus der DDR und 2 Mio. aus der BRD liegen Akten vor. Gemäß dem „Stasi-Unterlagen-Gesetz“ erhalten Opfer Einsicht in ihre Akten. Diese stehen auch den Medien und der Forschung für die historische und politische Aufarbeitung zur Verfügung.

Eine 2014 eingesetzte Expertenkommission zur Zukunft der Behörde des Bundesbeauftragten kam 2016 zum Ergebnis, diese sei aufzulösen. Die Unterlagen sollen in das Bundesarchiv zu überführen sein. Der Bundestag fasste im September 2019 mit den Stimmen der Union, der SPD und der FDP einen entsprechenden Beschluss. Das Recht auf Akteneinsicht, allerdings nur noch an einem Ort pro Bundesland, bleibt davon unberührt. Das Stasi-Unterlagen-Archiv ist voraussichtlich 2021 ein Teil des Bundesarchivs. Der Bundestag (ohne die Stimmen der Partei Die Linke) verlängerte zugleich die Möglichkeit, bis Ende 2030 Personen in „politisch oder gesellschaftlich herausgehobenen Positionen“ auf eine Tätigkeit für die Staatssicherheit zu überprüfen.

Die geringe Zahl von ca. 20 Verurteilungen gegen MfS-Mitarbeiter (nur drei mussten eine Haftstrafe verbüßen) erklärt sich mit dem Rückwirkungsverbot. Konzentrierte sich die Aufarbeitung in den 90er-Jahren auf den Repressionscharakter des MfS, gibt es mittlerweile eine gewisse Verschiebung der Akzente: Nun interessiert mehr der gesellschaftliche Alltag und die Rolle des Staatssicherheitsdienstes, die Art der Informationsbeschaffung aus dem „Operationsgebiet“ (vor allem Wissenschaft und Technik) und ihre Nutzung in der DDR.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Eckhard Jesse

Fussnoten