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Öffentliche Unternehmen | bpb.de

Öffentliche Unternehmen

Jens Libbe

Eine einheitliche Definition öffentlicher Unternehmen existiert ebenso wenig, wie eine in sich geschlossene Theorie öffentlicher Unternehmen. Gemäß der Definition der Finanzstatistik werden als öffentliche Unternehmen solche angesehen, an denen die öffentliche Hand die Kapital- oder Stimmrechtsmehrheit besitzt. Ein weiteres Charakteristikum öffentlicher Unternehmen ist ihr Betriebszweck, der darauf ausgerichtet ist, bestimmte öffentliche Bedarfe zu decken.

Öffentliche Unternehmen sind im Grundsatz allein öffentlichen Aufgaben verpflichtet. Nur soweit ein sogenanntes öffentliches Interesse vorliegt, das durch ein öffentliches Unternehmen effektiv verfolgt werden kann, ist das Unternehmen als öffentliches legitimiert. Das heißt, die Ziele und Aufgaben des öffentlichen Unternehmens müssen sich aus öffentlichen Interessen von Staat und Gesellschaft ableiten lassen, was eine entsprechende Definition durch den öffentlichen Träger (z. B. eine Kommune) voraussetzt und im weiteren der Präzisierung in Form entsprechender Unternehmensziele bedarf. Entscheidend ist, inwieweit es gelingt, das öffentliche Interesse im Unternehmen durchzusetzen.

Bei öffentlichen Unternehmen steht nicht primär ein Gewinnstreben im Vordergrund sondern die Erfüllung von Sachzielen. Diese Bedarfswirtschaftlichkeit öffentlicher Unternehmen negiert jedoch nicht wirtschaftliche Formalziele. Von Seiten ihrer Träger wird durchaus erwartet, dass öffentliche Unternehmen gewinnorientiert arbeiten, dieses jedoch in Relation zu ihren öffentlichen Aufgaben. Die Sachziele finden ihren Ausdruck in der Bereitstellung von Versorgungsgrunddienstleistungen (etwa Wasserversorgung, Personennahverkehr, soziale Wohnungswirtschaft), die am Markt nicht bzw. nur mit hohem Regulierungsaufwand bereitgestellt werden. In diesem Sinne handelt es sich um die Produktion und Verteilung öffentlicher Güter, für die der Staat (inkl. kommunaler Gebietskörperschaften) die Verantwortung übernommen hat oder auch um die Vermeidung negativer externer Effekte, die sich bei fehlender öffentlicher Aufgabenübernahme einstellen würden.

Bestimmte öffentliche Interessen haben in der Vergangenheit immer wieder zur Gründung öffentliche Unternehmen geführt. Zumeist war die Gründung von öffentlichen Unternehmen eine Reaktion auf Marktversagen oder auf Verwaltungsversagen bzw. Bürokratiedefizit (Aufgabenauslagerung). Im historischen Verlauf ist die Zahl öffentlicher Unternehmen immer auch Schwankungen unterworfen gewesen, wenngleich der statistische Nachweis nicht immer eindeutig ist (vgl. Dietrich 2010). So haben Bund und Länder seit den 1980er-Jahren umfangreiche Privatisierungen durchgeführt. Ausschlaggebend hierfür war ein generell kritischerer Blick auf die öffentliche wirtschaftliche Betätigung sowie das Bestreben um Haushaltskonsolidierung. Doch auch die Kommunen haben zum Ende des letzten Jahrtausends mehr und mehr Anteile an ihren Unternehmen abgestoßen, sei es, weil die Marktrisiken als zu groß eingeschätzt wurden (Energie), sei es weil der öffentlichen Wirtschaft im Bereich sozialer Leistungen weniger Bedeutung zugemessen wurde (Wohnungswirtschaft, Krankenhäuser). Umgekehrt hat die Ausgliederung von Regiebetrieben aus den öffentlichen Haushalten sowie die Umwandlung von Eigenbetrieben in Unternehmen privater Rechtsform auch zur Gründung neuer öffentlicher Unternehmen geführt. Auf kommunaler Ebene ist seit 2008 ein Trend zur Rekommunalisierung erkennbar. Dieser gilt insbesondere für den Energiesektor, wo von Seiten der Städte und Gemeinden neue Energieversorgungsunternehmen oder Netzbetriebsgesellschaften gegründet wurden. Inzwischen existieren in Deutschland wieder knapp 1000 Stadtwerke, was in etwa dem Stand von 1998 entspricht. Ein Teil dieser neuen Unternehmen wird dabei in Kooperation mit privaten Partnern betrieben. Ausschlaggebend für diese Rückbesinnung auf die öffentliche wirtschaftliche Betätigung sind nicht zuletzt die zunehmende Kritik aus der Bevölkerung an Privatisierungsmaßnahmen, der Wunsch nach Rückgewinnung von politischem Einfluss, die relative Bürgernähe öffentlicher Unternehmen sowie teilweise Unzufriedenheit mit der Qualität privater Dienstleister.

Insbesondere die kommunalen Unternehmen sind spezifischen Schranken unterworfen. So bedarf die wirtschaftliche Betätigung einer Kommune eines öffentlichen Zwecks. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass sich die wirtschaftliche Tätigkeit einen spezifischen örtlichen Bezug aufweisen muss. Das kommunale Unternehmen soll zum Wohl der Gemeindebürgerinnen und -bürger beitragen, indem es soziale oder ökologisch orientierte Aufgaben erfüllt, die (infrastrukturelle) Erschließung des Gemeindegebiets unterstützt oder ganz allgemein Leistungen im Sinne der Stadtplanung, Siedlungspolitik und Wirtschaftsförderung erbringt. Wichtig ist, dass die wirtschaftliche Betätigung eines kommunalen öffentlichen Unternehmens im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinde sowie zur eigentlichen Haupttätigkeit des jeweiligen Unternehmens steht. Grenzen können sich vor allem dort ergeben, wo diese Betätigung in unzulässiger Konkurrenz zu privaten Wirtschaft tritt (Beachtung des Subsidiaritätsprinzips). Die rechtlichen Schranken der Bundesländer sind hier unterschiedlich eng gesetzt.

Anders als in Deutschland, wo öffentliche Unternehmen im Sinne einer trägerbezogenen Sichtweise als Instrument zur Verwirklichung politischer Ziele angesehen werden und sich an verschiedenen staatsbezogenen Vorschriften orientieren müssen, ist die Europäische Union gegenüber der Eigentumsform (formell) neutral. Im Sinne einer funktionsbezogenen Sichtweise sind öffentliche Unternehmen danach solche, die eine wirtschaftliche Tätigkeit am Markt ausüben. Öffentliche Unternehmen sind demnach nur ein Anbieter von vielen. Der Staat tritt gegenüber den Unternehmen als Besteller auf und grundsätzlich gelten die Wettbewerbs- und Vergabevorschriften. Die Europäische Kommission geht davon aus, dass die ganz überwiegende Bereich der sogenannten Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vom Markt erbracht werden kann. Nichtwirtschaftliche Dienstleistungen werden restriktiv ausgelegt. Verfolgen öffentliche Unternehmen solche nichtwirtschaftlichen Interessen (Theater, Bäder, Museen u. ä.) oder werden sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt tätig (Bundesbank), so fallen sie im europäischen Verständnis nicht unter den Begriff des öffentlichen Unternehmens.

Die Wahl der Rechtsform eines öffentlichen Unternehmens hängt stets von den mit dem Unternehmen verfolgten (politischen und wirtschaftlichen) Zielen ab. Grundsätzlich gibt es nicht „die“ optimale Rechtsform. Unterscheiden lassen sich öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich verfassten Rechtsformen. Die ganz überwiegende Zahl öffentlicher Unternehmen ist privatrechtlich verfasst (vor allem GmbH und AG), insbesondere dort, wo die Unternehmen am Markt agieren und wo ihnen von Seiten ihres Trägers aufgrund der Komplexität des Aufgabenfeldes eine weitgehende Autonomie in der Geschäftsführung zugestanden wird.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Jens Libbe

Fussnoten