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Parteienfinanzierung | bpb.de

Parteienfinanzierung

Michael Koß

Einleitung

In der Rückschau hat sich die 1968 aufgestellte Behauptung, eine staatliche Parteienfinanzierung sei ebenso wenig zu verhindern wie der außereheliche Beischlaf (dazu Schallies 1968) für Deutschland und die meisten europäischen Demokratien bewahrheitet. In diesem Beitrag wird deshalb zunächst nachgezeichnet, wie die staatliche Parteienfinanzierung gegenüber den anderen wichtigen Einnahmequellen der deutschen Parteien, namentlich Mitgliedsbeiträgen und Spenden, relativ an Bedeutung gewonnen hat. Dazu werden die wichtigsten Reformen (Abschn. 2) und die aktuelle Bedeutung verschiedener Einnahmequellen für die Ausgaben der Parteien (Abschn. 3) diskutiert. Damit könnte es sein Bewenden haben, wenn die Finanzierung der Parteien nicht sowohl in der allgemeinen als auch der Fachöffentlichkeit erhebliches Unbehagen hervorrufen würde, das in Abschn. 4 skizziert wird. Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für die beste aller schlechten Lösungen für eine Reform der Parteienfinanzierung, nämlich eine Ausweitung der staatlichen Parteienfinanzierung kombiniert mit höheren Transparenzpflichten (siehe auch Koß 2018).

Entwicklung

Bemerkenswerterweise fanden Fragen der Parteienfinanzierung 1949 Eingang in das Grundgesetz, dessen Artikel 21 im ersten Absatz festlegte, dass die Parteien „über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben“ müssen. Dies war eine Reaktion auf die Zuwendungen großer deutscher Unternehmen an die NSDAP. Noch bemerkenswerter war allerdings, dass es trotzdem 18 Jahre dauern sollte, bis die Verfassungsvorschrift konkretisiert wurde. Der Grund für diese Verzögerung lag in der Finanzierungspraxis der bürgerlichen Mitte-Rechts-Parteien, namentlich der Union und der FDP. Beide waren auf Spenden angewiesen, da sie anders als die SPD mangels organisatorischer Kontinuität nicht auf nennenswerte Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen zählen konnten. Um in ausreichendem Umfang Spenden zu akquirieren, operierten die bürgerlichen Parteien am Rande der Legalität und stützten sich vor allem auf die so genannte „Staatsbürgerliche Vereinigung“ (SV), die 1954 als „Geldwaschanlage“ (Bösch 2001, S. 697) gegründet wurde. Die SV warb systematisch um (Groß-)Spenden deutscher Unternehmen und leitete diese (die zwischen 1956 und 1958 sogar steuerlich absetzbar waren) nach einem proportionalen Schlüssel an die Mitte-Recht-Parteien weiter. Erst 1966 konnten sich die vier im Bundestag verbliebenen Parteien auf einen Kompromiss einigen, demzufolge Union und FDP (zunächst rudimentäre) Transparenzpflichten akzeptierten und dafür mit staatlichen Zuwendungen entschädigt wurden (dazu Koß 2010, S. 109–115).

Nach der Verabschiedung des Parteiengesetzes gingen alle Reformen der Parteienfinanzierung auf Fälle politischer Korruption zurück. 1984 wurden zum Beispiel die Transparenzpflichten dadurch verbessert, dass die Rechenschaftsberichte der Parteien fortan detaillierten und einheitlichen Kriterien genügen mussten. 1994 kamen erstmals finanzielle Sanktionen im Fall eines Fehlverhaltens hinzu, die 2002 strafrechtlich erweitert wurden (Koß 2010, S. 88). Die beiden erstgenannten Reformen sind Folgen des so genannten Flick-Skandals (in dessen Zuge bekannt wurde, dass auch ohne SV ein großes deutsches Unternehmen weiterhin „politische Landschaftspflege“ – so die Formulierung eines Protagonisten – betrieb), letztere ging auf die schwarzen Kassen der CDU und die Annahme illegaler Zuwendungen durch die Kölner und Wuppertaler SPD zurück.

Entgegen anderslautender Vermutungen ist der Einfluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auf die Entwicklung der Parteienfinanzierung in Deutschland begrenzt. Zwar wurden alle wesentlichen Reformen der Parteienfinanzierung seit 1958 im Zusammenhang mit Urteilen des BVerfG vorgenommen, allerdings konnte Georg Vanberg (2005, S. 143–167) zeigen, dass das Gericht die Parteien stets als ebenbürtige Verfassungsakteure ansah und deshalb beispielsweise zwar den Verteilungsmechanismus, aber nicht die Höhe der staatlichen Zuwendungen veränderte. Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass Befürworter einer Reform der Parteienfinanzierung den Blick nicht zu optimistisch nach Karlsruhe richten sollten.

Transparenzpflichten, Ausgaben und Einnahmen der Parteien

Die Regeln des deutschen Parteiengesetzes sehen heute einen ausgewogenen Mix aus privaten und staatlichen Zuwendungen mit relativ engmaschigen Transparenzvorschriften vor. Eine sofortige Veröffentlichung der Identität von Spendern auf der Homepage des Bundestages ist bei Summen von über 50.000 Euro vorgesehen; in den Rechenschaftsberichten (die in der Regel erst mit einer Verspätung von eineinhalb Jahren als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden) wird zusätzlich die Identität der Spender von Summen über 10.000 Euro angegeben. Bei den Ausgaben müssen die Parteien in erster Linie zwischen Personal- und Verwaltungsausgaben unterscheiden, wobei sie für letztere noch laufende Kosten und solche für die allgemeine politische Tätigkeit getrennt ausweisen müssen. In den letztgenannten Posten, dessen Anteil selbst im wahlkampfarmen Jahr 2015 zwischen 30 und 40 Prozent der Ausgaben der Parteien schwankte, fließen auch die Wahlkämpfe ein. Die Personalausgaben der im Bundestag vertretenen Parteien lagen 2015 zwischen 24 (CSU) und 46 Prozent (Grüne); die laufenden Verwaltungsausgaben lagen bei allen Parteien um die 20 Prozent (s. BT-Drs. 19/300, S. 23). Der Anteil der direkten staatlichen Zuwendungen an Parteien liegt in Deutschland mit nur 30 Prozent weit unter dem europäischen Durchschnitt von 60 Prozent der Einnahmen der Parteien (Biezen und Piccio 2018, S. 72). Die Mitgliedsbeiträge machen in Deutschland mit 40 Prozent den Löwenanteil der Einnahmen der Parteien aus und liegen weit über dem europäischen Durchschnitt von 15 Prozent. Der Spendenanteil am Einkommen der Parteien liegt in Deutschland nahe am europäischen Durchschnitt von 12 Prozent. Das Gesamtniveau der Parteienfinanzierung in Deutschland lag damit in den letzten 15 Jahren bei etwa 450 Mio. Euro pro Jahr (Koß 2018, S. 403).

Die Staatsquote der deutschen Parteien ist aber faktisch nicht ganz so niedrig zu veranschlagen. In den Rechenschaftsberichten werden zwei Posten nicht erwähnt, die den Parteien zumindest teilweise zugutekommen, nämlich die staatlichen Zuwendungen an die Fraktionen im Bundestag und die Globalzuschüsse an die parteinahen Stiftungen. Die Fraktionen erhielten im Zeitraum 2001–2015 ca. 76 Mio. Euro pro Jahr: die Zuwendungen an die politischen Stiftungen haben sich im selben Zeitraum von 300 auf 400 Mio. Euro pro Jahr erhöht. Berücksichtigt man diese beiden Einnahmequellen, ergäbe sich eine Staatsquote von etwa 70 Prozent (Koß 2018, S. 404) – ein Wert, der nicht weit vom europäischen Durchschnitt entfernt liegt und deshalb nicht unangemessen erscheint (zumal die Zuwendungen an die parteinahen Stiftungen keinesfalls durchweg als Form der staatlichen Parteienfinanzierung gewertet werden können). Angesichts des deutlichen Anstiegs der Fraktions- und Stiftungsfinanzierung und des stagnierenden Gesamtanteils der staatlichen Zuwendungen drängt sich nichtsdestotrotz der Eindruck auf, dass die nicht im Rechenschaftsbericht auftauchenden Formen der Politikfinanzierung die direkten staatlichen Zuwendungen zusehends kompensieren, nicht zuletzt weil das BVerfG durch das 1992 angemahnte Prinzip der „relativen Obergrenze“ den Anteil der staatlichen Zuwendungen bei maximal der Hälfte der Einnahmen der Parteien gedeckelt hat (dazu Boyken 1998, S. 146–153). Ein weiterer Grund für das Ausweichen auf weniger sichtbare Formen staatlicher Zuwendungen dürfte das, im Kern unbegründete, (fach-)öffentliche Unbehagen an einer staatlichen Parteienfinanzierung sein.

(Fach-)Öffentlichkeit und Parteienfinanzierung

Umfragen fördern regelmäßig ein „wide-spread feeling that there is a problem with the way parties are financed“ (Hopkin 2004, S. 629) zutage. Besonders Großspenden (insbesondere von Unternehmen) und eben die staatliche Parteienfinanzierung werden sowohl in der allgemeinen als auch der politikwissenschaftlichen Fachöffentlichkeit kritisch gesehen. Bemerkenswerterweise haben Bürger und Politikwissenschaftler mehrheitlich verschiedene Präferenzen. Erstere ziehen im Zweifelsfall selbst in Ländern ohne nennenswerte öffentliche Zuwendungen an Parteien wie Großbritannien eine staatliche Parteienfinanzierung plutokratischen Finanzierungsquellen vor (Koß 2018, S. 391). Letztere haben sich mit dem Verdikt der „Kartellparteien“ vor allem auf die staatlichen Zuwendungen eingeschossen (s. Katz und Mair 1995). Hier lautet das Argument, dass sich die etablierten Parteien durch staatliche Einnahmen von ihren Mitgliedern abkoppeln und ein doppeltes Kartell nach innen und nach außen gegen Konkurrenzparteien bilden würden.

Obwohl es anekdotische Anzeichen für eine solche Kartellbildung gibt (man denke an die 2018 einseitig durch die Regierungsparteien vorgenommene Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung um 25 Mio. Euro), lässt sich die These in der Gesamtschau nicht aufrechterhalten. Beispielsweise hindert eine staatliche Parteienfinanzierung eben nicht neue Parteien daran, in Parlamente einzuziehen (Naßmacher 2009, S. 347–355). Dies verdeutlicht auch das Beispiel der deutschen Grünen und der AfD. Die Mehrheit der Länder mit einer staatlichen Parteienfinanzierung hat nicht nur die Zugangshürden für die Teilhabe an den staatlichen Zuwendungen im Zeitverlauf gesenkt, sondern auch Obergrenzen für die Ausgaben der Parteien eingeführt sowie generell die Transparenzvorschriften in der Parteienfinanzierung verschärft (Biezen und Piccio 2018, S. 76–80). Analysen von Unternehmensspenden lassen hingegen darauf schließen, dass Abgeordnete im Fall ihrer Wiederwahl in der Tat tendenziell im Sinne ihrer Spender entscheiden (Evertsson 2018). Dies verdeutlicht, dass staatliche Zuwendungen zu keiner Kostenexplosion in der Parteienfinanzierung führen und im Zweifelsfall gegenüber (Groß-)Spenden von Unternehmen vorzuziehen sind.

Reformvorschläge und Reformbedarf

Deutschland weist ein im internationalen Vergleich sehr ausgewogenes Regime der Parteienfinanzierung mit einem bemerkenswerten Transparenzniveau auf. Nichtsdestotrotz gibt es noch Verbesserungsmöglichkeiten (s. a. Koß 2018, S. 401–406). Anerkennt man, dass Mitgliedsbeiträge und Kleinspenden kaum in der Lage sind, professionelle Parteien ausreichend zu finanzieren, so sollte die Wahl zwischen Großspenden und einer staatlichen Parteienfinanzierung zugunsten letzterer ausgehen. Dies ist in Deutschland de facto der Fall, allerdings ist es (zu) schwierig, sich über alle Formen der staatlichen Politikfinanzierung zu informieren. Deshalb sollten die Rechenschaftsberichte der Parteien auch die Zuwendungen an Fraktionen und parteinahe Stiftungen ausweisen, ebenso wie den nach wie vor klandestinen Bereich des Sponsoring (siehe dazu Schönberger 2018, S. 51). Die vom Verfassungsgericht angemahnte relative Obergrenze ist gegenüber der verbesserten Transparenz nachrangig und sollte deshalb fallengelassen werden. Zudem ist es geboten, Spenden bereits ab 10.000 Euro unverzüglich auf der Homepage des Bundestages auszuweisen.

Darüber hinaus ist es nötig, die Aufsicht über die integrierten Rechenschaftsberichte der Parteien in die Hände einer Institution zu legen, die unabhängiger ist als aktuell das Referat Parteienfinanzierung der Bundestagsverwaltung (das ja einem Parteipolitiker, dem Bundestagspräsidenten, verantwortlich ist). Die Bundestagsverwaltung ist schlicht nicht in der Lage, die Parteien glaubwürdig zu kontrollieren. Zwar könnte sie eine erneute Prüfung der Rechenschaftsberichte durch den Wirtschaftsprüfer, der den Bericht testiert hat, anordnen. Praktisch ist dies bezeichnenderweise noch nie vorgekommen. Deshalb liegt die Aufsicht darüber, ob die Regeln der Parteienfinanzierung eingehalten werden, de facto bei den Medien. Aufgrund der Spielregeln der Aufmerksamkeitsökonomie ist es deshalb vorprogrammiert, dass Verstöße gegen die Transparenzgebote der Parteienfinanzierung nur im Duktus der öffentlichen Erregung über „die“ Parteien aufgedeckt werden, was wiederum das öffentliche Vertrauen in die repräsentative Demokratie unterhöhlt. Aus diesem vicious circle der Parteienfinanzierung helfen nur ausreichende staatliche Zuwendungen und eine unabhängige Aufsicht über die Einhaltung engmaschiger Transparenzregeln heraus.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Michael Koß

Fussnoten