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Staatssymbole | bpb.de

Staatssymbole

Rainer Bovermann

Begriff

Symbole sind sichtbare, klangliche, rituelle oder gedankliche Zeichen, die auf einen sonst nicht wahrnehmbaren Sinngehalt verweisen. Zu Staatssymbolen (Ss) werden im Rahmen der politischen Symbolik u. a. Wappen und Siegel, Farben und Flaggen, Hymnen, Hauptstädte, Bauwerke und Denkmäler sowie Feier- und Gedenktage gezählt. Als Zeichen dienen sie zur Veranschaulichung und öffentlichen Darstellung eines Staates. Über diese Repräsentationsfunktion hinaus kommt ihnen die Aufgabe zu, als Sinnbilder die grundlegenden Traditionen und Werte eines Staatswesens zu verdeutlichen und zu vermitteln. In enger Verbindung mit dem Angebot von Deutungsmustern steht die Integrationsfunktion von Ss, die zur Herausbildung einer kollektiven Identität und zur Identifikation mit dem → politischen System beitragen können. Ss sind „geronnene Werte“ der → politischen Kultur. Die Einstellungen ihnen gegenüber spiegeln die Bindung der Bevölkerung an die politische Gemeinschaft wider.

Bundesadler, Bundeswappen und Bundessiegel

Das traditionsreichste Ss Ds ist der Bundesadler, dessen Vorgänger sich bis zu den Anfängen des ersten deutschen Reiches zurückverfolgen lassen. Seit 1871 diente er in unterschiedlicher Ausgestaltung als Reichswappen. Die „Bekanntmachung des → Bundespräsidenten betreffend das Bundeswappen und den Bundesadler“ und der „Erlaß des Bundespräsidenten über die Dienstsiegel“ vom 20.01.1950 übernahmen die Texte der Erlasse und die Gestaltung des Adlers aus der Weimarer Republik. Der Bundesadler ist vor allem ein Symbol staatlicher Herrschaft. Zugleich weist er auf die Kontinuität Ds zum Deutschen Reich hin.

Bundesfarben und Bundesflagge

Bis 2006 war die Bundesflagge das einzige Ss Ds, das Verfassungsrang besaß. Die Farben Schwarz-Rot-Gold gehen auf den Befreiungskrieg gegen die napoleonische Herrschaft sowie die Einigungs- und Freiheitsbewegung des Vormärz und der Revolution 1848/49 zurück. Sie wurden aber erst durch die Weimarer Verfassung 1919 zu Reichsfarben. 1949 wurde in Artikel 22 GG die schwarz-rot-goldene Trikolore als Bundesflagge verankert. Über die Repräsentationsfunktion hinaus verkörpert die Bundesflagge in Verbindung mit dem traditionellen Symbolgehalt ihrer Farben grundlegende Werte und Staatsziele Ds: Sie ist Sinnbild für Freiheit und Einheit. Schließlich erfüllte sie zwischen 1949 und 1990 eine wichtige Integrationsfunktion als einziges gesamtdeutsches Nationalsymbol, auch wenn die → DDR 1959 zur Abgrenzung von der BRD in ihre Flagge das Staatswappen mit Hammer, Zirkel und Ährenkranz einfügte. In der BRD nahm die Akzeptanz der Bundesflagge nach anfänglicher Konkurrenz mit Schwarz-Weiß-Rot in den 1950er-Jahren ständig zu. Bei einer Umfrage 2008 äußerten 53 % der Westdeutschen und 43 % der Ostdeutschen, dass sie sich beim Anblick der Bundesflagge freuen (Köcher 2009, S. 39).

Nationalhymne

Das Deutschlandlied wurde 1841 von Hoffmann von Fallersleben verfasst und steht in der gleichen Tradition wie die Farben Schwarz-Rot-Gold. 1922 trat Reichspräsident Ebert in einer feierlichen Proklamation für die Verwendung des Deutschlandliedes als Hymne ein. Nach der Gründung der BRD bestand wieder Bedarf an einer bei offiziellen Anlässen spielbaren Hymne. Während → Bundespräsident Heuss eine neue „Hymne an Deutschland“ in Auftrag gab, plädierte → Bundeskanzler Adenauer für die Wiedereinführung des Deutschlandliedes, das auch von der Bevölkerungsmehrheit gewünscht wurde. Die symbolpolitischen Divergenzen wurden in einem Briefwechsel im April/Mai 1952 beigelegt. Heuss erkannte auf Bitte Adenauers das Deutschlandlied als „Nationalhymne“ an; bei staatlichen Anlässen sollte nur die dritte Strophe gesungen werden. Erst 1991 hob Bundespräsident v. Weizsäcker die Differenzierung zwischen dem Lied insgesamt und dem zu singenden Text auf. In einem erneuten Briefwechsel zwischen dem Bundespräsidenten und dem Bundeskanzler wurde allein die dritte Strophe zur „Nationalhymne für das deutsche Volk“ erklärt. Diese Strophe symbolisiert durch das Bekenntnis zu „Einigkeit und Recht und Freiheit“ ausgewählte, traditionsbezogene Verfassungsgrundsätze der BRD. Die Symbolwirkung der Hymne insgesamt war jedoch lange Zeit belastet durch Diskussionen um den Inhalt der ersten Strophe im Zusammenhang mit deren Missbrauch während der NS-Diktatur. Demgegenüber nahm die Bekanntheit und Akzeptanz der dritten Strophe durch die Verbreitung in den Medien seit den 1950er-Jahren zu. Eine Umfrage aus dem Jahr 2001 zeigt, dass auf die Frage nach dem Anfang der Nationalhymne 62 % der Westdeutschen und 28 % der Ostdeutschen die Anfangszeile der dritten Strophe richtig wiedergeben. Die erste Strophe wurde ebenso wie die DDR-Hymne nur von einer Minderheit genannt.

Hauptstadt

Im Unterschied zu Wappen, Flagge und Hymne waren 1949 für die Wahl der Hauptstadt der BRD nicht traditionelle Gründe, sondern die besonderen Bedingungen der Nachkriegszeit, die Spaltung Ds in zwei Staaten, ausschlaggebend. Da Berlin (BE) aufgrund des Sonderstatus als Vier-Mächte-Stadt und der exponierten politischen Lage als Frontstadt im Kalten Krieg nicht in Frage kam, entschieden sich die Abgeordneten des ersten Deutschen → Bundestages am 03.11.1949 mit knapper Mehrheit gegen Frankfurt am Main und für Bonn als Parlaments- und Regierungssitz. Mit dieser Wahl wurde der vorläufige Charakter der Hauptstadtentscheidung unterstrichen, der dem Verständnis des → Grundgesetzes als Provisorium entsprach.

Zugleich existierte mit BE infolge der Blockade 1948/49 und des Mauerbaus 1961 ein besonders ausgeprägtes Symbol für Freiheitswillen und deutsche Teilung, mit dem sich zugleich die Hoffnung auf Erlangung der staatlichen Einheit in Freiheit verband. Folgerichtig wurde BE durch den Einigungsvertrag vom 31.08.1990 wieder zur Hauptstadt Ds erklärt, ohne dass damit zunächst eine Entscheidung über den Sitz der Verfassungsorgane verbunden war. Als Folge dieses dilatorischen Kompromisses entwickelte sich eine symbolträchtige Kontroverse um den Status der Städte Bonn und BE, wobei Bonn föderalistische Strukturen, Westbindung sowie Kontinuität der BRD verkörperte und BE für die Integration der neuen → Bundesländer, den Brückenschlag zwischen Ost und West sowie den gesamtdeutschen Neuanfang stand. Am 20.06.1991 fiel im Bundestag die knappe Entscheidung zugunsten BEs als Parlaments- und Regierungssitz bei gleichzeitiger Zusicherung von Ausgleichsmaßnahmen für Bonn, das zudem Standort von Ministerien und Behörden bleibt und die Bezeichnung „Bundesstadt“ führen darf (Berlin-Bonn-Gesetz 1994). 2006 wurde schließlich die Hauptstadtregelung in die Verfassung aufgenommen: „Die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist Berlin. Die Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes “ (Art. 22 GG). Der Streit um die organisatorischen und finanziellen Fragen des Umzugs hat zunächst den Symbolgehalt der Hauptstadtentscheidung überlagert und die Deutschen in den alten und neuen Bundesländern eher getrennt. Doch 2007 hielten bereits 65 % der Westdeutschen und sogar 82 % der Ostdeutschen die Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes nach BE für eine richtige Entscheidung (Köcher 2009, S. 41).

Bauwerke und Denkmäler

Die Symbolwirkung der Hauptstadt hängt auch mit der Frage der Repräsentation durch Bauwerke und Denkmäler zusammen. Dabei ist neben den demokratischen Traditionen gerade in BE das Erbe des Kaiserreiches, des Nationalsozialismus und der deutschen Teilung allgegenwärtig. Das im Spreebogen angesiedelte Regierungsviertel symbolisiert mit dem „Band des Bundes“ die Vereinigung von West und Ost. Zu den wenigen Neubauten zählt das 2001 fertig gestellte Bundeskanzleramt, dessen Ausführung noch von Bundeskanzler Kohl beeinflusst wurde. Es spiegelt ein spezifisches Geschichtsbild, die Merkmale der Kanzlerdemokratie und das neue Selbstverständnis Ds wider. Demgegenüber ist der 1999 abgeschlossene Umbau des „Plenarbereichs Reichstagsgebäude“ zum Sitz des Bundestages ein Beispiel für den gelungenen Versuch, Altes und Neues zu verbinden. So wurden die Spuren der wechselvollen Geschichte des Gebäudes erhalten, der Plenarsaal transparent gestaltet und mit der gläsernen Kuppel ein populäres Wahrzeichen geschaffen. Diese Synthese ist Ausdruck der spezifisch deutschen Identität mit ihren Brüchen und Kontinuitäten. In unmittelbarer Nähe befindet sich nicht nur das Brandenburger Tor als Symbol der deutschen Teilung bzw. der Öffnung der Mauer, sondern auch das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“. Im Unterschied zur Neuen Wache, die von Kohl 1993 als „Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland“ für alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft durchgesetzt wurde, war das Gedenken an den Holocaust Gegenstand langjähriger und kontroverser Diskussionen über den Umgang mit den verschiedenen Opfern des NS-Terrors, die Form eines Mahnmals und dessen Standort. Erst nach zwei künstlerischen Wettbewerben und Abänderungen durch die Politik fasste der Bundestag 1999 den Beschluss zur Errichtung eines Mahnmals, das aus einem Feld mit 2711 Betonstelen und einem Ort der Erinnerung besteht. Das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ (Holocaust-Denkmal) konnte im Mai 2005 eingeweiht und der Öffentlichkeit übergeben werden. Bei einer Umfrage 2005 waren von den Personen, die von der Eröffnung gehört hatten, 38 % für, aber auch 38 % gegen das Mahnmal, so wie es gebaut wurde (Köcher 2009, S. 70). Inzwischen sind weitere Denkmäler für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Homosexuellen, Sinti und Roma sowie die Opfer der „Euthanasie“ errichtet worden.

Schließlich gibt es seit 1998 die Idee, mit einem Freiheits- und Einheitsdenkmal einen positiven Erinnerungsort für die friedliche Revolution und die Wiedergewinnung der staatlichen Einheit 1989/90 zu schaffen. Auch hier kommt es trotz wiederholter Beschlüsse des Bundestags zu Diskussionen um die Symbolik, den Standort und die Kosten, so dass sich die Umsetzung des Siegerentwurfs mit dem Titel „Bürger in Bewegung“ in Form einer begehbaren Waage weiter verzögert.

Feier- und Gedenktage

Nachdem Versuche zur Etablierung eines Verfassungstages in der BRD wie schon in der Weimarer Republik wenig erfolgreich waren, brachte der Aufstand in der DDR am 17.06.1953 die Frage eines Staatsfeiertages erneut auf die Tagesordnung. Am 03.07.1953 verabschiedete der Bundestag gegen die Stimmen der KPD (→ Kleinparteien) das Gesetz über den „Tag der deutschen Einheit“, das den 17. Juni als „Symbol der deutschen Einheit in Freiheit“ zum gesetzlichen Feiertag bestimmte. Durch eine Proklamation von Bundespräsident Lübke am 11.06.1963 wurde dieser Tag zum „Nationalen Gedenktag des Deutschen Volkes“ erklärt. Der 17. Juni konnte die Werte- und Integrationsfunktion eines Staatsfeiertages aufgrund der begrenzten Symbolkraft des zugrundeliegenden Ereignisses nur zum Teil erfüllen. Daher war es auch schwierig, eine angemessene Form der Gedenkveranstaltung zu finden. Das alljährliche Bekenntnis zur → Nation drohte zum Ritual zu erstarren und zur Projektionsfläche der jeweiligen Deutschlandpolitik zu werden. Die Bevölkerung stimmte zwar in Umfragen für die Beibehaltung, nutzte aber diesen Junitag eher zu Ausflügen als zum Gedenken an die Ereignisse in der DDR und zur Erinnerung an einen gesamtdeutschen Nationalstaat.

Mit der „unverhofften Einheit“ 1990 erfüllte sich doch noch die Aufgabe des 17. Junis, der zugleich den Status als gesetzlicher Feiertag verlor. An seine Stelle wurde durch den Einigungsvertrag der 03. Okt., der Tag des Inkrafttretens des Vertrages, zum „Tag der Deutschen Einheit“ und zum gesetzlichen Feiertag bestimmt. Damit wurde zwar ein überwiegend positiv besetztes Ereignis ausgewählt, aber nicht das Problem der begrenzten symbolischen Wirkung des Staatsfeiertages gelöst. Denn den eigentlich tiefgreifenden Einschnitt im Empfinden der Bevölkerung stellt der Fall der Mauer am 09.11.1989 dar. Allerdings ist das Datum des 09. Nov., das nicht nur für die friedliche Revolution 1989, sondern auch für die Revolution von 1918 und die erste deutsche Republik steht, durch den Putschversuch Hitlers 1923 und das Pogrom gegen die Juden 1938 belastet. Auch der 23.05.1949 als Verfassungstag der BRD stellt keine Alternative dar, da er einseitig den Erfolg der westdeutschen Demokratie symbolisiert. Im Unterschied zu anderen europäischen Ländern fehlt damit den Deutschen ein Tag, der von der gesamten → Nation auch tatsächlich gefeiert wird.

Neben dem 17. Juni, der aufgrund der Proklamation von 1963 nationaler Gedenktag bleibt, wurde ein zweiter Gedenktag eingeführt. Am 03.01.1996 erklärte Bundespräsident Herzog den 27. Jan. zum „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. An diesem Tag wurde im Jahr 1945 das Konzentrationslager Auschwitz durch sowjetische Truppen befreit. Der „Holocaust-Gedenktag“ soll an alle Opfer des nationalsozialistischen Terrors erinnern.

Perspektiven

Während die DDR-Symbole mit dem zweiten deutschen Staat untergingen, blieben die Staatssymbole der BRD, die sich auf ältere Traditionen bezogen, erhalten. Lediglich die Symbole, die erst nach 1945 mit Bezug zur deutschen Teilung geschaffen worden waren, wurden nach der Vereinigung durch die Wiederbelebung des früheren Hauptstadtsymbols bzw. die Einführung eines neuen Staatsfeiertages ersetzt. Die Beispiele neuer gesamtdeutscher Symbolschöpfungen zeigen, dass mit der Herstellung der Einheit zwar der Weg von Staats- zu Nationalsymbolen frei ist, diese aber nicht künstlich geschaffen werden und selbständig ihre identitätsstiftende Wirkung entfalten können. So wird an der Herausbildung einer gemeinsamen nationalen Symbolik der Fortschritt im Zusammenwachsen der beiden Gesellschaften und politischen Kulturen in D abzulesen sein.

Symbole werden dabei weiterhin Gegenstand des geschichtspolitischen Deutungsstreites sein, bei dem sich zwei Diskursgemeinschaften gegenüberstehen. Die eine Seite bejaht eine „normale“ Identität der Deutschen als Nation und fordert einen unbefangenen, selbstbewussten Umgang mit der Vergangenheit. Die andere Seite tritt für einen postnationalen „Verfassungspatriotismus“ im Sinne einer republikanischen Wertegemeinschaft ein und betont die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte. Darüber hinaus gewinnt gegenwärtig mit dem Rechtspopulismus eine dritte Richtung an Bedeutung. Sie zielt auf eine Re-Nationalisierung ab, bei der die ethnisch-kulturelle Identität der deutschen Nation und die Homogenität des eigenen Volkes überhöht und andere soziale Gruppen ausgegrenzt werden. Rechtspopulisten eignen sich zunehmend demokratische Symbole an, diffamieren das Holocaust-Denkmal, relativieren die NS-Diktatur und fordern eine 180-Grad-Wende in der Erinnerungskultur. Die wehrhafte Demokratie muss diesen Tendenzen entgegentreten, indem die demokratischen Symbole durch den Staat geschützt und deren Verankerung im Bewusstsein der Bevölkerung mit Hilfe politischer Bildung verstärkt wird.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Rainer Bovermann

Fussnoten