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Umweltschutzverbände | bpb.de

Umweltschutzverbände

Lutz Mez

Definition/Aktionsfelder

Umweltschutzverbände sind Vereinigungen von Bürgern, die sich für den Schutz der Umwelt einsetzen. Im Gegensatz zu Bürgerinitiativen reagieren sie nicht nur auf einzelne lokale Umweltprobleme, sondern befassen sich dauerhaft und programmatisch mit einer Vielzahl von Umweltthemen. Zu ihren zentralen Aktionsfeldern gehört der klassische Naturschutz, wie z. B. der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und des Klimas sowie der Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten und von Öko-Systemen. Von ebenso großer Bedeutung ist der Schutz der Umweltmedien Luft, Wasser und Boden. Ferner engagieren sich die Umweltverbände auch für die umweltgerechte Ausgestaltung anderer Politikbereiche wie z. B. der → Energie-, → Verkehrs- und Agrarpolitik. Die Umweltbewegung wird in zwei Hauptströmungen unterteilt: den pragmatischen Umweltschutz und traditionellen Naturschutz sowie die politische Ökologie.

Entstehung/Aufgaben

In D sind Umweltschutzverbände in zwei Wellen entstanden. Bereits Ende des 19. Jhs. gründeten sich erste Natur- und Vogelschutzverbände. Der Schutz der Tier- und Pflanzenwelt wurde damals als Gegenpol zu der fortschreitenden Industrialisierung angesehen. Die zweite Welle begann in den späten 1960er-Jahren und begründete die Umweltbewegung in ihrer heutigen Form. Dafür waren zwei Entwicklungen von besonderer Bedeutung. Zum einen erreichte die Problematik der Umweltverschmutzung und des Ressourcenverbrauchs eine höhere Sichtbarkeit. Zum anderen wurden die Umweltzerstörung und die Begrenztheit der natürlichen Ressourcen in Büchern wie „Grenzen des Wachstums“ (Meadows et al. 1972) und „Silent Spring“ (Carson 1962) publikumswirksam thematisiert. In D war der Widerstand gegen den Ausbau der Atomenergie in Form der Anti-AKW-Bewegung der zentrale Kristallisationspunkt der neuen Umweltbewegung.

Seit den 1970er-Jahren hat die Anzahl der Umweltschutzverbände und ihre Stärke ständig zugenommen. Zu den wichtigsten Umweltschutzverbänden in D zählen Greenpeace, der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sowie der World Wide Fund for Nature (WWF). Diese vier großen Umweltverbände verfügen über beachtliche finanzielle und organisatorische Kapazitäten. Ihre Erträge aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen betrugen 2018 mehr als rund 150 Mio. Euro, wovon Greenpeace mit fast 61 Millionen Euro und der WWF mit über 40 Millionen Euro den größten Anteil hatten. Die Zahl ihrer Mitglieder bzw. regelmäßigen Förderer beträgt fast 3 Millionen. 2018 hatte der NABU mehr als 700.000 Mitglieder und Förderer, gefolgt von dem BUND mit 626.000 Mitgliedern, dem WWF mit 602.000 Unterstützern und Greenpeace mit rund 595.000 Fördermitgliedern. Anfang 2018 hatte der NABU nach eigenen Angaben 660.000 Mitglieder und Förderer, gefolgt von Greenpeace mit etwa 590.000 Fördermitgliedern, dem BUND mit 584.000 Mitgliedern sowie dem WWF mit 520.000 Unterstützern. Neben diesen finanz- und mitgliederstarken Verbänden existierten noch etwa 10.000 nationale, regionale und lokale Umweltorganisationen. Die bekanntesten sind die Deutsche Umwelthilfe und Robinwood.

Nach der Wiedervereinigung haben sich die meisten Umweltgruppen der ehemaligen → DDR westdeutschen Verbänden angeschlossen. Die Initiativen und Verbände der früheren staatlichen Gesellschaft für Natur und Umwelt (GNU) gingen in den BUND. Der NABU gründete östliche Landesverbände. Das 1990 aus kirchlichen Umwelt- und Friedensgruppen, Stadtökologiegruppen sowie örtlichen Natur- und Umweltschutzinitiativen entstandene Netzwerk GRÜNE LIGA blieb selbstständig und schloss sich dem Dachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) an, dem 90 Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände angehören, die rund 11 Millionen Menschen erreichen. Ein weiterer Dachverband ist der 1972 gegründete Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz. Auf europäischer Ebene erfolgt die Bündelung der vielfältigen Aktivitäten im Europäischen Umweltbüro (EEB).

Aktionsformen

Das Spektrum der Aktionsformen von Umweltschutzverbänden hat sich im Zeitverlauf gewandelt und ausdifferenziert. Die zunehmende Institutionalisierung der Umweltbewegung kann in drei Phasen unterteilt werden (vgl. Rucht 2007, S. 120 ff.). Die erste, bis etwa Ende der 1970er-Jahre reichende Phase war primär durch „Politisierung und Konfrontation“ gekennzeichnet. Im Mittelpunkt stand die Auseinandersetzung mit einer aus Politik, Industrie und → Gewerkschaften bestehenden „Wachstumsallianz“. Die Umweltverbände setzten primär auf öffentlichkeitswirksame Protestaktionen. In der zweiten, bis etwa in die Mitte der 1990er-Jahre reichenden Phase wandelte sich die Akteurskonstellation hin zu einer „konfliktuellen Kooperation“. Verhandlungsformen, punktuelle Kooperationen sowie die Einbindung von Umweltverbänden in Konsultationsverfahren gewannen an Bedeutung, ohne dass die Interessengegensätze und Konflikte aufgehoben wurden. Die dritte, bis heute anhaltende Phase zeichnet sich durch eine „Routinisierung“ der umweltpolitischen Akteurskonstellation aus. Spezialisierung, Versachlichung und Professionalisierung der Umweltschutzverbände haben zugenommen und Lobbyarbeit sowie strategische Bündnisse mit Umweltverwaltungen und Unternehmen gegenüber protestorientierten Aktionsformen an Bedeutung gewonnen (vgl. Rose 2006; Radkau 2011). Die Partizipations-, Informations- und Konsultationsangebote auf nationaler und europäischer Ebene wurden enorm ausgeweitet und können inzwischen selbst professionalisierte Umweltschutzverbände überfordern.

Mehr Klagerechte eröffnete das 2009 novellierte → Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) mit der Verbandsklage. Seitdem können anerkannte Naturschutzverbände gerichtlich gegen bestimmte Naturschutzvorschriften (u. a. Planfeststellungsbeschlüsse, Plangenehmigungen mit Öffentlichkeitsbeteiligung) vorgehen, ohne dass eine subjektive Rechtsverletzung vorliegen muss. Das BNatSchG wurde zuletzt im Mai 2019 geändert.

Mit dem Ende 2006 in Kraft getretenen und im August 2017 neugefasste novellierten Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) wurden die Rechte der Umweltschutzverbände über den Naturschutz hinaus ausgeweitet. Sie können nun auch, gegen bestimmte umweltrechtliche Zulassungsentscheidungen für Industrieanlagen und Infrastrukturmaßnahmen klagen.

Insgesamt haben sich die Umweltschutzverbände als zentraler Bündnispartner staatlicher Umweltpolitik etabliert. Ihre Stärke und Kompetenz kann auch im internationalen Vergleich als wichtige Erfolgsbedingung von Umweltpolitik gelten (Jänicke et al. 2003).

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Lutz Mez

Fussnoten