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Rai

(von arab. raʾī, «Meinung») bezeichnet einen Musikstil, der in Nordafrika beheimatet ist und sich durch seinen charakterist. Rhythmus auszeichnet. Wie der Name andeutet, liegt sein Ursprung in sozialkrit. Liedern, die zu verschiedenen sozialen Anlässen gesungen werden. Träger dieser Musik sind der sog. shaikh bzw. die shaikha (Interner Link: Scheich), hier eine Bezeichnung für die Kenner und Ausführenden der lokalen Poesie und Musiktradition milḥūn. Anfangs ausschließlich von Flöte und Trommeln sowie einem Ansager (arab. barrāḥ) begleitet, kamen ab den 1920 er Jahren Instrumente wie Klavier, Akkordeon, Banjo oder Blechbläser hin­­zu, vor allem durch Einfluss der städtischen Musikkultur in Oran (Algerien). Obgleich viele Texte sich für die nationale Unabhängigkeit engagierten, wurde R. nach deren Erlangen in Algerien zunächst aus dem offiziellen Musikleben verbannt, weil mit ihm sexuelle Freizügigkeit und Interner Link: Alkohol assoziiert wurden. Oran war Ende der 1970 er Jahre wiederum der Geburtsort einer Form des R., die international populär wurde, indem sie eine Synthese mit aktuellen Strömungen der Popmusik einging. Träger dieser Richtung wurden dieses Mal die sog. chebab (arab. shabāb «Jugendliche»); «cheb» bzw. «chaba» wurde Teil des Namens der Sänger bzw. Sängerinnen. Zunächst lokal als Kassettenkultur im Umlauf, wurde der sog. elektron. oder Pop-­R. dann von internationalen Plattenfirmen aufgegriffen, und Sänger wie Cheb Khaled oder Cheb Mami eroberten die internationalen Charts. Die Musik wurde durch Synthesizer, E-­Bass und elektron. Beats ergänzt und ging eine Verbindung mit Richtungen wie Disco, Funk, Soul oder Reggae ein. Oft enthalten auch diese Stücke traditionelle Elemente wie die metrisch freie Einleitung, vokale Improvisationen und komplizierte rhythmische Pattern. R. wurde wichtiger Bestandteil einer Jugend-­Subkultur, und das nicht nur in nordafrikan. Städten, sondern zunehmend auch in Frankreich, wo Marseille zu einem zweiten Zentrum des R. geworden ist. Obgleich R. in dieser Form ein überwiegend männlich dominiertes Genre ist, gibt es auch weibliche Sängerinnen wie Chaba Fadela oder Cheikha Rimitti (gest. 2006), die grande dame des traditionellen R., die bis zuletzt ohne elektron. Instrumente und zusammen mit einem barrāḥ auftrat.

Literatur:Tenaille, F.: Die Musik des Raï, 2003.

Autor/Autorinnen:Dr. Ines Weinrich, Universität Bochum, Arabistik und Islamkunde

Quelle: Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. München: 6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2018.

Fussnoten