Mitte des 17. Jahrhunderts wurde in der Großen Hamburger Straße in Berlin-Mitte der erste jüdische Friedhof Berlins angelegt. Mitte des 19. Jahrhunderts errichtete die Jüdische Gemeinde vor dem Friedhofsgelände ein Altersheim. Im Jahr 1905/06 entstand ein neues Gebäude der traditionsreichen, 1778 von Moses Mendelssohn gegründeten Jüdischen Knabenschule. Seit 1923 war die Knabenschule eine öffentliche Schule mit neun Klassen und zählte nach der Zusammenlegung mit einer Mädchen-Mittelschule fast fünfhundert Schülerinnen und Schüler. Nachdem jüdische Kinder und Jugendliche seit dem Sommer 1933 aus den allgemeinen Schulen ausgeschlossen wurden, stieg die Zahl der Schüler 1934 auf über tausend. Neben organisatorischen Schwierigkeiten, unter denen der Schulbetrieb zu leiden hatte, kamen zahlreiche judenfeindliche Verordnungen des NS-Regimes hinzu. In den letzten Jahren vor der Vernichtung des jüdischen Lebens war sie auch ein Zentrum und Zufluchtsort für jüdische Künstler und Kulturveranstaltungen, die anderswo verboten waren. Auf Weisung des Reichssicherheitshauptamtes musste das Grundstück in der Großen Hamburger Straße im April 1942 geräumt werden. Am 30. Juni wurde die Schule endgültig geschlossen. Am 23. Mai 1942 drangen die Nationalsozialisten auch in das benachbarte Altersheim in der Großen Hamburger Straße ein und zerstörten den benachbarten Friedhof. Zusammen mit dem Gebäude der Knabenschule wurde das Altersheim zum "Judenlager" zweckentfremdet, einem der größten Sammellager der Stadt Berlin, wo die aus ihren Wohnungen getriebenen jüdischen Bürger vor ihrer Deportation in die Vernichtungslager und Ermordung zusammengepfercht wurden. Ende des Jahres 1943 wurde das Sammellager ins Jüdische Krankenhaus in Wedding verlegt. Die Räume des Altersheims wurden als Notgefängnis und Gestapo-Durchgangslager für politische Flüchtlinge und Ausländer genutzt.
Das Gebäude des Altersheims wurde Anfang 1945 bei einem Bombenangriff der Alliierten zerstört. Der zerstörte Friedhof wurde 1948 wieder der Jüdischen Gemeinde übergeben. Das Gebäude der Jüdischen Knabenschule ist erhalten geblieben und trägt über dem Eingang noch die skulpturengeschmückte Inschrift "Knabenschule der Jüdischen Gemeinde". Zu DDR-Zeiten wurde hier eine Berufsschule für Industriekaufleute eingerichtet. 1983 erhielt es eine von Gerhard Thieme gestaltete Gedenktafel für Moses Mendelssohn mit einem Portraitrelief. Im Jahr 1991 erhielt die Jüdische Gemeinde das Haus zurück. Nachdem es zunächst als Grundschule genutzt wurde, befindet sich hier seit 1993 das Jüdische Gymnasium mit einem Realschulzweig.
Seit 1985 erinnert eine Bronzeskulptur des Bildhauers Will Lammert an die Deportationen und Ermordung der Berliner Juden, das Jüdische Altersheim und den zerstörten Jüdischen Friedhof in der Großen Hamburger Straße. Als Lammert 1957 starb, hinterließ er diese Arbeit unvollendet. Von den geplanten 15 Figuren, wurden nur zwei realisiert. Mitte der 1980er Jahre goss sein Sohn Mark Lammert dreizehn der ursprünglich 15 Bronzefiguren und kombinierte sie nach einer Gestaltungsidee von John Heartfield zu einer keilförmig angeordneten Gruppe. Neben der Bronzeskulptur erinnert ein Gedenkstein an das Altersheim, den der Ostberliner Magistrat 1987 aufstellen ließ. Die Inschrift verweist auf das ehemalige Altersheim und seinen Missbrauch als Deportations-Sammellager.
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