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Politische Europabildung an Schulen: Europa wieder stark machen?! | Fachtagung der bpb und der Kultusministerkonferenz (KMK) | bpb.de

Politische Europabildung an Schulen: Europa wieder stark machen?!

Die Flagge der Europäischen Union symbolisiert im weiteren Sinne auch die Einheit und Identität Europas. (Anonimo Torinese) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Online Fachtagung der bpb und der KMK (19.11.2020)

Politische Europabildung an Schulen: Europa wieder stark machen?!
Interner Link: Programm zum Download
Interner Link: PDF-Präsentation zum Vortrag: Europabildung in der Praxis (Rheinland-Pfalz)

Um die Herausforderungen für die Europäische Union und Chancen der „Einheit in Vielfalt“ verstehen zu können, ist politische Bildung unverzichtbar. Sie hilft, Zusammenwachsen erlebbar zu machen und einzuordnen. Im Fachunterricht und im Schulkontext sind Europabildung und politische Bildung in einander verflochtene Aufgaben. Im Kontext der aktuellen Entwicklung gewinnt diese Verzahnung noch an Bedeutung. Deswegen hat die digitale Fachtagung 2020 der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und der Kultusministerkonferenz/KMK politische Europabildung als Thema aufgegriffen. Hier finden Sie die im Vorfeld der Tagung eingereichten inhaltlichen Impulse und die Dokumentation der Veranstaltung.

Statements zu Erwartungen an politische Europabildung in der Schule

Fragen der bpb und der KMK an gesellschaftliche Akteure aus den Bereichen Bildung, Europa(politik) und an Menschen, die für ihre Europaengagement ausgezeichnet wurden:

  • Welche Erwartungen haben Sie an politische Europabildung in der Schule?

  • Welche beschrittenen Wege sollen gestärkt oder ausgebaut werden?

  • Welche neuen Impulse oder Ansätze sollen aufgegriffen werden?

Statement von Dr. Bernt Gebauer

Leiter des Projekts "Gewaltprävention und Demokratielernen" des HKM und KMK-Koordinator für die Bildungsprogramme des Europarates im Themenfeld "Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit"

Wie kann politische Bildung ihre Rolle als "Europabildung" ausfüllen?
Politische Bildung kann sich immer wieder neu vor Augen führen, dass Europabildung neben Bildung in und über Europa gleichermaßen auch Bildung für Europa beinhaltet (vgl. Rappenglück 2014, 393-394) im Sinne einer Stärkung des Europabewusstseins: Dem Verständnis dafür "einem europäischen Bildungsraum mit gemeinsamen politischen, sozialen und kulturellen Werten anzugehören, der insgesamt mit einem subjektiv empfundenen europäischen Mehrwert verbunden ist." (Rappenglück 2014, 397). Diese Europabildung macht keine "Werbung für die EU" (Rappenglück 2014, 397), sie greift aktuelle politische und gesellschaftliche Probleme und Kontroversen in Europa auf der Folie der eng miteinander verknüpften europäischen Werte wie Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf. Diese Werte werden vom Europarat sowie der Europäischen Union gleichermaßen in verschiedenen Rollen vertreten.

Welche beschrittenen Wege sollten also gestärkt oder ausgebaut werden?
Die von der Bundeszentrale für Politische Bildung herausgegebene Online-Presseschau "euro/topics Der tägliche Blick in Europas Presse" ermöglicht beispielsweise den dafür nötigen informierten, kritischen, internationalen Perspektivwechsel zu Themen wie Nord Stream 2, der EU-Erweiterung auf dem Westbalkan oder dem Coronavirus (Externer Link: https://www.eurotopics.net/de/4/dossiers; Zugriff vom 15. Oktober 2020). Zur konkreten Inszenierung entsprechender Bildungsangebote bieten sich zwei durch internationale Kooperationen entstandene Publikationen des Europarates zur Stärkung des individuellen, lerngruppen- sowie schulbezogenen professionellen Umgangs mit Kontroversität an: "Zu lernen, wie man mit Menschen, deren Wertvorstellungen sich von den eigenen unterscheiden, in einen respektvollen Dialog tritt, ist zentraler Bestandteil des demokratischen Prozesses und wesentlich für den Schutz und die Stärkung der Demokratie und die Förderung einer Kultur der Menschenrechte." (Europarat 2016a, 11; Europarat 2018) Der Pfeiler "Rechtsstaatlichkeit" kann noch durch eine vertiefte, Lernprozesse gezielt versachlichende Auseinandersetzung mit verfassungsrechtlichen Themen und grund-, menschen- und kinderrechtsrelevanten Gerichtsurteilen gestärkt werden (vgl. Kirchschlaeger 2015) und zwar unter gezielter Einbeziehung des EGMR, EuGH und ggf. nationalen Verfassungsgerichtshöfen.

Welche neuen Impulse oder Ansätze sollen weiterhin noch aufgegriffen werden?
Der 2018 vom Europarat veröffentliche Referenzrahmen "Competences for Democratic Culture" (RFCDC) bietet eine detaillierte Beschreibung von 20 Demokratiekompetenzen und mit den dazugehörigen Deskriptoren eine ausdifferenzierte Operationalisierung dieser Kompetenzen, und somit einen Ansatz, um das Unterrichten, Lernen und Beurteilen im Kontext Bildung für Europa systematisch planen und durchführen zu können: "Leitidee ist ein Kompetenzverständnis, wonach erst das Zusammenspiel von bestimmten, situationsspezifisch relevanten Werten, Haltungen, Fertigkeiten und Wissensaspekten kompetentes Handeln ermöglicht." (Gebauer/Lenz 2019, 177)

Die 20 Kompetenzen des RFCDC-Modells. (© Europarat (2016b))

Der RFCDC legt dabei seinen Schwerpunkt auf demokratische Kultur, um deutlich zu machen, dass Demokratie zwar ohne demokratische Institutionen und Gesetze nicht existieren kann, diese Institutionen und Gesetze jedoch eine Demokratie allein nicht gewährleisten können, wenn sie nicht in einer demokratischen Kultur, also demokratischen Werten, Haltungen und Praktiken verankert sind (Gebauer/Lenz 2019, 175/176). Dieser Referenzrahmen des Europarates hat das Potenzial, die dringend notwendige fachliche und politik- bzw. demokratiedidaktische Kommunikation zur Thematik Wie Europa wieder stark machen?! jenseits bzw. durch sprachliches und begriffliches bzw. nationales "Container-Denken" hindurch noch stärker als bislang zu ermöglichen.

Literatur:

  • Council of Europe (2018): Reference Framework of Competences for Democratic Culture, Strasbourg.

  • Europarat (2018): Umgang mit Kontroversen. Strategieentwicklung zum Umgang mit Kontroversen und dem Unterrichten von kontroversen Themen in der Schule. Tool zur Selbstreflexion für Schulleitungen und Führungskräfte, Wien/Straßburg.

  • Europarat (2016a): Leben mit Widersprüchen. Das Unterrichten kontroverser Themen im Rahmen der Politischen Bildung und Menschenrechtsbildung (EDC/HRE), Straßburg/Wien.

  • Europarat (2016b): Kompetenzen für eine demokratische Kultur. Gleichberechtigtes Zusammenleben in kulturell unterschiedlichen demokratischen Gesellschaften. Eine Zusammenfassung, Straßburg.

  • Gebauer, Bernt/Lenz, Claudia (2019): Kompetenzen für eine demokratische Kultur – Eine Ressource für Demokratielernen in der Schule? In: Gloe, Markus und Helmolt Rademacher (Hrsg.), Demokratische Schule als Beruf. 6. Jahrbuch Demokratiepädagogik, Frankfurt/Main, S. 175-189.

  • Kirchschlaeger, Peter G. u.a. (Hrsg.) (2015): Freedom(s). Learning activities for secondary schools on the case law of the European Court of Human Rights, Strasbourg.

  • Rappenglück, Stefan (2014): Europabezogenes Lernen. In: Sander, Wolfgang (Hrsg.), Handbuch Politische Bildung, Schwalbach/Ts, S. 392-400.

Statement von Gerold Hofmann
Vorsitzender des Bundesnetzwerk Europaschule e. V.

Politische Europabildung muss eine definierte Pflichtaufgabe im Bildungskanon jeder Schule werden, dabei sind die Europaschulen in Deutschland die Vorreiter (Externer Link: www.bundesnetzwerk-europaschule.de). Die politische Europabildung muss sich in allen Schulen niederschlagen in Lehrplänen, Schulprogrammen und schulinternen Curricula in allen Fächern, Prozessen und Projekten (Querschnittsaufgabe). Dabei muss sie in der Umsetzung auch strategische, institutionelle und inhaltliche Probleme benennen und nicht nur affirmatives Marketing für die EU als Idee betreiben.

Politische Europabildung wird gefördert durch die frühzeitige Ausbildung von Urteils- und Handlungskompetenz zur Einordnung europäischer Werte und demokratischen Handelns. Es ist weiterhin unabdingbar, die Einübung von demokratischen Verfahren bereits in den unteren Lerngruppen umzusetzen, z. B. durch den verpflichtenden Klassenrat und thematisch offene parlamentarische Gremien in Schulen und Regionen, europäische Jugendforen, Simulationen des Europaparlamentes und der UN. Eine systematisch in die Lehrpläne eingearbeitete Medienkompetenz, unterstützt die kritische Einordnung von Fake News, Hate Speech und Social Bots.

Bestärkt werden soll die unterrichtliche und außerunterrichtliche Beleuchtung der Europäischen Institutionen als friedensstiftende und krisenbewältigende Einrichtungen – bei aller Unzulänglichkeit und Kompromisssuche, die z. B. die notwendige Einstimmigkeit mit sich bringt. Auch die Bedeutung der nationalen - versus der europäischen Gesetzgebung - ist zu thematisieren, z. B. durch den Besuch von/bei Europaparlamentariern oder durch eine Online-Teilnahme an Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Die neuen Ansätze aus der Dekarbonisierung, der Energie- und Verkehrswende, der Digitalisierung mit digitaler europäischer Souveränität und der gemeinsamen Bewältigung der Pandemie sind aufzunehmen. Dabei sind Zukunftswerkstätten und Kooperationen mit NGO´s, Stiftungen und Jugendorganisationen zu implementieren. Der Externer Link: europäische Aktionsplan des Green Deal und Externer Link: die Jugendziele sollen in der politischen Europabildung einbezogen werden.

Handlungsorientiert sollte auch der Umgang mit der europäischen Gesundheit als politisches Thema (Grenzschließungen, gemeinsame Aktionspläne zur Bekämpfung der Pandemie, Verteilung von Impfstoffen in Europa und weltweit) in den Unterricht einfließen.

Statement von Henrike Paede
Stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Elternverbandes e. V.

Viele Probleme, die das alte Europa prägten, kommen in heutigen Köpfen nicht mehr vor. Sie müssen für Heranwachsende erlebbar werden.

Der Bayerische Elternverband erwartet von der Europabildung, dass SchülerInnen anhand der Historie verstehen, welchen Mehrwert das vereinte Europa bedeutet. Sie sollen begreifen, wie sich die Realität mit durchschnittlich drei blutigem und zerstörerischem Krieg in jedem Jahrhundert angefühlt hat, geprägt von Menschenopfern, Zerstörung, Hunger und Armut. Sie sollen anhand der Gräuel der vor kurzem auch in Europa noch existierenden Diktaturen begreifen, welchen Wert Demokratie hat und dass unsere Realität mit Menschenwürde, Freiheit und Selbstbestimmung keineswegs selbstverständlich ist, sondern Ergebnis des Einigungsprozesses. Sie sollen tief in sich verankern, dass alltägliche Annehmlichkeiten wie Wohlstand, Gesundheit und Bildung die unmittelbaren Folgen von Frieden und Demokratie sind, und sie sollen Dankbarkeit dafür entwickeln.

Der Wert des vereinten Europa muss aus seiner allzu groß gewordenen Selbstverständlichkeit geholt werden. Dabei traut der Bayerische Elternverband einem möglichst realitätsnahen Erleben der "voreuropäischen" Probleme in unmittelbarem Vergleich mit dem heutigen Wohlergehen die besten Lerneffekte zu und verspricht sich davon die Wertschätzung, die dem tagtäglich erlebbaren materiellen wie immateriellen Luxus des geeinten Europa gerecht wird.

Statement von Sabine Rohmann
Pädagogisches Landesinstitut Rheinland-PfalzReferatskoordinatorin "Europäische und internationale Kooperation"

Erinnerungsarbeit und kritische Reflexion über die politische, wirtschaftliche, soziale und interkulturelle Integration Europas sind notwendig, um jungen Menschen unsere gemeinsame Geschichte bewusst zu machen, die die Grundlage für eine gemeinsame Zukunft, ein moralisches Ziel, gemeinsame Werte, eine europäische Identität und ein Zugehörigkeitsgefühl bildet.

Die europäische politische Bildung basiert auf Werten und Prinzipien, die eng mit dem Fundament der Europäischen Menschenrechtskonvention verbunden sind:

  • Sie erreicht ihre Ziele, indem sie jungen Menschen die Mittel an die Hand gibt, sich aktiv an der Konzeption, Entwicklung, Durchführung und Bewertung von Initiativen und Aktivitäten zu beteiligen, die ihren Bedürfnissen, Interessen und Erfahrungen entsprechen.

  • Sie fördert das Lernen, die persönliche Entwicklung und die Integration junger Menschen in die Gesellschaft;

  • Sie bemüht sich um eine aktive Einbeziehung aller jungen Menschen;

  • Sie reagiert auf die Herausforderungen und Trends in unserer Gesellschaft, mit denen junge Menschen konfrontiert sind.

Die im Rahmen dieser Bildung für Europa durchgeführten Aktivitäten sind politisch und sozial interessant, kreativ und bieten jungen Menschen einen sicheren Raum.

In all ihren Aktivitäten bekämpft die politische Bildung die Herausforderung des Zusammenlebens in einer demokratischen, offenen, inklusiven und kohäsiven europäischen Gesellschaft, mit Respekt für andere und der Ablehnung jeglicher Diskriminierung. Zu diesem Zweck fördert sie den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen jungen Menschen aus verschiedenen Ländern: Europa entsteht aus der Begegnung von Europäern und Europäerinnen!

Statement von Dr. Wolfgang SchäublePräsident des Deutschen Bundestages, Träger des Internationalen Karlspreises zu Aachen

Europa verdankt seinen Namen einem Mythos, der von Faszination und Leidenschaft handelt: Vom Göttervater Zeus, verwandelt in einen weißen Stier. Auch wenn der europäische Integrationsprozess heute nicht nur heldenhafte Züge trägt, hat doch die Vision eines geeinten Europas nicht an Attraktivität verloren. Gerade junge Menschen nutzen die vielfältigen Möglichkeiten, die Ihnen Europa bietet, mit großer Selbstverständlichkeit. Kinder und Jugendliche früh über unseren Kontinent, über historische Prägungen und das politische System des geeinten Europas zu informieren, ist eine zentrale Aufgabe der politischen Bildung.

Europa ist vielfältig und komplex. Hinter der europäischen Idee steht mehr als das Wissen um die Geschichte der Europäischen Union und das Zusammenwirken ihrer Institutionen. Um die Faszination Europas zu erfahren, braucht es neben politischen, historischen und ökonomischen Kenntnissen auch sprachliche und kulturelle Kompetenzen. Es gilt, unterschiedliche Zugänge zu verbinden und Berührungspunkte zum Alltag der Schülerinnen und Schüler aufzuzeigen. Dabei eröffnet das digitale Lehren und Lernen – auch grenzüberschreitend – neue Möglichkeiten. Es kann Brücken zwischen den Menschen unseres Kontinents bauen, Erfahrungshorizonte erweitern und gemeinsame Perspektiven erschließen. So wird Europa zugleich greifbar und begreifbar. So wird es vom Mythos zur Lebenswelt.

Statement von Birgit Schmitz-Lenders und Kilian KindelbergerStellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft der Europäischen Akademien
e. V.

Wir möchten, dass Schulen ermutigt und befähigt werden, Europabildung umfassend im Gesamtkonzept der Schule zu verankern. Dies umfasst viel mehr als Institutionenkunde in den höheren Klassenstufen: Genauso gehören etwa die Ausgestaltung von Projekttagen und Durchführung von außerschulischen Angeboten, wie Workshops oder Planspiele dazu.

Da "Europa vermitteln" auch "Europa erleben" bedeutet, sollten Schulen die Möglichkeiten haben und dazu ermutigt werden, Studienfahrten, etwa nach Brüssel oder Straßburg, oder Begegnungsseminare mit Schüler*innen aus anderen europäischen Ländern durchzuführen. Dabei ist es wichtig, die Schulen nicht alleine zu lassen, sondern durch die Nutzung der Potenziale der Zivilgesellschaft zu unterstützen. Die zivilgesellschaftlichen Akteure sollten dabei kontinuierliche Partner sein.

Statement von Christel SchrieverhoffFachleiterin und Fachberaterin Sozialwissenschaften a. D. und Bundes- und Landesvorstandsmitglied der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung

Eine attraktive, gar begeisternde "Vision" für die weitere Gestaltung eines demokratischen und sozialen Europas fällt nicht vom Himmel.

Soll sich trotz der aktuellen Turbulenzen die "Erfolgsgeschichte Europa" fortsetzen, für die die Europäische Union 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, muss die Schule dazu beitragen, in der heranwachsenden Generation das Bewusstsein für die europäische Zusammengehörigkeit zu fördern sowie Verständnis und Respekt für die unterschiedlichen Perspektiven, Sprachen und Kulturen zu wecken und auszubauen.

Zu der Entwicklung einer solchen auch von der Kultusministerkonferenz aktuell wieder geforderten Europabildung (vgl. Europabildung in der Schule. Empfehlung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland - Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 08.06.1978 i. d.F. vom 15.10. 2020) ist es notwendig, Schülerinnen und Schülern in der Schule erfahrungs- und lebensweltlich orientiert die entsprechende Sach-, Urteils - und Handlungskompetenz zu vermitteln, um sie zu einem gelingenden Zusammenleben in der europäischen Völker- und Staatengemeinschaft zu befähigen und ein Verständnis für die politischen, sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu entwickeln.

Wenn auch die Europabildung eine Querschnittsaufgabe aller Fächer in allen Schulformen und Jahrgangsstufen ist, so kommt den Fächern der Politischen Bildung dabei eine besondere Bedeutung zu:

Die Entwicklung von europaorientierten Kompetenzen zur Vorbereitung auf das Leben in einem komplexer werdenden und von globalen Herausforderungen geprägten Europa ist nur möglich, wenn den Schülerinnen und Schülern in den Fächern der Politischen Bildung das notwendige fachliche Orientierungs- und Deutungswissen vermittelt wird, damit sie sich ein eigenes begründetes politisches Urteil zu der Erfolgsgeschichte "Europa" bilden können.

Dabei sollten das Leitbild der aktiven europäischen Bürgerschaft (active citizenship) und die ökologische Nachhaltigkeit eine zentrale Rolle spielen.

Es gilt sie zu ermutigen, gestalterisch und kreativ mit der Zukunftsgestaltung Europas umzugehen und eigene begründete europäische Perspektiven von einem demokratischen Europa zu entwickeln.

Wesentliche didaktische Prinzipien zum Erwerb der Europakompetenz sollten sein:

  • Die erfahrungsorientierte und problemorientierte Vermittlung der Sachkompetenz, denn "Trichterpädagogik" im Sinne von EU-Institutionenkunde ist kontraproduktiv und nicht nachhaltig!

  • Ein Lernen mit 'Kopf, Verstand und Herz', um sie zur gemeinsamen Gestaltung eines friedlichen, demokratischen, sozialen und ökologischen Europas zu "beflügeln". Die Vielfalt Europas muss "erlebt" und die Dialogfähigkeit durch entsprechende Unterrichtssettings gefördert werden.

  • Der multiperspektivische Umgang mit Differenzen und Gemeinsamkeiten in der historischen Narrative, bei der politischen, sozialen, ökologischen und ökonomischen Gegenwartsanalyse zur Förderung der politischen Urteilsfähigkeit und der interkulturellen Handlungskompetenz.

  • Der Einsatz von vielfältigen kreativen Lernformen wie Planspiele, Kreativ-ästhetische Methoden, Zukunftswerkstätten, Szenariotechniken, Expertenbefragungen, Wettbewerbe, fächerübergreifende Projekte, virtuelle digitale Begegnungen.

  • Die vielfältige Einbeziehung von europarelevanten Lernorten durch Studienfahrten, reale Begegnungen durch Austauschprogramme.

Unsere Wünsche

  1. An die Kultusministerin der Bundesländer: Die feste lehrplanmäßige Verankerung der Thematik Europa in den Stundentafeln aller Schulformen und Jahrgangsstufen in den Fächern der Politischen Bildung in allen Bundesländern. Die Förderung einer aktiven europäischen Bürgerschaft ist auf Grund der aktuellen Bewährungsproben durch die Corona-Pandemie, die Migrations- und Asylpolitk und die wachsenden nationalistischen und undemokratischen Tendenzen lebenswichtig, um bestehende Barrieren in den Köpfen und Herzen der Kinder und Jugendlichen aufzuheben und kreative Wege für ein demokratisches Zusammenleben innerhalb Europas zu gestalten. Nur so können die Kinder und Jugendlichen ein Bewusstsein für eine europäische Identität entwickeln und sich für das Friedens- und Hoffnungsprojekt "Europäische Union” "stark” machen.

  2. An die EU bezüglich des EU- Etats: Auch in den Zeiten von Corona sind mehr Gelder für Austauschprogramme wie Erasmus-Programme etc. bereit zu stellen. Denn die politische Europabildung ist systemrelevant und darf nicht zu den Verlierern der Corona-Krise zählen! Der Brexit und die nationalistischen und antidemokratischen Tendenzen sind Warnzeichen! Politische Europabildung ist der beste Schutzschirm in den aktuellen herausfordernden Zeiten, in denen ein "Europa der Solidarität” gefragt ist, das die selbst formulierten Werte und Menschenrechte aktiv verteidigt.

Nur so lässt sich das Friedens- und Hoffnungsprojekt Europa retten und stärken!

Statement von Martin SchulzMitglied des Bundestages, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments und Träger des Internationalen Karlspreises zu Aachen

Europa ist die Idee einer Wertegemeinschaft, die auf Respekt, Toleranz, Vielfalt und Würde aufbaut. Diese gemeinschaftsstiftenden Elemente bilden die Grundlage einer funktionierenden Zusammenarbeit, von der wir heute schöpfen. Für ihren Erhalt sind jedoch wir allein verantwortlich. Daher bedarf es einer eingehenden Europabildung in den Schulen, die der jungen Generation die Notwendigkeit für das Bestehen und die Chancen und Möglichkeiten der Weiterentwicklung der europäischen Idee vermittelt.

Video-Statement von Dr. Linn SellePräsidentin der Europäischen Bewegung Deutschland e. V.

Statement von Sabine VerheyenMitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments

Die Europäische Union hat heute zweifelsohne einen großen Einfluss auf jeden von uns. Viele der Gesetze, die in Deutschland erlassen werden, kommen von der EU. Auf europäischer Ebene konnten zudem zahlreiche Errungenschaften erzielt werden, die sich positiv auf unser Leben und unseren Alltag auswirken. Seien es beispielsweise offene Grenzen, Reisefreiheit, grenzüberschreitende Austauschmöglichkeiten, und in meinen Augen ganz wesentlich ein Leben in Frieden seit mehr als 70 Jahren. Dank Europa können wir darüber hinaus stolz sein auf ein gemeinsames Wertegerüst. Ein demokratisches Miteinander, das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte sind nicht überall auf der Welt gegeben. Unsere europäischen Errungenschaften sind keineswegs selbstverständlich und das müssen wir uns immer wieder vor Augen führen.

Europabildung in der Schule spielt hierbei eine Schlüsselrolle. Denn sie trägt ganz maßgeblich dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler einen Zugang zu Europa finden sowie die Vorteile der EU kennen- und wertschätzen lernen. Und genau deshalb ist politische Europabildung in meinen Augen unverzichtbar. Europabildung in der Schule hat die große Aufgabe, unseren Schülerinnen und Schülern Wissen über die EU und ihre Funktionsweise zu vermitteln sowie ihnen die Bedeutung von Europa näherzubringen. Es geht darum, Europa zu erfahren, zu erleben und so einen eigenen persönlichen Zugang zur europäischen Idee zu finden. Die junge Generation ist die Zukunft Europas. Und gerade aus diesem Grund ist es unheimlich wichtig, ihnen den europäischen Weg aufzuzeigen und sie dafür zu begeistern.

Ein Ansatz in der Europabildung, an dem in meinen Augen unbedingt festgehalten werden sollte, ist die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an Austausch- und Begegnungsprojekten. Dies fördert die EU auch durch ihr Programm Erasmus+. Auch wenn Austausche und Begegnungen derzeit aufgrund der Corona-Pandemie im persönlichen Rahmen nur begrenzt möglich ist, so lassen sich auch auf dem digitalen Wege Austauche realisieren, beispielsweise über die bereits bestehende Online-Plattform "eTwinning". In diesem Zusammenhang und darüber hinaus halte ich es für wichtig, dass die Potenziale der Digitalisierung auch in der Europabildung stärker ausgeschöpft werden.

Neben Austausch- und Begegnungsprojekten sind Rollenspiele wie beispielsweise die Simulation des EU-Parlaments eine großartige Möglichkeit, um jungen Menschen die europäischen Prozesse zu verdeutlichen und sie für EU-Themen zu sensibilisieren. Gleichzeitig wird so die Entwicklung einer europäischen Identität gefördert. Umso wichtiger ist es in meinen Augen, Rollenspiele dieser Art vermehrt an Schulen umzusetzen, in Form von Kursprojekten, Arbeitsgemeinschaften oder Exkursionen.

So gibt es eine Vielzahl an kreativen und spannenden Ideen, um Europa in den Schulalltag zu integrieren. Diese Ideen gilt es weiterzuverfolgen und auszubauen, damit Europa verstärkt Einzug in Klassenzimmer hält und Europabildung so in Zukunft noch besser umgesetzt wird.

Statement von Stephan WassmuthVorsitzender des Bundeselternrates

Aufgrund der grundlegenden Probleme an Deutschen Schulen [sind die Fragen zu Erwartungen an politische Europabildung] leider nur knapp zu beantworten.

Es ist ein Grundverständnis des europäischen Gedankens in den Köpfen der SuS dringend zu erreichen. Hierzu ist es wichtig, dass die Politik der europäischen Mitgliedsstaaten den europäischen Grundgedanken auch lebt und öffentlich zeigt. Dies geschieht leider aktuell in vielen Bereichen nicht. Das sehen wir zunehmender Angst und Besorgnis auch mit Blick auf unsere Demokratie. Wir denken, dass gerade im Unterricht der Europäische Grundgedanke immer wieder aufs Neue gelehrt und gelebt werden muss. Gerade in einer Zeit in der sich Menschen global auf den Weg machen ist der demokratische Gedanke und das gemeinsame Miteinander ein wichtiger Baustein für unser Zusammenleben. Hier gilt es anzusetzen. Gerade der Blick über die Grenzen macht es für junge Menschen attraktiv hier Verständnis für die jeweiligen Kulturformen zu finden und sollte gefördert und intensiviert werden. Dafür ist es aber auch wichtig die geschichtlichen Zusammenhänge zu kennen und zu verstehen. Hier sehen wir oftmals Mängel im Unterricht. Es wird nicht ausreichend darauf eingegangen und leider fehlt auch aufgrund der aktuellen Coronapandemie aktuell auch die Zeit. Es wäre aber gerade jetzt wichtig hier verstärkt Aufklärung und Wissen zu vermitteln.