Das Gedenken an die NS-Opfer ist inzwischen Teil der deutschen Staatsräson. Doch wie verändern sich Erinnern und Gedenken mit wachsender zeitlicher Distanz, und wie kann historisches Lernen künftig aussehen?
Mit dem bevorstehenden Ende der unmittelbaren Zeitzeugenschaft stellt sich die Frage nach dem Umgang mit und dem Lernen aus "unannehmbarer Geschichte" (Imre Kertész) neu. (Wie) lassen sich Lehren aus der Shoah für nachfolgende Generationen aktualisieren? Kann es überhaupt positive "Lehren" aus negativer Geschichte geben? Sollte der Holocaust künftig „historisiert“ und in eine breitere Gewaltgeschichte eingeordnet werden, oder lässt sich aus ihm eine Art "universalisierte" Moral ableiten, die sich etwa in verstärkter Menschenrechtsbildung niederschlägt?
Volkhard Knigge
"Das radikal Böse ist das, was nicht hätte passieren dürfen." Unannehmbare Geschichte begreifen
Das Gedächtnis an die Opfer des Nationalsozialismus ist fester Bestandteil deutscher Erinnerungskultur. Die normative Rhetorik verdeckt jedoch wichtige konzeptionelle Fragen zum historischen Lernen aus "unannehmbarer Geschichte" (Kertész).
Natan Sznaider
Gedächtnis im Zeitalter der Globalisierung. Prinzipien für eine neue Politik im 21. Jahrhundert
Die Erinnerungen an den Holocaust sind zu einem universalen Code geworden. Im Zentrum kosmopolitischer Gedächtniskultur steht nicht mehr der institutionalisierte Judenhass, sondern die allgegenwärtige Modernisierung der Barbarei.
Astrid Messerschmidt
Geschichtsbewusstsein ohne Identitätsbesetzungen – kritische Gedenkstättenpädagogik in der Migrationsgesellschaft
Das Fehlen einer rassismuskritischen Perspektive im Erinnerungsdiskurs und der Geschichtsvermittlung führt zu einem Kurzschluss, durch den Vielfalt als Abweichung aufgefasst wird. Auswege bietet die Migrationsforschung.
Elke Gryglewski
Gedenkstättenarbeit zwischen Universalisierung und Historisierung
Gedenkstätten stehen heute vor komplexen Herausforderungen. Es geht nicht nur darum, für NS-Geschichte zu interessieren, sondern den Besucherinnen und Besuchern eine zeitgemäße Aneignung dieser Geschichte zu ermöglichen.
Micha Brumlik
Kosmopolitische Moral: Globales Gedächtnis und Menschenrechtsbildung
Inwiefern werden universelle Werte heute plausibilisiert, konkretisiert und kulturell verbreitet? Kann der Völkermord an den Juden Europas als jene „große Erzählung“ gelten, die weltweit ein Menschenrechtsbewusstsein vorantreibt?