Das Wahlverhalten eingebürgerter Personen in Deutschland
Die deutsche Staatsbürgerschaft ist Voraussetzung für die politische Partizipation im Bund und in den Bundesländern. Durch Umfragen zeigt der Autor, dass Aussiedler eher die CDU/CSU und eingebürgerte Türken mehrheitlich SPD und Grüne wählen.Eingebürgerte als potenzielle Wähler
Die Zusammensetzung der wahlberechtigten Bevölkerung verändert sich ständig. Dabei sind für die Wahlforschung traditionell vor allem die Veränderungen der einheimischen Wählerschaft von Interesse: Jungwähler kommen kontinuierlich zur wahlberechtigten Bevölkerung hinzu, die Gruppe der älteren Wählerinnen und Wähler gewinnt für den Wahlausgang immer größere Bedeutung, aber ungeachtet der steigenden Lebenserwartung scheiden mit der Zeit ganze Generationen aus der Gruppe der Wahlberechtigten aus. Es gehört zum Standardrepertoire der auf Umfragedaten oder der Repräsentativen Wahlstatistik fußenden Analysen, das Wahlverhalten in einzelnen Altersgruppen näher zu betrachten.[1] Hierbei wird immer wieder Jungwählern besondere Beachtung geschenkt, da diese Trendsetter sein könnten und Parteien es sich nicht leisten wollen und können, auf die Unterstützung ganzer Alterskohorten, die noch lange zur wahlberechtigten Bevölkerung gehören werden, zu verzichten.
Viel weniger Beachtung haben bisher in der empirischen Wahlforschung eingebürgerte Personen gefunden. Erst im Laufe der neunziger Jahre und bei engen politischen Kräfteverhältnissen (vor allem 1994 und 2002) geriet auch diese Personengruppe ins Blickfeld der Parteien, der Medien und einiger Wissenschaftler. Insbesondere aufgrund des Paradigmenwechsels im Politikfeld Migration seit dem Regierungswechsel 1998,[2] der zur Ergänzung des Staatsbürgerschaftsrechts um das ius soli und zu Einbürgerungserleichterungen führte, wurde die möglicherweise wahlentscheidende Bedeutung von Neubürgerinnen und Neubürgern thematisiert. Während das Wall Street Journal Europe unmittelbar vor der Bundestagswahl 2002 davon sprach, eingebürgerte Türken seien Schröders "Secret Weapon", die eine Entscheidung zu Gunsten von Rot-Grün herbeiführen könnte, leckte die Frankfurter Allgemeine Zeitung nach der Wahl die offene bürgerliche Wunde mit dem Hinweis, die eindeutige "Präferenz der türkischstämmigen Deutschen für Rot-Grün" habe zu "weitreichenden Verzerrungen" des Wahlergebnisses geführt.[3] Stimmen in die andere Richtung ertönten seltener, doch wies Der Spiegel im Frühjahr 2003 darauf hin, dass die aussiedlerfreundliche Politik der CDU/CSU offensichtlich auch dem Kalkül entspringt, "zigtausende Wähler" der Union ins Land zu holen.[4]
Es gibt bislang nur wenige empirische Analysen des Wahlverhaltens eingebürgerter Personen in Deutschland. Neben mangelndem Interesse stellt es aufgrund der geringen Gruppengröße vor allem ein forschungspraktisches Problem dar, eingebürgerte Personen in ausreichender Zahl zu identifizieren und über den Königsweg der empirischen Sozialforschung, die Befragung, Informationen über das Wahlverhalten und dessen mögliche Motive in Erfahrung zu bringen.[5] Zusätzlich zu so genannten screening-Verfahren, bei denen im Rahmen allgemeiner Bevölkerungsumfragen eingebürgerte Personen durch eine einzige Frage identifiziert und damit herausgefiltert werden können, besteht vor allem auf lokaler Ebene die Möglichkeit, Eingebürgerte gezielt zu befragen. Von beiden Möglichkeiten wurde jüngst wiederholt Gebrauch gemacht, so dass mittlerweile einige Ergebnisse dieser Datenerhebungen vorliegen, die Rückschlüsse auf das Wahlverhalten eingebürgerter Personen in Deutschland zulassen.[6] Im Rahmen des vorliegenden Beitrags werden vor allem die Ergebnisse des letzten, zwölfmonatigen screening im Rahmen der monatlichen, regulären Politbarometer-Befragungen von Oktober 2001 bis einschließlich September 2002 vorgestellt,[7] die punktuell um Erkenntnisse aus vorangegangenen Befragungen, insbesondere des Jahres 1999, ergänzt werden.