Eliten in Südosteuropa
Rolle, Kontinuitäten, Brüche
Die alte Nomenklatura konnte in den ehemals kommunistischen Ländern Südosteuropas ihren Einfluss erneut in ökonomische Vorherrschaft und politische Macht ummünzen. Es drohen Klientelismus und Korruption.I. Modernisierungskrise, Systemwechsel und die Rolle der Eliten in Südosteuropa
Die ehemals kommunistisch beherrschten Staaten Südosteuropas haben seit 1989 einen tief greifenden Wandel erfahren. Demokratischer Aufbruch, marktwirtschaftliche Transformationsprozesse, rechtsstaatliche und zivilgesellschaftliche Entwicklungen, kulturelle Pluralisierung und die Annäherung an die Europäische Union (EU) sind einige Stichworte, die diese Veränderungen umschreiben.[1] In der Grundtendenz handelt es sich um einen komplexen Modernisierungsvorgang, durch den eine tiefe und folgenreiche Entwicklungskrise überwunden werden soll. Diese Krise wurde hauptsächlich durch die jahrzehntelange kommunistische Herrschaft und eine ungleichförmige, Unfreiheit, Retardierungen und Spannungen erzeugende "partielle Modernisierung" unter sozialistischen Vorzeichen herbeigeführt. Sie ist aber auch das Ergebnis einer langfristigen, in die vorsozialistische Zeit zurückreichenden sozialen und wirtschaftlichen Rückständigkeit sowie kultureller Ambivalenzen und nicht zuletzt überkommener Demokratiedefizite.[2]
Der "Systemwechsel", der nach 1989 in nahezu allen südosteuropäischen Gesellschaften einsetzte, hat gewiss nicht überall und sofort die Hoffnungen erfüllt. Weit reichende Wohlstandserwartungen wurden zunächst vielfach enttäuscht.[3] Die Demokratisierungsprozesse verliefen zum Teil spannungsreich und waren von Rückschlägen gekennzeichnet. Interethnische Konflikte und natio-nalistische Bestrebungen führten im ehemaligen Jugoslawien zum staatlichen Zerfall, zu militärischen Auseinandersetzungen, Verbrechen an der Zivilbevölkerung, Flucht und Vertreibungen.[4] Aber auch in Bulgarien, Rumänien oder Albanien kam es in den neunziger Jahren zu kritischen Situationen und zeitweilig bürgerkriegsähnlichen Konfrontationen. In nahezu allen südosteuropäischen Staaten waren und sind - gleichsam als Hypothek der sozialistischen Fehlentwicklungen, aber auch aus anderen Gründen - erhebliche wirtschaftliche Übergangs- und Anpassungsschwierigkeiten, massive soziale Probleme sowie sozialstrukturelle Verwerfungen zu konstatieren.[5]
Erst seit kurzer Zeit - nicht zuletzt seit der demokratischen Wende in Serbien - kann man nahezu überall von einem konsolidierten Modernisierungsprozess sprechen. Mit den gesamteuropäischen Entwicklungen und der in die Wege geleiteten EU-Osterweiterung zeichnen sich zudem gute Chancen der Verstetigung und Beschleunigung dieser Modernisierungsvorgänge ab, wenngleich die Schwierigkeiten einer weiteren europäischen Integration nicht übersehen werden sollten.[6]
Bei all diesen Vorgängen kam und kommt den Eliten eine Schlüsselrolle zu.[7] Wer aber sind die Eliten? Was ist mit dem Elitenbegriff gemeint?