In der tradierten Erfolgsgeschichte von "1989" wird kaum abgebildet, dass der Ausgang der friedlichen Revolution ungewiss war. Nicht wenige – vor allem in Westdeutschland – meinen, im Herbst 1989 sei der Osten geradlinig auf die deutsche Vereinigung zugesteuert. Im Erfolgsnarrativ war außerdem wenig Platz für die erheblichen Umwälzungen, die mit dem Vereinigungsprozess einhergingen. Das hat sich in jüngster Zeit geändert.
Wofür steht die friedliche Revolution 30 Jahre nach dem Mauerfall? Wem "gehört" sie, wer darf sich auf sie berufen? Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Fragen findet derzeit auf unterschiedlichen
Ebenen statt: Auf politischer Ebene taucht selbst der seinerzeit von der SED zur Einhegung der Proteste instrumentalisierte Topos einer "Wende" wieder auf, etwa wenn in Wahlkämpfen in Ostdeutschland Parallelen zwischen der Situation von 1989 und heutigen Verhältnissen gezogen werden.
Ilko-Sascha Kowalczuk
Das Ende der DDR 1989/90. Von der Revolution über den Mauerfall zur Einheit
In das Jahr 1989 gingen die meisten Ostdeutschen hoffnungslos. Nur eine kleine Minderheit engagierte sich für Veränderungen. Am Ende des Jahres war die Freude grenzenlos – die Hoffnungslosigkeit hatte sich in Glück verwandelt, für die absolut meisten Menschen ohne eigenes Zutun.
Dieter Segert
Verpasste Chancen im 41. Jahr - Essay
Nach den Feierlichkeiten der SED-Führung zum 40. Jahrestag der Republik begann am 7. Oktober 1989 das 41. Jahr der DDR. In diesem Jahr wurden mit dem raschen Beitritt nach Art. 23 GG Chancen vertan – nicht nur für Ostdeutschland, sondern für das ganze Deutschland.
Greta Hartmann, Alexander Leistner
Umkämpftes Erbe. Zur Aktualität von "1989" als Widerstandserzählung
"1989" als Legitimationssymbol für Proteste ist bis heute von besonderer Bedeutung. Diese zeigt sich nicht zuletzt bei Straßenprotesten, die in Form von "Montagsdemonstrationen" stattfinden und bei denen die Parole "Wir sind das Volk" skandiert wird.
Martin Sabrow
"1989" als Erzählung
So epochal die Bedeutung des Umbruchs von 1989 ist, so diffus ist sein Platz im Gedächtnis unserer Zeit. "1989" ist ein prominenter wie zugleich bis heute vieldeutiger und unscharf markierter Erinnerungsort. Wie ist dieser Befund zu erklären?
Mandy Tröger
Die Treuhand und die Privatisierung der DDR-Presse
Auch das Pressewesen war Teil des Volkseigentums, das von der Treuhand privatisiert werden sollte. Bei der Umwandlung wurden allerdings nicht wie geplant ehemalige SED-Zeitungsmonopole aufgespaltet, sondern von westdeutschen Verlagen größtenteils weitergeführt.
Elke Kimmel
West-Berlin. Stimmungsbilder aus dem letzten Jahr
Schon in den ersten Tagen nach der Maueröffnung zeigte sich in West-Berlin, dass die Umsetzung der Vereinigung mit dem Ostteil der Stadt nicht ohne Einbuße zu haben war. Zu diesen gehörte auch, dass die "Mauerstadt" einen Teil ihrer Identität verlor.