Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Regiert Karlsruhe mit? Das Bundesverfassungsgericht zwischen Recht und Politik | Bundesverfassungsgericht | bpb.de

Bundesverfassungsgericht Editorial Vom Recht, Recht zu sprechen: Die Legitimation des Bundesverfassungsgerichts - Essay Bedeutung der Menschenwürde in der Rechtsprechung - Essay Regiert Karlsruhe mit? Das Bundesverfassungsgericht zwischen Recht und Politik Hinter verschlossenen Türen: Beratungsgeheimnis des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht als Motor gesellschaftlicher Integration? Bundesverfassungsgericht und Verrechtlichung auf europäischer Ebene: Das kollektive Arbeitsrecht Recht, Gerechtigkeit und Rechtsstaat im Wandel - Essay Strafrechtliche Aufarbeitung von Diktaturvergangenheit - Essay

Regiert Karlsruhe mit? Das Bundesverfassungsgericht zwischen Recht und Politik

Hans Vorländer

/ 20 Minuten zu lesen

Das Bundesverfassungesgericht ist ein Machtfaktor im politischen System der Bundesrepublik Deutschland. Die Stärke des Gerichts in Karlsruhe liegt in ihrer Deutungsmacht begründet, die vom Vertrauen der Bevölkerung gestützt wird.

Einleitung

Von Anfang an stand das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in der Kritik der Politik. Es war noch gar nicht richtig etabliert, da wurde es in den 1950er Jahren in die Kontroverse um die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland hineingezogen und drohte, zwischen Regierung und Opposition zerrieben zu werden. Und so ging es weiter: Anfang der 1960er Jahre scheiterte Konrad Adenauers Projekt eines regierungsnahen Fernsehsenders an der Rechtsprechung in Karlsruhe. Das BVerfG stellte fest, dass die Rundfunkgesetzgebung Sache der Länder sei und dass damit dem Bund die Kompetenz für die Gründung eines "Regierungsfernsehens" fehlte. Konrad Adenauer erklärte daraufhin, das Kabinett habe einstimmig beschlossen, dass das Urteil des BVerfG "falsch" sei. Das BVerfG versuchte sich des Angriffs der Bundesexekutive zu erwehren, indem der Präsident des BVerfG Gebhard Müller seinerseits festhielt, dass kein Verfassungsorgan befugt sei, zu beschließen, ein Spruch des BVerfG entspreche nicht dem Verfassungsrecht. Es war ein Kampf um die Deutungshoheit über die Verfassung.

Das setzte sich in der "Verfassungskrise" der 1970er Jahre fort, als das BVerfG mehrere Reformprojekte der sozialliberalen Mehrheit des Deutschen Bundestages stoppte. Die Wehrdienstnovelle, die Reform des Abtreibungsparagrafen des Strafgesetzbuches, die Hochschulmitbestimmung oder auch der Grundlagenvertrag - diese und andere Entscheidungen setzten das BVerfG den Vorwürfen des "Obergesetzgebers", der "Konterkapitäne von Karlsruhe", der "Usurpation von evidenten Aufgaben des Gesetzgebers" und der "Entmächtigung des Parlaments" aus. Aus dem Bundeskanzleramt wurde eine Äußerung kolportiert, wonach sich die Regierung ihre Politik nicht "von den acht Arschlöchern in Karlsruhe kaputtmachen" lassen wolle. Hier war es nicht allein der Konflikt mit der Exekutive, sondern vor allem der mit dem Bundesgesetzgeber, welcher das BVerfG herausforderte. Erst die Entscheidung zur Unternehmensmitbestimmung von 1979 befriedete das Verhältnis zwischen Politik und BVerfG wieder.

Mitte der 1990er Jahre stieß eine Reihe von Entscheidungen des BVerfG auf heftige Kritik in der Öffentlichkeit. Der Erste Senat löste durch die "Sitzblockaden"-Entscheidung, die "Soldaten-sind-Mörder"-Beschlüsse und durch den "Kruzifix"-Beschluss in weiten Bevölkerungskreisen erheblichen Unmut aus. In Bayern wurde sogar zum Widerstand aufgerufen: Das "Kruzifix"-Urteil werde zwar "respektiert", aber nicht "akzeptiert", befand - rhetorisch feinsinnig, politisch aber eindeutig - der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber. Zusammen mit dem Erzbischof von München und Freising Friedrich Kardinal Wetter organisierte er eine Großdemonstration, bei der sich 25.000 Gegnerinnen und Gegner vor der Feldherrenhalle in München zum gemeinsamen Protest versammelten. In Karlsruhe wurden im Herbst 1995 die Protestbriefe in Waschkörben ins Gericht getragen. Rund 256.000 Unterschriften wurden gegen die "Kruzifix"-Entscheidung vorgelegt.

Das Verfassungsgericht war in diesen immer wiederkehrenden Auseinandersetzungen nicht allein passives Objekt politischer und öffentlicher Kritik. Es suchte seinen institutionellen Rang zu behaupten und bestand in solchen Fällen auf seiner Rolle eines "Hüters der Verfassung". In diesem Sinne sah es sich befugt, Regierung und Gesetzgebung in ihre verfassungsmäßigen Schranken zu verweisen. Die einen sprachen immer wieder von einer politischen Indienstnahme des Verfassungsgerichts, die anderen von der juristischen Knebelung der Politik. Die wechselseitigen Vorwürfe einer "Politisierung der Verfassungsgerichtsbarkeit" und der "Juridifizierung der Politik" gehören von Beginn an zu den ritualisierten Einwendungen gegen die Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit. Trotzdem ist die Stellung des deutschen BVerfG heute unangefochten. Zu erfolgreich hat es sich allen Anfeindungen widersetzen und in den großen verfassungspolitischen Kontroversen behaupten können.

Bundesverfassungsgericht als politischer Akteur

Es kann heute keinen Zweifel geben, dass das BVerfG ein wichtiger politischer Faktor im Regierungssystem der Bundesrepublik geworden ist. Seine Entscheidungen haben politische Auswirkungen. Seine Existenz lässt die Politik anders agieren, weil immer die Möglichkeit des "Gangs nach Karlsruhe" droht, also Gesetze und exekutives Handeln vor den Richterinnen und Richtern in Karlsruhe verhandelt und auch für verfassungswidrig erklärt werden können. Die Antizipation von Verfahren und Verdikt verändert die Politik.

In der Tat ist es keineswegs so, dass die 16 Karlsruher Richterinnen und Richter völlig unbeeinflusst von der Politik ihre Entscheidungen treffen können. Sie orientieren sich auch am politischen Umfeld, und auch die Auswirkungen von Entscheidungen auf das Handeln politischer Akteure werden bedacht. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn zuvor das BVerfG mit seiner Rechtsprechung in Politik und Öffentlichkeit auf Kritik gestoßen ist und es um die institutionelle Selbstbehauptung geht. Nach Phasen heftiger Kontroversen folgt in aller Regel eine Befriedung des Verhältnisses zwischen Politik und Verfassungsgericht.

In seiner institutionellen Aufgabenbeschreibung war von Anfang an angelegt, dass das BVerfG mehr als nur ein Schiedsrichter ist, welcher die Einhaltung des politischen Spielregelwerkes überwacht. Die umfassenden Kompetenzen - nicht zuletzt die abstrakte Normenkontrolle - machten es auch zum Streitentscheider, zuweilen zum Streitschlichter, bei Konflikten zwischen Opposition und Regierung, zwischen dem Bund und den Ländern sowie zwischen den Ländern. Über das Institut der individuellen Verfassungsbeschwerde - ein Novum in der Geschichte der Verfassungsgerichtsbarkeit - wuchs das Gericht zunehmend auch in die Rolle eines Bürgergerichts hinein. Dabei sicherte es Positionen der Bürgerinnen und Bürger, baute den Grundrechtsschutz in vielfältiger Weise aus und verwies Legislative und Exekutive immer wieder in ihre Grenzen - oder forderte den Gesetzgeber zu konkreten Maßnahmen auf.

Der Effekt war und ist, dass das BVerfG immer wieder in den politischen Machtkampf, die politics, verstrickt ist. Es hat auch die grundgesetzliche Ordnung, die polity, entscheidend geprägt und fortentwickelt - von den frühen Entscheidungen zur Bedeutung der Meinungsfreiheit in der Demokratie über die Rolle von Parteien und Medien bis zum Schutz der Privatsphäre in Zeiten großer Datensammlungen. Hierzu gehören auch die - zumeist umstrittenen - Entscheidungen, die das Verhältnis zwischen nationalstaatlicher Souveränität und europäischer Integration zu justieren suchen. Schließlich ist das BVerfG in wesentlichen Politikfeldern als policy maker tätig: Es gestaltet zwar nur indirekt, aber doch nachhaltig ganze Politikbereiche wie Steuerpolitik, Familienpolitik, Sozialpolitik, Rentenpolitik oder Hochschulpolitik mit.

Damit nimmt das Verfassungsgericht realiter Funktionen war, die nach einem Modell reiner Gewaltentrennung nicht der Judikative, sondern der Legislative, Exekutive und der verfassunggebenden beziehungsweise der verfassungsändernden Gewalt zustehen. Wenn das Verfassungsgericht eine Bedeutung im politischen Alltag der Bundesrepublik Deutschland gewonnen hat, die den anderen Verfassungsorganen von Exekutive und Legislative kaum nachsteht und deshalb auch von einer "Teilhabe" des Gerichts an der "Staatsleitung" oder einem "politischen Machtfaktor" gesprochen wird, dann lassen sich Rolle, Tätigkeit und Funktion des BVerfG nicht allein in rechtlichen Begriffen beschreiben. Wo die "Grenzüberschreitung" zum Normalfall wird, büßt das Trennungsmodell von Recht und Politik an Erklärungskraft sowie die Rede von der wechselseitigen Verletzung des jeweiligen Arkanums an politischer Argumentationskraft ein.

Dabei sollte die Situierung des Verfassungsgerichts in Karlsruhe, in der "Residenz des Rechts", die funktionalen Unterschiede zu den politischen Institutionen in Bonn (später Berlin) verdeutlichen. In der Symbolik institutioneller Distanz brachte sich eine Trennung von Recht und Politik zum Ausdruck, welche in der Kontrolle der Politik durch eine eigene Verfassungsgerichtsbarkeit die Stabilitätsgarantie für eine junge, keineswegs gefestigte Demokratie sah. Insofern war die Etablierung des BVerfG im Jahr 1951 die logische Konsequenz einer Verfassung, die sich als Gegenverfassung zum nationalsozialistischen Deutschland, aber auch zum vermeintlichen Werterelativismus der Weimarer Reichsverfassung verstand.

Im Vorrang der Verfassung, institutionell durch eine Verfassungsgerichtsbarkeit mit weitreichenden Kompetenzen untersetzt, gab sich zugleich ein Generalverdacht gegenüber "der" Politik und dem System der auf unbeschränktem Mehrheitsprinzip basierenden Demokratie zu erkennen. Die Einhegung der Demokratie sollte den Demos davor bewahren, die Demokratie den Feinden der Demokratie auszuliefern, wie es für die "Auflösung der Weimarer Republik" (Karl Dietrich Bracher) diagnostiziert worden war. Die Herrschaft des Rechts wie auch die Sicherung der demokratischen Grundordnung (Parteienverbot, Aberkennung von politischen Grundrechten, Unabänderbarkeit bestimmter Normen des Grundgesetzes) schien nur durch die Institution einer selbstständigen Verfassungsgerichtsbarkeit gewährleistet zu werden.

Eine solche rechtliche Überformung des demokratischen Systems zeitigte aber Folgeprobleme: Als "Hüter der Verfassung" - vor allem als Garant von Menschenwürde, Grundrechten und Demokratie - musste das BVerfG, wollte es seine Rolle ernst nehmen, unweigerlich in Konflikt mit der Politik geraten. Es schien regelrecht seine Aufgabe zu sein, der Politik ihre Grenzen aufzuzeigen und dabei selber Politik zu machen. Das war von politischer Seite, auch von den Müttern und Vätern der Verfassung, in dem Maße, wie es dann eintreten sollte, sicherlich nicht antizipiert worden. Doch es war in der Eigendynamik der Institution angelegt.

Kampf um die Deutungsmacht

Dennoch musste das BVerfG zunächst einmal seine Stellung, vor allem in den Beziehungen zu den gewählten Institutionen der Legislative und Exekutive, aber auch zu den Institutionen der rechtsprechenden Gewalt und schließlich zur Öffentlichkeit etablieren und sich anschließend in den Konflikten behaupten. Denn die formalen Kompetenzen des Artikels 93 des Grundgesetzes erklären nur unzureichend den herausgehobenen Rang, den das BVerfG im politischen System der Bundesrepublik Deutschland in den vergangenen 60 Jahren gewonnen hat. Ein Verfassungsgericht verfügt nicht per se über die Sanktionsmittel wie beispielsweise Gesetzgebung und vollziehende Gewalt, um seine Entscheidungen auch durchsetzen zu können. Exekutive und Legislative ist es theoretisch unbenommen, die Entscheidungen und Urteile zu ignorieren. Das Gericht muss folglich über andere Voraussetzungen und Mittel verfügen, um Folgebereitschaft zu erzeugen.

Das BVerfG deutet die Verfassung. Es verleiht den grundlegenden Ordnungsvorstellungen des politischen Gemeinwesens Ausdruck. Diese sind in den Rechtsnormen der Verfassung kodiert. Sie bedürfen aber einer Deutung und Anwendung im Konfliktfall. So kann jede Entscheidung des Verfassungsgerichts als Deutungsangebot verstanden werden, das nicht zuletzt mittels der tragenden Entscheidungsgründe um Anerkennung der Streitparteien und Befolgung durch Gesellschaft und Politik wirbt. Prinzipiell besteht eine institutionelle Konkurrenz von Verfassungsgerichtsbarkeit und den politischen Institutionen von Gesetzgebung und Exekutive um die Deutung der Verfassung.

Im Wege der Gesetzgebung können Aufträge, die der Verfassungsgeber der einfachen Gesetzgebung auferlegt hat, eingelöst werden. Auch lassen sich Gesetzgebung und deren administrative Umsetzung als Ausgestaltung der in der Verfassung nur als Rahmen rechtlich normierten Ordnung verstehen, weshalb legislatives und exekutives Handeln immer konkretisierende Verfassungsinterpretation in praxi ist. Damit besitzen die politischen Institutionen einen Interpretationsvorsprung, der indes im Konfliktfall in den Interpretationsvorrang der Verfassungsgerichtsbarkeit mündet. Das BVerfG ist von seiner Aufgabe und Funktion der autoritative Interpret der Verfassung und stellt deshalb mit seinen Entscheidungen immer auch den Anspruch auf die Hoheit über die verbindliche Deutung.

Wenn folglich das Deutungsangebot der Verfassungsrichter in einem konkreten Fall Zustimmung von den politischen Institutionen und der Öffentlichkeit erhält, dann kann von der Akzeptanz einer Entscheidung gesprochen werden. Über eine Folge von zustimmungsfähigen Entscheidungen baut sich so ein generalisiertes Vertrauen in die Institution der Verfassungsgerichtsbarkeit auf, das nicht mehr allein von der konkreten Spruchpraxis abhängig ist. Auf diese Weise etabliert sich verfassungsrichterliche Deutungsmacht, die, will sie wirksam bleiben, sowohl das Vermögen des Gerichts (im Einzelfall überzeugen zu können) als auch den Glauben des Publikums (dass die verfassungsdeutende Institution legitim sei) voraussetzt.

Bei dieser Deutungsmacht handelt es sich folglich um eine "weiche" Form der Ausübung von Macht, die gleichwohl in der Lage ist, nachhaltig zu wirken. Sie ist eine Macht mit Veto-, Verhinderungs- und auch Konformitätseffekten. So kann bereits die Drohung, "nach Karlsruhe zu gehen", ausreichen, um verfassungswidriges Tun zu unterlassen oder verfassungsgemäßes Handeln zu initiieren. Die Deutungsmacht des BVerfG beruht damit vor allem auf der Autorität der Verfassungsgerichtsbarkeit als autoritativem Verfassungsinterpreten.

Strategie der Selbstautorisierung

Diese musste sich das BVerfG aber erst erarbeiten. Dabei half ihr anfangs eine Strategie der Selbstautorisierung. Das Gericht erklärte sich in der sogenannten Status-Denkschrift, die 1952 von Bundesverfassungsrichter Gerhard Leibholz verfasst wurde und sich an die politischen Verfassungsorgane richtete, selber zum "Verfassungsorgan". Damit beanspruchte das BVerfG, auf einer Stufe mit den anderen Gewalten zu stehen und seine spezifische Aufgabe - die Auslegung und Anwendung der Verfassung - im Status eines "Verfassungsorgans" ausüben zu können. Die folgende Machtprobe mit der Bundesregierung, vor allem mit Justizminister Thomas Dehler, konnte das BVerfG für sich entscheiden, weil Bundestag und Bundesrat die Feststellung des Statusberichts akzeptierten.

Auch konnte sich das BVerfG auf die Fachöffentlichkeit verlassen, die den Statusbericht positiv aufnahm und ebenfalls eine Stärkung der Verfassungsgerichtsbarkeit befürwortete. Auch die Opposition im Bund hatte ein großes Interesse an einer starken Verfassungsgerichtsbarkeit, sah sie doch in ihr ein Unterpfand für die verfassungsrechtliche Auseinandersetzung um die Wiederbewaffnung, genauso wie die Ministerpräsidenten der Länder, die im BVerfG eine Gewähr gegen eine zu starke Zentralregierung sahen.

Am Ende der 1950er Jahre schien der Status des BVerfG kaum noch ernsthaft bestritten zu werden. Das BVerfG hatte in zwei Parteienverbotsverfahren den antitotalitären Konsens der Nachkriegszeit bestärkt und die junge Demokratie durch wegweisende Grundrechtsentscheidungen gestärkt. Die "Selbstermächtigung" des BVerfG von 1952 sollte im Zuge späterer Novellen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und des Grundgesetzes ratifiziert werden.

War damit die Machtstellung einer "Institution ohne Tradition" behauptet und anerkannt worden, so konnte das BVerfG auch in dem berühmten "Lüth"-Urteil von 1958 nicht nur einen prägenden Einfluss auf die Ausgestaltung der Grundrechte im Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern sowie dem Staat gewinnen, sondern zugleich auch seine Suprematie gegenüber der ordentlichen (Fach-)Gerichtsbarkeit dokumentieren. Das galt im Übrigen auch für das Verhältnis zu den Obersten Bundesgerichten: In der Einrichtungsphase des BVerfG war die Hierarchiefrage nicht geklärt, in Streitfällen, bei denen Fachgerichte Gesetze und Verordnungen wegen Zweifeln an ihrer Verfassungsmäßigkeit beim BVerfG vorlegten, wurden vom jeweils zuständigen Bundesgericht Gutachten erstellt und diese Gutachten oftmals auch veröffentlicht. Dadurch war der Entscheidungsspielraum des BVerfG erheblich eingeengt.

Zudem hatte sich das BVerfG in jener Phase auch mit mehreren Bundesgerichten in einem inhaltlichen Dissens befunden. Auch hier wurde das BVerfG "eigenmächtig" tätig, indem der Erste Senat 1955 ein Ende der für die Gerichte "wesensfremden" Gutachten beschloss. Der Protest der Präsidenten der Oberen Bundesgerichte lief leer, weil es dem BVerfG gelang, den Bundesgesetzgeber für sein Anliegen zu gewinnen, woraufhin die Novelle des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes die Gutachten abschaffte. Die Autorität des BVerfG gegenüber den rechtsprechenden Instanzen war somit eindeutig institutionell und prozedural gestärkt worden.

Nach dieser Etablierungsphase verfassungsgerichtlicher Deutungsmacht musste das BVerfG seine Autorität in der öffentlichen Auseinandersetzung mit den anderen Gewalten zu behaupten suchen. Vor allem die 1970er Jahre sahen eine Reihe von politischen und institutionellen Konflikten im Zusammenhang mit der kritischen Verfassungsrechtsprechung gegenüber Legislative und Exekutive. Dabei wurde sehr wohl die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit, vor allem ihre Interpretationsprärogative, bestritten.

"Politisierung der Verfassungsjustiz" und "Verrechtlichung der Politik"

Nicht selten fanden in dieser Konfliktphase Versuche der politischen Institutionen statt, das BVerfG zu instrumentalisieren, indem in Zeiten starker politischer Polarisierung zwischen Parteien sowie zwischen Regierung und parlamentarischer Opposition das BVerfG angerufen wurde, um dem politischen Gegner auf dem Feld des Verfassungsrechts eine Niederlage zuzufügen, die sich auf dem Feld der politischen oder gesellschaftlichen Auseinandersetzung nicht erreichen ließ. In dieser Periode fanden jene wechselseitigen Schuldzuweisungen der "Politisierung der Verfassungsjustiz" und der "Verrechtlichung der Politik" statt.

Paradoxerweise, so zeigt die historische Bilanz, stärkte der Konflikt um die Judikatur die Deutungsmacht des BVerfG. Dies liegt vor allem darin begründet, dass zum einen gerade die politische Anrufung die Rolle der Verfassungsgerichtsbarkeit verdeutlicht und zum anderen die Verfassungsgerichtsbarkeit sich selbst zum Schiedsrichter und Schlichter im politischen Konflikt zu inszenieren verstand. Aus dieser Konfliktphase der 1970er Jahre ging also das BVerfG gestärkt hervor, weshalb in der Folge die Deutungsmacht nicht mehr prinzipiell infrage gestellt wurde. Karlsruhe hatte mehrfach über Bonn obsiegt.

Das BVerfG hat selber im Laufe der Zeit eine institutionelle Praxis ausgebildet, die seine Stellung als Interpret der Verfassung zu befestigen und Deutungsmacht zu beweisen vermochte. Das Gericht "verkörpert" die Verfassung, ihren Wandel und ihre fortdauernde Interpretationsnotwendigkeit. Insofern ist es wie eine jede Verfassungsgerichtsbarkeit das Scharnier zwischen der Ursprungsverfassung und der jeweils geltenden Verfassung. Als autoritativer Interpret ist das BVerfG die entscheidende Institution, die Verfassung auf Dauer zu stellen.

Allerdings läuft eine jede Verfassungsgerichtsbarkeit auch Gefahr, ihre Sonderstellung bei der Interpretation der Verfassung zu überziehen und in der Öffentlichkeit den Eindruck hervorzurufen, dass sie sich selbst an die Stelle der Verfassung setzt. Wenn Entscheidungen "im Namen des Volkes" ergehen, so versucht das BVerfG deshalb immer deutlich zu machen, dass hier allein die Verfassung ausgelegt, also allein dem Willen des Verfassungsgebers oder des die Verfassung ändernden Gesetzgebers Rechnung getragen wird. Allzu deutlich darf die eigenständige, das Grundgesetz auslegende und fortbildende Rechtsprechungstätigkeit nicht hervortreten; sie "versteckt" sich hinter der Verfassung.

Wird die Tätigkeit des interpretierenden Verfassungsrichters nur ausschnittweise sichtbar - für die Bürgerinnen und Bürger spielt sie im Arkanum des Rechts -, so findet auf der anderen Seite eine demonstrativ sichtbare Inszenierung des kollektiven richterlichen Spruchkörpers statt. Die Rituale des Einzugs des Hohen Gerichts in den großen Saal des BVerfG, die Respektbezeugung von Parteien und Publikum, die Verkündungspose sind Mechanismen verfassungsgerichtlicher Selbstinszenierung, welche die Autorität des Verfassungsgerichts und der von ihr autoritativ gedeuteten Verfassung sicht- und spürbar werden lassen. Von dieser Auratisierung der Rechtssphäre und ihrer fallweisen Verkörperung durch die in würdevoller Distanz zur Politik agierende, in roter Robe die Entscheidungen verkündende Richterschaft profitiert ganz ohne Frage eine Institution wie das BVerfG.

Institutionenvertrauen und Entscheidungsakzeptanz

Dem BVerfG ist es gelungen, in den 60 Jahren seiner Tätigkeit ein hohes Vertrauen der Öffentlichkeit zu erwerben, das zugleich seine entscheidende Machtressource darstellt. Es genießt ein hohes, vor allem politische Institutionen überragendes, generalisiertes Institutionenvertrauen, das kurzfristige Erschütterungen und Akzeptanzverweigerungen bei Einzelentscheidungen zu absorbieren vermag. Konkrete Entscheidungen, ihre Akzeptanz oder ihre Ablehnung schlagen kaum auf das hohe generelle Vertrauen durch.

Nicht alle Entscheidungen führten zu politischen Konflikten; genau genommen handelte es sich nur um eine kleine Minderheit. Darüber hinaus werden keineswegs alle Entscheidungen (gerade einmal die Hälfte) in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Wie umstritten eine Entscheidung ist, liegt weniger an der Entscheidungsmaterie selbst, sondern hängt von der öffentlichen Debatte ab, vor allem von der Berichterstattung der Massenmedien. Dabei lassen sich verschiedene Gattungen umstrittener Entscheidungen identifizieren.

Eine Tendenz zur Konflikthaftigkeit scheinen jene Entscheidungen zu besitzen, die eine soziomoralische Konfliktlinie berühren. Bei solchen Entscheidungsmaterien kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie auf unumstrittene Akzeptanz stoßen. Beispiele sind hier die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch oder der "Kruzifix"-Beschluss. Sie zeigen zugleich die Grenzen der Interpretationsmacht des Bundesverfassungsgericht auf. Trifft - wie in der "Kruzifix"-Entscheidung - das Verfassungsgericht die soziokulturelle und religiöse Vorstellungswelt des (in diesem Falle bayerischen) Adressaten nicht, läuft das Interpretationsangebot leer.

Ähnliches scheint für Entscheidungen zu gelten, die in ein parteipolitisch polarisiertes Umfeld fallen. Konflikte sind immer dort vorgezeichnet, wo sich gesellschaftliche und politische Lager um brisante politische Themen gebildet haben und eine im parlamentarischen Gesetzgebungsprozess unterlegene Gruppe das BVerfG anruft, das dann Gefahr läuft, zum "Oppositionsgericht" zu werden. Die Auseinandersetzung um die Reformgesetze der sozialliberalen Regierungskoalition in den 1970er Jahren - von der Ostpolitik über die Gesellschafts- und Bildungspolitik bis hin zur Verteidigungspolitik - haben dies deutlich gezeigt. In beiden Kontexten, dem soziomoralischen und dem parteipolitisch polarisierten Umfeld, kann die Entscheidungspraxis des BVerfG keineswegs befriedend oder streitschlichtend, sondern sehr wohl auch konfliktverlängernd wirken. Hier gilt dann Karlsruhe locuta, causa non finita: Das BVerfG hat dann keineswegs das "letzte Wort".

Von einem eher niedrigen Grad der Konflikthaftigkeit sind solche Entscheidungen, die im "technischen" Bereich des Staatsorganisationsrechts anzusiedeln sind. Von hoher Aufmerksamkeit und öffentlicher Wahrnehmung begleitet, jedoch von ebenfalls niedriger Konflikthaftigkeit sind Entscheidungen, die das Verfassungsgericht als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger, zum Teil auch gegen das politische System und seine Akteure auszeichnen.

Ein Beispiel ist hier die Entscheidung zur Volkszählung, die ein Gesetz, das mit fast einstimmiger Mehrheit des Deutschen Bundestages verabschiedet worden war, im Interesse der vom Datenschutz gebotenen "informationellen Selbstbestimmung" der Bürgerinnen und Bürger für verfassungswidrig erklärte. Ähnlich verhält es sich dort, wo das BVerfG zum Ausfallbürgen für die Politik wird und der Untätigkeit der Legislative durch eigene Entscheidungen abhilft, wie es im Familien- und Steuerrecht geschehen ist.

Das hohe generalisierte Institutionenvertrauen zeigt sich demnach als eine Machtressource, die bislang nicht nachhaltig durch Konflikte um einzelne Entscheidungen des Gerichts beschädigt oder verbraucht worden ist. Im Gegenteil: Von den maßgeblichen Verfassungsorganen der grundgesetzlichen Ordnung genießt das Verfassungsgericht bundesweit einen Vertrauensvorsprung vor den anderen, im engeren Sinne politischen Institutionen wie der Gesetzgebung, der Exekutive oder den politischen Parteien. Dabei ist es so, dass das BVerfG, gerade im Unterschied zum Bundestag, als die eindeutig "sympathischere" Institution wahrgenommen wird. Dem BVerfG werden die Leitideen der Gerechtigkeit, der Verwirklichung der Ziele und Werte des Grundgesetzes und die Überprüfung von Gesetzen zugeschrieben. Die Bürgerinnen und Bürger sind davon überzeugt, dass das BVerfG diese Aufgaben auch erfüllt und gegenüber der Politik durchsetzt. Das hohe Institutionenvertrauen ist damit die entscheidende, den Mangel an Zwangsgewalt kompensierende Machtressource des BVerfG.

Bundesverfassungsgericht regiert mit

Das BVerfG hat eine überragende Stellung im politischen System der Bundesrepublik Deutschland gewonnen. Fast 190000 Verfahren beschäftigten das Verfassungsgericht bis Ende 2010, davon rund 182000 Verfassungsbeschwerden von Bürgerinnen und Bürgern. Die Rechtsprechung des BVerfG umfasst zurzeit 127 Bände. Darin enthalten sind nur die vom BVerfG selbst für bedeutend erklärten Entscheidungen. Der gleichermaßen beeindruckende wie beunruhigende Schluss liegt deshalb nahe, dass es auf die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland - das 1949 in Kraft getretene Grundgesetz - alleine gar nicht mehr ankommt: Ohne die Rechtsprechung des BVerfG ist die Verfassung nicht mehr verständlich.

Das Verfassungsgericht legt die Verfassung nicht nur aus, sie hat sie auch fortgebildet, zuletzt sehr deutlich im Bereich des Datenschutzes. Damit aber scheint die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zu bestimmen, was die Verfassung ist. Was der amerikanische Verfassungsrichter Charles Evan Hughes schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts sagte, gilt auch für die deutsche Verfassungslage: "The constitution is what the judges say it is."

Ein solcher Befund ist demokratietheoretisch nicht unbedenklich, lebt die Demokratie doch davon, dass der verfassungsändernde oder der einfache Gesetzes- und Verordnungsgeber die eigentliche Instanz legitimer politischer Gestaltung ist. Die Befürchtung des Marsches in den "Jurisdiktionsstaat" ist vielfach geäußert worden, ebenfalls, dass es den Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichtern in Karlsruhe an einer direkten demokratischen Legitimation durch Wahl fehle. Ein Gericht, das immer wieder Gesetze aufhebt, vermag zudem als veto player zu politischen Blockaden beitragen und dort, wo es der Legislative vorschreibt, wie ein Gesetz auszusehen habe, in Formen des judicial activism den Gesetzgeber überspielen oder gar ersetzen. Der Hüter der Verfassung wird dann zum Lenker der Politik.

Alle diese Gefahren sind nicht von der Hand zu weisen, Beispiele aus der 60-jährigen Praxis des BVerfG finden sich. Aber zugleich zeigt die Geschichte der Karlsruher Verfassungsgerichtsbarkeit, wie übrigens die anderer Länder auch, dass sich Verfassungsgerichte auch selber zu korrigieren vermögen. Sie haben keineswegs immer das "letzte Wort", auch wenn sie es, um der Vorrangstellung ihrer Institution willen, beanspruchen (müssen). In einer "offenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten" sind sie, wie auch die politischen Gewalten, der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Sie befinden sich in einem ständigen konflikthaften Dialog mit den Medien, den Bürgerinnen und Bürgern, der Legislative und Exekutive, der ordentlichen Gerichtsbarkeit im eigenen Land und zunehmend auch mit den supranationalen europäischen Gerichtshöfen.

Verfassungsgerichte wie das BVerfG "regieren" mit - auch wenn sie nur auf Antrag tätig werden können. Das ist die Logik der Verfassungsdemokratie, in welcher konstitutionelle Regeln die Demokratie beschränken, aber auch immer wieder ermöglichen. Dabei leben sie vom Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger sowie vom Anschein, nicht politisch zu sein. Das gibt ihnen die Deutungsmacht, über die grundlegenden Ordnungsvorstellungen mit dem Anspruch der Verbindlichkeit zu urteilen. Das BVerfG hat seine Rolle in den 60 Jahren seiner Existenz gefunden. Ohne das BVerfG wäre die Bundesrepublik Deutschland eine andere Republik geworden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. BVerfGE 12, 205; Rede Konrad Adenauers vor dem Bundestag, 8.3.1961, Bundestagsprotokolle, 3. Wahlperiode, S. 8308; Gebhard Müller, zit. nach: Heinz Laufer, Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozeß. Studien zum Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1968, S. 473.

  2. Vgl. BVerfGE 39, 1 (Schwangerschaftsabbruch); BVerfGE 35, 79 ("Hochschul"-Urteil); BVerfGE 36, 1 (Grundlagenvertrag); BVerfGE 40, 296 (Abgeordnetendiäten); BVerfGE 44, 125 (Öffentlichkeitsarbeit); BVerfGE 45, 1 (Haushaltsüberschreitung); BVerfGE 44, 249 (Beamtenkinder); BVerfGE 48, 127 (Wehrpflichtnovelle); Hans Vorländer, Verfassung und Konsens. Der Streit um die Verfassung in der Grundlagen- und Grundgesetz-Diskussion der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1981.

  3. Hans Schueler, Die Konterkapitäne von Karlsruhe. Wird Bonn von den Verfassungsrichtern regiert?, in: Die Zeit vom 24.2.1978; Robert Leicht, Die Obergesetzgeber von Karlsruhe, in: Süddeutsche Zeitung vom 17.4.1978; Konrad Zweigert, Einige rechtsvergleichende und kritische Bemerkungen zur Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Christian Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Tübingen 1976, S. 74; Ministerpräsident Holger Börner in einer Rede vor dem rechtspolitischen Kongress der SPD in Kassel am 21.5.1978, wiedergegeben in der Aktuellen Stunde des Hessischen Landtags vom 31.5.1978, Stenografische Protokolle des Hessischen Landtags, 8. Wahlperiode, 78. Sitzung, S. 4743.

  4. Zit. nach: Uwe Wesel, Der Gang nach Karlsruhe, München 2004, S. 244.

  5. Vgl. BVerfGE 50, 290.

  6. Vgl. BVerfGE 92, 1 (Sitzblockaden); BVerfGE 93, 1 (Kruzifix); BVerfGE 93, 266 ("Soldaten-sind-Mörder").

  7. Vgl. U. Wesel (Anm. 4), S. 315ff.

  8. Der Begriff stammt ursprünglich von Carl Schmitt. Er wurde von ihm aber auf den Weimarer Reichspräsidenten bezogen. Vgl. Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung (1931), Berlin 19964.

  9. Vgl. Georg Vanberg, The Politics of Constitutional Review in Germany, Cambridge 2005; ders., Verfassungsgerichtsbarkeit und Gesetzgebung, in: Steffen Ganghof/Philip Manow (Hrsg.), Mechanismen der Politik. Strategische Interaktion im deutschen Regierungssystem, Frankfurt/M.-New York 2005, S. 183-213.

  10. Vgl. Hans-Peter Schneider, Richter oder Schlichter? Das Bundesverfassungsgericht als Integrationsfaktor, in: APuZ, (1999) 16, S. 9-19; Roland Lhotta, Vermitteln statt Richten, in: Zeitschrift für Politikwissenschaft, 12 (2002) 3, S. 1073-1098.

  11. In der Paulskirchenverfassung von 1849 fand sich eine ähnliche Bestimmung; doch trat die Verfassung bekanntlich nicht in Kraft.

  12. Vgl. Jutta Limbach, Arbeit im Bundesverfassungsgericht, in: Verein der Richter des Bundesverfassungsgerichts e.V. (Hrsg.), Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Architektur und Rechtsprechung, Basel-Boston-Berlin 2004, S. 61.

  13. Vgl. BVerfGE 7, 198 (Lüth); BVerfGE 4, 27 (Klagebefugnis politischer Parteien); BVerfGE 8, 51 (Parteispenden); BVerfGE 20, 56 (Parteienfinanzierung); BVerfGE 85, 264 (Parteienfinanzierung); BVerfGE 12, 205 (Deutschland Fernsehen GmbH); BVerfGE 65, 1 (Volkszählung); BVerfGE 125, 260 (Vorratsdatenspeicherung).

  14. Vgl. BVerfGE 37, 271 (Solange); BVerfGE 73, 339 (Solange); BVerfGE 89, 155 (Maastricht); BVerfGE 123, 267 (Lissabon).

  15. Vgl. Robert A. Dahl, Decision-Making in a Democracy. The Supreme Court as a National Policy-Maker, in: Journal of Public Law, 6 (1957) 2, S. 279-295; Roland Lhotta, Das Bundesverfassungsgericht als politischer Akteur, in: Swiss Political Science Review, 9 (2003) 3, S. 142-153.

  16. Vgl. BVerfGE 93, 121 (Vermögensteuer); BVerfGE 99, 216 (Familienlastenausgleich); BVerfGE 100, 1 (Rentenüberleitung); BVerfGE 106, 62 (Altenpflege); BVerfGE 111, 226 (Juniorprofessur).

  17. So der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.5.2000. Vgl. auch Jutta Limbach, Das Bundesverfassungsgericht, München 2001.

  18. 1947 hatte Konrad Adenauer vom Schutz gegenüber der "Diktatur der parlamentarischen Mehrheit" gesprochen. Institut für Zeitgeschichte (Hrsg.), Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1949, Bd. 3, München-Wien 1982, S. 870.

  19. Vgl. Konrad Adenauer, Teegespräche 1950-1954, bearbeitet von Hanns Jürgen Küsters, Rhöndorfer Ausgabe, Berlin 1984, S. 365-390.

  20. Vgl. Hans Vorländer (Hrsg.), Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit, Wiesbaden 2006.

  21. Vgl. hierzu und zum Folgenden ebd., S. 9-33.

  22. Vgl. Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1952: Die Stellung des Bundesverfassungsgerichts. Gerichtet an den Bundespräsidenten, die Präsidenten des Bundestags und Bundesrats sowie die Bundesregierung, veröffentlicht am 19. Januar 1953, in: Juristenzeitung, 5 (1953) 8, S. 157f. Wiederabgedruckt in: Journal des Öffentlichen Rechts. Neue Folge, 6 (1957), S. 144-148; Dietrich Herrmann, Akte der Selbstautorisierung als Grundstock institutioneller Macht von Verfassungsgerichten, in: H. Vorländer (Anm. 20), S. 141-173; Oliver Lembcke, Hüter der Verfassung. Eine institutionentheoretische Studie zur Autorität des Bundesverfassungsgerichts, Tübingen 2006.

  23. Vgl. U. Wesel (Anm. 4), S. 76-82.

  24. Vgl. BVerfGE 2, 1 (SRP-Verbot); BVerfGE 5, 85 (KPD-Verbot).

  25. Vgl. Verankerung der Verfassungsbeschwerden im Grundgesetz. Neunzehntes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, 29.1.1969 (Änderung der Artikel 93 und 94 GG).

  26. J. Limbach (Anm. 17), S. 11, S. 14.

  27. Vgl. BVerfGE 7, 198 (Lüth); Thomas Henne/Arne Riedlinger (Hrsg.), Das Lüth-Urteil in (rechts-)historischer Sicht. Die Konflikte um Veit Harlan und die Grundrechtsjudikatur des Bundesverfassungsgerichts, Berlin 2005.

  28. Vgl. Klaus Stüwe, Die Opposition im Bundestag und das Bundesverfassungsgericht, Baden-Baden 1997; ders., Bundesverfassungsgericht und Opposition, in: Robert Chr. van Ooyen/Martin H.W. Möllers (Hrsg.), Das Bundesverfassungsgericht im politischen System, Wiesbaden 2006, S. 215-228.

  29. Vgl. Dieter Grimm, Verfassungsrechtlicher Konsens und politische Polarisierung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Peter Haungs (Hrsg.), Verfassung und politisches System, Stuttgart 1984, S. 35-42.

  30. "Der Spruch von Karlsruhe. Bonn angezählt" titelte "Der Spiegel" am 18.4.1983 nach dem "Volkszählungs"-Urteil (BVerfGE 64, 67).

  31. Vgl. Hans Vorländer, Hinter dem Schleier des Nichtpolitischen, in: Gert Melville (Hrsg.), Das Sichtbare und das Unsichtbare der Macht. Institutionelle Prozesse in Antike, Mittelalter und Neuzeit, Köln-Weimar-Wien 2005, S. 113-127.

  32. Vgl. Hans Vorländer/Gary S. Schaal, Integration durch Institutionenvertrauen?, in: Hans Vorländer (Hrsg.), Integration durch Verfassung, Wiesbaden 2002, S. 343-374.

  33. Anders entschied das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Kopftuch-Fall, BVerfGE 108, 282. Die Entscheidung, ob Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen, sollte im öffentlichen Diskurs und letztlich durch den Landesgesetzgeber gefällt werden - eine kluge Strategie institutioneller Selbstbescheidung des Gerichts, das damit Turbulenzen, wie sie nach der "Kruzifix"-Entscheidung entstanden, vermied.

  34. Vgl. Peter Graf Kielmansegg, Die Instanz des letzten Wortes, Stuttgart 2005.

  35. Vgl. Hans Vorländer/André Brodocz, Das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, in: H. Vorländer (Anm. 20), S. 259-296.

  36. Vgl. www.bundesverfassungsgericht.de/
    entscheidungen.html (2.8.2011).

  37. Charles E. Hughes, Speech Before the Elmira Chamber of Commerce (1907), in: Addresses and Papers of Charles Evans Hughes, 1906-1916, New York 1916, S. 185.

  38. Vgl. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Staat, Verfassung, Demokratie, Frankfurt/M. 1991, S. 159-199.

  39. Vgl. Christine Landfried, Die Wahl der Bundesverfassungsrichter und ihre Folgen für die Legitimität der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: R. Chr. van Ooyen/M. H.W. Möllers (Anm. 28), S. 229-241.

  40. Peter Häberle, Die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, in: Juristenzeitung, 10 (1975), S. 297-305.

  41. Vgl. BVerfGE 37, 271 (Solange); BVerfGE 73, 339 (Solange); BVerfGE 89, 155 (Maastricht); BVerfGE 97, 125 (Caroline von Monaco); BVerfGE 101, 361 (Caroline von Monaco); BVerfGE 111, 307 (EGMR-Entscheidung/Görgülü); BVerfGE 123, 267 (Lissabon).

  42. Vgl. Alex Stone Sweet, Governing with Judges. Constitutional Politics in Europe, Oxford 2002.

Dr. phil., geb. 1954; Professor für Politikwissenschaft und Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung an der Technischen Universität Dresden, Bergstraße 53, 01062 Dresden. E-Mail Link: hans.vorlaender@tu-dresden.de