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Frauenfußball - zurück aus dem Abseits

Simone Wörner Nina Holsten Simone Wörner Nina Holsten /

/ 16 Minuten zu lesen

Die Geschichte des Frauenfußballs zeigt, dass Spielerinnen mit unterschiedlichsten Klischees konfrontiert wurden. Gleich geblieben ist nur die Folie, vor der die Zuschreibung erfolgt: die Folie der Männerperspektive auf Männerfußball.

Einleitung

Unter dem Slogan "20Elf von seiner schönsten Seite" findet vom 26. Juni bis zum 17. Juli 2011 die "FIFA Frauen-Weltmeisterschaft" in Deutschland statt. Seit 2008 wird das sportliche Weltereignis vom Organisationskomitee des Deutschen Fußballbundes (DFB) unter Leitung der ehemaligen Nationalspielerin Steffi Jones vorbereitet, und die Werbung für Event, Sportart und Spielerinnen läuft auf Hochtouren. Welches Bild des Frauenfußballs ist es nun, das seit einigen Jahren von Veranstaltern und Medien in der Öffentlichkeit lanciert wird? Jones sagte dazu bei der Präsentation des Slogans: "Die Emotionen des Fußballs generell, die besondere Ästhetik und Dynamik des Frauenfußballs und die einzigartige Atmosphäre einer WM - all' diese Aspekte vereint unser Leitspruch. (...) Jeder soll dabei sein, wenn im Jahr 2011 die besten Frauen der Welt die schönste (Neben)Sache der Welt zelebrieren. In der für Frauen typischen Art und Weise: elegant, dynamisch, technisch versiert, leicht und locker ... kurzum: schön."

Hier scheint sich in den vergangenen Jahren ein fundamentaler Wahrnehmungswandel vollzogen zu haben: Das lange gepflegte Klischee der Ball tretenden "Suffragetten", "Mannweiber" oder "Kampflesben" scheint ausgedient zu haben zugunsten eines neuen Klischees der "emotionalen und schönen" Frauen, die ebensolchen Fußball spielen. Was gleich geblieben ist, ist die Folie, vor der die Zuschreibung erfolgt: die Folie der Männerperspektive auf Männerfußball.

Nach zahlreichen internationalen Erfolgen der deutschen Nationalmannschaft - sieben Europa- und zwei Weltmeistertitel, sowie dreimal olympisches Bronze in knapp 30 Jahren - bietet die Frauen-WM einen geeigneten Anlass, einen bilanzierenden Blick auf den Frauenfußball zu richten und dabei über das reine Spiel hinaus zu sehen. Dabei ist auszuloten, inwieweit sich Fußball als "eines der letzten Reservate von Männlichkeit", das seismografisch auf die Auflösung von klassischen Rollenbildern oder Geschlechtszuschreibungen reagiert, dazu eignet, die Frage nach Emanzipation anhand der Kriterien Ausgrenzung und Teilhabe, Rahmenbedingungen und gesellschaftlicher Wahrnehmung zu erörtern. Zudem soll nach der emanzipatorischen Wirkkraft speziell des Frauenfußballs gefragt werden. Denn die zurückliegenden Jahrzehnte der mehr oder minder friedlichen Koexistenz von Fußball und Frauenfußball haben gezeigt, dass diese Unterscheidung notwendig zu sein scheint, um beiden Phänomenen gerecht zu werden.

Spielstand 1900

Fußball schien lange Zeit mit unhinterfragter Selbstverständlichkeit nur ein Sport für Männer zu sein. Fußball spielende Frauen wurden als Abweichung von der Norm wahrgenommen, sie hatten sich für ihr Fußballspiel zu rechtfertigen und mit Behinderungen und Verboten auseinanderzusetzen. Das war aber nicht immer so. In Handbuchartikeln zur Entstehungsgeschichte des Fußballs ist nachzulesen, dass Frauen an den frühesten Spielformen im Mittelalter beteiligt waren. Und noch im 18. Jahrhundert wurde der vormoderne Fußball zum Vergnügen auf kirchlichen Festen von Frauen und Männern gespielt. Dabei sind sowohl Spiele von gemischten Teams überliefert als auch Spiele, bei denen Frauen gegen Männer oder Frauenteams aus unterschiedlichen Dörfern gegeneinander antraten. Im Gegensatz zu heute war das Geschlecht noch kein trennendes Kriterium für die Mannschaftsbildung.

Der moderne Fußball entwickelte sich zwischen 1750 und 1850 aus dem unregulierten Volksfußballspiel. Das Spiel wurde in England von Schulen aufgegriffen und dort durch die Festschreibung von Regeln formalisiert. Die Pädagogen sahen in ihm eine Möglichkeit, die Persönlichkeitsentwicklung von Schülern zu fördern und es auf der Basis von überregional verbindlichen Regeln auch mit der Wettkampfidee des modernen Sports zu verbinden. Frauen und Mädchen wurden zu dieser Zeit zwar noch in geringem Umfang beteiligt, Fußball war aber sowohl in England als auch später in Deutschland das Spiel, das in erster Linie für Jungen etabliert und ausgebaut wurde. Die geringe Beteiligung von Mädchen und Frauen wurde mit der Zeit immer weiter eingeschränkt, und ausgehend von der Geschlechterdifferenzierung wurden sie schließlich ganz vom Fußballspiel ausgeschlossen.

Zunächst hatte die Zahl der Fußball spielenden Frauen jedoch zugenommen. In England gründete 1894 Nettie Honeyball das erste Frauenfußballteam, und am 23. März 1895 fand ein Spiel zwischen einer nord- und einer südenglischen Frauenauswahl vor rund 10000 Zuschauern statt. Auch für den Anfang des 20. Jahrhunderts lässt sich durchaus eine Beteiligung von Frauen am Fußballspiel feststellen. Sie traten gegeneinander an, spielten in gemischten Teams oder auch gegen Männermannschaften. Dagegen war im Kampf um gleiche bürgerliche Rechte, den Nettie Honeyball als Frauenrechtlerin und Lady Florence Dixi, Präsidentin des Frauenfußballclubs und aktives Mitglied der Frauenstimmrechtsvereinigung, vermutlich auch führten, noch keine Lösung in Sicht. Erst 1918/19 wurde der Forderung der Frauenwahlrechtsbewegung in Deutschland, England und Frankreich mit der Einführung des Wahlrechts für Frauen nachgegeben.

Erster Weltkrieg - Stunde der Fußballerinnen?

Während des Ersten Weltkriegs kam der Ligaspielbetrieb der Männer fast vollständig zum Erliegen; vor allem in England entwickelte sich der Frauenfußball nun unter sehr günstigen Rahmenbedingen weiter. Es gründeten sich viele neue Frauenfußballmannschaften, und die Football Association (FA) stellte den Frauen wegen der großen Zuschauernachfrage Plätze und Infrastruktur zur Verfügung. Die Eintrittsgelder der Spiele wurden ausschließlich für wohltätige Zwecke verwendet. Das bekannteste Frauenteam dieser Zeit waren die "Dick Kerr's Ladies", die 1917 von den Arbeiterinnen einer Munitionsfabrik in Preston gegründet worden war. Sie spielten am 26. Dezember 1920 in Everton vor 50000 Zuschauern gegen die "St. Helen Ladies", im selben Jahr in Paris vor 20000 Zuschauern gegen eine französische Frauenfußballauswahl und gewannen 1922 auf einer Tour durch die USA und Kanada gegen Männerteams. Ende 1921 hatte fast jede größere Stadt in England ein eigenes Frauenfußballteam; durch den regelmäßigen Spielbetrieb kam es zu Leistungssteigerungen und Professionalisierungstendenzen.

Parallel zu dieser Entwicklung im Frauenfußball wurden Frauen verstärkt für die Erwerbsarbeit mobilisiert, um die im Krieg dienenden Männer zu ersetzen. Viele Frauen machten durch die Aufwertung der Frauenarbeit und die damit verbundene finanzielle Unabhängigkeit die Erfahrung von Freiheit. Doch die Vermutung, der Erste Weltkrieg habe die Beziehung zwischen den Geschlechtern von Grund auf umgewälzt und eine emanzipatorische Wirkung gehabt, haben Historikerinnen widerlegt.

Nach dem Krieg verwiesen die zurückgekehrten Männer die Frauen in vielen Gesellschaftsbereichen wieder auf ihren ursprünglichen Platz in der Familie zurück. Sowohl in Deutschland als auch in England fehlte es an Akzeptanz für die Erwerbsarbeit von Frauen, lediglich in Frankreich schien eine tolerantere Haltung gegenüber berufstätigen Frauen möglich zu sein. Ob dies auch den unterschiedlichen Umgang in Frankreich und England mit dem Frauenfußball erklärt, wäre zu überprüfen.

In England schuf die FA 1921 für den Frauenfußball unüberwindbare Hindernisse, indem sie ihren Mitgliedsverbänden verbot, auf ihren Plätzen Frauenfußballspiele auszutragen. Als offizielle Begründung für diese Entscheidung wurden angebliche Unregelmäßigkeiten bei den für wohltätige Zwecke bestimmten Eintrittsgeldern angegeben. In Frankreich konnten die Frauen dagegen zunächst ungehindert von Verboten Fußball spielen, gesellschaftlich stießen sie aber auch hier auf eher ablehnende Reaktionen. Im Wettbewerb um die französische Frauenfußballmeisterschaft, der bis Anfang der 1930er Jahre ausgetragen wurde, war vor allem das 1917/1918 gegründete Team von Fémina Sport Paris erfolgreich, das den Titel mehrmals gewann und auch regelmäßig eine große Anzahl Spielerinnen für die Auswahl bei internationalen Begegnungen stellte. Ende der 1920er Jahre fehlte es den Frauenfußballvereinen jedoch an Nachwuchs, das Interesse der Zuschauer ließ nach und im Zuge der Weltwirtschaftskrise stellten die Sportdachverbände die staatlichen Zuschüsse ein, die den Spielbetrieb außerhalb Paris ermöglicht hatten.

Bis zum Verbot: Anfänge in Deutschland

Der Frauenfußball hat in Deutschland keine so weit zurück reichende Tradition wie in England oder Frankreich. Als das Spiel nach Deutschland kam, fehlte es ihm zunächst generell an Akzeptanz, denn auch für Männer galt Fußball im Vergleich zum Turnen als zu kämpferisch, leistungsorientiert und undeutsch. Abhandlungen über sinnvolle Leibesübungen für Frauen kreisten während des Kaiserreiches vor allem um die Frage, wie die weibliche Gesundheit und Anmut durch sportliche Betätigung gefördert werden könne. Ein Umdenken begann erst in der Zeit der Weimarer Republik. In dieser Aufbruchstimmung kam es zum Durchbruch des Frauensports, und es gab kaum eine Disziplin, in der Frauen sich nicht versuchten.

Ab Mitte der 1920er Jahre wurde dann die Frage, ob Frauen Fußball spielen sollten oder nicht, von Männern in Sportzeitschriften mit den aus der Geschlechterdifferenz abgeleiteten körperlichen und psychologischen Argumenten diskutiert. Eine häufig wiederkehrende Begründung gegen Frauenfußball, die etwa innerhalb des Arbeiter-Turn- und Sportbundes (ATSB) angeführt wurde, war die Vorstellung, dass die Wettkampfidee mit dem weiblichen Wesen unvereinbar sei. Zugleich wurden ab Ende der 1920er Jahre in der Fußballsparte des ATSB weibliche Mitglieder aufgeführt. Die Tatsache, dass diese Fragen diskutiert wurden, lässt vermuten, dass Frauen bereits tatsächlich in einem bemerkbaren Ausmaß Fußball gespielt haben.

Aufgrund seines Namens galt bislang der Erste Deutsche Damen-Fußball-Club (1. DDFC), den Lotte Specht 1930 in Frankfurt am Main gründete, als Wiege des deutschen Frauenfußballs. Doch es ist davon auszugehen, dass Frauen bereits in den 1920er Jahren mehr oder weniger sichtbar für die Öffentlichkeit Fußball spielten. In der offiziellen Form eines Fußballvereins mit Spielen vor Zuschauern, die Lotte Specht zu etablieren versuchte, wurde dem Fußballspiel der Frauen jedoch noch mit schärfster Kritik begegnet, was unter anderem eine Ursache dafür war, dass sich der DDFC nach einem Jahr schon wieder auflöste.

Auch während des Nationalsozialismus galt Fußball als männlicher Kampfsport, der sich für Frauen nicht eigne. 1936 teilte der DFB als gleichgeschalteter Verband im Fachamt Fußball in einer Mitteilung des Fußball-Pressedienstes mit, dass Fußball zu den Sportarten gehöre, die dem Wesen der Frau nicht entsprächen.

Ein wirkliches Verbot folgte aber erst in den 1950er Jahren. Vor allem nach der von Deutschland gewonnenen Weltmeisterschaft 1954 wuchs die allgemeine Fußballbegeisterung von Männern und Frauen. Bald schon wurden ähnliche Diskussionen wie 1921 geführt, ob Fußball ein Sport für Frauen sei. So waren es neben "grundsätzlichen Erwägungen" auch "ästhetische Gründe", die den DFB dazu bewogen, auf seinem Bundestag in Berlin am 30. November 1955 einstimmig zu beschließen, "a) unseren Vereinen nicht zu gestatten, Damenfußball-Abteilungen zu gründen oder Damenfußball-Abteilungen bei sich aufzunehmen, b) unseren Vereinen zu verbieten, soweit sie im Besitz eigener Plätze sind, diese für Damenfußballspiele zur Verfügung zu stellen, c) unseren Schieds- und Linienrichtern zu untersagen, Damenfußballspiele zu leiten."

Hierbei bediente sich der DFB einer ähnlichen Strategie, wie sie die englische FA 1921 verfolgt hatte: Durch die (männliche) Kontrolle über die Plätze sollte die Kontrolle über die Fußballspielerinnen und damit deren Exklusion aus diesem Sport erreicht werden. Die Gesetzeslage in den 1950er Jahren zeigt ein vergleichbares Bild männlicher Einflussnahme: Das Gleichberechtigungsgesetz, das am 1. Juli 1958 in Kraft trat, passte immerhin das Ehe- und Familienrecht an das Grundgesetz an, in dem die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben ist (Art. 3, Abs. 2). Frauen wurde nun unter anderem die Berufstätigkeit zugestanden, allerdings unter der Voraussetzung, dass ihre innerfamiliären Verpflichtungen nicht darunter zu leiden hatten.

Wissenschaftliche Schützenhilfe fand der DFB für sein Verbot unter anderem bei Medizinern wie Albert Zapp, der - mit ähnlicher Argumentation wie sie bereits im 19. Jahrhundert vorgetragen worden war - die Schädlichkeit von Leistungssport für Frauen auf das Fußballspiel übertrug. Auch der niederländische Psychologe Fred J.J. Buytendijk diagnostizierte das Treten als typisch männlich: "Ob darum das Getreten werden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nichttreten weiblich. Im Fußballspiel zeigt sich in spielender Form das Grundschema der männlichen Neigungen und der Werte der männlichen Welt."

Bis zur Aufhebung des Verbots

Es zeigte sich rasch, dass das Verbot nur begrenzt Wirkung hatte, denn Frauenfußball fand während der gesamten Verbotszeit trotzdem statt. Vor allem in den Hochburgen im Ruhrgebiet und in Süddeutschland trafen sich Frauenmannschaften zu Begegnungen. Oftmals gingen die frauenfußballerischen Aktivitäten in den 1950er Jahren auf männliche Organisatoren zurück. Der Essener Kaufmann Willi Ruppert beispielsweise gründete 1956 den "Westdeutschen Damen-Fußball-Verband e.V.", später den "Deutschen Damen-Fußball-Bund e.V." und organisierte Länderbegegnungen einzelner Mannschaften gegen Teams aus den Niederlanden, was auf großes Publikumsinteresses stieß. Der DFB versuchte gegen diesen "Wildwuchs" vorzugehen. 1957 etwa befasste sich der Deutsche Städtetag mit einer Drohung des DFB gegenüber der Stadt Frankfurt am Main, keine größeren Männerfußballbegegnungen mehr "nach Frankfurt zu legen, wenn nicht ein derzeit angesetztes Damenfußballspiel abgesagt würde". Der Städtetag indes sah keinen Handlungsbedarf.

Gegen Ende der 1960er Jahre gab es zahlreiche Frauenfußballmannschaften, Schätzungen belaufen sich auf eine Zahl zwischen 40000 und 60000 Frauen und Mädchen, die teils verbotenerweise in DFB-Vereinen wie dem SC Bad Neuenahr oder der TuS Wörrstadt Fußball spielten oder neue gründeten, wie zum Beispiel den Frankfurter Frauenfußballverein in der SG Oberst-Schiel. Doch nicht zuletzt die Befürchtung, dass sich die Fußballerinnen einem anderen Verband anschließen könnten, bewog die DFB-Spitze schließlich dazu, ihre ablehnende Haltung zu überdenken. "In der politischen und gesellschaftlichen Atmosphäre in der Bundesrepublik nach 1968, das die Adenauerära auch kulturell beendet hatte, war angesichts sozialliberaler Reformpolitik und neuer Frauenbewegung die verbandsrechtliche Diskriminierung des Frauenfußballs nicht mehr haltbar."

Kurz nachdem im Sommer 1970 in Italien eine erste inoffizielle Frauenfußball-WM stattgefunden hatte, an der auch Spielerinnen vom SC 07 Bad Neuenahr und dem SV Illertissen für Deutschland angetreten waren, kam es am 31. Oktober 1970 auf dem DFB-Bundestag zum "Wunder von Travemünde" - die Delegierten beschlossen auf Antrag des DFB-Vorstands mit zwei Gegenstimmen, Frauenfußball zuzulassen: "a) Der im Jahre 1955 gefasste Beschluss Spiele von Frauenfußball-Mannschaften nicht zu gestatten, wird aufgehoben. b) Der DFB-Vorstand wird beauftragt, die erforderlichen Richtlinien zur Durchführung von Frauenfußballspielen aufzustellen und deren Annahme zu empfehlen."

Was auf den ersten Blick wie der gewonnene Kampf um die Teilhabe am Fußballsport scheint, entpuppt sich auf den zweiten als Fortführung von Exklusionsstrategien. Denn es durfte zwar gespielt werden, und ein geordneter Spielbetrieb wurde ebenfalls auf den Weg gebracht, aber die Regeln, nach denen gespielt werden sollte, waren Sonderregeln - "Damenregeln" eben. Diese sahen ein kleineres Spielfeld, einen Jugendball, eine kürzere Spielzeit, eine Winterpause, ein Verbot von Stollenschuhen und die Erlaubnis absichtlichen Handspiels zum Schutz vor schmerzhaften Begegnungen mit dem Ball (Schutzhand) vor. Mit der Aufhebung des Verbots wurde demnach nicht Fußball für Frauen geöffnet, sondern Frauenfußball als andere Sportart eingeführt.

Exkurs: Frauenfußball in der DDR

In der DDR war Frauenfußball nie verboten, so dass sich die Fußballerinnen der 1960er und 1970er Jahre nicht mit direkten Hinderungen, sondern eher mit Indifferenz auseinanderzusetzen hatten. Als nichtolympische Disziplin galt Frauenfußball nicht als Leistungssport, dem staatliche Fördermaßnahmen zugebilligt worden wären, sondern wurde vom DDR-Fußballverband DFV im Bereich Freizeit- und Erholungssport angesiedelt. In den 1960er Jahren gab es bereits Frauenfußballmannschaften, die häufig auf Einzelinitiativen zurückgingen und hauptsächlich in Betriebssportgruppen organisiert waren, sowie erste Schiedsrichterinnen.

In den 1970er Jahren institutionalisierte sich der Frauenfußball zunehmend, ab 1979 gab es einen über die Bezirksebene hinausgehenden Wettbewerb. Diese sogenannte Bestenermittlung entsprach einer nationalen Meisterschaft, ohne so genannt werden zu dürfen. 1989 wurde eine DFV-Auswahlmannschaft berufen, die im Januar 1990 zur ersten DDR-Nationalmannschaft wurde. Diese trug ihr erstes und einziges Spiel am 9. Mai 1990 gegen die Tschechoslowakei aus und unterlag mit 0:3 Toren.

Spielbetrieb und Professionalisierung

Nach der Einführung des Frauenfußballs sorgte der DFB rasch für einen geordneten Spielbetrieb: Bereits 1972 verzeichnete der Verband 111579 weibliche Mitglieder und 1788 Frauenteams. 1974 wurde die TuS Wörrstadt erster Deutscher Meister. Im selben Jahr schoss mit Bärbel Wohlleben erstmals eine Frau das von den Zuschauern der "Sportschau" gewählte "Tor des Monats". 1981 gewann die SSG Bergisch-Gladbach das Endspiel um den neu eingeführten DFB-Pokal der Frauen. Die Einführung der Bundesliga in der Saison 1990/1991 verlieh dem Frauenfußball einen weiteren Schub.

1981 bekam der DFB eine Einladung zur inoffiziellen Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Taiwan. In Ermangelung einer Nationalmannschaft traten kurzerhand die Deutschen Meisterinnen der SSG Bergisch-Gladbach an, die das Turnier prompt gewannen. Dieser Erfolg bewog den DFB, eine offizielle Nationalmannschaft zu etablieren, die am 10. November 1982 ihr erstes Spiel gegen die Schweiz bestritt. Es folgte ein rascher Aufstieg in die Weltspitze, 1989 schließlich der erste Europameisterschaftstitel.

Trotz oder möglicherweise wegen des frühen Erfolgs wurde die Nationalmannschaft in den 1980er und teilweise in den 1990er Jahren in der öffentlichen Beurteilung einem stetigen, entwertenden Vergleich mit dem Männerfußball unterzogen. Ein Vergleich, der zwangsläufig hinkt, da Frauenfußball in den 1970er Jahren gerade als eigene Sportart etabliert werden sollte. Thesen wie die, dass die Frauennationalmannschaft gegen eine männliche B-Jugend verlieren würde, zeugen von dem Versuch, den Frauenfußball klein zu halten. Auch konnte der Frauenfußball im Alltagsbetrieb bislang nicht aus seinem (gemessen am Männerfußball) medialen Schattendasein heraustreten. Seit den 1990er Jahren werden die Erfolge zwar gewürdigt, sind jedoch nach wie vor Randspaltenthema. Größeres Medieninteresse bleibt internationalen Turnieren vorbehalten. Ebenso sind die Spielerinnen über ihren Sport hinaus kaum präsent und können vom Profifußball bis heute nur träumen. Die Zuschauerzahlen auf den Bundesligaplätzen gehen selten über eine dreistellige Zahl hinaus.

Spielstand 2011

In Sachen Frauenfußball hat sich der DFB eindeutig "vom Old Boys Network und Männerreservat zum Modernisierer" gewandelt, der sich dessen Förderung seit den 1980er Jahren in zahlreichen Programmen wie der aktuellen Kampagne "Team 2011" auf die Fahnen geschrieben hat. Bereits 2010 hatte der DFB mehr als eine Million weibliche Mitglieder, die in 14000 Frauen- und Mädchenmannschaften spielten.

Wird nun die Frage nach Rückeroberung oder Emanzipation gestellt, so wird deutlich, dass Frauenfußball keinesfalls ein "postfeministisches Phänomen" ist, das eng mit den emanzipatorischen Fortschritten der Frauenbewegung der vergangenen 40 Jahre verknüpft ist, da er eine weit längere Tradition besitzt. Rückeroberung trifft den Kern aber auch nur teilweise, denn der Frauenfußball hat einen neuen, vom Männerfußball unterschiedlichen Weg beschritten.

Was die Motivation der Akteurinnen selbst angeht, dürfte es sich um eine Gemengelage handeln, die diesen Sport so befördert hat. Von den Vorreiterinnen selbst, den Spielerinnen der 1950er und 1970er Jahre ebenso wie den aktuellen Sportlerinnen, wird das Fußballspiel selten als bewusster emanzipatorischer Akt, sondern eher als Teil eines emanzipierten Selbstverständnisses genannt. Gleichwohl ging und geht es immer auch um das Recht auf selbstverständliche Teilhabe an einem selbst gewählten Sport. "Ich habe aus Begeisterung, mit dem Ball umzugehen, mit dem Fußballspielen angefangen. Emanzipation war für mich nie ein Thema, es ging mir um rein sportliche Gründe", sagte Bärbel Wohlleben, die 1974 das "Tor des Monats" September erzielte, kürzlich in einem Interview.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die Fußballautorin Nicole Selmer hat darauf hingewiesen, dass in der offiziellen Bezeichnung dieser Weltmeisterschaft das Wort Fußball nicht vorkommt. Männer spielen bei einer WM Fußball. Was passiert bei einer Frauen-WM?

  2. WM-Slogan 2011:20Elf von seiner schönsten Seite!, 22.4.2009, online: www.dfb.de/index.php?id=500014&tx_dfbnews_pi1[showUid]=17956&tx_dfbnews_pi1[sword]=logo%20arena%20deutschland&tx_dfbnews_pi4[cat]=167 (13.2.2011).

  3. Überblicke bieten z.B. Beate Fechtig, Frauen und Fußball, Dortmund 1995; Eduard Hoffmann/Jürgen Nendza, Verlacht, verboten und gefeiert. Zur Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland, Weilerswist 2006; Rainer Hennies/Daniel Meuren (Hrsg.), Frauenfußball. Der lange Weg zur Anerkennung, Göttingen 2009.

  4. Matthias Marschik, Frauenfußball und Maskulinität, Münster u.a. 2003, S. 405.

  5. Vgl. Gustav Bogeng (Hrsg.), Geschichte des Sports aller Völker und Zeiten, Leipzig 1926.

  6. Vgl. Allen Guttmann, Women's Sport, New York 1991, S. 47 f; David J. Williamson, The Belles of the Ball: The early History of Women's Football, Devon 1991.

  7. Vgl. Marion Müller, Das Geschlecht des Fußballs - Zur "Polarisierung der Geschlechtercharaktere" im Fußball, in: Sport und Gesellschaft, (2007) 2, S. 113-141, S. 121.

  8. Vgl. Eric Dunning, "Volksfußball" und Fußballsport, in: Wilhelm Hopf (Hrsg.), Fußball. Soziologie und Sozialgeschichte einer populären Sportart, Bensheim 1979, S. 12-18.

  9. Philipp Heineken führt gegen das von Kritikern vorgebrachte Argument, dass Fußball zu brutal sei, an, dass sich selbst die kickenden Schülerinnen "ganz wohl dabei befinden". Philipp Heineken, Das Fußballspiel: Association und Rugby, Hannover 1993 (Erstausgabe: 1889), S. 222-229.

  10. So deutet Marion Müller das Verbot der englischen Football Association von 1902, das den Mitgliedsvereinen Spiele gegen "Ladyteams" untersagte. Vgl. Marion Müller, Fußball als Paradoxon der Moderne: zur Bedeutung ethnischer, nationaler und geschlechtlicher Differenzen im Profifußball, Wiesbaden 2009, S. 71.

  11. Eine umfassende Untersuchung der Beziehungen zwischen Frauenfußball und der Frauenstimmrechtsbewegung steht noch aus.

  12. Vgl. M. Müller (Anm. 10), S. 74.

  13. Vgl. Francoise Thébaud, Der erste Weltkrieg. Triumph der Geschlechtertrennung, in: Georges Duby/Michelle Perrot (Hrsg.), Geschichte der Frauen, Paris 1995, S. 33-91, S. 52.

  14. Vgl. ebd., S. 35.

  15. Vgl. ebd., S. 61.

  16. Vgl. Fabian Brändle/Christian Koller, Goal! Kultur- und Sozialgeschichte des modernen Fußballs, Zürich 2002, S. 219.

  17. Vgl. Gertrud Pfister, Von Suffragetten, Megären und Mannweibern - Frauenfußballgeschichten im internationalen Vergleich, in: Ulrike Röger (Hrsg.), Frauen am Ball: Analysen und Perspektiven der Genderforschung, Hamburg, 2008, S. 11-16.

  18. Vgl. Dietrich Schulze-Marmeling, Fußball. Zur Geschichte eines globalen Sports, Göttingen 2000, S. 65.

  19. Vgl. Walter Huit, Soll das weibliche Geschlecht Fußball spielen?, in: Sport und Sonne, (1925) 6, S. 24ff.; Georg Bendix, Die Fußballerin, in: Die Freie Turnerin, (1925) 3, S. 3f.

  20. Vgl. Sigrid Block, Frauen und Mädchen in der Arbeitersportbewegung, Münster 1987, S. 185ff.

  21. Vgl. E. Hoffmann/J. Nendza (Anm. 3), S. 24.

  22. Vgl. Pressemitteilung des DFB vom 5.3.1936, DFB-Archiv, Frankfurt/M.

  23. Vgl. E. Hoffmann/J. Nendza (Anm. 3), S. 28.

  24. Niederschrift über den ordentlichen Bundestag des DFB am 30.7.1955 in Berlin, S. 12, DFB-Archiv, Frankfurt/M.

  25. Vgl. Dietmar Osses, Fußball, weiblich, in: Franz-Josef Brüggemeier et al. (Hrsg.), Der Ball ist rund. Die Fußballausstellung, Essen 2000, S. 298-309, S. 300.

  26. Fred J.J. Buytendijk, Das Fußballspiel. Eine psychologische Studie, Würzburg 1953, S. 20.

  27. Niederschrift über die 12. Sitzung des Sportausschusses am 10./11.7.1957 in Berlin, Landesarchiv Berlin, Signatur: B Rep. 142-09 Az.: 5-95-00-12, S. 5.

  28. F. Brändle/C. Koller (Anm. 16), S. 225.

  29. Niederschrift über den 22. ordentlichen Bundestag des DFB am 31.10.1970 in Travemünde, S. 10, DFB-Archiv, Frankfurt/M.

  30. Zum DDR-Frauenfußball mit einer Analyse der Parallelentwicklung in der Bundesrepublik erscheint 2011 die Dissertation von Carina Sophia Linne.

  31. Aufschlüsse über den möglichen Einfluss von Frauenbild und Frauenrollenverständnis im sozialistischen Staat auf den Frauenfußball bietet C.S. Linne in ihrer Dissertation (Anm. 30).

  32. Eike Emrich, Fußball und Modernisierung. Präsentation auf dem DFB-Frauen- und Mädchenfußball-Kongress 2010, online: www.dfb.de/uploads/media/PROF_EMRICH _1.pdf (11.3.2011).

  33. Vgl. Gertrud Pfister, Sport im Lebenszusammenhang von Frauen, Schorndorf 1999, S. 262

  34. Zit. nach: Anne Schmidt, 1970: Aufbruchstimmung im Frauenfußball. Eine empirische Untersuchung zur Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung der TuS Wörrstadt, unveröff. Staatsexamensarbeit, Mainz 2010 , S. 99.

M.A., geb. 1964; Kulturwissenschaftlerin und Ausstellungskuratorin, graphische werkstätten feldstraße (s.o.). E-Mail Link: s.woerner@gw-feldstrasse.de

Geb. 1965; Historikerin und Ausstellungskuratorin, graphische werkstätten feldstraße, Feldstraße 48, 20357 Hamburg. E-Mail Link: n.holsten@gw-feldstrasse.de