Migrationspolitische Veränderungen unter der Regierung Obama und im ersten Jahr der Präsidentschaft Donald Trumps
Antworten auf humanitäre Krisen
Die USA haben das größte Resettlement-Programm der Welt.[63] Der Präsident legt in Beratung mit dem Kongress und anderen Regierungsagenturen die jährlichen Aufnahmequoten fest. Diese Quoten enthalten auch Bestimmungen über Länder oder Weltregionen, aus denen Flüchtlinge aufgenommen werden sollen.[64]Während Obamas zweiter Amtszeit (2012-2016) blieb die jährliche Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme im Zeitraum 2013 bis 2015 unverändert (siehe Abbildung 4). Erst 2016 wurde sie von 70.000 auf 85.000 angehoben – im Wesentlichen als Reaktion auf die globale Flüchtlingskrise, die durch die zunehmende Zahl an Syrern, die vor Gewalt und Konflikt flohen, verstärkt wurde.[65] Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) waren bis 2017 fünf Millionen Menschen aus Syrien in benachbarte und andere Länder geflohen.[66] Unter Druck durch die internationale Gemeinschaft, sich angemessen an der Aufnahme von Flüchtlingen zu beteiligen, verkündeten die USA im September 2015, dass sie 10.000 syrische Flüchtlinge über den Weg des Resettlement aufnehmen würden [67], eine Zielmarke, die sie im Haushaltsjahr 2016 (fiscal year, FY) mit der Aufnahme von 12.587 Flüchtlingen überschritten. Insgesamt nahmen die USA 2016 84.994 Flüchtlinge auf. Die drei Hauptherkunftsländer waren die Demokratische Republik Kongo (19 Prozent), Syrien (15 Prozent) und Myanmar (15 Prozent).[68]
Die Demokraten unterstützten die Entscheidung, 10.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Menschenrechtsgruppen hielten diese Zahl allerdings für zu niedrig. Aufgrund ihrer Bevölkerungsgröße und Wirtschaftskraft könnten die USA eine größere Zahl an Flüchtlingen aufnehmen.[69] Die Republikaner missbilligten die Entscheidung zur Flüchtlingsaufnahme und plädierten stattdessen für mehr Grenzkontrollen. Sie betonten zudem die Notwendigkeit, weitere Sicherheitsmaßnahmen zu beschließen, um Terroristen unter den Flüchtlingen ausfindig machen zu können.[70] Einige Gouverneure US-amerikanischer Bundesstaaten lehnten die Entscheidung ebenfalls ab und äußerten die Sorge, dass die innere Sicherheit dadurch bedroht sei, dass Terroristen eine Möglichkeit geboten werde, in die USA zu gelangen.[71] Die Obama-Regierung hielt dagegen, dass Flüchtlinge umfassendere Sicherheitsüberprüfungen durchlaufen müssten als jede andere Person, die in die USA einreise.[72] Die durchschnittliche Bearbeitungszeit bis zur Aufnahme eines Flüchtlings kann zwei Jahre betragen.[73]
Für das Haushaltsjahr 2017 planten die USA die Aufnahme von 100.000 Flüchtlingen.[74] Diese Obergrenze wurde später aufgrund humanitärer Bedenken auf 110.000 angehoben.[75] Während diese von der Obama-Regierung vorgesehene Obergrenze die USA dazu gebracht hätte, eine größere Verantwortung beim Resettlement von Flüchtlingen zu übernehmen, wurde die Höchstzahl der im Haushaltsjahr 2017 aufzunehmenden Flüchtlinge kurz nach Donald Trumps Amtsantritt im Januar 2017 auf 50.000 abgesenkt.


Derweil erlebt der nördliche Nachbar der USA, Kanada, seit Januar 2017 einen Anstieg der Asylsuchendenzahl, die mit Berichten einer zunehmenden Zahl unerlaubter Überschreitungen der kanadischen Grenze mit den USA einhergehen.[78] Es wird angenommen, dass es sich bei den meisten kürzlich auf diesem Weg nach Kanada Eingereisten um Staatsangehörige Haitis handelt [79], denen 2010 in den USA ein temporärer Schutzstatus verliehen wurde (Temporary Protection Status, TPS) [80], der im Januar 2018 allerdings ausläuft, wodurch ihnen die Abschiebung droht.[81]
Asylsuchende aus Zentralamerika
Die Entscheidung der Obama-Regierung, die Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme für das Haushaltsjahr 2016 anzuheben, ist auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl an Asylsuchenden aus Zentralamerika zu sehen, insbesondere aus der Region des "Nördlichen Dreiecks", bestehend aus El Salvador, Honduras und Guatemala.[82] Diese Region ist von fortwährender Bandengewalt, politischer und wirtschaftlicher Instabilität sowie durch Naturkatastrophen ausgelöste Not geprägt – Faktoren, die zur anhaltenden Flucht von Einzelpersonen und ganzen Familien beigetragen haben.[83]2015 registrierten die USA die höchste Zahl an Asylanträgen (rund 83.000) seit 1996. In jenem Jahr wurden 26.124 Asylanträge entweder durch das Heimatschutzministerium oder das Justizministerium positiv beschieden, wobei die meisten der Asylantragsteller, denen Asyl gewährt wurde, aus China (23,7 Prozent), El Salvador (8,3 Prozent) und Guatemala (0,8 Prozent) kamen. Die Zahl der von Minderjährigen gestellten Asylanträge stieg 2015 gegenüber 2014 um 112 Prozent; die meisten der jungen Asylsuchenden stammten aus Guatemala und El Salvador.[84] Nach Angaben des Heimatschutzministeriums wurden erstmals 2014 und erneut im Jahr 2016 mehr Menschen aus Zentralamerika als mexikanische Staatsangehörige an der Südgrenze der USA festgenommen.[85] Statt alleinreisender Erwachsener bildeten nun unbegleitete Minderjährige und Familien die größten Gruppen derjenigen, die unerlaubt die südliche Grenze der USA überqueren wollten.[86]
Trotz eines Versprechens Obamas im Jahr 2009, die Praxis der Familienhaft zu beenden, wurde als Reaktion auf die hohe Zahl von Neuankömmlingen aus Zentralamerika ein neues Einwanderungszentrum für Familien eröffnet.[87] Kritiker protestierten gegen die strenge Durchsetzung von Abschiebungen von Zentralamerikanern während Obamas Regierungszeit.[88]
Trotz der zunehmenden Verknüpfung von Migrations- und Sicherheitspolitik unter der Obama-Regierung gab es auch Anstrengungen, auf die humanitäre Krise in der zentralamerikanischen Region zu reagieren. Eine dieser Bemühungen war das Flüchtlingsprogramm für zentralamerikanische Minderjährige (Central American Minors (CAM) Refugee program) aus dem Jahr 2014. Dieses erlaubte Minderjährigen aus Honduras, El Salvador und Guatemala, die sich für das Programm qualifiziert hatten, eine sichere und legale Möglichkeit der Zusammenführung mit aufenthaltsberechtigten Familienmitgliedern in den USA, anstatt eine gefährliche Reise in die USA unternehmen zu müssen.[89] 2016 wurden die Auswahlkriterien für das CAM-Flüchtlingsprogramm auf weitere Familienmitglieder von im Programm aufgenommenen Minderjährigen ausgeweitet.[90] Die Trump-Regierung hat das Flüchtlingsprogramm allerdings im August 2017 beendet und 2.300 Anträge von minderjährigen Geflüchteten, die auf eine Zulassung warteten, widerrufen. Interessenvertretungen von Einwanderern argumentieren, dass das Beenden legaler Einwanderungsmöglichkeiten Minderjährige dazu veranlassen wird, die lebensgefährliche Reise in die USA anzutreten, weil dies der einzige Weg für sie ist, Asyl beantragen zu können.[91]
Die Obama-Regierung hatte 2016 eine Kooperation mit Costa Rica angekündigt, um eine Transferschutzvereinbarung (protection transfer arrangement, PTA) einzurichten, die den UNHCR und die Internationale Organisation für Migration (IOM) einbezog. Im Rahmen dieser Vereinbarung sollten die gefährdetsten Asylbewerber aus der Region des "Nördlichen Dreiecks" durch die USA vorgeprüft werden. Anschließend koordinierten die beteiligten Akteure den Transfer der Bewerber nach Costa Rica, wo sie Schutz erhielten, während sie auf die Bearbeitung ihrer Anträge für die Aufnahme in den USA über das Resettlement-Programm warteten.[92]
Kuba und bilaterale Beziehungen
Neben der globalen humanitären Krise haben auch bilaterale Beziehungen die US-amerikanische Flüchtlingspolitik geprägt. Ein Beispiel ist die Aufhebung der "Wet foot, dry foot"-Politik für kubanische Flüchtlinge durch die Obama-Regierung im Januar 2017. Diese Politik bestand seit mehr als zwei Jahrzehnten und erlaubte es Kubanern, denen es gelang, unerlaubt in die USA einzureisen, eine Aufenthaltserlaubnis zu erhalten, während diejenigen, die beim Versuch der Einreise in die USA über den Seeweg aufgegriffen wurden, wieder nach Kuba zurückgeschickt wurden. Diese Politik war ein Überbleibsel des Kalten Krieges, ursprünglich eingeführt, um die hohe Zahl der Kubaner aufzunehmen, die vor Unterdrückung floh.[93] Die Beendigung dieser Politik ging mit Obamas Streben nach einer Verbesserung der Beziehungen zu Kuba einher und sollte die gleichberechtigte Behandlung aller Migranten gewährleisten. Im Gegenzug willigte die kubanische Regierung ein, abgelehnte kubanische Asylbewerber zurückzunehmen.[94] Die Reaktionen auf diesen Politikwechsel fielen gemischt aus. Unterstützer stimmten darin überein, dass zuletzt kubanische Asylsuchende vornehmlich aus wirtschaftlichen Gründen in die USA gekommen seien. Kritiker des Politikwechsels behaupteten jedoch, dass die Beendigung der "Wet foot, dry foot"-Politik Diktatoren signalisieren könnte, dass die USA Menschenrechtsverletzungen billigten. Es ist unklar, ob die Trump-Regierung die neue Politik beibehalten oder zur alten Politik zurückkehren wird.Dieser Artikel ist Teil des Länderprofils Vereinigte Staaten von Amerika.