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Wege zur diplomatischen Anerkennung

Martin Kloke

/ 7 Minuten zu lesen

Das Luxemburger Abkommen 1952, in dem die Bundesrepublik erstmals eine Verpflichtung gegenüber Israel und dem jüdischen Volk anerkannte, war in beiden Gesellschaften heftig umstritten. In den folgenden 13 Jahren gab es eine Reihe von Stolpersteinen, die die Aufnahme diplomatischer Beziehungen verhinderten.

Bedeutender Wegstein: Am 10. September 1952 unterzeichnen Bundeskanzler Konrad Adenauer (2. v. re.) und Israels Außenminister Moshe Sharett (2. v. li.) in Luxemburg das deutsch-israelische Wiedergutmachungsabkommen. (© picture-alliance / dpa)

Nach 1945 hatten die meisten Deutschen, die sich inmitten der Trümmer wieder zu reorganisieren versuchten, anderes im Sinn als Politik. Sie waren in erster Linie mit dem täglichen Überleben beschäftigt. Die ehemaligen Täter und Mitläufer, aber auch die meisten Verfolgten des NS-Regimes vermieden es, sich mit der Schoah auseinanderzusetzen. Lediglich einige christliche, linksliberale und sozialistische Intellektuelle durchbrachen das Schweigen.

Die Lage der nach Palästina eingewanderten bzw. vertriebenen Juden – ihr Aufbauwerk sowie die jüdisch-arabischen Auseinandersetzungen – rückte zu diesem Zeitpunkt noch nicht ins Blickfeld. Selbst von der Staatsgründung Israels im Mai 1948 nahm die deutsche Öffentlichkeit kaum Notiz.

Ringen um "Wiedergutmachung"


Die Publizisten Eugen Kogon und Walter Dirks gehörten 1949 zu den ersten Stimmen, die an Bundesregierung und Bundestag appellierten, "die so lange schon hingeschleppte Wiedergutmachung" einzuleiten. Ihr Ziel, bestmögliche Beziehungen zum jüdischen Volk zu entwickeln, "besonders aber mit seinem Staat in Palästina", verhallte zunächst auch in Israel ungehört. Ohne Resonanz blieb auch der Vorschlag des SPD-Politikers Carlo Schmid im Februar 1951, den Staat Israel als "Rechtsnachfolger für alle erbenlosen Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsansprüche" anzuerkennen.

Eine Wende zeichnete sich erst zwei Monate später ab. Bundeskanzler Konrad Adenauer geriet unter Zugzwang, zumal politische Kreise in Israel die Westmächte mahnten, in der Reparationsfrage Druck auf die Deutschen auszuüben. Zwar lehnten die Westmächte eine Vermittlungstätigkeit ab, doch der Kanzler bekannte sich jetzt zum Prinzip der materiellen Entschädigung zugunsten der jüdischen Gemeinschaft. Im April 1951 traf Adenauer unter strengster Geheimhaltung israelische Abgesandte, um Verhandlungen vorzubereiten. Am 27. September 1951 bekannte sich Adenauer vor dem deutschen Bundestag zu Schuld und Verantwortung des deutschen Volkes an den NS-Verbrechen sowie zu einer prinzipiellen Verpflichtung gegenüber Israel und dem jüdischen Volk. Während der Bundestag dieses Vorhaben im Nachhinein mehrheitlich begrüßte, konnte Israels Regierungschef David Ben Gurion nur unter größten Schwierigkeiten ein Mandat für die Aufnahme von Entschädigungsverhandlungen mit den Deutschen erwirken. Die schleppenden, oft kontroversen Unterredungen zwischen der Bundesregierung sowie Vertretern der jüdischen Dachorganisation Claims Conference führten 1952 zum Luxemburger Abkommen, in dem sich beide Seiten auf deutsche Zahlungen in Höhe von 3,45 Milliarden DM in zwölf Jahresraten einigten, die als kollektive Reparationen vor allem in Form von Warenlieferungen an den Staat Israel geleistet werden sollten.

Das Abkommen war umstritten: Lehnte es die innerisraelische Opposition anfangs vehement ab, aus Deutschland stammendes "Blutgeld" in Empfang zu nehmen, drohten die arabischen Staaten, den Handel mit der Bundesrepublik auszusetzen. Deutsche Kritiker inner- und außerhalb der Regierungskoalition aus CDU/CSU, FDP und DP argumentierten, Israel habe kein Recht auf Reparationen, da es während der NS-Herrschaft noch gar nicht existiert habe. Auch in der öffentlichen Meinung war das Abkommen alles andere als populär: Laut einer Umfrage des Allensbacher Instituts im August 1952 hielten 44 Prozent der Deutschen das Abkommen für "überflüssig"; nur 11 Prozent signalisierten ihre Zustimmung.

Doch Adenauer hielt an der Vereinbarung fest – aus realpolitischen und moralischen Gründen. Die christlich-liberale Koalitionsregierung stand vor einer Zerreißprobe. Nur zusammen mit den Stimmen der sozialdemokratischen Opposition konnte das Abkommen 1953 im Bundestag verabschiedet werden. Auf israelischer Seite setzte sich Ministerpräsident Ben Gurion für das umstrittene, aber wirtschaftlich unerlässliche Abkommen ein, an dessen Zustandekommen Nahum Goldmann als Präsident der Claims Conference wesentlichen Anteil gehabt hatte.

Am 30. Juli 1953 lief in Bremen der israelische Frachter "Haifa" mit ersten deutschen Warenlieferungen aus, und am 17. Februar 1955 traf das erste Frachtschiff unter deutscher Flagge in Israel ein. Diese und weitere Lieferungen waren in den 12 Folgejahren grundlegend für die Entwicklung und Modernisierung der israelischen Wirtschaft und Infrastruktur; sie dienten auch der Eingliederung von etwa 1,5 Millionen Einwanderinnen und Einwanderern. Außerdem begann Westdeutschland, Entschädigungsgelder und Renten an Überlebende der Schoah zu entrichten.

Auch die Bundesrepublik profitierte von dem Abkommen: Nach der Barbarei der NS-Zeit signalisierte die Vereinbarung aller Welt einen Neuanfang, der der Rehabilitierung Deutschlands den Weg bereiten sollte. Die Waren- und Finanzströme legten einen Grundstein für die Entwicklung eines stabilen Beziehungsgeflechts zwischen beiden Ländern – unabhängig von der politischen Eiszeit, die das bilaterale Verhältnis noch auf Jahre hinaus prägen sollte.

Mit dem Wiedergutmachungsabkommen schien der Bann des Schweigens in Deutschland gebrochen zu sein: Eine pro-israelische Grundeinstellung, zunächst vor allem in sozialdemokratischen und links-christlichen Kreisen, wurde zum Prüfstein demokratischer Gesinnung. Ab Mitte der 1950er-Jahre kamen erstmalig deutsche Studierendengruppen nach Israel, um in sozialistischen Kibbuzim den Aufbau der dortigen Landwirtschaft zu unterstützen. Sie bewunderten den linkszionistischen "Pionierstaat" Israel als ein Gegenmodell zur "restaurativen" westdeutschen Bundesrepublik. Leidenschaftlich setzten sich linksgerichtete Gruppen für eine Verständigung mit dem jüdischen Staat ein. Immer mehr junge Leute brachen nun zu Besuchen oder Arbeitseinsätzen nach Israel auf. Dem "Sozialistischen Deutschen Studentenbund" (SDS) gelang es rascher als staatlichen Stellen, Kontakte zu israelischen Partnern aufzubauen. 1957 erhielt der SPD-Vorsitzende Erich Ollenhauer auf seiner Israelreise als erster Deutscher der Nachkriegszeit die Gelegenheit zu einer öffentlichen Ansprache vor einem israelischen Publikum. Andererseits stießen die Annäherungsversuche deutscher Nichtregierungsorganisationen bei potenziellen israelischen Partnern zumeist auf Ablehnung.

Stolpersteine


Inzwischen konstatierte die israelische Seite, dass die Deutschen die "Wiedergutmachung" verlässlich erfüllten – selbst während des Sinaikrieges von 1956 gingen die Lieferungen weiter. Gleichzeitig vermochten die Israelis nicht, ihre politische Isolation im Nahen Osten zu überwinden; Verbündete waren rar gesät. So keimte in israelischen Regierungskreisen der Wunsch auf, die Beziehungen zu Europa, Asien und Afrika zu vertiefen – diplomatische Beziehungen nicht zuletzt auch mit dem "neuen Deutschland" aufzunehmen.

Doch die westdeutsche Bundesrepublik beanspruchte gegenüber der DDR einen Alleinvertretungsanspruch für ganz Deutschland – die sogenannte Hallstein-Doktrin ließ ab 1955 eine Aufnahme offizieller Beziehungen zu Israel als unvereinbar mit den deutschlandpolitischen Interessen der Bundesrepublik erscheinen. Die arabischen Staaten drohten, bei einer Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Israel das traditionell gute Verhältnis zu Westdeutschland einzufrieren und die DDR völkerrechtlich anzuerkennen. Ungeachtet dessen forderte Ben Gurion am 27. Juni 1957 die Bundesregierung erstmals öffentlich auf, "normale diplomatische Beziehungen" zu Israel aufzunehmen.

Um einen Ausweg aus ihrem Dilemma zu finden, nahmen Bonn und Jerusalem Ende 1957 geheime Verhandlungen über eine militärische Zusammenarbeit auf. Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Strauß und Staatssekretär Shimon Peres trafen mündliche Absprachen über gegenseitige Rüstungslieferungen. "Panzer statt Diplomaten" war die unausgesprochene Parole: Politische Interessen und moralische Überzeugungen schienen für die nächsten Jahre zum Nutzen beider Staaten ausbalanciert worden zu sein.

QuellentextSchwierige Durchreise

[...] Ich war dreiundzwanzig (Der Autor ist 1935 geboren – Anm. d. Red.), als ich zum ersten Mal deutschen Boden betrat, wenn auch nicht im buchstäblichen Sinne. Die Autoreise mit Freunden quer durch Europa, die ich damals unternahm, führte uns auf dem Weg nach Frankreich auf der Strecke zwischen Salzburg und Innsbruck für kurze Zeit durch bayerisches Gebiet. Es war schon spät in der Nacht, und wir hatten, wollten wir uns längere Umwege ersparen, keine andere Wahl. Wir fuhren, ohne unterwegs zu halten, bemüht, diesen Teil der Route möglichst schnell hinter uns zu bringen. Von dem Augenblick an, da wir an der Grenze deutsche Uniformen sahen, wurde im Auto kein Wort mehr gesprochen. Wir verspürten Anspannung und Beklommenheit, und obwohl es Winter war, fühlte ich mich verschwitzt, wie in feuchtheiße Tücher gehüllt. Erleichterung kam erst beim Passieren der Grenze zu Österreich auf, wir waren wie erlöst.

Die Ängste, die sich mit dieser nächtlichen Fahrt durch einen Teil Deutschlands verbanden, kamen natürlich nicht von ungefähr. Ihnen lagen Bilder und deren Eindrücke zugrunde, Gesehenes und Gehörtes, das in uns weiterwirkte, damals aber waren wir zu unwissend, um die Inkonsequenz und das Irrationale unseres Verhaltens zu begreifen. [...]

Avi Primor, "... mit Ausnahme Deutschlands". Als Botschafter Israels in Bonn, Ullstein Verlag, Berlin 1997, Seite 27
Neu erschienen: Avi Primor: Nichts ist jemals vollendet. Die Autobiografie, Köln: Quadriga Verlag 2015, 448 Seiten

Als sich am 14. März 1960 in New York Ben Gurion und Adenauer das erste Mal begegneten, widersetzte sich der deutsche Kanzler erneut dem israelischen Wunsch nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Zugleich bezifferten beide Politiker den Umfang der deutschen Waffenlieferungen auf 200 Millionen DM. Außerdem stellte Adenauer eine zehnjährige deutsche Anleihe in Höhe von jährlich 50 Millionen US-Dollar in Aussicht, vor allem zwecks wirtschaftlicher und infrastruktureller Erschließung der Negev-Wüste.

Gleichwohl blieben diese Vorboten der Entspannung nicht ohne Krisen: Der Jerusalemer Prozess gegen Adolf Eichmann, den Leiter des "Judenreferats" im NS-Reichssicherheitshauptamt, führte 1960/61 der Weltöffentlichkeit das Ausmaß der deutschen Schuld vor Augen. Er dokumentierte auch die Unzulänglichkeit der deutschen Bemühungen, NS-Täter vor Gericht zu stellen. Auf der anderen Seite wurde in Deutschland die systematische Ermordung der Juden erstmals breit in den Medien thematisiert. So paradox es klingen mag: Der Eichmann-Prozess hat Deutsche und Israelis einander nähergebracht.

1960 setzte in der Bundesrepublik eine endlos anmutende Debatte um die drohende juristische Verjährung von NS-Verbrechen ein, die in der israelischen Öffentlichkeit als Zeichen einer stillschweigenden Rehabilitierung nazistischer Umtriebe gedeutet wurde. Erst 1979 hob der Deutsche Bundestag die Verjährbarkeit von Mord endgültig auf und ermöglichte damit eine weitere Verfolgung von NS-Verbrechen – sofern die Täter noch lebten.

1962 wurde bekannt, dass eine Reihe hochkarätiger deutscher Techniker an der Entwicklung eines ägyptischen Raketenprogramms beteiligt war. Diese Nachricht schreckte Israels Öffentlichkeit, aber auch Teile der bundesdeutschen Gesellschaft in doppelter Hinsicht auf – erstens, weil bundesdeutsche Behörden die "private" Tätigkeit der deutschen Experten geduldet hatten, zweitens, weil damit die Sicherheit Israels bedroht wurde. Die Jerusalemer Regierung forderte Bonn zur Rückführung jener schon dem NS-Regime dienstbar gewesenen Wissenschaftler auf. Doch die Bundesregierung beschränkte sich 1964 auf Worte des Bedauerns und stellte materielle Anreize zur Abwerbung der Raketenspezialisten in Aussicht. Gleichwohl nahm hierzulande die Kritik an der als halbherzig gewerteten Aufarbeitung der Vergangenheit zu; die Weigerung, diplomatische Beziehungen zu Israel aufzunehmen, begriffen viele Deutsche zusehends als Skandal.

QuellentextSchwierige Durchreise

[...] Ich war dreiundzwanzig (Der Autor ist 1935 geboren – Anm. d. Red.), als ich zum ersten Mal deutschen Boden betrat, wenn auch nicht im buchstäblichen Sinne. Die Autoreise mit Freunden quer durch Europa, die ich damals unternahm, führte uns auf dem Weg nach Frankreich auf der Strecke zwischen Salzburg und Innsbruck für kurze Zeit durch bayerisches Gebiet. Es war schon spät in der Nacht, und wir hatten, wollten wir uns längere Umwege ersparen, keine andere Wahl. Wir fuhren, ohne unterwegs zu halten, bemüht, diesen Teil der Route möglichst schnell hinter uns zu bringen. Von dem Augenblick an, da wir an der Grenze deutsche Uniformen sahen, wurde im Auto kein Wort mehr gesprochen. Wir verspürten Anspannung und Beklommenheit, und obwohl es Winter war, fühlte ich mich verschwitzt, wie in feuchtheiße Tücher gehüllt. Erleichterung kam erst beim Passieren der Grenze zu Österreich auf, wir waren wie erlöst.

Die Ängste, die sich mit dieser nächtlichen Fahrt durch einen Teil Deutschlands verbanden, kamen natürlich nicht von ungefähr. Ihnen lagen Bilder und deren Eindrücke zugrunde, Gesehenes und Gehörtes, das in uns weiterwirkte, damals aber waren wir zu unwissend, um die Inkonsequenz und das Irrationale unseres Verhaltens zu begreifen. [...]

Avi Primor, "... mit Ausnahme Deutschlands". Als Botschafter Israels in Bonn, Ullstein Verlag, Berlin 1997, Seite 27
Neu erschienen: Avi Primor: Nichts ist jemals vollendet. Die Autobiografie, Köln: Quadriga Verlag 2015, 448 Seiten

Ende der Doppelstrategie


Die Hallstein-Doktrin hatte bewirkt, dass die arabischen Staaten die diplomatische Anerkennung der DDR hinauszögerten, solange sie sicher sein konnten, dass die Bonner Regierung keine offiziellen Beziehungen zu Israel unterhielt. Diesen Zusammenhang mochte ein wachsender Teil der westdeutschen Öffentlichkeit nicht länger hinnehmen: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) startete im Oktober 1964 eine Unterschriften-Kampagne für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Als kurz darauf die deutschen Waffenlieferungen an Israel aufgedeckt wurden, empörten sich auch andere zivilgesellschaftliche Initiativen über die ihrer Ansicht nach unwürdige Kompensation für die diplomatische Missachtung des jüdischen Staates.

Auch der ägyptische Staatspräsident Gamal Abdel Nasser reagierte auf die deutsche Militärhilfe für Israel und empfing im Februar 1965 den DDR-Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht zu einem Staatsbesuch in Kairo. Spätestens jetzt war der westdeutsche Alleinvertretungsanspruch auf dem diplomatischen Parkett nicht mehr haltbar. Die Bundesregierung sah sich zum Einlenken und zur Aufgabe ihrer Rechtsposition gezwungen. Damit war der Weg für eine diplomatische "Normalisierung" frei. Am 12. Mai 1965 vereinbarten Bundeskanzler Ludwig Erhard und Ministerpräsident Levi Eshkol den Austausch von Botschaftern. Zehn von 13 arabischen Staaten brachen vorübergehend ihre diplomatischen Beziehungen zur Bundesrepublik ab, wagten es aber noch nicht, die DDR anzuerkennen.

Israel berief den in Wien geborenen Diplomaten Asher Ben-Nathan zu seinem ersten Botschafter in Deutschland; die Bundesrepublik entsandte den Karrierediplomaten Rolf Pauls nach Israel. Trotz anfänglich heftiger Proteste links- und rechtsgerichteter Israelis gegen einen ehemaligen Wehrmachtsoffizier als deutschen Botschafter entwickelten sich die deutsch-israelischen Beziehungen bald in bemerkenswerter Weise.

QuellentextDDR und Israel – ein Nichtverhältnis?

Beeinflusst von Stalins "Säuberungswellen" in der Sowjetunion begann auch die SED-Führung Anfang der 1950er-Jahre damit, Schau- und Geheimprozesse gegen innerparteiliche Gegner zu führen. Die Verfolgungen richteten sich gegen vermeintliche "zionistische Agenten" in Diensten des "US-Imperialismus" und "jüdischer Kapitalisten". In Wahrheit brauchte die DDR-Regierung Sündenböcke für die gesellschaftlichen Missstände in Ostdeutschland. Der Höhepunkt der Kampagne richtete sich gegen das Politbüro-Mitglied Paul Merker, dessen einziges "Vergehen" darin bestanden hatte, sich frühzeitig für eine kollektive Entschädigung der Juden einzusetzen. Merker wurde 1950 aus dem Politbüro ausgeschlossen und 1952 verhaftet, weil er die "Verschiebung deutschen Volksvermögens" an "jüdische Kapitalisten" geplant habe. Erst im Zuge der Entstalinisierung von 1956 verbesserte sich die Situation wieder.

Doch noch jahrzehntelang betrachteten die Funktionäre des SED-Regimes den jüdischen Staat als den Gegner aller "progressiven" Kreise – als ein Land, das von der "kleinbürgerlichen Ideologie" des Zionismus beherrscht werde und trotz "formaldemokratischer" Verhältnisse die "Speerspitze des imperialistischen Lagers" bilde. Entschädigungszahlungen an Israel lehnten die DDR-Regierungen ab: "Wahre" Wiedergutmachung, so hieß es, habe die DDR mit der Errichtung eines "antifaschistischen Arbeiter-und-Bauern-Staates" geleistet; die neuen gesellschaftlichen Strukturen in der DDR hätten zur "Ausrottung von Faschismus und Revanchismus" geführt.

Vor dem Hintergrund dieses Weltbildes zeigte auch die israelische Seite kein Interesse, offizielle Kontakte zum ostdeutschen Staat aufzunehmen: Achselzuckend mussten die Israelis zur Kenntnis nehmen, dass die DDR als Teil des realsozialistischen Lagers einseitig Partei für die arabisch-palästinensische Seite ergriff. Doch wurde auch registriert, dass die DDR ihren verbliebenen Spielraum nicht zur verbalen Mäßigung nutzte; vielmehr verlieh sie ihrer antiisraelischen Agitation eine besondere Schärfe und unterstützte die PLO über viele Jahre politisch, materiell und personell – bis hin zur Durchführung von Trainingsprogrammen für palästinensische Kämpfer.

Andererseits nahm die DDR die Existenz Israels stillschweigend hin. Davon zeugen Kontakte und wechselseitige Parteitagsbesuche zwischen der SED und ihrer kommunistischen "Bruderpartei" in Israel. 1984 nahm eine SED-Delegation während einer Israelreise sogar Gespräche mit linkszionistischen Vertretern auf. Kurioserweise unterhielten beide Länder zwischen 1949 und 1990 kontinuierlich Handelsbeziehungen – selbst in den konfliktträchtigsten Jahren. Diese Kontakte bewegten sich abseits offizieller Vereinbarungen und auf sehr niedrigem Niveau – selten überschritt der jährliche Gesamtwert der Handelsgüter mehr als eine Million US-Dollar.

Spätestens mit der Maueröffnung im November 1989 war in der DDR der Weg frei für eine kritische Aufarbeitung ihrer Israel-Feindschaft: Die frei gewählte Volkskammer bekannte im April 1990 die "Mitverantwortung" der Deutschen in der DDR für "Demütigung, Vertreibung und Ermordung jüdischer Frauen, Männer und Kinder" und bekundete die Absicht, zur "gerechten Entschädigung materieller Verluste" beitragen zu wollen. Im politischen "Schuldbekenntnis" heißt es: "Wir bitten das Volk in Israel um Verzeihung für Heuchelei und Feindseligkeit der offiziellen DDR-Politik gegenüber dem Staat Israel und für die Verfolgung und Entwürdigung jüdischer Mitbürger auch nach 1945 in unserem Lande." Zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen ist es nicht mehr gekommen – mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik im Oktober 1990 war eine derartige Maßnahme selbst in symbolischer Form nicht mehr möglich.

Dr. Martin Kloke ist verantwortlicher Redakteur für die Fächer Ethik, Philosophie und Religion bei den Cornelsen Schulverlagen in Berlin. Daneben befasst er sich seit vielen Jahren mit der deutsch-israelischen sowie christlich-jüdischen Beziehungsgeschichte und hat dazu zahlreiche Beiträge verfasst.