Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung
Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Prinzip nationaler und internationaler Politik. Es zielt darauf, wirtschaftlichen Wohlstand zu ermöglichen, für sozialen Ausgleich zu sorgen und die natürlichen Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen zu erhalten.
Einleitung
Das Prinzip der Nachhaltigkeit und das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung bilden seit dem so genannten Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992, der "Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung" (UNCED), das Leitbild der internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik. Das Nachhaltigkeitsprinzip umschreibt das Bemühen der Weltgemeinschaft, allen Ländern und Völkern gleiche Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen und dabei ausdrücklich auch die Interessen nachfolgender Generationen zu berücksichtigen.Diese Interessen schließen insbesondere den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen ein, sodass nachhaltige Entwicklung als globales Politikziel nach einer Trendwende im Umwelt- und Ressourcenverbrauch der Weltwirtschaft sowie im allgemeinen Konsumverhalten verlangt. Unter dem Dach der Vereinten Nationen haben sich dazu 178 Staaten in der Rio-Deklaration über Umwelt und Entwicklung sowie in der Agenda 21 verpflichtet. Letztere ist ein Aktionsprogramm mit konkreten Handlungsempfehlungen für die Umsetzung von Nachhaltigkeit auf lokaler, nationaler und globaler Ebene. Der Preis für die weltweite Zustimmung zum Leitbild der Nachhaltigkeit ist ein hohes Maß an begrifflicher Unschärfe, das vielfältige Interpretationsmöglichkeiten zulässt und eine nahezu beliebige Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs als allgegenwärtiges politisches Schlagwort ermöglicht.
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Die Agenda 21
Die rund 400 Seiten umfassende Agenda 21 wurde im Juni 1992 in Rio de Janeiro von 178 Staaten unterzeichnet. Seither wurden nahezu weltweit Nachhaltigkeitspläne und Strategien verabschiedet oder in die Wege geleitet. Um die Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategien voranzutreiben, hat die internationale Staatengemeinschaft 2002 auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg einen zusätzlichen Aktionsplan verabschiedet, der sich auf die Kernbereiche Wasser, Energie, Gesundheit, Landwirtschaft und Artenvielfalt konzentriert und eine stärkere Beteiligung privatwirtschaftlicher Akteure vorsieht.
Steffen Bauer
Nachhaltigkeit als politische Idee
Ausgangspunkt der weltweiten Diskussionen um das Konzept der nachhaltigen Entwicklung war der 1987 unter dem Titel "Unsere gemeinsame Zukunft" vorgelegte Abschlussbericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, die nach dem Namen ihrer Vorsitzenden Gro Harlem Brundtland als "Brundtland-Kommission" bekannt wurde. Nachhaltige Entwicklung (sustainable development) wurde darin definiert als "Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können".Die Kernelemente dieses Verständnisses von nachhaltiger Entwicklung sind ein bedürfnisorientiertes anthropozentrisches Weltbild und eine Ethik, die auf Gerechtigkeit sowohl zwischen als auch innerhalb der Generationen abzielt. Unter Anthropozentrismus wird ein Weltbild verstanden, welches das Wesen und die Bedürfnisse des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Die Natur bildet die Umwelt des Menschen. Eine ethische Verpflichtung ihr gegen-über besteht nur, insoweit dies dem unmittelbaren Willen der Menschen entspricht. Demgegenüber betonen Weltbilder wie zum Beispiel Ökozentrismus und Holismus die grundsätzliche Gleichwertigkeit allen Lebens und begreifen Natur als Einheit von Mensch und Umwelt.
Unterschiedliche Übersetzungen des englischen Begriffs sustainable development lassen bereits die Vielfalt der Interpretationsmöglichkeiten erahnen. So ist im Deutschen beispielsweise von dauerhafter, nachhaltiger oder zukunftsfähiger Entwicklung die Rede.
Die Arbeit der Brundtland-Kommission wird bis heute international gewürdigt, weil sie ein wegweisendes Konzept formulierte, das weltweit eine breite Zustimmung ermöglichte. Da dieses Konzept bereits im Vorfeld der Rio-Konferenz einer breiten Öffentlichkeit zugänglich war, vermochte es die internationalen Diskussionen und Verhandlungen um die Zusammenhänge von Umwelt- und Entwicklungspolitik entscheidend voranzubringen. Dessen ungeachtet bietet aber die interpretatorische Beliebigkeit, mit der sich ein jeder den Nachhaltigkeitsbegriff zu eigen machen kann, Kritikern der Brundtland-Definition eine breite Angriffsfläche.
Begriffsgeschichte
Die Begriffsgeschichte von Nachhaltigkeit und des damit verbundenen Entwicklungskonzeptes lässt sich mindestens bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen. Bereits der schottische Philosoph David Hume (1711-1776) hat die Bewirtschaftung so genannter Gemeinschaftsgüter (common goods) und den öffentlichen Nutzen sozialer Gerechtigkeit diskutiert. Der Nachhaltigkeitsbegriff selbst wurde - ebenfalls im 18. Jahrhundert - in der deutschen Forstwirtschaft geprägt, in der ein ausgewogenes Verhältnis von Holzeinschlag und Aufforstung gesetzlich vorgeschrieben wurde.Im zeitgeschichtlichen Kontext der internationalen Umwelt- und Entwicklungspolitik bilden das 1974 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der UN-Konferenz über Handel und Entwicklung (UNCTAD) im mexikanischen Cocoyoc verabschiedete Konzept des ecodevelopment (wörtlich: Ökoentwicklung) und der 1980 vorgelegte Bericht der Nord-Süd-Kommission der Vereinten Nationen wichtige Meilensteine auf dem Weg zum heutigen Nachhaltigkeitsverständnis.
- Die Cocoyoc-Deklaration definierte den ecodevelopment-Ansatz als "ökologisch vernünftige sozio-ökonomische Entwicklung". Sie räumt der ökologischen Dimension wachstumsorientierter Entwicklungspolitik eine zentrale Stellung ein. Die Deklaration gilt als das erste zwischenstaatliche Dokument eines alternativen Entwicklungsverständnisses, das sich an der Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse und der Armutsbekämpfung orientiert.
- Dieser Ansatz wurde von der Nord-Süd-Kommission, die unter dem Vorsitz des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt tagte, aufgegriffen und weiter verfolgt. Bereits der Titel des so genannten Brandt-Berichts, "Das Überleben sichern", deutete auf das für die spätere Arbeit der Brundtland-Kommission wichtige Prinzip eines generationsübergreifenden Entwicklungsverständnisses hin.